Und die nächste Ladung Deadpool-Wahnsinn steht ins Haus: Wie schon so oft, nutzen die Macher hinter der Figur Freiheiten, die mit der Arbeit an ihr fast automatisch einhergehen. Dabei geht es nicht darum, das schon aktuelle Marvel-Universum unsicher zu machen und selbstreferenziell auch mal Kritik am Medium selbst zu üben, sondern auch mal als festgelegt geltende Ereignisse durch den Kakao zu ziehen. So sind wir mit dem Söldner mit der großen Klappe schon mal im Spidey-Run der 60er/70er gelandet und konnten uns köstlich über seine Kommentare zum Look und Feel der damaligen Zeit amüsieren.
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die vorliegende Geschichte „Back in Black„, die sich das ikonische Todd McFarlane-Zeitalter um die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft vorknöpft. Genaugenommen steigen wir genau dort ein, wo Spidey sich vom Alien-Symbionten trennt, der sich später mit Eddie Brock verbinden und diesen schlussendlich zu Venom machen wird.
Exakt hier spielt sich der Cut ab, der dieser Handlung (geschrieben von Cullen Bunn) den Deadpool-Twist verpasst, den man als Leser erwartet: Der Symbiont hat sich nämlich zunächst gar nicht wie erwartet den späteren Bösewicht, sondern unser allseits beliebtes Großmaul mit den fehlenden Tassen im Schrank geschnappt! Dabei ist er gar nicht abgeneigt sich in die Abgründe des extraterrestrischen Schleims fallen zu lassen, wobei dieser nicht erwartet hat einen sagen wir mal „etwas anderen“ Wirt zu befallen.
In ständiger Diskussion mit seinem neuen Anzug verfangen, schwanken Deadpools Gefühle für den früheren Wirt Spider-Man zwischen Vernarrtheit und Mordlust, während er sich ganz im Stil seines Vorgängers durch die Häuserschluchten New Yorks schwingt(!). Dabei laufen ihm zum einen für das Franchise typische Alien-Bösewichter über den Weg, als auch Spideys Freunde und Feinde, die sich entweder mit seiner Haut schmücken wollen (Kraven der Jäger) oder sich an diese gerne schmiegen würden (Black Cat). Hierbei wird immer wieder damit gespielt, dass Deadpool und der Netzschwinger nicht nur gerne von Lesern verwechselt werden. Aberwitzige Situationen sind damit faktisch vorprogrammiert!
Die Story macht dementsprechend sehr viel Spaß, aber vom vollmundig angekündigten 80s-Feeling habe ich soweit nichts mitbekommen. Das liegt primär am sehr modernen Zeichenstil von Salva Espin, der zeitgeistig daherkommt und damit in logischer Konsequenz keine Nostalgie erzeugen kann. Es ändert zwar nichts an der Tatsache, dass „Back in Black“ sehr unterhaltsam ist, aber ohne den passenden Kontrast fühlt sich die Handlung nach etwas sehr aktuellem an und wird damit dem angedachten Ziel nicht gerecht.
Man kann zwar ruhig zugreifen, wenn man auf den debil-derben Humor von Deadpool steht, aber eine versprochene Zeitreise bleibt uns der Titel schuldig.