[Rezension] Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 2. 1965-1966 (TASCHEN)
Als Comic-Fan und Sammler darf man sich darüber freuen, dass TASCHEN sich mit Spider-Man. Vol. 2. 1965-1966 dazu entschieden hat einen weiteren Band unter dem Banner der Marvel Comics Library zu veröffentlichen. Insbesondere als jemand, der gerne seine Titel im Regal (oder im Fall der XXL-Bände im Schrank) komplementiert, geht einem das Herz auf, wenn man dabei zusehen kann wie sich die Ikonen im Übergrößen-Format nebeneinander aufreihen. Zudem scheint mit Ehrungen wie dem Eisner Award for Best Publication Design ein Ende dieser Reihe nicht absehbar zu sein.
Wie schon beim Erstling bleibt sich der Verlag bei der Konzeption treu. Nach den 21 Heften (inkl. Specials) aus den Jahren 1963 und 1964 kann man sich nun die letzten gemeinsamen Werke zwischen Stan Lee und Steve Ditko während ihrer fünfjährigen Zusammenarbeit zu Gemüte führen, die mit Heft 38 und dem zweiten Annual 1966 ihr Ende fand. In dieser verhältnismäßig kurzen Zeit entstanden Ikonen der Comic-Kunst und des Storytellings im Allgemeinen, die sowohl aktuelle Veröffentlichungen in dem Medium als auch Spielfilme und Videogames so beeinflussen, wie kaum eine Ära des Wandkrabblers danach. Hierzu gehören die ersten Auftritte des Scorpion, Molten Man und des Crime-Masters. Einen ganz besonderen Stellenwert nimmt jedoch die „Master Planner Saga“ ein, die mit drei zusammengehörigen Heften zu den ersten Mehrteilern im Spider-Man-Universum überhaupt gehört. Vor allem Ditkos Artwork und die in dem Kontext legendäre Szene, in der die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft eine gigantische Metall-Konstruktion von seinem eingeklemmten Körper hievt, dient auch Jahrzehnte später als Inspiration für Autoren und Künstler der Branche. Nicht umsonst wird die Handlung von Kritikern immer wieder zur größten Superhelden-Geschichte aller Zeiten erklärt.
Neben den üblichen Auseinandersetzungen mit Bösewichten aus dem inzwischen bekannten Kanon des Titels, ist der zwischenmenschliche Teil derjenige, der Spider-Man aus der Masse an Cape- und Anzugträgern heraushebt. Die Verletzlichkeit eines Teenagers, der langsam in sein eigenes Leben hineinwächst, die Grenze zum Erwachsenenleben überschreitet und dabei den Unwägbarkeiten des Alltags entgegentreten muss, ist die Mischung in der sich viele Leser zur Zeit der Veröffentlichung und auch heute selbst wiederfinden. Diese Dinge nachzuempfinden ist deutlich einfacher, als zum Beispiel der Verlust beider Elternteile in einer Gasse von Gotham City. Daher nimmt die Figur seit dem Jahr 1963 eine Sonderrolle ein. In den letzten Zügen der Zusammenarbeit von Lee und Ditko erkennt man auch, dass ein gigantisches Potential ausgeschöpft wurde. Charaktere wie Gwen Stacy und Harry Osborn sowie Mary Jane Watson geben den Geschichten eine Tiefe, die sich in Fragen der Freundschaft, Liebe und zwischenmenschlichen Zerwürfnissen ergeht. Dabei ist man hier noch nicht einmal beim Status Quo der mit Mary Jane als dauerhafte Partnerin hantiert. In den 60er Jahren ist Batty Brant immer noch die Herzensdame von Peter Parker. Doch wie man es vermutlich erwartet, kann eine Verbindung dieser Art nur dramatisch enden.
Auch auf der rein haptischen und visuellen Ebene weiß dieser Band zu begeistern. Die Proportionen entsprechen den originalen Artboards (das Format in dem Comic-Künstler vor dem digitalen Umschwung arbeiteten) und die Abbildungen sind einzeln abfotografierte Seiten aus der Sammlung von Bob Bretall, seines Zeichens der Besitzer der größten Comicsammlung der Welt. Zwar wurden bestimmte Unvollkommenheiten, die der damaligen Drucktechnik geschuldet sind, korrigiert und mit modernster Retuschetechnik digital überarbeitet, aber näher an das Original (abgesehen von der Größe) wird man als Leser und Sammler nicht kommen. Um dem Ganzen das Sahnehäubchen aufzusetzen, hat TASCHEN für diese Serie ein eigenes Papier entwickeln lassen, welches Haptik und Farbwiedergabe der Originale aus den 60ern täuschend echt simuliert. Mit den zugehörigen Leserbriefen und der Werbung, die den Geschichten vorangeht, ist es wohl DAS Old-School-Leseerlebnis schlechthin, während man eigentlich ein wortwörtlich luxuriöses Buch in seinen Händen hält. Es bleibt dabei aber nicht nur bei der Reproduktion alter Hefte. Abgerundet wird Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 2. 1965-1966 nämlich von einem amüsanten Essay des britischen TV- und Radiokommentators Jonathan Ross, Originalzeichnungen, Fotos und zeitgenössischen Dokumenten aus Marvels Archiven. Man kann als Fan und Sammler kaum mehr erwarten. Doch selbst an diesem Punkt kann man das Leseerlebnis noch exklusiver gestalten. Wie schon bei den anderen Bänden der Reihe kann man zu der streng limitierten Collector’s Edition von 1.000 Stück greifen.. Beeilt man sich jedoch auch bei der regulären Fassung, darf man sich ebenfalls über eine Nummerierung freuen. Die ersten 5.000 Exemplare gelten nämlich als sogenannte Famous First Editions. Daher heißt es schon wie zuvor: Schlagt zu und ihr werdet es nicht bereuen!
Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 2. 1965-1966 Verlag: TASCHEN Sprache: Englisch Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,40 kg Seitenzahl: 626 Preis: 150 EUR