[Rezension] Paper Girls – Band 6 (Cross Cult)

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© Cross Cult

Wer mich und meine Rezensionen zu den Paper Girls (Cross Cult) kennt, der weiß wie begeistert ich von Brian K. Vaughns, Cliff Chiangs und Matt Wilsons Arbeit an dem Projekt bin. Dabei ist es nicht nur eine persönliche Affinität zu den abgedrehten Abenteuern der Mädchen-Gang aus Erin, Mac, Tiffany und KJ, sondern die nicht bestreitbare Qualität der Reihe, die Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Eisner-Awards und eine in in der Produktion befindliche TV Serie sprechend dabei Bände.

Was neben dem fortlaufend guten Storytelling und einer visuell ansprechenden Präsentation ebenfalls für eine Geschichte auf hohem Niveau spricht, ist der richtige Zeitpunkt diese zu beenden. Genau das haben die Macher mit der Ausgabe 30 im letzten Jahr gemacht und damit das Abenteuer der Paper Girls zu einem runden Abschluss gebracht. In Deutschland ist das mit Band 6 geschehen, der die letzten Hefte, wie bei all den zuvor erschienenen Ausgaben, in einem attraktiven Hardcover bündelt.

Waren von Anfang an viele Mosaik-Steine bewusst lose gesetzt und zahlreiche Interpretationen der Ereignisse den Lesern überlassen, läuft Vaughn auf der Zielgeraden zur Höchstform auf, indem er all die Elemente, die einen zuvor eventuell irritiert haben zu einem Gesamtbild verknüpft. Nach wie vor springen die vier Heldinnen durch die Zeit, um endlich in ihre alte Heimat der verschlafenen Vorstadt Stoney Steam des Jahres 1988 zu gelangen. Das gestaltet sich jedoch wie in all ihren Erlebnissen zuvor als nicht einfach. In der Folge ihrer Handlungen in den verschiedenen Zeitebenen haben sie nämlich einiges durcheinander gebracht, sich in wortwörtlich alle Himmelsrichtungen und Zeiten verstreut, ihre nach wie vor mysteriösen Verfolger aus der Zukunft aber nicht abgehängt. Vor diesem Hintergrund scheint zunächst ein Happy End und eine finale Zusammenkunft der Mädchen immer unwahrscheinlicher, doch genau diese Zersplitterung der Handlung, die sich ab einem bestimmten Punkt in vier parallele Stränge verzweigt, sorgt dafür, dass sowohl die Protagonisten, als auch Leser zu einem Verständnis der Ereignisse gelangen, die in einer so schön in sich geschlossenen Geschichte münden, dass man direkt Lust bekommt nochmal von vorne zu beginnen. Wie dieser Abschluss nun aussieht sollte man aber am besten für sich selbst herausfinden. Twists und ungewöhnliche Ereignisse sind nach wie vor die Stärken von Paper Girls und sollten in dem Sinne für sich selber sprechen.

Auf dem Weg dorthin werden darüber hinaus erneut zahllose Referenzen auf die Popkultur ausgepackt, die nie deplatziert wirken, sondern zur Unterstreichung der jeweiligen Epoche dienen. Ob nun Film, Musik oder der generelle Zeitgeist – der ganz besondere Vibe, von dem auch Serien-Produktionen wie Stranger Things leben, sorgt für immer wieder angenehme Nostalgie-Momente, durch die Erin, Mac, Tiffany und KJ sogar noch mehr Tiefe verliehen bekommen. Sie wirken zu keinem Zeitpunkt konstruiert, um vier unterschiedliche Projektionsflächen abzubilden, sondern wie authentische Personen, denen man ihre Gefühle und Gedanken, sowie zwangsläufige Entwicklung im Windschatten der beschriebenen Ereignisse jederzeit abnimmt und daher ohne zu überlegen mitfiebert.

Auch auf visueller Ebene leisten Zeichner Cliff Chiang und Kolorist Matt Wilson nach wie vor ganze Arbeit und vermitteln durch ihre Komposition ein ganzes Arsenal an Emotionen und spannungsgeladenen Momenten, die sowohl Dialoge und generelle verbale Interaktionen unterstreichen, aber auch ohne Worte so viel rüber bringen, dass eine Stimmigkeit, die seit dem ersten Heft spürbar ist, auch auf den letzten Metern bewahrt bleibt.

Alles in allem, kann ich den abschließenden Band 6 genauso empfehlen wie die Vorgänger zuvor. Mit Paper Girls schafft man sich nämlich nicht einfach eine solide Comic-Geschichte, sondern eine der besten und außergewöhnlichsten Reihen an, die in den letzten Jahren erschienen sind und in einem überschaubaren Umfang gerne zum erneuten Griff ins Bücherregal einladen.

Hier geht es zu den Rezensionen der Bände 1, 2, 3, 4 und 5.

Da darüber hinaus besondere Zeiten auch besondere Maßnahmen erforderlich machen, könnt ihr euch übrigens unter https://www.comics-kaufen.de/index.html den Händler eures Vertrauens suchen und mit eurer Bestellung unterstützen. Damit sorgt ihr dafür, dass ihr auch in einer Zeit nach Corona lokal mit euren liebsten Veröffentlichungen versorgt bleibt.

Paper Girls - Band 6 
Verlag: Cross Cult 
 
Autor: Brian K. Vaughn 
Zeichner: Cliff Chiang 
Kolorist: Matt Wilson
Erschienen am: 26.11.2019 
 
Format: Hardcover
 
Seitenzahl: 128
Preis: 22 EUR

Ich bin wieder da – Warum war ich weg?

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Leser, die ZOMBIAC schon länger verfolgen wissen, dass ich aufgrund meines Studiums, familiärer Verpflichtungen, sowie eines Werkstudentenjobs immer wieder Phasen einlegen musste, in denen Rezensionen seltener als üblich erschienen. Das letzte halbe Jahr stellt hierbei einen ganz besonderen Einschnitt dar, der mich an meine Grenzen gebracht, aber gleichzeitig gelehrt hat, wo gewisse Prioritäten zu setzen sind.

Als ich mit meinem Blog angefangen habe, steckte ich mir recht unrealistische Ziele, wie drei Beiträge die Woche zu schreiben, während meine Situation so etwas eigentlich nicht zuließ. Die oben erwähnten Verpflichtungen waren nämlich damals wie heute omnipräsent und jede zusätzliche Belastung kratzte immer hörbarer an meiner physischen und psychischen Gesundheit. Trotzdem machte ich weiter, als ob ich unzerstörbar wäre. Ein in der Zwischenzeit eingetretener Hörsturz und ein zum Glück nur kurz andauernder Burn-Out waren dabei wohl die eindeutigsten Signale meines Körpers etwas kürzer treten zu müssen. Das was mich dabei immer weiter machen ließ, war der Umstand, dass ich mich mein Leben lang irgendwie kreativ beschäftigen und dafür die unterschiedlichsten Ventile finden musste. Über 10 Jahre fand ich zum Beispiel eines in der Musik, was jedoch aufgrund von Strukturen wie regelmäßigen Bandproben irgendwann nicht mehr mit meinem Lebensstil zu vereinbaren war. Daher fand ich in der Rezension von Comics und Kunstbänden, über die ich sowieso meiner näheren Umgebung in den Ohren lag, eine Möglichkeit mir irgendwie Ausdruck zu verleihen und der Gedanke daran, auch diese Art des kreativen Outputs zu beschränken, war für mich nicht akzeptabel.

Dann kam letzten Sommer eine Zwangspause in Form eines verpflichtenden Auslandsaufenthalts in den USA. Dort habe ich zum ersten Mal nach 10 Jahren mehr als eine Woche am Stück Zeit für mich selbst gehabt. Es gab keine Verpflichtungen, nur einen unendlichen Strom an Kultur und interessanten Begegnungen. Ohne es zu merken, veränderte sich mein Mindset in eine Richtung, die mir zuvor gänzlich unbekannt war. Ich wurde ausgeglichener, aufmerksamer und fokussierter, während die erzwungene Bremse in meinem Leben plötzlich zum Heilmittel wurde. Als ich zurückkehrte, wusste ich, dass es ein anstrengendes Semester werden würde. Was ich dabei nicht auf dem Schirm hatte war, dass es mit die anstrengendsten Monate meines Lebens werden würden. Mit einem Haufen Kursen samt dazu passenden Klausuren, einem Staatsexamen zur Notenverbesserung, drei Hausarbeiten und einer Zulassungsarbeit, blieb de facto weder Zeit für den weiteren Blogbetrieb, noch für soziale Kontakte außerhalb des universitären Kontexts. Bisweilen so isoliert, wie manch anderer heute während der Corona-Krise, verzichtete ich auf alles, was nicht nötig für meine akademische Laufbahn und meine familiäre Situation war. Dank New York spürte ich dabei zum Glück trotzdem nicht mehr den Drang allen drumherum gerecht werden zu müssen. Daher blieben auch viele eingetrudelte Bände unterschiedlichster Verlage zunächst auf Eis und werden erst in den kommenden Wochen als Rezensionen ihren Weg auf ZOMBIAC.blog finden. Früher hätte mich so ein Stau an abzuarbeitenden Dingen innerlich zerfressen, doch heute weiß ich, dass mein Fokus sich der Situation anpassen muss und nicht andersrum.

Daher freut es mich fast umso mehr, dass ich nun einen gewissen Strom an Veröffentlichungen von Panini Comics, Cross Cult und dem Splitter Verlag in der Hinterhand habe, um meine Leser mit meiner persönlichen Meinung dazu zu versorgen, aber auch um mir selbst eine Struktur im Alltag aus Home-Office und Vorbereitung auf das Fächerexamen zu geben. Daher lautet mein Ziel für die nächste Zeit, mich jeden Tag an einen neuen Artikel zu setzen, wenn nicht gerade Arbeit angesagt ist, mir selbst genug Pausen zu gönnen und dabei Routinen zu folgen, die das Leben in Zeiten von Corona erträglicher machen. Im Gegensatz zu einigen meiner Bekannten und Freunde, komme ich ganz gut klar, da manche Klischees über Geeks tatsächlich stimmen. Es ist nicht so, als hätte es bis dato keine Wochen gegeben, in denen ich mit keiner Menschenseele geredet hätte. Daher dient der eben genannte Plan eher zur Prophylaxe.

Daher können sich diejenigen, die gerne etwas von mir zu Comics lesen auf nun mehr Beiträge freuen, während die anderen mein Gequatsche zu Themen der Kunst weiterhin ignorieren dürfen. 😉

[Musical-Review] Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street

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© Martin Kaufhold

Das Wetter ist kalt und der Regen wäscht die Straßen Münchens rein. In dem Sinne sorgt die bayerische Landeshauptstadt für die perfekte Kulisse, um den mörderischen Barbier aus der Fleet Street willkommen zu heißen.

Dieser hat sich nämlich bis zum 15.03. im Deutschen Theater, zusammen mit dem restlichen Ensemble des English Theatre Frankfurt, eingerichtet und sorgt für blutige Unterhaltung in englischer Originalsprache und damit exakt so, wie es der bald 90-jähirge Stephen Sondheim 1979 ursprünglich konzipiert hatte. Wenn man es genau nimmt, wird 2020 aber sogar noch mehr geboten. Wer nämlich das Glück hat an einen der begehrten und nur auf 16 Stück limitierten Bloody Seats zu kommen, darf sich auf ein im wahrsten Sinne des Wortes, hautnahes Erlebnis freuen. Denn schon nach kurzer Zeit merkt man, dass die zu Anfang gereichten Ponchos ihren Zweck haben. Im ersten Teil, um vor Mehl, Bier und Rasierschaum zu schützen und im zweiten, um nicht am Ende des Abends auszusehen, wie die zahlreichen Opfer des nach Rache gierenden Barbiers.

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© Martin Kaufhold

Und damit lässt sich die Stoßrichtung des Musicals beschreiben, welches Zuschauern mit wenig Toleranz gegenüber Schockeffekten und Kunstblut den Atem stocken lässt. Denn die Klingen des Sweeney Todd werden nicht nur über bärtige Wangen, sondern in aller Regelmäßigkeit quer durch Kehlen geführt, bevor die Besucher des Salons in der Fleet Street, im Keller der darunter liegenden Wirtschaft seiner Komplizin Mrs. Lovett zu Fleischpasteten verarbeitet werden. Denn wohin sonst mit den sterblichen Überresten, die laut dem mörderischen Duo abhängig vom Berufsstand einen ganz eigenen Geschmack aufweisen?

Den Weg mit Leichen pflastert sich der ursprünglich als Benjamin Barker bekannte Killer aber nicht ohne Grund. Denn nach 15 Jahren im australischen Exil, kehrt er unter einem neuen, dem Zuschauer als Titel des Stücks bekannten Namen zurück, um am korrupten Richter Turpin, der seine Familie zerstörte, schreckliche Rache zu üben. Bis dahin wollen aber die Londoner mit delikaten Backwaren versorgt werden, die übrigens auch dem Publikum am Bühnenrand zur Verkostung gereicht werden.

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© Martin Kaufhold

Das originale Broadway-Stück, dass unter anderem mit acht Tony Awards (darunter Best Musical, Best Book und Beste Score) ausgezeichnet wurde und einem breiteren Publikum als Tim Burton-Verfilmung mit Johnny Depp in der Hauptrolle bekannt ist, wurde schon häufig und weltweit aufgeführt. Die Preise und Kritiken für die nun über 40 Jahre alte Produktion sprechen dabei für sich. Genauso wie der geniale, pechschwarze Humor, der nur in der ursprünglich angelegten Sprache voll zur Geltung kommt und in der Fassung auch im Deutschen Theater München präsentiert wird. Zwar mag die Sprachbarriere aufgrund des teils schnellen und pointiert vorgetragenen Textes, ob nun gesungen oder gesprochen, das ein oder andere Detail verschlucken, aber das sollte in der Gänze nicht weiter stören. Schauspiel und Symbolik unterstreichen dafür nämlich überdeutlich das grausig-schöne Geschehen auf der düster-heruntergekommenen Bühne.

Die dazu stets präsente Musik in einer unkonventionellen Kombination aus zwei E-Pianos und Percussion sorgt für zusätzliche Gänsehaut und hilft den sarkastischen Stoff zu transportieren, ohne in den Pathos artverwandter Produktionen zu verfallen und damit der überzeugenden und von Regisseur Derek Anderson umgesetzten Geschichte von  Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street entgegen zu stehen. Diese wird dabei insbesondere von Sarah Ingram (Mrs. Lovett) und Stephen John Davis (Sweeney Todd) getragen, gegen die das perfekt besetzte Rest-Ensemble zwar nicht untergeht, aber eindeutig auf einer anderen Ebene funktioniert, die jedoch ohne Probleme in die des benannten Duos greift.

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© Martin Kaufhold

Das wissen auch die Zuschauer bei der Premierenfeier zu schätzen und quittieren den Musical-Thriller mit einem anhaltenden Applaus und Standing Ovations. Vollkommen zurecht, denn das Gerüst aus blindwütiger Rache und ungesteuertem Hass, das unweigerlich zu einem alles zerstörerischen Ende führen muss, ist zeitlos und unverändert relevant. Genauso wie die Faszination für Serienkiller, soziale Unterschiede und den simplen Horror der Gewalt. Alles Themen, die in über zwei Stunden gebündelt das Publikum nachhaltig faszinieren und im Anschluss zufrieden in den nach wie vor passend kalten Abend entlassen.

Wer sich dieses Erlebnis nicht entgehen lassen möchte, hat noch bis zum 15. März 2020 die Möglichkeit Sweeney Todd im Deutschen Theater München zu besuchen.

Vorstellungsbeginn:
Mittwoch - Samstag: 19:30 Uhr
Sonntag: 14:30 Uhr

Einlass: eine Stunde vor Vorstellungsbeginn

Altersempfehlung: 14 Jahre

Schulvorstellung: Dienstag, den 10.03.20 um 11:00 Uhr

Vorstellungsdauer: 2 Stunden 35 Minuten (inkl. 20 Minuten Pause)

Sprache: Songs und Dialoge in englischer Sprache

Preise: ab 29,00 €

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