
Mark Millar ist ein Name, der inzwischen auch außerhalb der Comic-Kreise Bekanntheit erlangt hat. Erst vor kurzem hat er in Zusammenarbeit mit Netflix (ja, dem Streaming-Service) „The Magic Order“ unter die Leute gebracht und mit den damit einhergehenden, eher unkonventionellen Werbemaßnahmen einen der erfolgreichsten Releases der letzten Jahre fabriziert. Nicht schlecht für das Medium Comic, welches durch Digitalisierung und Abebben von Trends, zumindest in den USA, eher rückläufige Verkaufszahlen zu verzeichnen hat.
Nun ist Millar aber sowieso nicht irgendwer, sondern das Mastermind hinter extrem erfolgreichen Franchises wie „Kick-Ass“ oder Hits wie „Wanted“ oder „Kingsman„. So gut wie alle seine Kreationen wurden entweder verfilmt oder gelten als Meilensteine, die ihresgleichen suchen. Auch außerhalb der eigenen Storys wurde er umtriebig und arbeitete sich nicht zuletzt auch an Ikonen der „großen zwei“ (DC und MARVEL) ab. Dazu zählen zum Beispiel „Wolverine“ mit „Staatsfeind“ oder „Genosse Superman„. Das was aber all seine Erzählungen gemeinsam haben, ist ihre ungewöhnliche Handlung, die sowohl im Bereich der Superhelden, als auch im Allgemeinen immer einen Twist bereit hält, der ohne wirklich greifbar zu sein, immer auf Millar schließen lässt.
Selbiges gilt auch für den sechsten Teil der großartigen „Mark Millar Collection“ mit dem vor allem heutzutage jedem bekannten Titel „Civil War„. Und nein, es ist kein Zufall, dass ein großes MARVEL-Filmevent unter dem gleichen Namen firmierte. Zumindest die Basis der Handlung kann in diesem Band gefunden werden, während der Großteil der ursprünglich im Jahr 2006 veröffentlichten Story nur im Comic vorhanden ist.
Diese greift gleich schon zu Beginn ein damals präsentes Phänomen in Form des Reality-TV auf. Während man heute den eigenen voyeuristischen Neigungen bei YouTube frönt, griff man vor über zehn Jahren auf pseudo-reale Dokumentationen zurück, die man sich auf privaten Fernsehkanäle zu Gemüte führen konnte.
Bei einem dieser Drehs beteiligt sich auch ein Haufen eher semi-bekannter Superhelden, die bei einem mitgefilmten Einsatz gegen ein paar Schurken, zu einer tödlich verlaufenden Eskalation beitragen, bei der hunderte Menschen ihr Leben verlieren.
Die ohnehin gegenüber maskierten Vigilanten misstrauisch eingestellte Gesellschaft empfindet diese Tragödie daraufhin als einen Wendepunkt im Umgang mit den gesetzlosen Maskenträgern und verlangt die Registrierung der Superhelden, die ab dem Zeitpunkt eine offizielle und damit zu kontrollierende Instanz darstellen sollen. Selbstverständlich ist ein Großteil von ihnen alles andere als begeistert von dieser Idee, denn ihre Masken schützen nicht nur ihre eigene Identität, sondern auch die Leben ihrer Freunde und Verwandten, die ab dem Zeitpunkt der Enttarnung schutzlos ihren ärgsten Feinden ausgeliefert wären.
Daher ist es kein Wunder, dass ein Teil der uns bekannten Beschützer sich dazu entschließt, sich dieser neuen Maßnahme zu verweigern und sich offiziell gegen das System zu stellen. Allen voran der US-amerikanische Posterboy „Captain America„, dessen Rolle hier nicht wirklich überrascht. Denn hier repräsentiert er das ur-amerikanische Ideal der Freiheit, das auch keine Regierung als Einschränkung duldet.
Auf der gegenüberliegenden Seite finden wir „Iron Man„, der einen höheren Sinn in der von übergreifenden Instanzen kontrollierten Regelung sieht. Weniger Schaden, mehr zielgerichtete Aktionen und das Vertrauen der Bevölkerung durch absolute Transparenz. Eine hehre Vorstellung, die aber nur so vor Obrigkeitshörigkeit trieft und damit automatisch zum Konflikt mit dem oppositionellen Lager rund um „Cap“ führt.
So kommt es zu etwas, was unvermeidbar ist. Mitten durch Freundschaften und Familien zieht sich eine Linie, die sich am Umgang mit der neuen Situation teilt und zwei Lager entstehen lässt, die sich zum Teil sogar bekämpfen müssen, während die eigentlichen Feinde aus dem Fokus geraten. Daraus resultiert schlussendlich das, was der Titel des Bandes schon weit voraus nimmt: Ein Bürgerkrieg, wie man ihn noch nie gesehen hat…
Der Band bietet hierbei den gesamten Hauptstrang der Story, der sich auf knapp über 200 Seiten erstreckt und dabei aufzeigt, dass auch in einer Superheldengeschichte Platz für Sozialkritik und politische Seitenhiebe vorhanden sein kann. Typisch für Millar wird dabei konsequent die politische Korrektheit weit umschifft, ohne dabei den Fehler zu machen, sich auf rein plakative Szenen zu verlassen. Zeitgleich schafft er es eine Zeitlosigkeit einzubringen, die dafür sorgt, dass auch gut 12 Jahre nach dem ursprünglichen Release nichts altbacken wirkt.
Dafür sorgt aber auch nicht zuletzt der Zeichner Steve McNiven, der schon zuvor mit Millar den modernen Klassiker „Old Man Logan“ geschaffen hat und auch im vorliegenden Band mit seinem unvergleichlichen Stil nichts anbrennen lässt. Obwohl er auf den ersten Blick den reinen Superhelden-Mainstream bedient, schafft er es immer wieder Elemente einzubauen, die das Gesamtbild dreckiger und damit greifbarer erscheinen lassen. Eine Gabe, die sowohl dem Genre gerecht wird, dieses im nächsten Schritt aber sogar visuell auf eine relevantere Ebene hebt.
Und wenn dieses Paket immer noch nicht reichen sollte, findet man im Anhang, wie schon bei den Vorgänger-Bänden eine Fülle an Bonusmaterial, die sich aus einer Cover-Galerie und einem üppigen Kommentar-Teil zusammensetzt, in dem die Macher einzelne Aspekte der Handlung genauer erklären.
In diesem Sinne handelt es sich bei dem sechsten Band der edlen „Mark Millar Collection“ um ein wahres Prachtstück, dass in keiner Sammlung fehlen darf und daher ein Pflichtkauf ist!
Mark Millar Collection 6: Civil War
Verlag: Panini Comics
Erschienen am: 24.04.2018
Autor: Mark Millar
Zeichner: Steve McNiven
Format: Hardcover
Seitenzahl: 292
Preis: 35 EUR