Asterix in Italien

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Offenbar hat sich bei Jean-Yves Ferri und Didier Conrad ein Rhythmus eingeschlichen, auf den sich die Fans verlassen können. Unter dem wachenden Auge von Albert Uderzo haben sich der neue Autor und Zeichner schon zum dritten Mal an die gewaltige Aufgabe gewagt, das französische Kulturerbe in Form von „Asterix“ fortzuführen.

Mit „Asterix in Italien“ wagt sich das Kreativ-Team nach einer politisch angehauchten Geschichte in „Der Papyrus des Cäsar“ nun an den Rennsport heran, der typisch für die Reihe nicht ohne Seitenhiebe auf das aktuelle Zeitgeschehen auskommt.

Trotz in dieser Hinsicht bekannter Elemente, ist doch nicht alles beim Alten. Inzwischen scheinen die neuen Macher den Mut gefunden zu haben, einen realen Bruch mit der Vergangenheit zu vollziehen. Ob dieser nun nötig ist und an der ursprünglich ohnehin hohen Qualität etwas positiv verändern kann, sei mal dahingestellt. Die erste Neuerung fällt schon beim ersten Aufschlagen des Bandes auf. Wo ist die lieb gewonnene Auflistung der Hauptcharaktere? Wo die Landkarte mit Lupe und dem kleinen, gallischen Dorf? Alles weg und für einen raschen Einstieg in die Handlung geopfert.

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Quelle: Asterix® und Egmont Ehapa Media (Softcover)

Ob diese an die Klassiker ansatzweise heran reicht, ist eine Frage, die ich unter Bauchschmerzen leider mit einem „Nein“ beantworten muss. Es geht gleich mit einem Politikum in Rom los, welches den schlechten Zustand der Straßen zum Inhalt hat (Wir wissen ja: „Alle Wege führen nach Rom“). Um von seinem vernachlässigten Verantwortungsbereich abzulenken, schlägt der zuständige Senator Lactus Bifidus vor, ein international besetztes Wagenrennen durch Italien abzuhalten, um der Welt zu beweisen, wie gut doch die römischen Straßen in Schuss seien. Begeistert von der Idee, stimmt Cäsar unter der Bedingung zu, dass der Sieg definitiv einem Römer zufallen muss, da in einem anderen Fall Lactus in eine weit entfernte römische Kolonie zwangsversetzt wird.

Zeitgleich befinden sich unsere Helden Asterix und Obelix auf dem alljährlichen Markt für Celtisches Brauchtum und Innovative Technik (CEBIT), um ihren Freund Methusalix zu einem „Zahnarzt“ zu bringen. Während Asterix dem gallischen Rentner zur Seite steht, schlendert unser Hinkelsteinklopfer mit dem festen Körperbau über den Markt, bis er einer Wahrsagerin über den Weg läuft. Diese sagt ihm eine Zukunft als siegreicher Rennfahrer voraus, die er mit dem Spontankauf eines gefiederten Wagens sogleich in Angriff nimmt. Zu allem Überfluss bekommt unsere Gruppe noch Wind von dem nun „Transcaliga“ getauftem Rennen und die Entscheidung bei diesem anzutreten ist gefallen.

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Quelle: Asterix® und Egmont Ehapa Media (Softcover)

Beim Ausgangspunkt in Modica (dem heutigen Monza) treffen die Freunde auf alte Bekannte in Form von Stellvertretern ihrer Völker. So sehen wir erneut die Goten oder Briten, sowie neue Figuren aus dem Sudan, die nun alle gegeneinander, aber schlussendlich doch nur gegen einen mysteriösen Römer, samt Grinsemaske antreten müssen. Der als geheimnisvoller Favorit präsentierte Caligarius prescht schon zu Anfang voran und lässt die anderen ratlos zurück. Damit stachelt er den Ehrgeiz seiner Konkurrenten erst recht an und entfesselt eine Rivalität unter ihnen, die sich meist in Slapstickeinlagen entlädt und Verweise auf italienische Eigenheiten (kulinarisch, geografisch usw.) beinhaltet.

Dabei wirkt das Ganze wie ein Aneinanderreihung von Witzen, die kaum etwas zum Voranschreiten der Geschichte beitragen. Die Nebenfiguren dienen währenddessen primär als wandelnde Easter-Eggs aus der Vergangenheit, die aber nicht den ursprünglichen Charme versprühen, der so typisch für Charaktere des Asterix-Universmus ist.

Dadurch entsteht ein Gefühl, dass man zwar in gewisser Weise schon ein Original in der Hand hält, aber mehr Hülle als Inhalt präsentiert bekommt. Conrads Zeichnungen wirken zwar noch einen Tick sicherer in ihrem Stil als in den letzten zwei Bänden, verzichten aber auf die unzähligen Details, die Uderzos Strich weltbekannt gemacht haben. Inhaltlich fehlt leider ebenfalls der doppelte Boden, der die Reihe eigentlich attraktiv für mehrere Altersklassen macht. Man konnte sich als Kind köstlich über gut getimten Slapstick amüsieren, der seine volle Wirkung in aufeinander aufbauenden Panels entfaltete. Als Erwachsener nahm man Nuancen wahr, die unsere moderne Gesellschaft widerspiegelten und auch mit Verweisen auf die Weltgeschichte nicht sparten. Beide Zielgruppen werden vermutlich nur zum Teil befriedigt werden, da sich „Asterix in Italien“ primär auf den Begriff des „Klamauk“ verlässt und dabei die lieb gewonnen Elemente, die die Reihe von Konkurrenten unterschied, teils über Bord wirft.

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Quelle: Asterix® und Egmont Ehapa Media (Softcover)

Es ist selbstverständlich schwierig als Nachfolger eines legendären Künstler-Gespanns den Erwartungen der Fans und Kritiker gerecht zu werden. Trotzdem ist es legitim ein Rezept einzufordern, welches über Dekaden funktioniert hat und auch heutzutage anwendbar ist. Insbesondere ist die Forderung durch die Tatsache begründet, dass die Geschichten von Goscinny und Uderzo zeitlos sind und auch nachrückende Generationen begeistern.

Alles in allem muss man daher sagen, dass „Asterix in Italien“ auf zu vieles verzichtet, um in eine Reihe mit den Klassikern gestellt zu werden. Die Story weiß durchaus zu unterhalten, bleibt aber durchgehend so belanglos, dass man Angst haben muss, den zukünftigen Bänden auf dem selben Qualitäts-Level begegnen zu müssen, weil der Absatz trotzdem stimmt. Daher kann ich Band 37 als Ergänzung der eigenen Sammlung empfehlen, muss aber als Einstieg für Neuleser dann doch auf die schon erschienenen Abenteuer verweisen.

 

David LaChapelle kommt nach Berlin!

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Es ist wieder einer dieser Tage, an denen ich wünschte mich teleportieren zu können. Wie oft ist es schon passiert, dass der TASCHEN-Verlag in die Räume seiner Flagshipstores eingeladen hat um Neuveröffentlichungen zu zelebrieren und dabei die dazu passenden Künstler im Gepäck hatte. Ob Christo, Steve Schapiro oder Peter Lindbergh – Jeder Name stellvertretend für ein legendäres Lebenswerk. Auch am 28.10. diesen Jahres darf ich neidisch gen Norden blicken, während eine weitere Koryphäe sich in Berlin die Ehre gibt.

Niemand Geringeres als der Ausnahme-Fotograf David LaChapelle wird an dem Tag von 18 bis 20 Uhr anwesend sein, um seine neuesten zwei Bildbände zu präsentieren und zu signieren. Es hätte kein besserer Zeitpunkt gewählt werden können, da mit „Lost + Found, Part I“ und „Good News, Part II“ eine fünfteilige Reihe abgeschlossen wird, die mit „LaChapelle Land“ (1996) begann, mit „Hotel LaChapelle“ (1999) fortgeführt und vor über zehn Jahren mit „Heaven to Hell“ (2006) einen vorläufigen Höhepunkt fand.

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Die glücklichen Besitzer dieses Werks können sich über eine Signatur und den Händedruck eines Mannes freuen, der es wie kein zweiter versteht Gesellschaftskritik mit Popkultur zu vermengen und dabei die Gesichter einer Armada von Prominenten vor die Linse zu kriegen. Dadurch kreiert er Motive, die uns vertraut und doch, in seiner ganz eigenen Vision, fremd erscheinen. Diese Mixtur ist es auch, die es schafft, den Zeitgeist ganzer Dekaden einzufangen und dem Betrachter als Spiegel vorzuhalten.

Dabei kriegen Käufer der finalen zwei Bände sogar die Möglichkeit, erstmalig einen Blick auf zuvor unveröffentlichtes Material zu werfen, welches es zuvor nicht mal in einschlägigen Galerien zu sehen gab, sowie erstmals in Buchform veröffentlichte Abbildungen.

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Solltet ihr wie ich kein Glück haben und am 28.10. nicht in Berlin sein, gebe ich euch zumindest die Möglichkeit den edlen vierten Band „Lost + Found, Part I im Wert von 49,99€ euer Eigen zu nennen. Was ihr dafür tun müsst, erfahrt ihr hier:

  1. Lasst ein „Like“ auf meiner Facebook-Seite
  2. Lasst ein „Like“ unter diesem auf der FB-Seite geposteten Beitrag
  3. Markiert einen Freund unter dem eben genannten Beitrag

Dadurch kommt ihr in den Los-Topf aus dem ich danach den glücklichen Gewinner ziehen werde.

Ich wünsche euch viel Glück beim Gewinnspiel und ganz viel Spaß beim schmökern!

Teilnahmebedingungen
1. Teilnahmeberechtigte
Teilnehmen kann jede(r) Volljährige, ausgenommen Mitarbeiter der TASCHEN GmbH.
Eine Teilnahme über Gewinnspiel-Agenturen oder sonstige Dritte, die den Teilnehmer bei einer Vielzahl von Gewinnspielen anmelden, ist ausgeschlossen.
2. Teilnahmemöglichkeiten
Eine Teilnahme ist nur über Facebook möglich, indem der im Text angegebene Beitrag und die Facebook-Seite von ZOMBIAC mit einem „Like“ versehen und öffentlich geteilt wird. Das Gewinnspiel erfolgt ohne Zusammenarbeit mit Facebook.
3. Teilnahmeschluss
Teilnahmeschluss ist der 27.10.2017 um 23:59 Uhr.
4. Gewinnermittlung
Der Gewinner wird per Los ermittelt.
5. Art der Gewinnbenachrichtigung
Der oder die Gewinner/in wird über eine persönliche Facebook-Nachricht schriftlich kontaktiert.
6. Veröffentlichung der Gewinner
Der Name des Gewinners wird nach seiner Ermittlung in anonymisierter Form auf zombiac.blog und der angeschlossenen Facebook-Seite veröffentlicht.
7. Der Rechtsweg
Eine Barauszahlung der Gewinne ist ebenso wie der Rechtsweg ausgeschlossen.

ÜBER: DAS LETZTE AUFGEBOT – Band 3

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Ich bin wieder da! Entschuldigt bitte die längere Abstinenz, aber die letzten Wochen haben bei mir privat sowohl Zeit als auch Nerven gekostet. Zwar denkt man sich vielleicht, dass Semesterferien die perfekte Zeit sind um zu entspannen und sich von Stress und Verantwortung abzukapseln, aber weit gefehlt.

Ein verpflichtendes Praktikum, kombiniert mit regulärer Arbeit (Miete muss bezahlt werden), resultieren in über 50 Stunden pro Woche, die ich zu keinem Zeitpunkt für mein liebstes Hobby nutzen konnte. Wochenenden fielen aus familiären Gründen regulär flach.

Wenn ich es doch mal versucht habe, endete es meistens in Erschöpfungszuständen wie Übelkeit und Kopfschmerzen, aber hey: Alles ist temporär! 😉

Nun beginnt das neue Semester und damit tatsächlich weniger Stress (klingt verrückt, ich weiß). Nach dem in der Zwischenzeit erfolgten „Rechtsruck“ im Bundestag in Deutschland und dem Nationalrat in Österreich, habe ich mit dem folgenden Band wohl den perfekten Einstieg in eine neue Phase von ZOMBIAC gewählt: Über – Das letzte Aufgebot, welches bei Panini Comics mit dem dritten Band noch tiefer in die fiktiven Geschehnisse eines zweiten Weltkriegs einsteigt, der in der vorliegenden Version wohl als „alternatives Historiendrama“ bezeichnet werden kann.

Um eure Erinnerungen bezüglich der zwei Vorgänger-Bände (Bd.1, Bd.2) aufzufrischen, möchte ich euch einen kleinen Rückblick geben. Die deutsche Wehrmacht hat einen Weg gefunden ihre Soldaten in mit übermenschlichen Kräften ausgestattete „Panzermenschen“ zu verwandeln, die mit ihrer zerstörerischen Macht hunderte „normale“ Kämpfer ersetzen können. Um den „Endsieg“ schneller zu erreichen, versorgen die Nazis darüber hinaus ihre Verbündeten in Japan mit der streng geheimen Rezeptur, die die Alliierten in Zugzwang versetzt. Diese schaffen es durch Spionage und Eigenkreationen ihre eigenen „Monster in Menschengestalt“ zu erschaffen und in die Schlacht ziehen zu lassen.

Diese wird an verschiedenen Orten des realen Kriegsgeschehens ausgetragen und findet immer wieder unterschiedliche Ausgänge, die die Story im Eiltempo vorantreiben.

Auch im dritten Band bleibt Kieron Gillen als Autor seiner Linie treu und treibt den Leser von einer Kampfhandlung zur nächsten, die dazwischen von Enthüllungen und Strategie-Plänen begründet wird. Dabei fällt einem immer wieder auf, wie sehr das Konstrukt kurz davor steht in den Bereich des Trash abzuwandern. Wegen quasi nicht existenter Bezugnahme zu den echten Verbrechen während des Weltkriegs und vollkommen übertriebener Gewaltexszesse (die auf die Kräfte der mutierten Menschen zurück zu führen sind), beschleicht einen regelmäßig ein unangenehmes Gefühl in der Bauchgegend.

Darf man so an die Thematik herangehen? Wo verläuft die Grenze zwischen Entertainment und Respekt vor den Opfern? Wo setzt man die richtigen Akzente, um darzustellen, dass die Nazis die Katastrophe des 20. Jahrhunderts zu verantworten haben?

Beides scheint für Gillen nicht ganz einfach zu sein, da man oft den Eindruck hat, dass man als Zuschauer einem Kampf des Kampfes willen beiwohnt und nicht einer Schlacht um die Zukunft der halben Welt. Insbesondere die Ideologie der Faschisten rückt fast gänzlich in den Hintergrund, während primär mit den Hauptakteuren wie Hitler, Goebbels und Co. hantiert wird. Es ist ein gefährliches Spiel, wenn man sich darauf verlässt, dass der Leser gebildet genug ist, um zu wissen, dass diese Personen unfassbares Leid verursacht haben. Natürlich hat die gesamte Reihe (auf 120 Einzelhefte ausgelegt) nicht den Anspruch ein politisches Medium zu sein, aber eine andere Akzentsetzung hätte dem Ganzen sicherlich gut getan. Zwischen den einzelnen Kapiteln merkt man Gillens Gedanken zum Schaffungsprozess durchaus an, dass ihm seine Gratwanderung bewusst ist, aber eine konsequente Umsetzung seiner Ängste vor der Grenzüberschreitung in Taten bleibt er den Lesern schuldig.

So vergisst man bisweilen, dass es sich bei „Über“ um eine veränderte Geschichtsschreibung des zweiten Weltkriegs handelt, während der Ursprung der „Panzermenschen“ und ihren Abwandlungen erklärt wird.

Es wirkt in dem Zusammenhang wie das Spiel eines vom Gesamtkonzept dieser Zeit faszinierten Teenagers, der sich zwar auf Fakten stützt, aber sich am Ende doch zu sehr in die eigene Fan-Fiction fallen lässt. Hatte man am Anfang der Reihe noch das Gefühl sich im Rahmen realer Ereignisse mit fiktivem Ausgang zu bewegen, könnten die Geschichte aktuell auch auf einem fremden Planeten spielen.

Immer wieder eingesponnene Cliffhanger lassen einen zwar weiterblättern, aber der zu Anfang hochgehaltene Gedanke zur Entstehung der Reihe verliert sich immer mehr. Ich für meinen Teil, werde „Über“ weiterhin verfolgen, hoffe aber, dass die Geschichte zur anfänglichen Stärke zurück findet und sich nicht schlussendlich in belanglosen Massakern und wild eingestreutes Namedropping verirrt, bevor sie in der Bedeutungslosigkeit versinkt.

 

Mark Millar Collection 4: Genosse Superman

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Nachdem wir Mark Millars wahnsinniges Genie in reinen Eigenkreationen wie Wanted und Kick-Ass bewundern durften und sahen wie er auch im Superhelden-Korsett mit Wolverine eine gute Figur macht, kommen Leser endlich in den Genuss das legendäre „Genosse Superman“ in der Mark Millar-Collection von Panini eingeordnet zu sehen.

Wie Fans sicherlich wissen, ist es für Autoren und Zeichner schwierig eigene Ideen in ihre Werke einfließen zu lassen, ohne von Verlagen die Pistole auf die Brust gesetzt zu bekommen. Kein Wunder, wenn bei Figuren wie Superman eine gigantische Maschinerie im Hintergrund läuft, die nur darauf bedacht ist, die breite Masse an Lesern zufrieden zu stellen.

Um dabei nicht als reine Fabriken ohne real kreativen Output zu gelten, wird den Kreativen manchmal ein kleines Fenster in die „Elseworld“ geöffnet, in der sie sich fast gänzlich nach Belieben austoben dürfen und der Fantasie keine Grenzen setzen müssen. So ein Fall liegt auch hier vor. Wie der Titel schon mehr als deutlich zu verstehen gibt, erleben wir den Mann aus Stahl nicht als Vertreter der „Stars and Stripes“, sondern Hüter von Mütterchen Russland oder genauer gesagt der Sowjetunion unter Stalin. Wie kommt es dazu?

Wie Mark Millar mal selbst anmerkte, brauchte es eventuell nur einen späteren Zeitpunkt des Eintritts der Rettungskapsel in die Erdatmosphäre mit dem kleinen Kal-El an Bord, um die Weltgeschichte neu schreiben zu müssen. Wie in einem Spiegelbild des uns bekannten Universums, wird der Kryptonier nicht von Farmern in Kansas, sondern von Bauern in der Ukraine großgezogen. Hier erfährt er ebenso die Liebe einer Familie und stellt seine Kräfte im Erwachsenenalter primär dem Wohle der Menschheit zur Verfügung und erst im zweiten Schritt dem Staat. Das Zünglein an der Waage ist jedoch der Wille Stalins den Stählernen offiziell in den Dienst der UdSSR zu stellen, was Superman gerne annimmt und damit parallel den Zorn der Führungsriege auf sich zieht.

Solche Momente machen unter anderem den Reiz der Geschichte aus, die von jedem anderen Autoren in eine klischeehafte „die bösen Russen/die guten Amerikaner“-Storyline gepresst worden wäre. Millar schafft es jedoch Grautöne einfließen zu lassen, die den brutalen Zwang und die Entbehrungen eines Lebens unter sowjetischer Herrschaft nicht verharmlosen, die Idee des Kommunismus und die Feindschaft mit den USA aber auf eine Ebene jenseits von Propaganda-Schlachten hieven.

Verstrickungen beider Seiten in Machenschaften abseits moralischer Überlegungen und Ausflüge in philosophische Sphären der Moral, tun ihr Übriges um eine ausgewogene Erzählung zu ermöglichen. Als Sahnehäubchen werden reale politische Umstände verändert. Ein Faktum, welches selten in Veröffentlichungen aus dem Haus DC fließt und darum umso mehr hervorzuheben ist. Ein erschossener Nixon, ein mit Marilyn Monroe liierter JFK, sowie ein ihm nachfolgender Lex Luthor bilden dabei nur den äußeren Rahmen einer mit unzähligen Referenzen gefüllten Geschichte.

Auch innerhalb des Kontinuums wird ordentlich der Löffel gerührt, wenn Batman als Rächer im Untergrund gegen das sowjetische Regime kämpft und dabei den ein oder anderen Nachahmungstäter inspiriert, Wonder Womans Sippschaft zumindest anfangs mit Stalin paktiert und Green Lanterns Kräfte einen militärischen Twist spendiert bekommen.

Verdammt ambitioniert und doch erstaunlich funktionsfähig. Es ist immer gefährlich mit realen geschichtlichen Ereignissen zu hantieren, wenn der ursprüngliche Gedanke um eine Figur keine (offen) politischen Färbung hatte. Mark Millar hat sich getraut dort anzusetzen und genau deswegen dürfen wir uns über eine der besten Superman-Storys aller Zeiten freuen, die wohl leider erst außerhalb der üblichen Geschehnisse angesiedelt werden musste, damit sie durchgewunken werden kann. Wenn man so eine spannende und intelligent gestrickte Handlung liest, kommt man nicht umhin den Verlag für seine vorsichtige Herangehensweise zu verfluchen, doch solange regelmäßig ein solcher Diamant auf den Markt geworfen wird, halte ich noch die Füße still. (Einen ähnlichen Weg scheint übrigens auch die DC-Filmsparte eingeschlagen zu haben. So wurde offiziell bestätigt, dass in Zukunft One-Shots außerhalb des Cineverse veröffentlicht werden, an denen sich Regisseure fast nach Belieben austoben dürfen.)

Als Bonus (wie bei all den anderen Collection-Releases) dürfen wir uns über Konzeptzeichnungen und Sketche freuen, sowie einem Vorwort von Tom Desanto, seines Zeichens Regisseur der ersten beiden X-Men-Filme. Alles in allem bekommt ihr damit ein Paket geschnürt, welches sich zum einen als Hardcover wunderbar im Regal macht und zum anderen ein Muss für jeden Comic-Leser darstellt. Auch ich bin kein großer Fan des Boyscouts in blau, wurde aber ab der ersten Seite überzeugt. Also nichts wie hin zum Comic-Shop eures Vertrauens!