[Rezension] Ai Weiwei (TASCHEN)

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Es gibt da diesen Spruch, der besagt, dass der Unterschied zwischen Kunst und Abfall eine Meinung ist. Diese Sichtweise wird vermutlich durch die sogenannte „moderne Kunst“ gespeist, die sich außerhalb der Norm bewegt, die die Gesellschaft als „wertvoll“ oder nachvollziehbar erachtet. Wenn man in eine entsprechende Pinakothek geht, steht man tatsächlich oft vor bestimmten Werken und weiß nichts mit ihnen anzufangen, da der Kontext einfach aus dem Stegreif nicht zu erschließen ist. Hierfür wird viel Hintergrundwissen benötigt, welches insbesondere über mehrere Kreative hinweg nicht immer vorhanden ist.

Eine Ausnahmeerscheinung bildet dabei der wohl berühmteste zeitgenössische Künstler Ai Weiwei. Der Chinese, der sich nicht auf eine bestimmte Richtung in der Gestaltung seiner visualisierten Aussagen festlegen will, hat trotz jahrzehntelanger Teilhabe am Geschehen in der Szene, vor allem durch seine Aktionen als Dissident international Aufmerksamkeit erregt. In einem Blog und über soziale Medien verbreitete er seine Kritik an der Regierung und bekam als Quittung eine Haftstrafe, die ihn komplett von der Außenwelt abschnitt. Während dieses Zeitraums landete sein Name regelmäßig in namhaften Publikationen, die ihn einem großen Publikum bekannt machten. Natürlich fand er schon zuvor Erwähnung. Vor allem das als „Vogelnest“ bekannte Stadion zu den Olympischen Spielen in Peking blieb in kollektiver Erinnerung.

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Dementsprechend ist der Name inzwischen zwar in aller Munde, aber konkrete Projekte des Künstlers sind bis dato nur einem entsprechenden Klientel bekannt, welches zwar über die üblichen Verdächtigen hinaus geht, aber der breiten Masse leider immer noch keine Assoziation mit Ai Weiwei erlaubt. Nachdem vor geraumer Zeit bei TASCHEN schon eine limitierte Fassung der Monografie zu diesem Band erschien (entweder signiert und in Seide eingeschlagen oder mit einem Buchständer aus Marmor(!)), kommen nun auch Interessenten mit etwas weniger Budget in den Genuss des Buches.

Dieses steht vom Umfang her, dem imposanten Schaffen des Künstlers in nichts nach. Auf 600 Seiten bekommt man einen Einblick in das Gesamtwerk der Ausnahmeerscheinung. Angefangen bei Malereien und kleineren Installationen in New York bis hin zu den gigantischen Bauten, die nach Weiweis Rückkehr in seine Heimat zu seinem Markenzeichen wurden, wird nichts ausgelassen. Das diese Aussage keine Übertreibung ist, kann man selbst am Ende anhand eines Registers überprüfen, welches neben der Biografie und einer Liste der bekannten Ausstellungen auch eine Auflistung aller Werke des Künstlers beinhaltet.

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Seinen prestigeträchtigen Projekten wird gebührend viel Platz eingeräumt, die auf ganzseitigen Abbildungen ihre ganz eigene Faszination entfalten und die Fantasie des Betrachters anregen. Installationen wie „Sunflower Seeds“, bei denen 100 Millionen handbemalte(!) Sonnenblumenkerne aus Porzellan das Greifbare sprengen, zeugen eventuell von einem gewißen Wahnsinn, während Projekte wie „Straight“ an den Moralvorstellungen und dem Obrigkeitsverständnis der Chinesen rütteln. Hierbei wurden verbogene Stahlstangen aus den zerstörten Häusern in Sichuan (ein gewaltiges Erdbeben verwüstete Teile der Stadt im Jahr 2008) herangeschafft, um diese gerade zu biegen und in eine bestimmte Reihenfolge auszulegen. Im ersten Moment nur ein imposanter Anblick, der einem mulmigen Gefühl weicht, nachdem einem bewusst wird, dass mehrere tausend Menschen aufgrund von Bestechung und Vetternwirtschaft sterben mussten. Die Gebäude wurden mit mangelhaftem Baumaterial ausgestattet. Insbesondere die Schulen in dem Gebiet waren betroffen und mussten infolgedessen mehr als 1000 verstorbene Kinder beklagen. Im Zuge einer parallel laufenden Recherche nach den Namen der Toten, da die Regierung keine Liste herausgeben wollte, bekamen sowohl Ai Weiwei als auch sein Team die Härte des Staates sowohl auf psychischer als auch physischer Ebene zu spüren. Allein diese Geschichte verdeutlicht den brisanten politischen Aspekt an der Arbeit des Künstlers. Viele seiner Werke nehmen Bezug auf aktuelle Ereignisse in seinem Heimatland oder das Verhalten der herrschenden Klasse gegenüber der Bevölkerung. Das hat ihm lokal viele Feinde und international umso mehr Anhänger beschert.

Weitere Themen, die er nicht ausspart sind der Konsum (beispielhaft ist die Foto-Serie um die „Coca-Cola Vase“), zerstörtes Kulturerbe und chinesische Identität („Template“, ein gigantisches Konstrukt aus Türen abgerissener Tempel und „Fairytale“, das Einfliegen von 1001 Chinesen aus verschiedensten Milieus auf die Documenta 2007, auf der beide Projekte präsentiert wurden). All diese Motive ziehen sich bis heute durch sein Schaffen und erinnern den Betrachter, dass Kunst mit und ohne offensichtlicher Aussage einen grundlegenden Zweck erfüllt: das Anregen von Gedanken und damit Ideen. Ob diese eine kulturelle, sozial relevante oder nur unterhaltsame Komponente haben, bleibt dem Individuum überlassen. Trotzdem bleibt Ai Weiwei ganz Exot, da ihm für seine ambitionierten Ideen, die finanziellen Mittel für die entsprechende Umsetzung zur Verfügung stehen. Das macht die Ergebnisse im Vergleich zu anderen beeindruckender in ihrer Wirkung, kompensiert damit aber keinesfalls potentiell billige Ideen oder nutzt Effekthascherei.

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Strukturiert wird das Buch dabei in chronologischer Reihenfolge durch Kommentare des Künstlers zu einzelnen Werken. Dazwischen kommt man in den Genuss andere Blickwinkel kennen zu lernen, da langjährige Wegbegleiter Ai Weiweis ebenfalls zu Wort kommen. Unter anderem Uli Sigg, ehemaliger Schweizer Botschafter in China, Roger M. Buergel, Kurator der documenta 2007 und die Experten für chinesische Kultur und Politik Carlos Rojas, William A. Callahan und James J. Lally. Jeder hat etwas interessantes zum Entstehungsprozess vieler Installationen beizutragen und gewährt damit eine noch intensivere Auseinandersetzung mit den abgebildeten Kunstwerken. Ein weiteres erfreuliches Detail ist, dass viele der Bilder noch nie zuvor veröffentlicht wurden. Im Klartext bedeutet es, dass man als Leser indirekt der Entstehung zahlreicher Konstrukte beiwohnen kann.

Zunächst könnte man denken, dass die pure Masse an visuellen Eindrücken erschlagend wirken kann. Persönlich habe ich jedoch festgestellt, dass ich mit jeder Seite begeisterter und interessierter den Werdegang Ai Weiweis anhand seiner Arbeit verfolgt habe und tagelang über kaum etwas anderes reden, geschweige denn denken konnte. Dieses Buch eignet sich perfekt um seine eingerostete Begeisterung für moderne Kunst wieder zu beleben oder sogar absolute Laien an die Materie heran zu führen. In meinem Fall hat diese Monografie einen ganz besonderen Platz in meinem Schrank verdient, aus dem ich sie immer wieder gern hervor hole um mich in die abstrakten und zeitgleich doch in der Realität verwurzelten Bilder fallen zu lassen.

Ai Weiwei
Verlag: TASCHEN 
Herausgeber: Hans Werner Holzwarth
Sprache: Deutsch 
Format: Hardcover, 25 x 33,4 cm 
Seitenzahl: 600
Preis: 60 EUR

Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-73

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Anfang diesen Jahres verstarb eine der schillerndsten Figuren des Pop, die das letzte Jahrhundert hervorgebracht hat. David Bowie, Vorbild und Inspiration für Musiker über alle Genre-Grenzen hinweg. Während sich einige Bands musikalisch an seinem Schaffen orientierten, ebnete der Brite auch visuell anderen Legenden den Weg.
Im absoluten Mainstream erschuf sich Lady Gaga immer wieder aufs Neue und passte in diesem Zuge ihre Optik auf mehr oder minder kreative Weise an. Die deutlichsten Anleihen finden wir jedoch bei Marilyn Manson, der sich am offensichtlichsten bei Bowies frühen Auftritten bediente. Ob es sich um die rasierten Brauen, die verschiedenen Augenfarben (bei Bowie von Natur aus, bei Manson durch eine milchige Linse) oder verwendeten Symbole (Ziggy Stardust vs. Antichrist Superstar) handelt ist irrelevant, wenn man sich das Gesamtkonstrukt als Verneigung vor einem Genie vorstellen darf. In jedem Fall, sieht man den Einfluss, den der Mann über Jahrzehnte hinweg auf die gesamte Branche ausübte.
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Den Anfang dieses Prozesses oder eher gesagt den Beginn der explosionsartigen Karriere Bowies fing der ebenfalls namhafte Fotograf Mick Rock ein, der als ständiger Begleiter, Video-Regisseur und Freund an der Seite des Musikers stand und damit den Aufstieg von Ziggy Stardust (eines der viele Alter Egos und Kunstfiguren David Bowies) dokumentierte. Damit fing auch Rocks unglaubliche Karriere an, die Lou Reed, Iggy Pop, die Ramones, Queen oder die Sex Pistols im Portfolio umfasste und damit das Bild ganzer Generationen definierte.
Um die Masse an ikonenhaften und teils bisher unveröffentlichten Aufnahmen den Fans zugänglich zu machen, brachte der TASCHEN-Verlag im letzten Jahr den Foto-Band „Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-73“ heraus, den man typisch für die Unternehmenspolitik zunächst in limitierter Auflage anbot. Diese kam aber nicht von ungefähr: die 1.972 Exemplare wurde allesamt von Rock und Bowie handsigniert. Davon konnte man wiederum 200 Versionen mit einem signierten Pigmentdruck erwerben. Die Preise waren dementsprechend einem Segment zuzuordnen, welchem sich der Normal-Verdiener vermutlich nicht mal nähern würde. Trotzdem war es nicht weiter verwunderlich, dass nach Bowies Tod alle Exemplare restlos vergriffen waren. Nur noch wenige sind in den TASCHEN-Stores verfügbar und in ihrem Wert gestiegen.
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Nun haben auch alle Anhänger mit kleinerem Budget, die Möglichkeit sich die Bilder im XL-Format zu Gemüte zu führen. Seit diesem Monat liegt nämlich die „Standardausgabe“ der Buchs aus, welches inhaltlich keinen Unterschied zu den großen Brüdern aufweist. Man findet beim Aufschlagen des Werks wirklich alles was das Fan-Herz begehrt. Angefangen bei Konzert-Aufnahmen, die im Vergleich zu späteren Verhältnissen ein geradezu winziges Publikum zeigen, Standbilder aus Promofilmen und Musik-Videos, private Abbildungen (beim Schlafen, essen, umziehen) und Fotos für die Ewigkeit, auf die auch in Zukunft zurückgegriffen wird, um den Urknall des Glam zu visualisieren.
Eingeleitet werden die einzelnen Bildreihen von Überschriften in Form der Titel des damals erschienenen Albums „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“. Diese geben mit einem kleinen Lyrics-Zitat jeweils eine Grundstimmung vor, die das gesamte Buch angenehm strukturiert und es dadurch nicht zu einem Sammelsurium verkommen lässt.
Dem wird noch eine wunderbare Einleitung samt Interview mit dem Fotografen vorangestellt, die den Werdegang der beiden Männer nachzeichnet und eine Perspektive der Protagonisten bietet, die den aufkommenden Erfolg hautnah miterleben und vor allem gestalten durften. Dabei werden Einblicke in eine Zeit gewährt, die eine Jugendkultur erst ermöglicht und heute als Alltag angesehene Grenzen definiert hat, indem alte Barrieren niedergerissen wurden. Als jemand, der weit nach dieser Ära das Licht der Welt erblickt hat, beschleicht mich tatsächlich eine Art Wehmut, so etwas nicht selbst erfahren zu dürfen.
Im Gesamten kann man diesen Band wirklich jedem ans Herz legen, der sich als Fan des legendären David Bowie bezeichnet. Eine vergleichbare Sammlung aus der Zeit des Ziggy Stardust und damit dem Beginn einer unvergleichbaren Karriere, wird man kein zweites mal finden. Für alle anderen können die handwerklich perfekt in Szene gesetzten Motive ein Anreiz sein, sich an die Musik des Künstlers heranzuwagen und sich selbst von der Legitimation seines Erfolgs zu überzeugen.
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Love Addict

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Vor ein paar Jahren war der legendäre Zeichner Robert Crumb zu Gast beim Münchner Comicfestival und all jene die sein Werk nicht kannten, waren vermutlich leicht verblüfft als sie seine Bilder sahen. Hier saß nun dieser träumerisch wirkende alte Mann und als Kontrast waren da diese Bilder, die alle möglichen Sex-Fantasien eines Nerds repräsentieren. Das typische Motiv ist dabei der unattraktive Eigenbrötler, dem eine in allen physiognomischen Merkmalen übertriebene Frau gegenübersteht. Ein auf Papier gebannter Wunsch nach körperlicher Nähe ohne Verpflichtungen, aufgeladen mit der Angst der Abweisung. Das machte Crumb besonders und genau diesem Stil blieb der Mann über Jahrzehnte hinweg treu. Das Problem daran war und ist der oft fehlende Bezug zur aktuellen Generation an „Liebe“ suchenden Außenseitern. Seine Motive sind den 60ern entsprungen und wirken auch heutzutage noch wie aus der Zeit gefallen.

Zwar ist der Wunsch des Underdogs nach sexueller Zuneigung natürlich gleich geblieben, aber die Umstände haben sich insbesondere in den letzten Jahren extrem gewandelt. Apps wie „tinder“ verändern das „Balzverhalten“ der Menschen zu einer bizarren Form des Einkaufserlebnisses. Fleischbeschau wäre noch nett ausgedrückt. Genau in dieses Umfeld schickt der gebürtige Israeli Koren Shadmi seine Hauptfigur K. (Kafka lässt grüßen). Der Gute wurde von seiner Freundin verlassen und gerät in ein schwarzes Loch, welches Männer, die Probleme haben Frauen anzusprechen nur allzu gut kennen. Frustration, Selbstzweifel und der Sex ist schon so lange her, dass man sich fast an den Zustand gewöhnt hat. Genau zu diesem Zeitpunkt kommt K.s Mitbewohner Brian ins Spiel, der ihn auf die Plattform „Lovebug“ aufmerksam macht. Diese ist im Endeffekt das selbe wie „tinder“ und lässt unseren Helden in die unverbindliche Welt der (auf Sex zumindest ausgerichteten) Dates des 21. Jahrhunderts abtauchen.

Zunächst geht er unbedarft an die Sache heran, verhält sich eher ungewöhnlich für solche Arrangements und trifft entsprechend seltsame Gestalten. Diejenige, die sich noch am ehesten der Sparte „normal“ zurechnen lassen, sind jedoch von seiner nerdigen Aura angetan. Nach mehreren Anläufen fängt er an das Spiel zu verstehen und entwickelt etwas wie Kalkül bei den Treffen mit Frauen. Plötzlich werden aus interessanten Gesprächen komplett auf Sex-Dates zugeschnittene Dialoge, die nur ein Ziel verfolgen. Teilweise werden sogar Phrasen auswendig gelernt, Namen verwechselt und der kleine Freundeskreis wird dank ständig wechselnder Begleitung verwirrt. Er entwickelt sogar ganze Pläne vom ersten Kontakt, über die Hinführung zu bestimmten Orten bis zum großen Finale im Bett. Um diesen Zustand zu verdeutlichen, werden die einzelnen Kapitel mit immer größer werdenden Zahlen in Bezug auf realisierte Treffen überschrieben, Namen der Gespielinnen kommen einem mit der Zeit vor wie Dekor und mit wenigen Ausnahmen rückt der Charakter so weit in den Hintergrund, dass nur noch der Körper als funktionelle Hülle übrig zu sein scheint.

Damit wird auf eine gelungene Art und Weise die Gefühlswelt des K. bzw. die Wahrnehmung seiner Umwelt auf den Leser übertragen, der jedoch das Glück hat als Beobachter noch den Unterschied zwischen Spaß und egoistischer Befriedigung der eigenen Lust zu erkennen. Diese Grenze scheint die Hauptfigur nämlich mit fortschreitendem „Erfolg“ immer öfter zu streifen und in einem Fall sogar beinahe zu übertreten. Ein Punkt, der ihn seine bis dato absolvierte Odyssee überdenken lässt, den Leser aber schlussendlich doch im unklaren lässt, ob die Abwendung von seiner Sucht endgültig oder nur eine Phase ist. Ein insgesamt sehr starker Story-Bogen, der trotz offenem Ende einen zufrieden die letzte Seite umblättern lässt. Dafür sind vor allem die vielen witzigen Situationen verantwortlich, die das im Kern unappetitliche Thema der aktuell grassierenden Vermittlungsplattformen treffend umschreiben und ein deutliches Statement dazu setzen. Eine wirklich runde Geschichte, die ohne Hänger durchgehend zu unterhalten weiß.

Koren Shadmi übernimmt dabei neben dem Autoren-Teil auch die Aufgabe der Visualisierung seiner Ideen. Hier lehnt er sich teils sehr deutlich an den zu Anfang erwähnten Robert Crumb an, der viel mit Schraffur arbeitet und damit seine Figuren extrem plastisch wirken lässt. Während eines Kapitels besucht K. sogar mit einer Bekanntschaft eine Ausstellung des Künstlers. Es folgt selbstverständlich eine Bett-Geschichte, die aber insbesondere bei der dargestellten Frau keinen Zweifel an der Inspiration durch den alten Meister lässt. Trotzdem behält sich Shadmi eine Eigenständigkeit bei, die ihn vor einer Degradierung zu einer simplen Kopie bewahrt. Körpersprache und Mimik der Charaktere wirken durchwegs lebendig und dem Thema entsprechend passend in Szene gesetzt. So wird Verzweiflung und Komik gleichermaßen Rechnung getragen, die beide Grundbausteine dieses Werks sind.

Alles in allem handelt es sich bei „Love Addict“ um eine Pflichtanschaffung für alle Fans der Crumb-Charaktere, Nerds mit „Träumen“ und alle, die sich gepflegt durch eine Graphic Novel unterhalten lassen wollen, die diesen Namen allemal verdient.

Hier könnt ihr euch das Buch besorgen.

Spawn Origins Collection – Band 7

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Einer meiner ersten Ausflüge in den Bereich der Comics für Erwachsene war „Spawn“. Vor ungefähr 15 Jahren hatte ich das erste mal eines der Hefte in der Hand, die zum damaligen Zeitpunkt noch monatlich erschienen. Inzwischen ist man zu broschierten Ausgaben übergegangen, die gleich vier US-Hefte auf einmal beinhalten. Zwar muss man nun etwas länger auf sie warten, dafür gibt es aber eine richtig große Ladung an Anti-Helden-Stoff.

Für diejenigen, die die Figur nicht kennen sollten, möchte ich kurz erklären worum sich die seit Anfang der 90er laufende Geschichte dreht. Erstmal zum Ursprung. Spawns Erfinder Todd McFarlane genoß einen legendären Ruf und konnte vor allem als Spider-Man-Zeichner und Autor eine gehörige Portion Ruhm einfahren. Sein extrem detailverliebter Stil gehört bis heute zu seinen Trademarks. Als er sich mit dem Marvel-Verlag überworfen hatte, zog mit einem ganzen Tross an weiteren Kreativen (z.B. mit dem legendären Jim Lee) aus, um einen neuen Verlag aus dem Boden zu stampfen, der den Künstlern mehr Mitspracherecht und Kontrolle in Bezug auf ihre Arbeit einräumen sollte: Image Comics.

Hier konnte man sich von allen Zwängen der Industrie, wie den Verzicht auf übermäßige Gewalt, Tabu-Themen wie Pädophilie oder sexuelle Darstellungen befreien. Die Reihe, die diese Freiheit bis heute wohl am meisten im Mainstream ausreizt ist „Spawn“. Es geht darin um den amerikanischen Söldner Al Simmons, der im Auftrag seines Auftraggebers während eines letzten Einsatzes ermordet wird. Daraufhin kommt Al in die Hölle und trifft dort den Teufel Malebolgia. Dieser bietet ihm einen Vertrag an, der Simmons an ihn bindet, dafür aber ein Wiedersehen mit dessen Frau Wanda verspricht. So wird er wieder auf die Erde geschickt und muss feststellen, dass er Jahre nach seinem Tod, grässlich entstellt und ohne Gedächtnis wieder in New York ist. Seine Frau ist längst mit einem anderen verheiratet, zieht ein kleines Mädchen auf und hat die Trauer um ihren Ex-Mann größtenteils überwunden. Zeitgleich ist unser Hauptcharakter mit einem lebenden Kostüm und magischen Kräften ausgestattet, die er noch nicht einordnen kann. Im Laufe der Zeit wird ihm der Name „Spawn“ verpasst und er erkennt die Verschwörung, die ihn in die nun vorherrschende Situation gebracht hat.

Währenddessen kümmert er sich um die bösen Menschen dieser Welt in einer Art und Weise, die man auch heute nicht von Cape-Trägern in Comics erwarten würde. Während ein „Batman“ den „Joker“ auch nach hundertfachem Mord einfach wieder einsperrt, massakriert „Spawn“ Kinderschänder und Konsorten auf einer Art, die nur als Warnung an die anderen Parasiten dieser Gesellschaft zu verstehen ist. Das ist eine Art die schwächsten Glieder der Bevölkerung zu beschützen, die es bis zum Start der Serie nicht gab und damit einen Impuls an die Industrie und Fangemeinde gab, der bis heute anhält und durch den Erfolg bestätigt wird.

Da die Serie nun seit 2 1/2 Jahrzehnten besteht, war es nur eine Frage der Zeit bis eine Neuauflage der Klassiker herausgebracht wird, um die Sammlung der alten Hasen zu vervollständigen und neue Fans an die Geschichte heran zu führen. In diesem Fall wäre es die sogenannte „Spawn Origins Collection“, die in jedem Hardcover-Band über 10 Hefte ab der ersten Nummer vereint und dabei sogar in Deutschland bisher unveröffentlichte Storys an den Mann bringt. In den USA wurde diese Aufarbeitung leider nach dem neunten Band eingestellt. Wir in Deutschland haben aber vielleicht Glück, was den Fortbestand der Serie anbelangt. So geht es diesen Monat in die siebte Runde mit den Heften 76 bis 87 und laut Aussagen seitens „Panini Comics Deutschland“, ist der Erfolg zumindest groß genug, um eine eigenständige Fortsetzung zu starten.

Falls ihr schon Besitzer der ersten sechs Bände seid, möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, ob sich die Anschaffung lohnt bzw. ob es sich nur um einen Lückenfüller in der Sammlung handelt. Gleich von Anfang an kann ich eine Entwarnung geben. Die Story wird von mal zu mal runder, schlüssiger und auch in der Optik ansprechender. Todd Mcfarlane hat es über die Jahre geschafft, die Tiefe der einzelnen Charaktere wie Sam & Twitch hervorzuheben und aus der am Anfang teils vorhandenen Statik zu befreien. Man nimmt inzwischen jede Figur für voll und erkennt mehr Facetten entlang der Handlung. In diesem Band lüftet „Spawns“ mysteriöser Freund „Cog“ ein überraschendes Geheimnis und eröffnet unserem Helden eine Möglichkeit seinen Fluch zu brechen. Auf dem Weg dahin trifft er jedoch einen seiner ersten Widersacher, der es sich zur Aufgabe gemacht hat Seelen für die Hölle zu sammeln und dabei vor den bestialischsten Morden nicht zurück schreckt. Diesen jagt unser Rächer mit dem eben erwähnten Duo, welches inzwischen Spawns geheime Identität gelüftet hat. Außerdem findet ein Treffen mit dem Geist eines alten Bekannten statt, welches einen Wendepunkt in der gesamten Geschichte darstellt…

Glücklicherweise handelt es sich um eine Reihe, die einen großen Story-Bogen schlägt und den Leser nicht durchgehend gestückelt mit Informationen versorgt. So ist es möglich den Band an einem Stück zu verschlingen, da man natürlich wissen möchte, wie es weitergeht. Als Zeichner ist der aktuelle „Batman“-Kreative Greg Capullo an Bord, der schon bald nach McFarlane das Ruder am Stift übernommen hat und sich von Heft zu Heft zu entwickeln scheint. Während die ersten Ausflüge in die Gassen von New York fast cartoonesk wirkten, hat sich der ihm eigene Stil in eine bizarr verformte Version der Realität gewandelt, die von unendlich vielen Details durchzogen ist. Jedes Panel scheint eigene Geheimnisse zu verbergen, die man mit einem genauen Blick ausfindig machen möchte. Nach wie vor gehört Capullo wegen dieser Art Elemente zu „komponieren“ zu meinen Lieblingskünstlern dieser Sparte. Man kann sich vorstellen wie glücklich ich über seine Verpflichtung bei DCs größtem Flaggschiff war. Im vorliegenden Band kann man ihn geradezu zu Höchstform auflaufen sehen und die klassische visuelle Umsetzung der Reihe genießen, die vor einigen Jahren einem gänzlich neuen Stil gewichen ist, der ebenfalls seinen Reiz hat, aber bei weitem nicht das Gefühl hervorruft, wie im Laufe der 90er und frühen 2000er.

„Spawn Origins Collection: Band 7“ ist dementsprechend eine weitere Steigerung auf dem Weg zur nächsten Ausgabe, die ich nach der Lektüre der vorliegenden Geschichten haben MUSS. Es bleibt nur zu hoffen, dass Paninis Pläne einer Fortführung reale Züge annehmen und uns für ein paar Jahre mehr mit Storys aus der Hölle versorgen.

Hier geht es zu einer Leseprobe.

Ihr könnt euch den Band entweder hier oder hier besorgen.

Breaking Bad – Das offizielle Buch zur TV-Serie

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Könnt ihr euch noch an die erste Serie erinnern, die euch zum Binge-Watching gezwungen hat? In meinem Fall wäre es definitiv „Breaking Bad“ von Vince Gilligan. Es gab Nächte, in denen ich mir ausrechnen musste, wie viele Folgen ich noch sehen könnte, um gleichzeitig genug Schlaf zu haben, um am nächsten Tag in der Arbeit funktionieren zu können. Jede Folge wurde mehr inhaliert als gesehen, jeder Cliffhanger verschaffte mir einen Herzinfarkt und die Entwicklung Walter Whites ließ mir den Kiefer fast konstant runter hängen. Alles in allem die vielleicht beste TV-Serie aller Zeiten. Natürlich recherchierte ich parallel alle bekannten Hintergründe, wollte alles Mögliche über die Entstehungsgeschichte und potentielle Easter-Eggs erfahren. Später konnte ich, als nach und nach die Staffeln auf Blu-Ray erschienen, zusätzliche Interviews und Making-Ofs genießen und die ein oder andere interessante Info für mich mitnehmen.

Nun haben Fans die Möglichkeit sich noch mehr Input über dieses großartige Stück Fernseh-Geschichte nach Hause zu holen. David Thomson hat über Panini Books endlich „Breaking Bad – Das offizielle Buch zur TV-Serie“ veröffentlicht und damit das Sahnehäubchen auf die Sammlung eines jeden Zuschauers gesetzt.

Genaugenommen finden wir hier neben einer ausführlichen Chronik, die die Ereignisse von der ersten bis zur letzten Folge beleuchtet und uns erneut auf eine emotionale Reise durch New Mexico mitnimmt, eine ganze Reihe von internen Einblicken vom ersten Gedankengang bis zur Umsetzung von „Breaking Bad“. Zunächst führt uns eine Einleitung des Herausgebers an die Materie heran, während uns im darauf folgenden Interview mit Mastermind Gilligan eine Vielzahl an überraschenden Aussagen dargeboten wird, die einen gänzlich neuen Blick auf das gesamte Konstrukt ermöglichen. Ich möchte nicht zu viel verraten, aber es wird nach der Lektüre vermutlich keine Szene geben, bei der man nicht nach den im Text erwähnten Details suchen wird.

Um diese dann wirklich alle finden zu können, widmet sich anschließend ein ganzes Kapitel der Aufschlüsselung der Hintergründe zur Serie in ihre symbolträchtigen Einzelteile. Dem folgt die Beantwortung der Fragen bezüglich Outfits, der sich entwickelnden Farbgebung der Charaktere, Gründe für bestimmte Einstellungen, innovativer Technik und zu allem anderen, was man sich noch so vorstellen kann. Wenn jemand danach das Konzept noch nicht erfasst hat, hat er oder sie das Buch einfach nicht gelesen.

Der Band geht ab diesem Zeitpunkt sogar einen Schritt weiter und erinnert uns an die besondere Stellung der Story und die damit verbundenen Inhalte. In erster Linie ist die Chemie und alles was man mit ihr kreieren oder anrichten kann als eigener Charakter zu verstehen. Diesem wird sich auf ganzen 14 Seiten gewidmet, indem legendäre Szenen analysiert werden, während denen die jeweiligen Stoffe zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang wird erläutert wie Flusssäure oder Knallquecksilber in der Realität funktionieren und ob sie naturgetreu auf dem Bildschirm genutzt wurden. Ein wirklicher Leckerbissen, der einem erneut vor Augen führt mit welcher Akribie, trotz aller vorhandenen Widrigkeiten, an der Entwicklung der Folgen gearbeitet wurde.

Weitere Aspekte, die behandelt wurden aber auch mir beim ersten Betrachten der Folgen nie in den Sinn kamen, beweisen einmal mehr, dass der Erfolg dem gesamten Konzept recht gibt. Details wie eigens für die jeweiligen Figuren ausgewählte Themes, Spielereien mit dem Tausch von typischen Farben (Grün für Walt, Blau für Skyler und dann entsprechend andersrum usw.), Gründe für bestimmte Schlüsselszenen (Wer hätte gedacht, dass der pinke Teddy eingeführt wurde ohne, dass zunächst eine Idee bestand wie er in den Pool gekommen sein soll?) oder der konkrete Aufbau einer Wohnung lassen einen immer wieder ehrfürchtig auf die über fünf Staffeln andauernde Odyssee „Heisenbergs“ zurückblicken.

Um auch die letzten Fragezeichen zu beseitigen, werden immer wieder Interviews mit den Verantwortlichen der jeweiligen Abteilungen eingestreut, in denen sie ihre Ideen nochmals persönlich erklären können. Selbiges wird nochmal als Abschluss in Form von Gesprächen mit den Produzenten geboten. Um bis dahin die Info-Flut mit visuellen Spielereien aufzulockern, wurden außerdem alle Plakate des legendären „Breaking Bad Art Project“abgedruckt und alle verteilten „Challenge Coins“ (Gedenkmünzen und eine Art Ausweis für Crew und Cast) mit ihren Motiven erläutert. Damit sollte eigentlich jeder erdenkliche Aspekt abgedeckt sein, den man als Fan erwarten kann.

Ich persönlich bin geradezu angefixt die Blu-Ray-Boxen wieder aus dem Schrank zu holen und mir das Geschehen aus dem neu erworbenen Blickwinkel anzusehen. Genau genommen ist die Anschaffung des Buchs unumgänglich, wenn man für Hintergrundinformationen, Making-Ofs usw. zu begeistern ist. Insbesondere für knapp 30€ ist es für den gebotenen Inhalt als Schnäppchen zu betrachten. Vor allem wenn man sich vergleichbare Veröffentlichungen über Serien-Events oder Filme ansieht. Für mich bleibt der Band immer in Sichtweite im Schrank stehen, damit ich beim nächsten BB-Marathon das „Lexikon“ griffbereit habe.

Hier oder hier könnt ihr euch das Buch besorgen.

Bring Me The Horizon – Neues Musik-Video

Bring Me The Horizon befinden sich seit geraumer Zeit auf dem aufsteigenden Ast im Musik-Business. Eine Aussage, die man aktuell nur selten mit dieser Sparte verbindet. Insbesondere seit dem Album „Sempiternal“ und nach dem immensen Erfolg von „That’s the Spirit“ konnten die Briten ihre Basis festigen. Ihre für viele überraschende Abwendung vom klassischen Deathcore zu einem fast Linkin Park-lastigen Sound hat offensichtlich ihre Wirkung nicht verfehlt und die Jungs in den Mainstream katapultiert.

Zwar ist dieser Begriff im Bereich der härteren Spielarten als toxisch anzusehen, muss aber wie in diesem Fall nicht gleich ein Synonym für schlechte Qualität herhalten. Sanftere Klänge erlauben es oftmals Experimente zu wagen, die zuvor im Riff-Korsett des Metal nicht möglich waren. So ist das Stück „Follow You“ fast schon Pop, befreit sich aber durch den ausgeklügelten Text von der Zuckerglasur dieses Genres. Um zeitgleich nicht als gefällig rüber zu kommen, hat sich die Band für das Musik-Video zum Track etwas ganz besonderes einfallen lassen. Kennt man heutzutage fast nur noch Performance-Zusammenschnitte, wurde sich hier an eine Handlung gewagt, die so explizit dargestellt wird, dass alle Schmährufe nach Ausverkauf verstummen sollten. Zombies und apokalyptische Inszenierungen liegen im Trend, es aber so zu verarbeiten und Gewalt mit einer ordentlichen Prise Humor zu würzen ist nach wie vor ungewöhnlich. Was sagt ihr zur visuellen Umsetzung des Songs?

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Gotham Central – Band 3: Im Fadenkreuz des Jokers

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Was habe ich lange auf den dritten Band der „Gotham Central“-Reihe gewartet und nun ist es endlich soweit! Als ich die erste Ausgabe vor einigen Monaten in den Händen hielt, wusste ich zwar schon, dass die „Gotham“-TV-Serie unter anderem durch die Geschichten um die Cops aus der gleichnamigen Stadt als Vorlage diente, aber eine so hohe Qualität hätte ich wirklich nicht erwartet.

Was das anbelangt wurde ich relativ schnell überzeugt und gierte sofort nach der Fortsetzung, die in Bezug auf Spannung dem Vorgänger in nichts nachstand. Für diejenigen, die hiermit frisch auf den Titel stoßen, möchte ich kurz erklären was das besondere an „Gotham Central“ ist. Primär ist die Handlung zwar in der Welt von „Batman“ angesiedelt und wir treffen regelmäßig auf seine Widersacher, aber diejenigen, die sich mit ihnen rumschlagen müssen sind in dem Fall die Polizisten der Stadt. Klassischerweise kennen wir die Handlung nach dem Muster „Bösewicht greift an -> Keiner kann etwas dagegen tun -> Batman ist zur Stelle -> Happy End“. Hier wird ein gänzlich neuer Ansatz verfolgt, der das Police Department und seine Akteure in den Vordergrund stellt, die ihrer Arbeit nachgehen, persönliche Geschichten mit sich bringen und sich auch ohne Maske dem Verbrechen entgegenstellen. Dabei sticht die Atmosphäre durchaus auch im Vergleich zu anderen Cop-Reihen individuell hervor, indem die Geschichten sich am Film Noir- und Hardboiled-Genre orientieren. Alles ist geerdet, wobei eine durchgehend zynische Sichtweise auf den Alltag der Hauptfiguren gerichtet wird. Selbst wenn ein Schurke mit ungewöhnlichen Kräften oder Waffen wie „Mr. Freeze“ auftaucht, rutscht die Handlung nie ins fantastische und behält damit die einzigartige Note im DC-Universum bei.

Ein fast schon prototypisches Beispiel ist die vorliegende Story „Im Fadenkreuz des Jokers„. Hier macht der Clownsprinz des Verbrechens Jagd auf die Bewohner des verschneiten Gothams, indem er sie ins Visier seines Scharfschützengewehrs nimmt. Damit wird der Grundstein für eine Handlung um einen „klassischen“ Serienkiller gelegt, mit dem Unterschied, dass dieser üblicherweise in einer direkten Auseinandersetzung mit Batman zu verorten ist. In diesem Fall übernehmen jedoch die Polizisten Renee Montoya, Crispus Allen und ihre Kollegen den Fall, um weitere Mordopfer zu verhindern. Dabei legt der „Joker“ kleine Hinweise aus, verhöhnt sowohl den dunklen Ritter als auch die Gesetzeshüter gleichermaßen und arbeitet dabei auf einen in seinen Augen fulminanten Showdown hin.

In dieser Konstellation folgt der Leser den Ermittlern Schritt um Schritt, leidet mit ihnen um Verluste aus dem Umfeld, fühlt den Druck der Obrigkeit und sieht ihnen beim Messen mit Batman zu, um ihre eigene Legitimation aufrecht zu erhalten. In meinen Augen gibt es dabei während der Lektüre keinerlei Durchhänger oder Lückenfüller, sondern durchgehenden Nervenkitzel, für den das Autoren-Duo schon seit der ersten Ausgabe verantwortlich ist. Greg Rucka und Ed Brubaker, die beide neben Comic-Werken auch im Krimi-Genre beheimatet sind, haben von Anfang an die Messlatte sehr hoch gelegt und schaffen es erstaunlicherweise konsequent das selbst auferlegte Level zu halten. Natürlich bin ich froh darüber, die bis dato konstante Qualität genießen zu können, habe aber zeitgleich Angst bei den folgenden Werken einen Abfall der Kreativität beobachten zu müssen. Das ist natürlich das Los aller hervorragenden Serien, wobei ich mir in diesem Fall einen baldigen Abschluss in Deutschland wünsche, damit der Name „Gotham Central“ als Ganzes in positiver Erinnerung behalten werden kann.

Auf der visuellen Ebene erleben wir zum einen wieder den altbekannten Michael Lark, der mit seinem an den frühen Frank Miller erinnernden Stil für düster-beklemmende Bilder sorgt, während bei einem Kapitel Brian Hurtt den Stift schwingen darf. Da ihr Stil relativ ähnlich ist und sich großteils nur in der mal mehr oder weniger rohen Art der Darstellung unterscheidet, findet kein Bruch statt, der das Lesevergnügen stückelt. Alles in allem scheinen die Panels wie die Faust aufs Auge in Bezug auf die Story zu passen und unterstreichen durchgehend sowohl die bedrohliche Atmosphäre als auch den zynischen Blick der Protagonisten auf das Geschehen.

Zusammengenommen kriegt man hier die Kost, die man als Fan der Vorgänger erwartet und das im positivsten Sinne! Von der ersten bis zur letzten Seite bangt man mit und wird nicht durch allzu offensichtliche Hinweise vorzeitig auf das Ende hingewiesen, was einem Todesstoß für Kriminal-Geschichten gleichkommt. Im Laufe der Zeit habe ich mich wie erwähnt zu einem großen Fan der Reihe entwickelt und freue mich jetzt schon, wenn in der nächsten Panini-Vorschau Band 4 stecken sollte. In diesem Fall habt ihr meine uneingeschränkte Empfehlung bei „Gotham Central – Band 3: Im Fadenkreuz des Jokers“ zuzugreifen!

 

Howard the Duck – Ein Erpel für alle Fälle

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Letztens habe ich über den sanften Relaunch bei DC unter dem Namen „DC YOU“ berichtet und über die damit einhergehende humoristische Ausrichtung mancher Reihen bzw. Einzelbände wie „BIZARRO„.

In dem Artikel wurde ebenfalls angesprochen, dass ich so manchen Gag eher von Marvel erwartet hätte und siehe da: heute geht es quasi um den Prototypen der Selbstreferenz im Comic-Universum des Verlags (mit der Ausnahme von „Deadpool“).

Der Titel „Howard the Duck“ lässt vielleicht den ein oder anderen erahnen, dass die Hauptfigur ein Erpel gleichen Namens ist. Im Detail handelt es sich um ein Alien, welches auf der Erde gestrandet ist und sich als Privatdetektiv neu erfinden möchte. Tatsächlich eröffnet er ein eigenes Büro und nimmt sogleich einen Fall an, der ihn durch das halbe Marvel-Universum treibt.

Genaugenommen wird er mit einer bewaffneten Tante May konfrontiert, die einen Laden ausrauben möchte. Das bringt ihn wiederum auf eine Verschwörung, in die manipulierte Rentner involviert sind. Ja, das ist kein Witz und die folgende Anekdote bringt den Verrücktheits-Grad der Story vermutlich ganz gut auf den Punkt: Eine der Methoden die Howard nutzt um unerkannt die Verdächtigen zu observieren, ist es sich nackt zwischen Erden-Enten im Park zu platzieren und um Brot zu betteln. Nackt. Park. Brot. Genau dieses Level.

Während er irgendwie seinem Job nachgeht, stößt er unvermeidlich mit einem Großteil der A-Promis unter den Superhelden zusammen und bringt ihr Leben ordentlich durcheinander. Für den Leser ist es hingegen ein riesen Spaß zuzusehen, wie die Eigenheiten gewisser Charaktere teils bitterböse durch den Kakao gezogen werden. So versucht „Spidey“ zum Beispiel Howard vor einem Angriff zu retten und denkt daraufhin, dass dieser tot sei. Tja, was als nächstes kommt nennt man wohl Flashback. An seine Unfähigkeit Onkel Ben zu retten erinnert, bricht die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft kurzerhand zusammen und errichtet eine Art Schrein um sein Gewissen zu erleichtern. Außerdem muss sich unsere Lieblings-Ente eine Zelle mit „Rocket Raccoon“ teilen, sich mit Affen streiten und „Dr. Strange“ um Hilfe erpressen.

Ich denke allein diese Aufzählung sollte reichen um ein Bild davon zu vermitteln, was man erwarten kann, wenn man diese durchwegs gelungene Ausgabe aufschlägt. Vor allem handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs an wahnwitzigen Situationen und Gastauftritten ohne, dass es zu einer Übersättigung kommt. Verantwortlich dafür ist der Autor Chip Zdarsky, der zwar mit Independet-Projekten wie „Prison Funnies“ und „Monster Cops“ seinen Einstand feierte, sich aber spätestens seit dem Release der Eisner-Award-prämierten Reihe „Sex Criminals“ (die sogar für das TV adaptiert wurde) in die vorderste Reihe der Kreativen in der Branche katapultiert hat. Die Bandbreite seiner Interessen sieht man auch dem aktuellsten Werk an, das haarscharf an der Grenze zur Anarchie balanciert, aber mit einem roten Faden, begleitet von bösen Witzen und Slapstick-Humor die Richtung hält.

Visualisiert wurde alles von Joe Quinones, der zuvor schon seinen Stift bei „Spider-Man“, „Batman/Superman“, „Batman ’66“, „Fantastic Four“ und vielen anderen geschwungen hat. Sein Stil erlaubt es mühelos den cartoonesken Hauptcharakter zwischen realistisch dargestellten Nebenfiguren zu sehen ohne, dass sich etwas fehl am Platz anfühlt. Die Witze werden gekonnt in Bilder verpackt und entfalten auch gerne mal über mehrere Panels hinweg ihren Reiz.

Zusammengefasst kann ich „Howard the Duck – Ein Erpel für alle Fälle“ wirklich jedem ans Herz legen, der sich auch für Humor in Comics erweichen kann. Vor allem wenn dieser so souverän und alles andere als kindisch umgesetzt wurde. Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß und freue mich schon auf weitere Auftritte der Ente zwischen all den Cape-Trägern!

Hier geht es zur Leseprobe!

Record Store Day 2016 – Heute Abend Bekanntgabe der Releases

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Vinyl-Freunde unter euch? Heute wird um 19:15 Uhr auf recordstoredaygermany.de (weltweit und um die gleiche Zeit, weil es ein internationales Event ist) die offizielle Liste der Veröffentlichungen bekannt gegeben, die beim alljährlichen Record Store Day (diesmal am 16. April) die Herzen der Sammler und Fans höher schlagen lassen!

Unter anderem:

„DaDaDa“ von Trio als 12″ Picture Disc

Das erste Album von Madsen auf blauer 180g Vinyl

„TVS 15“ als Single und „The Man Who Sold The World“ als Album von David Bowie in hübscher Picture-Disc-Fassung

„Liberté, Egalité, Fraternité, Metallica! – Live at Le Bataclan. Paris, France – June 11th, 2003“ von Metallica. Die Erlöse daraus fließen an die Unterstützung für die Terror-Opfer vom 13. November in Paris.

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Viele weitere seltene Aufnahmen, Re-Issues und Sonder-Editionen können wir heute Abend bestaunen und uns auf DEN Feiertag für Musikliebhaber in knapp einem Monat freuen!

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BIZARRO

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Vor einigen Jahren krempelte DC sein eigenes Universum kräftig um, indem alle laufenden Serien unter dem gemeinsamen Titel „New 52“ (entsprechend der Anzahl der Reihen) wortwörtlich auf 0 gesetzt wurden.

Mit wenigenAusnahmen, wurden alle Vorgeschichten, Entstehungsmythen und Beziehungen für nichtig erklärt und damit ein Neustart ermöglicht, den es in der langen Geschichte des Verlags bis dato nicht gab. Damit sollten vorrangig neue Fans rekrutiert und alte mit frischen Ideen getriggert werden. Selbstverständlich gab es auch einen Aufstand der Puristen, dem jedoch ein klarer Erfolg der Strategie entgegenstand.

So konnte man als alter Hase immer noch überrascht werden, während Neulinge plötzlich die Chance bekamen endlich in den boomenden Markt (vor allem aufgrund der zahlreichen Verfilmungen) einzusteigen. Wie gesagt fing alles schon vor gut 4 Jahren an und wie es eben in der Natur der Sache liegt, erweiterte sich das neue Universum wieder fast ins unendliche, die Erzählstränge wurden komplexer und die Qualität schwankte deutlich zwischen brillant und unerträglich.

Dementsprechend war es nur eine Frage der Zeit bis der nächste (sanfte) Relaunch kommt, um die nächste Generation an Lesern an sich zu binden und mit neuen Reihen das Interesse der Veteranen (wieder mal) hoch zu halten. Nun ist es endlich soweit und „DC YOU“ geht auch hierzulande an den Start. Dabei werden, wie eben angedeutet, nicht alle bisher publizierten Geschehnisse für ungültig erklärt, sondern zum einen die Kontinuität der Reihen aufgelockert und zum anderen ein für bestimmte Serien gültiger humoristischer Ansatz präsentiert.

Zum Beispiel agiert im ersten Fall Jim Gordon als Rächer der Nacht in der regulären „Batman“-Reihe, während der altbekannte Bruce Wayne bei der „JLA“ immer noch seinen Umhang trägt. Bei der zweiten Option sehen wir eine „hippe“ Version von „Bat-Girl“
oder die „Gotham Academy“, die beide eine jüngere und teils weiblichere Zielgruppe ansprechen sollen.

In diese Kerbe schlagen auch einige selbstreferenzielle Titel wie „Bizarro„, den ich euch heute stellvertretend für die gesamte Neu-Ausrichtung präsentieren möchte.
Leser der regulären Serien kennen die Figur als furchteinflößende, von Lex Luthor geschaffene Version des Mannes aus Stahl oder aus der „Superman Adventures“-TV Show aus den 90ern. In der vorliegenden Fassung sehen wir ein naives bis dämliches Alien,
welches es sich seit seiner Ankunft auf der Erde zur Aufgabe gemacht hat, ein eigener „Superman“ zu werden. Dafür ist es zwar mit entsprechend übermenschlicher Stärke, Gefrier-Blick und Laser-Atem ausgestattet, geht mit diesen aber um wie ein Kind,
dass gerade zu laufen beginnt. Darum folgen „Bizarro“ Zerstörung und Chaos auf Schritt und Tritt. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Metropolis vom selbsternannten Helden mehr als genervt und für jede Idee dankbar ist das gutherzige Ungetüm so weit wie möglich fort zu schaffen.

Diese Aufgabe fällt Clark Kents/“Supermans“ Sidekick Jimmy Olsen zu, der das graue Monster nach Kanada (oder auch „Bizarro-Amerika“) verfrachten soll. Daraus ergibt sich ein wahnwitziger Road-Movie bzw. eine Buddy-Komödie, die es in der Form bei DC schon seit Ewigkeiten nicht gab. Dabei erleben wir die beiden Hauptfiguren beim Kampf gegen einen besessenen Gebrauchtwagen-Verkäufer, des Weiteren in einer Geisterstadt im Wilden Westen und einen wahrlich „bizarren“ Körpertausch. Und ja, es ist genauso verrückt wie es sich anhört.

Noch verwirrender aber umso witziger werden diese ganzen Situationen, wenn man sich vor Augen führt, dass „Bizarro“ durchgehend das Gegenteil von dem meint was er sagt und dabei nicht gerade die feinste Grammatik an den Tag legt. Durch diese Mixtur schafft Heath Corson als Autor mit einen Spagat zwischen Vorschlaghammer und dezenten Anspielungen, durchgehend die Lachmuskeln zu bearbeiten. Zusätzlich verknüpft er immer wieder Elemente aus der realen Welt, um das Geschehen trotz absurder Bedingungen dennoch greifbar zu machen. Kleine Gags wie der manchmal eingespielte Liebelingssong von „Bizarro“ („Wrecking Ball“ von Miley Cyrus, was denn sonst!?) stehen repräsentativ für einen Humor, den ich persönlich bis dato nur von Marvel kannte. Hier sieht man jedoch, dass auch in der tendentiell dunkleren Welt von DC Platz für Spaß vorhanden ist und dieser auch passend in Texten und Bildern umgesetzt werden kann.

Apropos Bilder. Gustavo Duarte macht einen ganz wunderbaren Job, indem seine cartoonhaften Panels einen nicht ganz unwesentlichen Beitrag zur Slapstick-Stimmung leisten. Ob nun Mimik oder Bewegung – beides passt wie die Faust aufs Auge und lässt einen Schnitzer höchstens mit der Lupe suchen. Als kleines Extra hat der gute Mann für einzelne Panels Gastzeichner mit an Bord geholt, die den meisten Kennern ein Begriff sein sollten. So finden wir Darwyn Cooke („Before Watchmen: Minutemen“), Tim Sale („Batman: Das lange Halloween“), Francis Manapul („The Flash“) und einige mehr. Da der Stil-Bruch sich zum einen nur auf einzelne Charaktere bezieht und die generelle Stimmung von vornherein sympathisch wirr ist, fallen die kleinen Gastauftritte in keinster Weise negativ ins Gewicht.

Als Fazit kann ich ziehen, dass der humoristische Einstand von „DC YOU“ zumindest in Bezug auf „Bizarro“ mehr als gelungen ist. Man wird durchgehend gut unterhalten und hat im Gegensatz zu den US-Amerikanischen Lesern sofort den Luxus, die Geschichte in einem Zug lesen zu können, da mit dieser Ausgabe die gesamte Miniserie von 6 Heften vorliegt. Da ich persönlich in Bezug auf Humor in Comics relativ schwer zu überzeugen bin, kann ich nach der persönlich positiven Erfahrung jedem einen Blick in den Band empfehlen. Nun bin ich auf „Bat-Mite“ im nächsten Monat gespannt und hoffe euch auch davon berichten zu können!

Eine Leseprobe zu „Bizarro“ findet ihr hier.

Wer gleich zuschlagen möchte, kann sich hier die Ausgabe besorgen.

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Auf 444 Stück limitierte Variant-Ausgabe für die Leipziger Buchmesse