[Rezension] Batman: The World (Panini Comics)

Seit einigen Jahren findet zum 18. September der internationale Batman-Tag statt. Dieser wurde von DC Comics primär als ein schöner Anlass eingeführt um den Dunklen Ritter über alle Kanäle hinweg prominent zu platzieren, Sales anzukurbeln und spezielle Titel auf den Markt zu bringen. Bis dato waren es überwiegend exklusive Hefte mit kurzen Geschichten oder anderweitiges Promomaterial. Etwas mit einer wirklichen Wirkung und Aussagekraft ließ jedoch auf sich warten. Das hat sich nun schlagartig geändert. Mit Batman: The World hat DC in Zusammenarbeit mit Lizenznehmern aus der ganzen Welt (daher auch der Titel) eine ambitionierte Anthologie herausgebracht, die es in der Form noch nie gegeben hat. 14 Kreativteams aus den USA, Frankreich, Spanien, Russland, Südkorea, China oder eben auch Deutschland trugen für diesen Band ihre ganz eigenen Geschichten zusammen, um zu zeigen, dass Batman vielseitiger angegangen werden kann, als es viele Leser vermuten würden.

Deutschen Lesern wird hierbei neben dem Kreativteam aus Brian Azzarello und Lee Bermejo (Joker, Batman: Damned) vor allem das deutsche Duo Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant ein Begriff sein. Die beiden haben erst dieses Jahr den Abschlussband ihrer international gefeierten Serie Gung Ho veröffentlicht. Darüber hinaus steuerte von Kummant das Plakatmotiv des Comicfestivals München bei, welches seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die bis dato größte Veranstaltung mit Comicbezug darstellte. In ihrer als Rauhnacht – A better Tomorrow betitelten Geschichte verschlägt es Batman erstmals in die verschneiten bayerischen Alpen. Dort haben sich zwei deutsche Klimaaktivisten auf dem Weg zu einer drastischen Mission verirrt und werden dabei von den Handlangern des Jokers aufgegriffen. Dabei kommen sich die Idealisten und der wahnsinnige Extremist in ihren Vorstellungen näher, als man zunächst annehmen möchte. Dieser Kombination aus mörderischer Skrupellosigkeit und blindem Aktivismus kann der dunkle Ritter natürlich nicht freien Lauf lassen und tritt aus dem Schatten…

Mehr soll an der Stelle auch nicht verraten werden. Inhaltlich gehört der Beitrag aber defitinitv zur Speerspitze der internationalen Storys, wenn nicht sogar auf den ersten Rang. An Qualität mangelt es keiner der Geschichten und auch visuell hat man den Charakter und seine Welt lange nicht mehr so spannend aufbereitet gesehen. Das Kunststück, welches von Eckartsberg und von Kummant gelingt, sticht dabei aber hervor, da die Wurzeln von Batman nicht verleugnet werden und die Handlung ohne Weiteres im „realen“ DC-Universum spielen könnte. Trotzdem ist die Interpretation dabei nicht beliebig und setzt so individuelle Akzente, dass man sich nicht bei der regulären Lektüre eines klassischen DC-Hefts wähnt. Auch im Bereich der visuellen Aufbereitung glänzt Rauhnacht deutlich. Lesern von Gung Ho ist der cineastische Stil natürlich bekannt, aber neuen Fans gehen mit aller Wahrscheinlichkeit zunächst die Augen über. Ein ähnlicher Effekt, der bei Lee Bermejos ersten Gehversuchen bei DC zu beobachten war und nun mit ganz anderen Akzenten plötzlich mitten aus Europa kommt.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved

Bei allem Lob und Stolz einen so qualitativ hochwertigen Beitrag aus Deutschland geliefert zu bekommen, sollte man die anderen Storys natürlich nicht unerwähnt lassen. Eingeleitet wird die Anthologie nämlich mit der von Azzarello und Bermejo konzipierten Geschichte Global City, die zwar mit oppulenten Bildern aus den wichtigsten Momenten Batmans aufwartet, aber im Kontext eines besonderen Bands jedoch nur gewohnte Kost bietet. Ganz anders ist zum Beispiel Paco Rocas (Kopf in den Wolken, Rückkehr nach Eden) Wegen Urlaubs geschlossen gelegen. Hier sieht man, dass Autoren und Künstler, die üblicherweise nicht für actionreiche Kost bekannt sind, ihre eigenen Wege finden um eine unterhaltsame Geschichte beizutragen. So begleitet man Bruce Wayne mit einem witzigen Twist in den Urlaub in Spanien und quält sich mit ihm durch eine ihm unbekannte Freizeit. Wie lange er es wohl ohne Maske und Sprünge zwischen Wolkenkratzern aushält?

Hat man mit dem deutschen Beitrag schon sozialkritische Töne angeschlagen, wird Kritik an politischen Verhältnissen vor allem in den osteuropäischen Beiträgen deutlich, während die Brasilianer Carlos Estefan und Pedro Mauro mit Wo sind die Helden? sogar direkt die Situation in ihrem Heimatland in den Fokus nehmen.

Möchte man in eine Welt abtauchen, die eindeutig jenseits jeder Konstinuiät steht, dann seien einem die asiatischen Beiträge aus Südkorea, China und Japan ans Herz gelegt. Skurill, bisweilen anarchisch und mit subtilen Botschaften gespickt sind sie ein eindeutiges Highlight von Batman: The World. Alles in allem ist die Anschaffung des Bandes ein Muss für jeden Fan des dunklen Ritters. Für Sammler gibt es sogar die Möglichkeit eine auf 999 Stück limitierte Hardcover-Ausgabe mit dem Titelbild der deutschen Geschichte zu ergattern. Die auf 666 Bände limitierte Premium-Edition mit einem von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg signiertem Druck ist zwar zurzeit über den Paninishop nicht lieferbar, aber auch nicht als ausverkauft markiert. Probiert also euer Glück.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved
Batman: The World
Verlag: Panini Comics 
Künstler: Lee Bermejo, Paco Roca, Thomas von Kummant, u.a.
Autor: Benjamin von Eckartsberg, Brian Azzarello, Paco Roca, u.a.
Format: Softcover / Limitiertes Hardcover
Seitenzahl: 168 / 188
Preis: 20 EUR / 30 EUR / 49 EUR

[Rezension] Batman Noir: Gotham By Gaslight (Panini Comics)

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Die US-Leser unter euch kennen sicherlich schon seit längerer Zeit die Strategie der großen Superhelden-Verlage Klassiker oder besonders beliebte Geschichten in schwarz/weiß auf den Markt zu bringen. Der Hintergrund, neben der offensichtlichen Möglichkeit des Abverkaufs schon erschienener Bände, ist die so besonders nah an der Vorstellung der Zeichner gelegene Vision betroffener Geschichten. Selbstverständlich sind Koloristen ein essenzieller Bestandteil des Produkts „Comic“ und bringen nicht selten eine Ebene mit ein, ohne die eine bestimmte Stimmung nicht mal im Ansatz transportiert werden könnte. Trotzdem sind vor allem Handlungen, die primär durch die eigentliche Geschichte und nicht nur Action getragen werden, geradezu prädestiniert dafür sich den typischen Graphic Novel-Look anzueignen.

Das haben auch Panini Comics in Deutschland erkannt und folgen nun dem Lizenzgeber DC mit zwei großformatigen Hardcovern, von denen ich hier den Titel „Batman Noir: Gotham by Gaslight“ besprechen möchte. Dieser versammelt zum ersten Mal die beiden Elseworld-Geschichten „Blutige Schatten der Vergangenheit“ (1989) und „Der Herr der Zukunft“ (1991).

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© Panini Comics

Beide Storys entstammen der Feder des Autoren Brian Augustyn, während sich mit  Eduardo Barreto und Mike Mignola zwei unterschiedliche Zeichner für die beiden Projekte zur Verfügung gestellt haben. Insbesondere Mignola sei hier gesondert erwähnt, den die meisten vermutlich aufgrund seiner Arbeit an Hellboy kennen sollten und dessen Werk vom legendären Alan Moore als Mischung aus Jack Kirby und dem deutschen Expressionismus bezeichnet wurde.

Inhaltlich steigt der Leser zum Ende des 19. Jahrhunderts auf einem Schiff ein, dass bald von London aus in Gotham einlaufen soll. Darauf befindet sich unter anderem Bruce Wayne, der zuvor unter den Fittichen von Sigmund Freud die Psychoanalyse in Wien studiert hat. Zeitlich passend hat kurz zuvor Jack the Ripper seine Mordserie in Whitechapel begangen und mit einem der Handlung vorangestellten fiktiven Brief von eben jenem Mörder darf man sich darauf einstellen, dass Gotham der nächste „Spielplatz“ seiner Wahl werden wird. Doch Jack hat in diese Rechnung Batman nicht einkalkuliert, der mit der Rückkehr Waynes natürlich ebenfalls sein wachsames Auge auf die Straßen der Metropole wirft. Was der dunkle Ritter jedoch selbst nicht erwartet, ist es mit seiner bürgerliche Fassade selbst in den Kreis der Verdächtigen zu geraten, was den Ursprung der blutigen Spur von der Themse bis zur Ostküste der USA anbelangt. Daher bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich selbst auf die Jagd nach dem Ripper aufzumachen, um den Namen der Familie Wayne rein zu waschen. Zeitgleich entdeckt er allerhand weitere Geheimnisse, die sogar den Mord an seinen Eltern mit einschließen.

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© Panini Comics

Wie nebenbei lässt der Autor dabei zahlreiche Referenzen mit einfließen, die zum Beispiel den Ursprung bestimmter Bösewichte im Kontext der beschriebenen Zeit beinhalten, selbst wenn diese in „Blutige Schatten der Vergangenheit“ keine tragende Rolle spielen. Darunter zum Beispiel der Joker, dessen kurz zu sehendes Bild als eindeutiger Verweis auf die reale Inspiration durch den Stummfilm „Der Mann, der lacht“ (1928) zu verstehen ist. Hinzu kommen auch kleine Anspielungen für die im Comic-Bereich historisch interessierten Leser, die unter anderem eine Zeichnung von Bob Kane wiedererkennen sollten. Ganz generell sorgen Mignolas Zeichnungen in schwarz-weiß für eine Atmosphäre, die nicht nur aufgrund des teils deckungsgleichen Themas aus „From Hell“ (1989-1996) für schaurig-schöne Momente sorgt. Man darf darüber hinaus davon ausgehen, dass der Release beider Titel nicht ohne Grund auf das Jahr 1989 fiel, da die Morde sich erst im Jahr zuvor zum hundertsten Mal jährten und damit der Öffentlichkeit besonders präsent waren.

In der zweiten Geschichte „Der Herr der Zukunft“ wird wie schon erwähnt mit Augustyn der Autor beibehalten, während mit Eduardo Barreto ein anderer Künstler zum Zeichenstift greift. Wir befinden uns immer noch am Ende des 19. Jahrhunderts und Gotham City ist im Begriff die Weltausstellung vorzubereiten, die in der Realität um den gleichen Zeitraum in Chicago stattfand. Insbesondere der Bürgermeister, sowie eine Vielzahl an Bürgern sind Feuer und Flamme für die Idee eine so prestigeträchtige Veranstaltung auszurichten, während Bruce Wayne sich primär Gedanken darum macht seinen Umhang an den Nagel zu hängen. Doch es kommt natürlich anders als erwartet, als mit dem geheimnisvollen Alexandre LeRoi ein Mann eine Veranstaltung stürmt, die zur Planung der besagten Ausstellung einberufen wurde. Hier verlangt er unter einem zivilisationskritischen Pathos, den man durch den Besitz eines Luftschiffs und eines Roboters durchaus in Zweifel ziehen kann, die Absage der Weltausstellung. Sollte man seinem Befehl nicht Folge leisten, würde er die Stadt in Schutt und Asche legen. Wie nicht anders zu erwarten, sieht sich nun Bruce Wayne erneut in der Pflicht die Fledermaus-Haube überzuziehen und der plötzlichen Bedrohung auf den Grund zu gehen. Alles in allem eine runde Abenteuergeschichte mit Steam Punk-Flair und daher lesenswert, jedoch nicht auf dem selben Niveau wie der Vorgänger, was neben der tiefergehenden Handlung auch am Strich Mignolas liegt, der im Gegensatz zum ebenfalls großartigen Eduardo Barreto eine deutlich individuellere Note mit sich bringt.

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© Panini Comics

Das Gesamtpaket in Form des Sammelbands „Batman Noir: Gotham by Gaslight“ ist in diesem Sinne definitiv eine Anschaffung wert. Insbesondere wenn man die Geschichten noch nicht im eigenen Bücherregal stehen hat und sich für den Graphic Novel-Vibe einer schwarz/weißen Batman-Geschichte begeistern kann. Man darf gespannt sein, was Panini nach dem vorliegenden Band und „Der Tod der Familie“ als nächstes in das „Noir„-Programm aufnimmt.

Batman Noir: Gotham by Gaslight 
Verlag: Panini Comics
 
Autor: Brian Augustyn
Zeichner: Mike Mignola, Eduardo Barreto
Erschienen am: 12.05.2020 
Format: Hardcover
 
Seitenzahl: 124
Preis: 23 EUR

 

[Rezension] Die Geschichte des Marvel-Universums (Panini Comics)

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Durch unterschiedliche Jubiläen aus dem Hause Marvel oder auch traurige Ereignisse wie dem Tod von Stan Lee, wurde immer wieder Sekundärliteratur auf den Markt gebracht, die die Entstehungsgeschichte von Helden und Schurken rund um die Avengers, die X-Men und viele anderen beleuchtet hat. Was dabei jedoch oft auf der Strecke blieb, war der inhaltlich übergreifende Zusammenhang von Charakteren und Geschichten innerhalb einer fiktiven Historie, die in ihrer Größe und Komplexität einen so gigantischen Mythos darstellt, dass ein Vergleich mit antiken Göttersagen alles andere als weit hergeholt erscheint.

Nun sind Comics, insbesondere aus dem Superhelden-Bereich, über viele Jahrzehnte hinweg reine Spiegelbilder der Popkultur gewesen und nicht wenige Auftragsarbeiten eher glückliche Zufälle als das Produkt eines Masterplans. Hier einen roten Faden zu spinnen, der sich zu einem Netz ausbreitet und selbst die absurdesten Nebenfiguren mit riesigen Events verknüpft, ist dementsprechend eine echte Herkules-Aufgabe, doch mit Top-Autor Mark Waid (Avengers) und dem Ausnahmekünstler Javier Rodríguez (Spider-Man) hat sich ein Team zusammengefunden, dass sich tatsächlich an diese Herausforderung gewagt hat.

Aufgemacht wird die Geschichte dabei durch eine gekonnt gesetzte Rahmenhandlung. Nach einem Kampf zwischen den uralten Celestials sind Franklin Richards, der Sohn von Mr. Fantastic und der Unsichtbaren, und der Weltenverschlinger Galactus am Ende der Zeit zusammengekommen. Das Universum liegt im sterben, soll aber laut Richards nicht in Vergessenheit geraten. Deswegen bewegt er Galactus dazu die gesamte Geschichte des Marvel-Kosmos zu erzählen: vom Urknall, über frühe Zivilisationen bis hin zu den Taten der uns bekannten Helden.

Dabei werden über sechs Kapitel hinweg reale Mythen, politische Wendepunkte und soziale Umbrüche akribisch aufgeschlüsselt und in den Kontext von Göttern, Mutanten, Aliens und aus Zufall entstandene Helden gesetzt, ohne das Gefühl aufkommen zu lassen, einem Bewusstseinsstrom ausgesetzt zu sein. Tatsächlich balanciert der Autor nicht selten auf der Schneide in simples Name-Dropping zu verfallen, doch da dieser Eindruck nie dominiert, erscheint die Handlung wie beabsichtigt als Erzählung, die man so oder so ähnlich auch in realen Handbüchern zu historischen Ereignissen finden könnte. Manches lässt sich in einem Satz, anderes über Seiten hinweg beschreiben und gibt einem trotzdem jederzeit das Gefühl, dass alle Ereignisse ihre Relevanz haben und durch ihr Ineinandergreifen erst das Marvel-Univerum zu dem machen, was es heute ist.

Auf der visuellen Ebene geht Rodríguez keine Experimente ein und liefert mit seinem für den Superhelden-Bereich nahezu perfekt passenden Stil, die Möglichkeit sich auf die extrem große Masse an Informationen einzulassen, ohne den Leser durch abstrakte Ausflüge herauszureißen. Darüber hinaus schafft er es mit der Konzeption seiner Panels, die keinem festen Muster folgen, sondern sich in den Dienst der Handlung stellen, sowohl in einem Nebensatz abgearbeitete Ereignisse, als auch bis heute nachwirkende Geschehnisse passend ins Bild zu setzen. Dabei spielt er natürlich neben eigens kreierten Szenen auch mit ikonischen Darstellungen, die auch der Laie als solche wiederkennt.

Der Geschichte selbst nachgesetzt ist ein sehr umfangreicher, sowie bebilderter Anhang, der das Gelesene mit Verweisen auf die entsprechenden Hefte und Bände versieht. Dadurch können Interessenten sich persönlich auf die Reise in die Historie des Marvel-Universums begeben und die in aller Kürze behandelten Events in aller Ausführlichkeit persönlich nachvollziehen. Es sollte jedoch erwähnt werden, dass trotz des vorliegenden Gesamtüberblicks ein Griff zu „Die Geschichte des Marvel-Universums“ nur für Leser zu empfehlen ist, die sich zumindest eine gewisse Basis an Wissen angeeignet haben, die in der Lektüre des Verlags und nicht in dem cineastischen Output liegen sollte. Andernfalls ist eine Überforderung durch unglaublich viele Details geradezu vorprogrammiert.

In diesem Sinne ist eine Anschaffung für alle Marvel-Fans zu empfehlen, wenn sie sich nicht auf wenige einzelne Heftreihen versteift haben und sich auch für die Vergangenheit ihrer Lieblingshelden interessieren. Sollte dies der Fall sein, handelt es sich beim Kauf von „Die Geschichte des Marvel-Universums“ um einen schönen Überblick, der insbesondere als inhaltliche Ergänzung zum Wissen um Autoren und Künstler sowie die Historie des Verlags herangezogen werden kann.

Die Geschichte des Marvel-Universums 
Verlag: Panini Comics
 
Autor: Mark Waid
Zeichner: Javier Rodríguez
Erschienen am: 05.05.2020
Format: Softcover
 
Seitenzahl: 244
Preis: 26 EUR

[Rezension] Batman: Damned – Bd. 2 (Panini Comics)

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Ihr könnt euch noch an den kleinen Skandal um Batmans bestes Stück im Kontext der Veröffentlichung des DC Black Label-Titels „Damned“ erinnern? Die künstliche Empörung (und damit auch der Preis für die unzensierte Ausgabe) ist glücklicherweise abgefallen und gibt nun endlich den Blick auf die erzählerische und künstlerische Qaulität der Reihe frei, die bei Panini Comics endlich in die zweite Runde geht.

Wie schon beim Erstling, wird dem Leser recht schnell bewusst gemacht, dass es sich nicht um eine übliche Batman-Erzählung handelt. So war schon der Beginn mit Jokers Ermordung(?) ein spannender und außergewöhnlicher Einstieg, der mit okkulten Elementen, basierend auf Figuren wie John Constantine und Deadman, in eine Handlung floß, die man sich mit Konzentration, aber mit viel Spaß erschließen musste. Letzterer fußte aber primär nicht auf der schwer zu greifenden Handlung, sondern dem schier unfassbar guten Artwork von Lee Bermejo („Joker„, „Luther„, „Batman: Nöel„). Dieses bewegt sich de facto auf einem für sich stehenden Level, welches im Hinblick auf den malerischen, bisweilen ultrarealistischen Stil nur von Kollegen wie Alex Ross geteilt wird. Eins kann man in dem Zusammenhang schonmal vorweg nehmen: auf der visuellen Seite wird dieses Niveau gehalten und in Teilen sogar übertroffen. Hier saß wahrlich ein Meister seines Fachs am Zeichentisch.

Inhaltlich schließt Band 2 nahtlos an den Vorgänger an. Batman versucht Licht in den Fall des ermordeten Jokers zu bringen, stößt dabei auf Hinweise, die ihn als Mörder ausweisen und wittert darauf basierend eine Verschwörung gegen ihn, der er aus nachvollziehbaren Gründen auf den Grund gehen möchte.

Dafür muss er sich in die düstersten Ecken Gothams bewegen und seine Detektivfähigkeiten ausspielen, die jedoch nicht immer zum Erfolg führen. So trifft er zum Beispiel in einem Nachtclub auf den Dämon Etrigan aka Jason Blood, der in der Fassung von Brian Azzarello wie das Original in Reimen spricht, aber in einem Twist des Autoren passend zu einem Underground-Rapper umgestaltet wird. Ein netter Gag für Comic-Enthusiasten, aber für Batman selbst keine Hilfe, da der Laden im Verlauf der Konforntation mitsamt den Hoffnungen des dunklen Ritters in Flammen aufgeht.

Neben dieser Suche erfährt der Leser durch Rückblenden auch Stück für Stück ein wenig mehr über die Vergangenheit von Bruce Wayne und seine Eltern. Diese ist dabei bei weitem nicht die harmonische Beziehung, die wir aus den üblichen Origin-Geschichten kennen, sondern in ihrem Kern, zumindest zwischen Thomas und Martha, so disfunktional, wie es leider zu oft in der Realität anzutreffen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Bruce versucht hat über Jahre hinweg familiäre Probleme zu verdrängen oder ob das Trauma der Ermordung seiner Eltern diese einfach überschrieben hat und zu einer Überhöhung des Bildes geführt hat, dass er seit dem in sich trägt.

Leider wären das schon im Kern alle greifbaren Story-Elemente, neben denen wenige verquere Stränge auftauchen, die sich wahrscheinlich erst im großen Bogen der drei Teile der Geschichte zusammenführen lassen.  Wäre da nicht Bermejos umwerfende Arbeit, würde Azzarellos Geschichte realistisch Gefahr laufen recht blass auszusehen. Da es jedoch offensichtlich nicht der Fall ist, trägt dieses Team „Batman: Damned“ auch im zweiten Teil gut über die Ziellinie. Zwar deutet die Story aufgrund der genannten Elemente eine reale Tiefe über gewisse Strecken nur an, aber eine düster-stimmige Atosphäre wird trotz allem über alle Seiten hinweg erzeugt und hält damit den Leser ohne Probleme bei der Stange.

Selbst wenn die Handlung nicht jeden vollends überzeugen sollte, lohnt sich der Griff in das Regal des Comicladens eures Vertrauens, allein schon wegen des opulenten Artworks. Dieses für sich steigert schon die Vorfreude und Neugier auf den bald erscheinenden Abschluss der Story im Dezember.

Batman: Damned - Bd. 2 
Verlag: Panini Comics
 
Autor: Brian Azzarello 
Zeichner: Lee Bermejo 
Erschienen am: 11.06.2019 
 
Format: Hardcover

Seitenzahl: 60
Preis: 12,99 EUR

[Rezension] Doomsday Clock Bd. 1 (Panini Comics)

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Ich gehöre zu den Leuten, die sich intensiv mit Comics beschäftigen. Trotzdem würde ich mich niemals als Puristen bezeichnen. Daher kann ich mich auch unvoreingenommen über Spin-Offs, Pre- und Sequels freuen, wenn bei diesen mit fast schon legendären Stoffen hantiert wird. Dazu gehört definitiv das epochale „Watchmen“ von Alan Moore und Dave Gibbons. Eine Geschichte, die erzählerisch neue Maßstäbe gesetzt hat und nach Jahrzehnten immer noch begeisterte Leser findet. Eine für dieses Jahr angekündigte HBO-Produktion, die als Fortsetzung angelegt ist, unterstreicht nochmal die Relevanz dieser Veröffentlichung.

Auch im Bereich der Comics traute sich DC schon vor einigen Jahren, die Story um eine Gruppe von Superhelden, die nicht unbedingt den moralischen Kompass der üblichen Verdächtigen wie Batman und Co. besitzen, um einige in sich abgeschlossene Mini-Serien zu ergänzen. Diese erzählten, immer von einem anderen Kreativ-Team gestaltet, die Geschichten von Rorschach, Nite Owl oder Dr. Manhatten, die vor der eigentlichen „Watchmen„-Handlung angesetzt wurden. Auch dieser Vorstoß wurde von vielen Lesern skeptisch betrachtet und von manchen geradezu als Beleidigung gegenüber den ursprünglichen Machern ausgelegt. Nichtsdestotrotz fand auch dieser Stoff begeisterte Leser, die in Teilen dadurch das erste Mal mit den Figuren in Berührung kamen. Dabei orientierte man sich immer noch streng an dem, was die Vorlage an Informationen zur Verfügung stellte und nutzte es primär als Basis für die Erweiterung des bis dato bekannten Universums.

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©Panini Comics

Nun sind einige Jahre ins Land gezogen und DC Comics hat sich dazu entschieden ein weiteres Kapitel zum Franchise hinzuzufügen, dass diesmal jedoch durchaus weitere Kreise ziehen dürfte, als die für sich stehenden Prequels. Mit „Doomsday Clock“ läutet der Verlag nämlich nichts Geringeres als die Verschmelzung des uns bekannten Comic-Reigen aus Batman, Superman und Co. mit dem ursprünglich für sich stehenden „Watchmen„-Universum ein.

Ein durchaus mutiges Unterfangen, dass einige Stolperfallen bereit hält. Selbst wenn Geoff Johns als Autor die Zügel in der Hand hält und nicht unbedingt für Fehlgriffe bekannt ist, hätte dieses Experiment auch schnell an seiner Stellung innerhalb der Szene kratzen können. Es sei jedoch vorweg zu nehmen, dass diese Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben. Warum das so ist, erfahrt ihr hier:

Wir steigen in das Jahr 1992 ein und damit gut sieben Jahre nach den Geschehnissen aus dem Original-Werk. Ozymandias, der zunächst als Held eingeführt wurde, sich im laufe der Handlung aber als Bösewicht herausgestellt hat, initiierte eine angebliche Alien-Invasion mit dem Ziel die Kämpfe zwischen den verfeindeten Blockstaaten zu beenden und damit den von ihm befürchteten Weltuntergang zu verhindern. Diejenigen, die die letzte Seite von „Watchmen“ in Erinnerung haben, wissen jedoch, dass Rorschachs Tagebuch seinen Weg an die Presse fand. Daher ist die Welt trotz der (im wahrsten Sinne des Wortes) monströsen Anstrengung von Ozymandias, der nun zum meistgesuchten Mann der Welt avanciert ist, erneut am Abgrund von dem sie sich kurzzeitig entfernt hatte.

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©Panini Comics

Genaugenommen steuern die Weltmächte mit so großen Schritten auf einen dritten Weltkrieg zu, wie nie zuvor. Insbesondere als Russland in Polen einmarschiert, scheint eine Grenze überschritten worden zu sein, denn die USA setzen Russland mit einem Ultimatum massiv unter Druck. Sollte Moskau dieses nicht erfüllen, droht Washington in der Folge mit einem atomaren Erstschlag und damit dem Szenario, dass Ozymandias ursprünglich verhindern wollte. Es scheint so gut wie keine Möglichkeit zu geben den atomaren Alptraum verhindern zu können und doch besinnen sich einige wenige auf jemanden, der die Macht haben könnte die Weltuntergangsuhr zurück zu drehen. Auf jemanden, der einem Gott gleich Raum und Zeit zu verändern vermag. Auf jemanden wie Dr. Manhatten. Dieser ist bekanntlich verschwunden und die Suche beginnt.

Und insbesondere an diesem Punkt merkt man den Versuch, an „Watchmen“ direkt anzuknüpfen. Dabei darf man jedoch nicht dem Trugschluss aufsitzen, dass es sich hierbei um eine Kopie der Erzählweise bzw. Stimmung handelt, denn beides ist in seiner Genialität wohl von niemandem zu erreichen. Das wird auch der Grund dafür sein, dass sowohl Geoff Johns als Autor und Gary Frank als Zeichner ihren eigenen Weg gehen, jedoch genug vom Original durchscheinen lassen, um einen sauberen Anschluss herzustellen. Das passiert primär durch dem Leser bekannte Versatzstücke wie die Erzählung aus der Sicht bestimmter Figuren, die grimmige Stimmung, die die Superhelden in ein raues bis realistisches Licht rückt, sowie offensichtlich platzierte Easter Eggs.

Nichtsdestotrotz liegt der Fokus in diesem ersten von vier Sammelbänden zunächst einmal auf dem Aufbau eines Gerüsts, an dem sich die Handlung in den darauf folgenden Releases entlang hangeln kann. Dazu gehört natürlich die Zusammenkunft der Figuren aus den beiden schon erwähnten Comic-Universen, wobei sich diese im vorliegenden Band auf eher kurze Episoden beschränken und sicherlich in Zukunft noch in epischer Breite aufgegriffen werden. Trotzdem ist der beschriebene Weg derart spannend gestaltet, dass man nach den letzten Seiten fast schon frustriert die Lektüre aus der Hand legt, weil man unbedingt wissen möchte, wie es nun weiter geht. Zwar wird der Unterhaltungswert im Gegensatz zu „Watchmen“ nicht so sehr aus selbstreferentiellen Aspekten und politischen Seitenhieben gezogen, doch er besticht unbestreitbar durch eine durchdachten Handlungsbogen, der auch bei Puristen einiges wett machen könnte.

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©Panini Comics

Auch auf visueller Ebene wird von Gary Frank eine eigene Schiene gefahren, die sich zwar im Realismus von Dave Gibbons bewegt, jedoch eindeutig die individuelle Handschrift des aktuellen Künstlers trägt. Doch auch hier gibt es Querverweise, die man als Fan des ursprünglichen Stoffes zu schätzen weiß. So wird selbstverständlich mit dem neunteiligen Panel-Aufbau gearbeitet, der das Original schon hervorstechen ließ und heute noch eindeutige Assoziationen weckt.

Alles in allem ist „Doomsday Clock Bd. 1“ daher in meinen Augen nicht einfach ein „Fanpleaser“, der die richtigen Trigger setzt, sondern ein eigenständiges Werk, dass zwar keinen neuen Epos für die Ewigkeit darstellt, jedoch die Tür für viele weitere spannende Geschichten aufstößt, die ohne diesen Release nicht möglich wären.

Doomsday Clock Bd.1 (von 4) 
Verlag: Panini Comics 
 
Autor: Geoff Johns 
Zeichner: Gary Frank

Erschienen am: 02.04.2019 
 
Format: Softcover
 
Seitenzahl: 108
Preis: 13,99 EUR

[Rezension] Batman: Damned Bd. 1 (Panini Comics)

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Die Comicszene war in großen Teilen neugierig und verzückt, als DC ein Sub-Label mit dem Titel „DC Black Label“ ankündigte. Es sollte Autoren und Zeichnern die Möglichkeit bieten, sich außerhalb vorgegebener Normen und Kontinuitäten entfalten zu können und erwachsenen Lesern einen Zugang zu bekannten Helden geben, der durch einen großteiligen Verzicht auf Themen wie explizite Gewalt, Sex und reale menschliche Abgründe versperrt wurde. Natürlich gab es spätestens seit den 80ern Ausnahmen in Form von Releases wie „The Dark Knight Returns„, „The Long Halloween“ usw. Diese werden im Übrigen nun ebenfalls mit dem prägnanten schwarzen Logo neu in die Regale gebracht. Trotzdem blieben solche Mini-Serien die große Ausnahme, während nun Kreativteams dazu ermuntert werden, sich nach belieben auszuprobieren.

Eine der ersten Ankündigungen war „Batman: Damned“ von Brian Azzarello und Lee Bermejo, die sich schon vor geraumer Zeit für den modernen Klassiker „Joker“ zusammengetan hatten, der bezüglich des Storytellings zwar gut, aber nicht brilliant war, optisch jedoch in einer ganz eigenen Liga spielte. Umso gespannter waren die Fans, was dieses Team erneut zaubern würde. Doch bevor ich auf den Inhalt der dreiteiligen Serie eingehe, möchte ich das in dem Kontext hochgekochte Thema der Zensur ansprechen.

Als das Veröffentlichungsdatum der Geschichte fest stand, blies DC in alle Marketing-Rohre und heizte damit den Hype unter Fans und in den Medien ordentlich an. Als dann die Hefte ihren Weg in die Läden fanden, folgte jedoch etwas, was man im Kontext eines an erwachsene Leser gerichteten Bandes nicht erwarten würde. Aufgrund von zwei Panels, in denen der Penis von Bruce Wayne schemenhaft zu erkennen war, beschloss der Verlag keinen Nachdruck mehr zu veröffentlichen, die digitale Fassung zu retuschieren und bei einer Trade-Paperback-Veröffentlichung nur eine zensierte Version zuzulassen. Da der ausländische Markt außerdem nur mit den Lizenzen operieren kann, die der Konzern zur Verfügung stellt, können deutsche Leser ebenfalls nur auf eine zensierte Fassung zugreifen.

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Das führte dazu, dass die erste und bis dato einzige Auflage des ersten Heftes in den Tagen und Wochen nach dem Release für Mondpreise gehandelt wurde. Ein unrühmliches Beispiel war ein „Fan“, der bei einer im selben Zeitraum stattfindenden Con in Irland sein Heft von Lee Bermejo hat signieren und graden lassen. Kurz danach stellte er es auf eBay ein und ließ es für einen stolzen Preis von 1000$ den Besitzer wechseln. Auch im kleineren Rahmen gab es kaum eine Möglichkeit unter einem dreistelligen Betrag an die begehrte Fassung zu kommen. Inzwischen ist der Hype zum Glück etwas abgeflaut und die Preise haben sich für ein vergriffenes Heft durchaus normalisiert. Nichtsdestotrotz bleibt zum einen ein fader Beigeschmack, da DC die eigene Zielsetzung außer acht ließ und die Kunstfreiheit aufgrund einer überzogenen Prüderie opferte. Zum anderen geriet damit die eigentliche Geschichte gewaltig in den Hintergrund und wurde ausschließlich auf den „Skandal“ reduziert.

Daher soll es nun um die eigentliche Essenz von „Batman: Damned“ gehen: Die Story und Optik. Den Beginn markiert bedeutungsschwanger ein blinkender EKG, der von einem Monolog begleitet wird, der sofort einen Querverweis auf einen Batman-Klassiker in Form von „The Killing Joke“ verweist. Ein anderes, düsteres und in sich abgeschlossenes Kapitel um den dunklen Ritten und ein Einstieg, der den Ton der folgenden Seiten vorgibt.

Schon auf der nächsten Seite verstehen wir, wem der unregelmäßige Pulsschlag gehört: einem schwer verletzen, an eine Krankenwagen-Barre geschnallten Batman. Noch weiß der Leser nicht, wie er so zugerichtet werden, geschweige denn, wie er umringt von Sanitätern und Polizisten in den Wagen kommen konnte. Als diese dann tatsächlich versuchen die Maske des Vigilanten zu entfernen, setzen seine Instinkte ein und katapultieren ihn und einige seiner Mitreisenden kurzerhand aus dem Wagen auf die Straßen Gothams. Halb im Delirium stürzt sich Batman daraufhin in eine nahegelegne Gasse und bekommt von einem unerwarteten Gast die Hilfe, die er benötigt: John Constantine. Ab diesem Zeitpunkt wird auch klar, dass er der Erzähler der Handlung ist und aufgrund seiner Charakterzüge auch der Leser vorsichtig sein sollte, wenn es um die Frage geht, was hier wahr und erlogen ist.

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©Panini Comics

Noch seltsamer wird alles, als Batman in Constantines Versteck, samt Deadman als Mitbewohner, aufwacht und eröffnet bekommt, dass niemand Geringeres als der Joker tot aus einem Fluss geborgen wurde. Daher auch der prägnante Satz auf dem Buchrücken, der alles ins Rollen bringt: „Der Joker ist tot.“

Inhaltlich bleiben die 60 Seiten jedoch im weiteren Verlauf erstaunlich wage. Während der Leser in Rückblenden angedeutet bekommt, dass Thomas Wayne scheinbar ein Ehebrecher war und Enchantress schon in der Kindheit von Bruce eine Rolle spielte, werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Daher kann man den ersten Band von „Batman: Damned“ durchaus als Prolog für das betrachten, was in den kommenden zwei Veröffentlichungen kommen wird. Der letzte Teil ist im Übrigen auch auf Englisch noch nicht erschienen.

Trotz der doch übersichtlichen Handlung bleibt man sehr lange an den einzelnen Seiten hängen. Der offensichtliche Grund sind die meisterhaft gestalteten Seiten durch den Ausnahmekünstler Lee Bermejo. Die deutsche Fassung eignet sich sogar noch mehr als die englische, um den Leser mit den düsteren Kompositionen zu verzücken. Durch das Albenformat in Übergröße wirken die einzelnen Panels noch um einiges einnehmender und genialer, als man es vom Original kennen könnte. Hinzu kommen neue Techniken, die Bermejo bis dato nicht für sich zu eigen machte und nun besonders hervortreten lässt. Dazu gehören wunderschöne Unschärfeeffekte und Spiegelungen, die die Szenen fast schon übernatürlich erscheinen lassen. Alles in allem nichts anderes, als eine wahre Augenweide.

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©Panini Comics

Als Fazit kann man ziehen, dass hier inhaltlich eher eine Art Vorgeschmack auf das geliefert wird, was in den übrigen Bänden erzählt werden soll. Durch das unfassbar schöne Artwork, zieht „Batman: Damned“ einen nichtsdestotrotz unweigerlich in seinen Bann und beweist, dass sich eine Anschaffung trotz der Zensur allemal lohnt. Man darf gespannt sein ob Azzarello und Bermejo das Ganze zu einem runden Abschluss führen werden, doch bei diesem Team habe ich keine Zweifel, dass es gelingt.

Batman: Damned Bd. 1 
Verlag: Panini Comics 
 
Autor: Brian Azzarello
Zeichner: Lee Bermejo
Erschienen am: 26.03.2018 
 
Format: Hardcover 
 
Seitenzahl: 60
Preis: 12,99 EUR

[Rezension] Batman: Der weiße Ritter (Panini Comics)

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Als Batman-Fan wird man über Jahre hinweg mit unzähligen Storys überhäuft, die aufgrund der Wichtigkeit der Figur durchwegs gut sind und nur wenige negative Ausfälle beinhalten. Doch genauso selten wie wirklich schlechte Geschichten, gibt es leider auch nur in sehr großen Abständen so großartige Erzählungen, dass man sie den modernen Klassikern zuordnen könnte. Nun ist es aber endlich wieder soweit und eine der besten Veröffentlichungen um den dunklen Ritter erscheint unter dem sogenannten „Black Label“ erstmals auf deutsch: Der weiße Ritter!

Die im Jahr 2017 in den USA erschienene achtteilige Mini-Serie von Autor und Zeichner Sean Murphy flog zunächst unter meinem Radar, bis sie als Paperback rückwirkend das eben erwähnte „Black Label“ verpasst bekommen hat und als erster Release des neuen Sub-Labels für erwachsene DC-Leser erschien. Interessiert bestellte ich mir den Band um mir ein Bild von der Geschichte zu machen, deren Inhalt mir nur grob bekannt war und war schier fassungslos, wie mir eine wahre Comic-Perle so durch die Finger gleiten konnte. Da sie nun auf deutsch erschienen ist, kann ich euch endlich erzählen, warum es eure Pflicht ist, sich dieses Werk ins Regal zu stellen.

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©Panini Comics

Inhaltlich steigen wir Jahre nach Batmans erstem Erscheinen in Gotham City ein. Inzwischen ist der dunkle Ritter quasi alleine für die Bekämpfung von Schurken der Größenordnung eines Killer Croc, Mister Freeze und Co. zuständig, da die reguläre Polizei der Stadt durch fehlende Mittel, Korruption und Inkompetenz de facto tatenlos zusehen muss. Während der besagten Kämpfe geht wie in so vielen anderen Storys um die Figur, so einiges zu Bruch, Umstehende werden verletzt, Menschen geraten in Panik und trotzdem werden die Umstände akzeptiert, solange die Superschurken hinter Schloss und Riegel landen. Doch im Laufe der Zeit schleichen sich auch bei den Verbündeten des Mitternachtsdetektivs Zweifel ein, ob die brachiale Herangehensweise tatsächlich die beste Lösung für die Verbrechensbekämpfung ist.

Diese Zweifel mehren sich erst recht, als eines Tages der Joker, hier bürgerlich Jack Napier genannt (Querverweis auf Jack Nicholsons Interpretation der Figur in Tim Burtons Film von 1989), auf der spielerischen Flucht vor Batman aufzeigt, dass diesem eigentlich egal ist was um ihn herum passiert, solange er sein Ziel erreicht. Um das zu beweisen, lockt der Clownprinz des Verbrechens seinen Verfolger in eine geheime Lagerhalle, die offensichtlich bis obenhin mit semi-offiziellen Pharmazeutika vollgestopft ist, deren Wirkung weder dem Leser, noch Batman bekannt ist. Nichtsdestotrotz schafft es der Joker seine Nemesis so sehr zu provozieren, dass er hierfür vor laufender Kamera zu Brei geschlagen und mit den rumliegenden Pillen „zwangsernährt“ wird.

Genau das scheint der Plan des Jokers gewesen zu sein, denn die ihm verabreichte Medizin ist nichts anderes als ein Gegenmittel für die Geisteskrankheit des Verbrechers, der nun geheilt von seinen bösen Geistern der Welt demonstrieren kann, dass Batman nicht einfach ein Verbrechensbekämpfer, sondern eine reale Gefahr für die Allgemeinheit ist. Vollkommen klar und rational, schafft es nun der inhaftierte Jack Napier Polizei und Justiz davon zu überzeugen ihn gehen zu lassen, um der Stadt den Beschützer zu geben, den sie verdient, aber nie bekommen hat: einen weißen Ritter!

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©Panini Comics

Mehr soll hier inhaltlich nicht verraten werden, denn die Handlung lebt von überraschenden Wendungen, Erklärungen lange offener Fragen und der Infragestellung von Batman als Vigilanten, ohne die Figur zu demontieren.

Es sei nur bezüglich der wichtigsten Details und dem Rahmen der Geschichte erwähnt, dass sich das Ganze außerhalb der Kontinuität abspielt, ohne zu sehr in eine „Elseworld“-Story abzudriften. Das funktioniert dadurch, dass Sean Murphy sich, wie für solche Releases üblich, alle Freiheiten dafür nimmt seine Vision in die Tat umzusetzen, zeitgleich jedoch unzählige Referenzen einbaut, die sich nicht nur direkt auf die laufende Comic-Reihe, sondern auf das gesamte Franchise um die Figur beziehen. Das fängt bei der Ausstattung der Zelle des Jokers an, die vor Batman-Merchandise überquillt, über einen kompletten Fuhrpark an Batmobilen aus jeder(!) Epoche des dunklen Ritters, bis hin zur tatsächlich nachvollziehbaren Erklärung des Look-Wechsels von Harley Quinn. Solche Sachen gehen üblicherweise nur als „Fanpleaser“ durch, funktionieren hier aber sehr organisch und verzahnt mit der Handlung, sodass nie der Eindruck entsteht, sich mit billigen Tricks die Zustimmung der Fans verdienen zu wollen.

Vor allem liegt es an dem unfassbar gut ausgeklügelten Kniff, den Selbstjustiz-Ansatz von Frank Miller, der sich seit den 80ern durch alle Reihen und One-Shots zieht, dadurch infrage zu stellen, indem mit dem geheilten Joker ein Gegenentwurf eingeführt und die Handlungsweise von Batman so der Realität entgegengestellt wird. Diese beinhaltet dabei nicht nur zwei Antagonisten, sondern eine lebendige Stadt, samt einer Zivilbevölkerung, die unter den Kämpfen zu leiden hat. Damit schafft es Murphy sogar das Gesamtkonzept des maskierten Vigilanten zu dekonstruieren, ohne es zu zerstören. Hinzu kommen die Motive von Batman und Joker, die nicht nur wie üblich auf das Ying und Yang-Prinzip reduziert, sondern fast schon tiefenpsychologisch erörtert werden.

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©Panini Comics

Mit diesem Cocktail schafft es der Autor und Zeichner eine unfassbar dichte Atmosphäre und Tiefe zu erzeugen, die man so in einem Superheldencomic Jahre nicht gesehen hat. Unterstrichen wird das Ganze mit einer unglaublich schönen Visualisierung, die sehr individuell erscheint, jedoch genug Platz für klassische Erkennungsmerkmale einer Batman-Geschichte zulässt. Was durchgehend bleibt, ist das sehr düstere und bisweilen rohe Setting der Panels, die insbesondere bei den brutalen Momenten der Geschichte eine solche Intensität erreichen, dass einem schier der Atem stockt.

Diese nahezu perfekte Kombination aus Erzählung und Bebilderung ist in der Quintessenz nicht weniger als ein Pflichtkauf für alle Batman-Fans und all jene, die mit Cape tragenden Figuren etwas anfangen können. Ihr werdet es nicht bereuen und falls ihr danach, wie ich, nicht genug haben solltet, sei euch gesagt, dass Sean Murphy für dieses Jahr schon eine Fortsetzung von „Batman: Der weiße Ritter“ angekündigt hat!

Batman: Der weiße Ritter
Verlag: Panini Comics 
 
Autor: Sean Murphy
Zeichner: Sean Murphy
Erschienen am: 26.03.2018 
 
Format: Softcover 
 
Seitenzahl: 220
Preis: 22 EUR

[Rezension] Black Road – Die schwarze Straße: Im Norden steht ein Kreuz (Bd. 1) (Panini Comics)

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Als ich vor einiger Zeit die Panini Vorschau aufgeschlagen habe, fiel mir recht schnell ein ungewöhnliches Cover ins Auge, dass im ersten Moment garnicht zum üblichen Portfolio des Verlags passen wollte. Ein Wikinger mit einer Axt im Nacken, stilisiert vor einem weißen Hintergrund. Üblicherweise findet man so eine Bildsprache bei Mitbewerbern mit einem Augenmerk auf Abenteuer und Fantasy. Daher wurde mein Interesse geweckt und erst mit der Ankunft des Bandes bei mir daheim befriedigt.

Black Road – Die schwarze Straße: Im Norden steht ein Kreuz von Brian Wood (Northlanders) und Garry Brown ist als überformatige Hardcover-Ausgabe im Handel erhältlich und ist der erste Part eines in sich abgeschlossenen Zweiteilers, der ziemlich genau das abliefert, was man sich verspricht. Grimmige Nordmänner, raue Landschaften und viel Gewalt zu Zeiten der Ausbreitung des Christentums in Skandinavien.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Magnus der Schwarze. Ein Wikinger wie er im Buche steht: groß gewachsen, mürrisch und als Söldner keinem Kampf abgeneigt. Die alten Tage, in denen das Leben hart und einfach war, scheinen sich aber langsam auf das Ende hin zu bewegen, da Römer mit ihren Mönchen den christlichen Glauben verbreiten und damit die hiesige Bevölkerung in innere und äußere Konflkte stürzen.

Genau diesen Strömungen versucht Magnus jedoch bewusst aus dem Weg zu gehen, bis er eines Tages den Auftrag erhält einen Geistlichen aus Rom über die Schwarze Straße zu einem weit entfernten Ziel im Norden zu eskortieren. Der dem Band den Namen gebende Weg gestaltet sich im Übrigen genauso, wie er sich anhört: bedrohlich und voller unvorhersehbarer Gefahren.

Das Land hat sich verändert in den letzten Jahren, denn mit dem Einzug der Christen in die Welt der Heiden holte die kampferprobten Nordmänner und -frauen nicht der Fortschritt der römischen Kultur ein, sondern auch ein Glaubenskonflikt, der Blut, Leid und Schmerz hervorbringen sollte. Hierbei spielt der angesproche Konflikt zwischen Heiden und Christen eine entscheidende Rolle, denn willkommen sind die Betbrüder aus fernen Landen defintiv nicht. Daher ist Magnus als Beschützer gerade willkommen, wenn Horden an Wikingern seinem Kunden an den Kragen wollen.

Dabei klingt die Geschichte auf einer rein deskriptiven Ebene vielleicht ein wenig nach klassicher Abenteuer-Kost, schlägt aber schon nach kurzer Zeit eine überraschende Richtung ein, die sich wohl am besten als Krimi bezeichnen lässt. Das besondere hierbei ist verständlicherweise das Setting, dass allein schon durch ungewöhnliche Orte und Charaktere auffällt und dadurch frischen Wind in das Genre bringt. So hat man selten bis nie das Gefühl erahnen zu können, was als nächstes passiert, während gut platzierte Twists die Spannung aufrecht erhalten.

Doch auch auf visueller Ebene wird einiges aufgefahren. Passend zum Setting des Geschehens sind die Zeichnungen von Garry Brown schön rau, während die zurückgefahrene Farbpalette die Panels in eine kühle Atmosphäre taucht, die dem Storytelling durchgehend dienlich ist und die Stimmung beim lesen in die passende Richtung rückt.

Alles in allem liegt mit diesem Band ein spannender Auftakt vor, dessen Abschluss ich schon jetzt entgegenfiebere. Wenn man bedenkt, dass die Aufmachung der Geschichte eher weniger meinem Schema entspricht, wurde ich freudig überrascht und kann daher jedem empfehlen es mir gleich zu tun und sich auf Black Road – Die schwarze Straße: Im Norden steht ein Kreuz einzulassen. Ihr werdet es nicht bereuen!

Black Road - Die schwarze Straße: Im Norden steht ein Kreuz (Bd. 1)
Verlag: Panini Comics 

Autor: Brian Wood
Zeichner: Garry Brown
 
Erschienen am: 22.01.2018 
 
Format: Hardcover 
 
Seitenzahl: 140
Preis: 25 EUR

 

[Rezension] Captain Marvel: Die ganze Geschichte (Panini Comics)

Wenn es aktuell eine Superheldenverfilmung gibt, die in aller Munde ist, dann ist es Captain Marvel. Ein Streifen, der nicht nur Rekorde bricht (erfolgreichster Start eines Films mit einer weiblichen Hauptfigur), sondern für ein Umdenken sorgt, wenn es um die Darstellung von Frauen im Comic-Universum geht. Entgegen der Behauptung toxischer Gruppierungen wie Comicgate wurde weder im letzten großen Marvel-Blockbuster Black Panther, noch im aktuellsten Streich aus dem „Haus der Ideen“ eine Story zurechtgebogen, um angeblich der sogenannten Political Correctness genüge zu tun. Es wurden schlicht und ergreifend unterhalsame Veröffentlichungen auf die Fans losgelassen, die mit ihrer Diversität eher der Realität der vieler Fans entsprechen. Ein Umstand, den auch Leute die sich an überholten Mustern festkrallen nicht ändern können.

Um der zu erwartenden Nachfrage gerecht zu werden, haben Marvel bzw. Panini Comics selbstverständlich reagiert und eine Auswahl an passenden Titeln veröffentlicht. Darunter befindet sich auch das einsteigerfreundliche Captain Marvel: Die ganze Geschichte, welches auf eine ausgewogene Mischung aus Action und Drama setzt und dadurch die Tiefe generiert, die nötig ist, um Leser längerfristig zu binden.

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Im Detail steigt man zunächst unter der Voraussetzung ein, dass man zumindest weiß wer Captain Marvel ist. Sie ist eine übermächtige Superheldin, die mit sogenannten Kree-Kräften (eine Alien-Rasse) ausgestattet, regelmäßig im Universum unterwegs ist, um Gutes zu tun. Das tut sie auch am Anfang der Geschichte in Zusammenarbeit mit den Avengers, bis sie mitten im Kampf Erinnerungen an ihre von häuslicher Gewalt geprägten Jugend einholen, die sich in zügelloser Wut gegen ihre Gegner manifestieren. Vollkommen entfesselt, muss sie daher von Iron Man aka Tony Stark zur Räson gebracht werden, der ihr empfiehlt auf Heimaturlaub zu gehen, um wieder zu sich selbst zu kommen.

Deswegen kehrt Carol Danvers, so der bürgerliche Name der Heldin, in ihre alte Heimat in Form eines kleinen Küstenstädtchens zurück, in dem noch alte Bekannte und der Rest ihrer Familie in Form ihrer Mutter und ihres Bruders wohnen. Dort entdeckt sie jedoch nicht nur etwas nötige Ruhe, sondern auch einige dunkle Geheimnisse ihrer Familie, sowie Spuren zum Ursprung ihrer Superkräfte, der nicht ganz der bis dato bekannten Kontinuität entspricht. Hinzu kommt die Bewältigung ihrer Kindheitserinnnerungen, die zwischen idyllisch und brutal schwankt. In diesem Sinne eine eher ungewöhnliche Basis, die zwar mit der Konfrontation mit einer auf tödlicher Mission befindlichen Kriegerin der Kree gewohnte Zutaten bereit hält, aber nicht dem Fehler aufsitzt Action mit einer hanebüchenen Handlung zu rechtfertigen. Den Kern macht immer noch Carols familiäre Tragödie aus, deren überraschende Wendungen das sind, was den Leser antreibt die spannende Geschichte bis zum Ende zu verfolgen. Ich für meinen Teil bin mit Captain Marvel: Die ganze Geschichte tatsächlich das erste Mal über die Figur gestolpert und kann sagen, dass ich Augen und Ohren nun etwas weiter aufsperren werde, um solche Perlen wie diesen  Sammelband (im Original: The Life of Captain Marvel #1-#5) nicht zu verpassen.

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Wenn man sich die Macher hinter dem Projekt anschaut, verwundert es jedoch nicht, eine qualitativ so hervorstechende Geschichte vor sich liegen zu haben. Niemand Geringeres als die Autorin Margaret Stohl, bekannt für die Fantasy-Reihe Sixteen Moons, sowie Videospiele wie Command & Conquer oder Destiny hat Carols Werdegang so sensibel wie intensiv zu Papier gebracht. Visualisiert wurde das Ganze ebenfalls von keinem Leichtgewicht. Carlos Pacheco, als Zeichner für Avengers: Age of Ultron bekannt, schafft es mit seinem dynamischen Stil sowohl intime Momente, als auch Panel sprengende Action-Sequenzen gleichermaßen meisterhaft in Szene zu setzen. Hinzu kommen Rückblenden, die in einem schönen Kontrast durch Marguerite Sauvage visualisiert wurden. Alles in allem also eine Kombination, die fast schon symbiotisch ineinander greift und damit Lesespaß von der ersten bis zur letzten Seite garantiert.

Was man ebenfalls nach dem Ende der Story versteht, ist die Bewerbung von Captain Marvel als feministische Ikone des Verlags. Hier wird entgegen der fehlgeleiteten Vorstellung mancher Gegner des Begriffs, eine weibliche Superheldin präsentiert, die einen ambivalenten Charakter aufweist, der nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden kann, Tiefe besitzt und eine unangenehme Übersexualisierung vermeidet. In diesem Sinne eine Figur mit Vorbildcharakter für Leserinnen, sowie eine schlicht und ergreifend spannende Heldin, die durch ihre Abenteuer alle Geschlechter gleichermaßen ansprechen sollte.

©Panini Comics

In diesem Sinne ist Captain Marvel: Die ganze Geschichte nicht nur eine reguläre Empfehlung, sondern ein Tipp sich mit einem Charakter auseinanderzusetzen, den der Mainstream nicht auf dem Schirm hatte, nun aber den längst überfälligen Push bekommt.

Captain Marvel: Die ganze Geschichte 

Verlag: Panini Comics 

Autorin: Margaret Stohl 

Zeichner: Carlos Pacheco, Marguerite Sauvage

Erschienen am: 19.02.2018 

Format: Softcover 

Seitenzahl: 148

Preis: 16,99 EUR

[Rezension] Secret Empire Paperback (Panini Comics)

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Wenn man den Sammelband des Marvel-Megaevents „Secret Empire“ in den Händen hält, ist jedes Superlativ für seine Beschreibung mehr als angebracht. Auf über 400 Seiten wird die auf 11 Hefte aufgeteilte Mini-Serie in einen Fluss gebracht und Lesern wie mir, die die stückweise Veröffentlichung an sich vorbeiziehen haben lassen, in einem Aufguss serviert. Doch ganz ohne Vorbereitung kann mich sich tatsächlich nicht in die Handlung stürzen, denn es wird ein gewisser Grad an Vorwissen aus den Ongoing-Series erwartet, um die vorliegenden Ereignisse zu verstehen. Dafür musste ich mir im Netz als jemand, der selten zu Marvel-Heften greift, einiges anlesen, um einen Durchblick zu bekommen, den man dringend braucht, da vieles nicht explizit erklärt wird.

Daher gibt es im Folgenden ein paar Eckpunkte: Man begegnet im Verlauf der Handlung einem Mädchen namens Kobik, welches jedoch ein aus den Fragmentstücken eines kosmischen Würfels zusammengesetztes Wesen ist und dessen Macht besitzt die Realität von Menschen zu ändern. Noch vor dem vorliegenden Event erschafft sie für die S.H.I.E.L.D.-Leiterin Maria Hill eine Art Geheim-Gefängnis, dass die gefährlichsten Schurken des Marvel-Universums hinter Schloss und Riegel halten soll. Damit die Öffentlichkeit jedoch nichts mitbekommt, wird der Knast als idyllisches Örtchen namens „Pleasant Hill“ getarnt.

Das nicht alles mit rechten Dingen zugeht, haben natürlich auch die Superhelden mitbekommen. Allen voran der neue Captain America namens Sam Wilson und Bucky Barnes aka Winter Soldier, die versuchen in diese nach außen hin sichere „gated community“ einzubrechen. Gleichzeitig stößt auch der inzwischen seinem realen Alter von 90 Jahren entsprechende Steve Rogers (der ursprüngliche Captain America) auf das Geheimnis von S.H.I.E.L.D. Kurz darauf kommt es zu einem Aufstand der Gefangenen, bei dem es zu einem Kampf zwischen Rogers und dem Bösewicht Cross Bones kommt. Doch bevor letzterer dem alten Mann das Lebenslicht ausblasen kann, kommt die schon erwähnte Kobik ins Spiel und verändert die Realität, wodurch Rogers wieder verjüngt und zur alten Form zurückkehrt.

Zeitgleich nutzt Caps alter Erzfeind Red Skull den Moment um Kobik auf seine Seite zu ziehen und durch sie Captain America in seinem Sinne zu formen. In dieser neuen Realität wurde Steve Rogers schon als Kind und damit vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs auf die Seite der Nazis gezogen. Dadurch wird der einstige Kämpfer für die frei Welt zu einem faschistischen Doppelagenten, der im Sinne der Verbrecherorganisation Hydra handelt.

Ihr seht, ein simples eintauchen in die Story ist de facto nicht möglich, was sie für Neueinsteiger, trotz redaktioneller Begleittexte quasi nicht lesbar macht, ABER(!) Fans der regulären Reihe sollten hier ohne Zweifel auf ihre Kosten kommen. Warum? Weil mit der „Umpolung“ von Captain America zeitgleich so viele Steine ins rollen gebracht werden, dass man den Mund vor Staunen nicht mehr zu kriegt. Hinzu kommt, dass man schon lange nicht mehr eine politische Kritik im Superhelduniversum zu sehen bekam, hier jedoch die volle Breitseite abbekommt, die zu keinem Zeitpunkt missverstanden werden kann.

Die eigentliche Geschichte des Bands beginnt damit, dass Steve Rogers die Maske fallen lässt und durch ein ausgeklügeltes Zusammenspiel von Macht-Instrumenten und Intrigen sowohl S.H.I.E.L.D. okkupiert, als auch alle ehemaligen Weggefährten, die ihm gefährlich werden könnten (scheinbar) beseitigt. Doch das ist noch nicht alles. Er schafft es sogar die US-Regierung zu narren und sich selbst an die Spitze der Vereinigten Staaten als faschistischer Herrscher zu setzen. Ich denke, dass bei dieser Beschreibung dem ein oder anderen die offensichtlichen Anleihen an die Realität bewusst werden. Der entscheidende Unterschied ist wohl, dass Captain America, in seiner verdrehten Weltsicht im Kern trotzdem nur das Beste für die Bevölkerung der USA möchte. Doch so einfach lassen sich die Helden des Marvel-Universums nicht abspeisen und ziehen gemeinsam gegen ihren einstigen Weggefährten in die Schlacht…

Dieser Cocktail aus klassischem Superhelden-Gekloppe, politischer Message und der Tatsache, dass eine Figur, die bis heute mit ihrem Kampf gegen Nazi-Deutschland assoziiert wird, plötzlich auf der Seite einer faschistischen Organisation steht, ist ein Kunstgriff, den es braucht um heutzutage eine Story abliefern zu können, die als relevant bezeichnet werden darf. Natürlich bleibt die Handlung von Nick Spencer, trotz vordergründiger Tiefe, in ihrem Kern eine klassische Marvel-Episode. Das Spiel mit der Grenzüberschreitung, die Länge der Handlung, die die Figuren aus ihrer Eindimensionalität holt und die damit einhergehende Komplexität machen „Secret Empire“ trotzdem zu einem kleinen Prunkstück, dass in eine gut sortierte Comic-Sammlung gehört. Dieses Event wird so gut wie sicher zu einem neuen Referenzpunkt, auf den sich Fans, Künstler und Interessenten beziehen werden.

Auch visuell wird das Ganze entsprechend der Ernsthaftigkeit der Themenfelder passend umgesetzt. Neben Steve McNiven und Rod Reis sticht dabei besonders Andrea Sorrentino mit seinem abstrakten Strich und ungewöhnlichem Panel-Aufbau hervor, die in Kombination eine Bildprache hervorbringen, die sie heutzutage nur wenige Künstler beherrschen. Wer seine Arbeit an Jeff LemiresOld Man Logan„-Reihe kennt, weißt wovon ich rede.

Alles in allem ist „Secret Empire“ ein spannender Band, der jeden Marvel-Fan verzücken sollte, jedoch einiges an Vorwissen verlangt. Zwar kann man sich dieses durch redaktionelle Texte innerhalb des Sammelbands aneignen, jedoch gehe ich davon aus, dass das Lesevergnügen durch einen Griff zur Vorgeschichte um einiges gesteigert werden kann. Ich für meinen Teil wurde wunderbar unterhalten und wieder dazu angeregt öfter mal in die Sphären von Marvel abzutauchen. An dem vorliegenden Beispiel sieht man: Es lohnt sich!

Secret Empire Paperback 
Verlag: Panini Comics 
Autor: Nick Spencer 
Zeichner: Andrea Sorrentino, Steve McNiven, Rod Reis 
Erschienen am: 29.01.2019 
Format: Softcover 
Seitenzahl: 412  
Preis: 38 EUR