[Rezension] The Fantastic Worlds of Frank Frazetta (TASCHEN)

Als jemand, der Popkultur in all ihren Facetten und Entwicklungen verfolgt und auch die damit zusammenhängende Historie einbezieht, war ich fast erstaunt zu erfahren, dass es bis dato keine vollumfassende Monografie zu Frank Frazetta gab, die diese Bezeichnung auch verdient. Selbstverständlich wurden Bände über ihn und sein Werk publiziert, ihm ganze Kapitel zu Kunst-Strömungen im 20. Jahrhundert gewidmet, aber eine Rückschau, die der 2010 verstorbenen Legende gerecht wird, gibt es erst seit kurzem bei TASCHEN. Überraschenderweise der selbe Verlag, der schon 1999 ein Buch mit 164 Seiten zu dem Mann herausbrachte, welches aber im direkten Vergleich zum neuesten Titel aus dem Hause, so gut wie verblasst.

Um auch all jene ins Boot zu holen, die mit dem Namen nichts anfangen können, sei gesagt, dass auch sie definitiv Bilder des in Brooklyn geborenen Künstlers kennen. Vor allem die kraftvollen Ölgemälde von Tarzan, Conan, Vampirella und dem legendäreren Death Dealer. Die Interpretation von Conan definiert sogar bis heute den Look & Feel von Filmen, Comics und anderweitigen Formen der Verwertung. Doch auf den 468 Seiten des knapp 5 kg schweren Buchs findet man nicht nur Ikonen, sondern unzählige weitere Arbeiten aus der gesamten Karriere des Amerikaners. Angefangen mit den ersten Gehversuchen im Bereich der grafischen Literatur als Teenager, über Arbeiten für legendäre Publikationen wie EC-Comics bis hin zu legendären Plakat- (z.B. Was gibt’s Neues Pussy?, Der Mann der niemals aufgibt oder From Dusk Till Dawn) und LP-Cover-Motiven (z.B. Molly Hatchet, Wolfmother oder Nazareth) ist die unfassbar lange Karriere von Frank Frazetta in tiefstem Detail illustriert und ausgeleuchtet. Hinzu kommen informative Texte des Experten Dan Nadel und des Künstlers Zak Smith, die vier zunächst chronologisch und später thematisch geordnete Kapitel einleiten. Dementsprechend findet man mit The Fantastic Worlds of Frank Frazetta nicht nur ein visuell opulentes Werk vor, sondern einen Fundus an Informationen, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch auch das schwer zusammenzuführende Oeuvre perfekt einzuordnen weiß.

Sollte einem der Zeichner und Maler auch mit diesen Informationen nichts sagen, kann es sein, dass die Rezeption seiner Bilder insbesondere für jüngere Generationen teils schwer zu verdauen ist. Oder wie der Mann es selber formulierte: „Ich bin sehr körperfixiert. In Brooklyn kannte ich Conan, ich kannte Typen, die exakt so drauf waren wie er“. Das heißt im Klartext, dass man hier zunächst einmal auf massive, bedrohliche und Testosteron-gesteuerte Fantasy-Helden trifft, die man heutzutage wohl in ihrem Auftreten als toxisch bezeichnen würde. Auch im Hinblick auf die Darstellung von Frauen wurden hypersexualisierte Körper mit feinen Gesichtszügen, muskulösen Oberschenkeln, gebärfreudigen Hüften, hervortretenden Brüsten und Hintern auf Papier und Leinwand gebracht. Bedenkt man jedoch die Sozialisation und die Zeit in dem Frazetta aufwuchs, relativiert sich die Empörung. Er wurde 1928 als Sohn einer sizilianischen Familie in Brooklyn geboren. Er war Profi-Baseballer in der amerikanischen Liga, Kleinkrimineller und notorischer Verführer mit dem Aussehen eines Filmstars und außergewöhnlichen Begabungen. Seine Umgebung ließ keine andere Sichtweise als „nur der Stärkste überlebt“ zu. Damit einher gingen selbstverständlich Darstellungen von Körpern, die einem geradezu animalischen Idealbild entsprachen. Es sollte jedem ernsthaft an Kunst interessiertem Leser aber fern liegen, aus der Gegenwart heraus Werke der Vergangenheit losgelöst zu kritisieren. Trotzdem soll an dieser Stelle auf die teils delikate Visualisierung von Frank Frazettas Fantasie aufmerksam gemacht werden, die in jeder Hinsicht wegweisend ist, für zeitgenössische Augen aber gewöhnungsbedürftig sein kann.

Alles in allem, handelt es sich bei The Fantastic Worlds of Frank Frazetta (in Zusammenarbeit mit der Frazetta-Familie und den wichtigsten Sammlern erstellt) in meinen Augen um eine Pflichtanschaffung für all jene, die verstehen wollen, wie Popkultur verwoben ist, wie Impulse zur richtigen Zeit am richtigen Ort gesetzt und sich die Reputation von KünstlerInnen in diesem Kontext verändern kann. So hat Frazetta einst billige Pulp-Romane mit Covern bestückt, während 2019 sein Gemälde Egyptian Queen für unfassbare 5,4 Millionen Dollar an den Höchstbietenden einer Auktion in Chicago ging. Dieser Sprung innerhalb von einem halben Jahrhundert sollte schon Grund genug für einen Blick in das Schaffen des Malers sein. Sollte man zeitnah seine Bestellung auf der Website von TASCHEN tätigen, hat man zudem das Glück eines der nummerierten 6.000 Exemplare der sogenannten Famous First Edition sein Eigen nennen zu dürfen.

The Fantastic Worlds of Frank Frazetta
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch, Deutsch, Französisch
Herausgeberin: Dian Hanson
Autoren: Dan Nadel, Zak Smith
Format: Hardcover, Leineneinband mit Schutzumschlag, 29 x 39.5 cm, 4.87 kg
Seitenzahl: 468 
Preis: 150 EUR

TASCHEN- Warehouse Sale mit bis zu 75% Rabatt auf Ansichts- und Mängelexemplare

Das Jahr 2023 ist noch jung und die Vorsätze frisch. Für viele gehört zum letzteren die tiefere Auseinandersetzung mit Literatur und Kunst, die vielleicht durch Arbeit und private Verpflichtungen zu kurz gekommen ist. Um sich selbst zu motivieren, endlich etwas zu namhaften Malern, Fotografen oder Comickünstlern zu erfahren, führt meist kein Weg an DEM Verlag für alles Kreative vorbei: TASCHEN. Wie vielen bekannt sein sollte, findet man in diesem Haus alles in der Spannbreite vom kleinen Geldbeutel bis zur handfesten Geldanlage. Insbesondere in die Nähe des letztgenannten Spektrums verschlägt es eher die Minderheit der Kunstbegeisterten in diesem Land. Doch diesem Frust kann in regelmäßigen Abstand Abhilfe geschaffen werden, indem man beim beliebten Warehouse Sale des Verlags zuschlägt.

Berlin

Dieser findet das nächste Mal schon in knapp einer Woche statt. Sollte man das Glück haben in Berlin (Schlüterstr. 39, 10629 Berlin) oder Köln (Neumarkt 3, 50667 Köln) zu wohnen, kann man sich von Mittwoch, 1. Februar, bis Samstag, 4. Februar persönlich in den Flagshipstores auf die Suche nach Schnäppchen von 25 bis 75% Rabatt (auf Ansichts- und Mängelexemplare) machen. Doch auch Leser jenseits von Rheingebiet und Hauptstadt müssen auf nichts verzichten. Von Donnerstag, 2. Februar, bis Sonntag, 5. Februar kann nämlich auch auf www.taschen.com zugeschlagen werden!

Köln

Solltet ihr unsicher sein, was den Inhalt der Bände um Kunst, Architektur, Design, Grafik, Film, Fotografie, Mode, Reise, Popkultur und Erotik anbelangt, könnt ihr euch auf ZOMBIACblog umsehen. Es wurden schon zahlreiche Titel besprochen, von denen garantiert einige nun zu einem erschwinglichen Preis zu bekommen sind.

[Rezension] Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 (TASCHEN)

Man kann es sich heutzutage kaum vorstellen, aber Superhelden waren über einen langen Zeitraum alles andere als en vogue. In den Nachkriegsjahren wurden allerhand Genres im Medium Comic bearbeitet – Romanzen, Horror, Krieg…aber unsere allseits beliebten Spandex-Hosen-Träger? In der Versenkung verschwunden oder wie Batman in Pulp-Interpretationen aufgegangen. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass Figuren wie Batman und Superman über kurz oder lang zu Randerscheinungen der Jugend- und Popkultur werden würden. Wären da nicht aus heutiger Sicht zwei Männer mit Legendenstatus, die „das Haus der Ideen“ – auch als Marvel Comics bekannt – ab Beginn der 60er Jahre zu der Größe geführt haben, die es heute hat.

In einer Hauruck-Aktion, die das Genre zu neuen Höhenflügen befähigen sollte, schufen niemand Geringeres als Autor Stan Lee und Ausnahmekünstler Jack Kirby ein Team an Superhelden, das den Boden für viele weitere Geschichten, wie z.B. Spider-Man, die Avengers oder die Wiedergeburt von Captain America ebnen sollte. Um diesen Urknall gebührend in Szene zu setzen, hat TASCHEN sich nicht zweimal bitten lassen und mit Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 einen weiteren Band ihrer beliebten Marvel Comics Library hinzugefügt.

Inhaltlich erwarten den Leser die ersten 20 Hefte um das Team aus Reed Richards / Mr. Fanatastic, Sue Storm / Invisible Girl, Johnny Storm / The Human Torch und Ben Grimm / The Thing, die bei einem Raketen-Einsatz im Weltraum von kosmischen Strahlen getroffen werden und dadurch zu ihren Superkräften und zwangsweise Alter Egos kommen. Das besondere an Konstellation und Erzählweise sind die emotional komplexen Charakterisierungen, die so gar nichts mit stupiden Hau-Drauf-Helden, samt schwarz/weiß-Denke zutun haben. Hier fühlt sich niemand zum Halbgott berufen, sondern zweifelt im Fall der Fälle, ob die übermenschlichen Eigenschaften eher Fluch oder Segen sind. Auch der übliche Ausgangsort der Geschichten ist nicht in einer fremden Welt, sondern mitten in New York City zu finden. Die Stadt die niemals schläft und wohl eine Art Brutstätte für „außergewöhnliche“ Mitmenschen darstellt.

Um die Hefte in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen, kam es erneut zu einer engen Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company (CGC). Das zweite Unternehmen kennen die Sammler unter euch. Für die Unwissenden: CGC bewertet den Zustand (unter anderem) von Comic-Heften und versiegelt diese in Plastik-Hüllen, um den zugeschriebenen Wert beizubehalten. So werden auch die für Millionenbeträge gehandelten Erstauftritte von den Aushängeschildern der großen Verlage unter den Hammer gebracht. Dementsprechend besteht hier ein Zugang zu den am besten erhaltenen Druckexemplaren weltweit. Diese wurden geöffnet und für den höchstmöglichen, authentischen Lesegenuss für die TASCHEN-Ausgabe aufbereitet. Und nicht nur das: Auch Werbeanzeigen, Leserbriefe, Front- und Backcover im Hochglanzformat treten durch ihre Übergröße ins Scheinwerferlicht, während die Storys im Offsetdruck auch haptisch eine Zeitreise ermöglichen.

Neben den Comics selbst, gibt es erneut ein vorangestelltes Essay und einleitende Worte von Hochkarätern. Ersteres durfte der bekannte Marvel-Autor Mark Waid beisteuern, während der ehemaligen NASA-Astronaut Mike Massimino den Leser beim ersten Aufschlagen des Buches an die Hand nimmt. Hinzu gesellen sich auf insgesamt 700 Seiten Originalgrafiken, Fotografien und andere Raritäten.

Wie schon bei den beiden Vorgängerbänden, ist die Anschaffung für Fans mit kunsthistorischem Interesse ein Muss. Ob sich ein Lesegenuss für Neueinsteiger einstellt, sei jedoch dahingestellt. Wie bei anderen Produkten dieser Art, die vor über 60 Jahren veröffentlicht wurden, ist der Erzähl- und Zeichenstil in seiner Qualität zwar unverkennbar, aber für zeitgenössische Comic-Leser potentiell gewöhnungsbedürftig. Es hat sich allein schon in den letzten 20 Jahren so viel auf diesem Feld getan, dass auch Veröffentlichungen aus den 90ern altbacken wirken können. Daher sei Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 in erster Linie Enthusiasten, kunsthistorisch Interessierten und Sammlern ans Herz gelegt. Zählt man sich zu mindestens einer der Gruppen, gehört dieser Band zwangsweise in das eigene Regal, welches definitiv um zukünftige Veröffentlichungen im Rahmen der Marvel Library erweitert gehört.

Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Autoren: Mark Waid, Mike Massimino, Stan Lee
Künstler: Jack Kirby
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,77 kg
Seitenzahl: 700 
Preis: 150 EUR

[Rezension] Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963-1965 (TASCHEN)

Jeder Marvel-Fan weiß um die Ursprünge des „zweiten Frühlings“ des Verlags, der mit den Fantastic Four im Jahr 1961 begann und in den Folgejahren mit weiteren Ikonen wie Spider-Man, Ant-Man, Doctor Strange oder Iron Man weiter aufblühte. Zwar waren einige Serien, wie es damals nicht unüblich war, ein Flop, aber das hinderte Künstler und Autoren nicht mit pfiffigen Ideen auch ehemalige Rohrkrepierer in ein neues Rampenlicht zu rücken. Erstaunlicherweise gehörten dazu auch Titel wie der Hulk. Mit diesem Portfolio an fantastischen, schrägen, mutierten aber übergreifend mutigen Helden konnte man nun ab einem bestimmten Punkt so hantieren, dass Leser zwangsläufig auf Charaktere stießen, die sie noch nicht kannten. Stichwort: Gastauftritte. Mal wollte Spidey den Fantastic Four beitreten, mal wurden ehemals befreundete Cape- und Spandex-Träger zu Feinden usw. Doch Stan Lee sah in diesem Gewimmel an übernatürlichen Persönlichkeiten ein größeres Potential, welches es zu entfalten galt.

Deswegen setzte er sich mit dem legendären Zeichner Jack Kirby zusammen und versammelte mit ihm  Iron Man, Ant-Man, The Wasp, Thor und Hulk, um die Avengers zu gründen. Ein Zusammenschluss aus Superhelden, die weniger familiäre als „berufliche“ und moralische Bande miteinander teilten. Zwar gab es hier und da Querelen, Aus- und Einstiege sowie Seitenwechsel aber zusammen schafften sie es immer wieder die größten Superschurken des Universums in die Flucht zu schlagen. Der größte Coup war jedoch einem Charakter neues Leben einzuhauchen, der Jahre zuvor in der Versenkung verschwunden war: Captain America wurde samt einer Erklärung für seine jahrzehntelange Abwesenheit erneut eingeführt und wurde zum Teil der Avengers. Ein Umstand, der bis heute mit Unterbrechungen und Alternativ-Versionen aufgebrochen, aber im Kern Bestand hat.

Genau diese Momente kann man nun dank TASCHEN so authentisch und umfangreich erleben wie nie zuvor, da der Verlag nach Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962-1964 den zweiten Band ihrer brandneuen Marvel Comics Library-Reihe herausgebracht hat: Avengers. Vol. 1. 1963–1965. Wie schon beim Erstling, wurden auch hier die ersten 20 Ausgaben im XXL-Format nachgedruckt. Hierbei wurden in Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company ausschließlich die makellosesten Hefte herangezogen, die der Markt hergibt. Garniert mit modernster Retusche-Technik wird den Lesern schlussendlich eine Qualität präsentiert, die ihresgleichen sucht. Eine visuell bessere, aber zeitgleich authentischere Fassung der ersten Avengers-Hefte gibt es de facto nicht. Um das „reale“ Gefühl aus den 60ern noch greifbarer zu machen, wurde zusätzlich auch die Auswahl des Papiers beachtet. So erstrahlen Cover auf Hochglanzpapier, während einem originalgetreue Rasterpunkte von einem mattem Offsetpapier entgegen springen. Außerdem wurde darauf geachtet, dass auch Leserbriefe und Werbeanzeigen vollständig abgebildet sind, um wirklich jedem Aspekt der Orignal-Vorlage gerecht zu werden.

Auf den 630 Seiten kommt man zudem nicht nur in den Genuss der angesprochenen Geschichten, sondern wird auch mit einem Vorwort von Kevin Feige, seines Zeichens Präsident der Marvel Studios, bedacht. Historisch eingehegt wird der Inhalt darüber hinaus von Autor und Eisner-Award-Gewinner Kurt Busick. Selbstverständlich wird diese kleine Zeitreise mit Originalzeichnen, seltenen Fotos und Dokumenten bebildert.

Wenn es um den Spaß am Lesen der ersten 20 Hefte geht, so muss man sich vor Augen halten, was man hier in den Händen hält. In erster Linie handelt es sich um popkulturell und kunsthistorisch relevante Reproduktionen von Geschichten, die die Basis für eines der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten gelegt haben. Sowohl im Kontext der gleichnamigen Filme, als auch im Hinblick auf die weitere Verwertung der Helden dieses Titels. Wenn es um das ausschließliche Storytelling geht, wird der Spaß durch die Lesegewohnheiten eines jeden Käufers bestimmt. Konsumiert man primär Werke der letzten 20 Jahre, wird einem Vieles zwangsläufig altbacken und steif vorkommen, was aber nicht dazu führen muss, dass man keine Lust hat die Abenteuer der Avengers zu verfolgen, um die vielen ersten Auftritte und Konfrontationen für sich selbst erleben zu dürfen. Dies sei vorausgeschickt, da mich Leser nach der letzten Review des Spider-Man Bandes explizit nach diesem Thema gefragt haben.

Hat sich diese Frage jedoch geklärt, spricht nichts gegen eine Anschaffung von Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963–1965. Es ist nämlich nicht nur ein Sammlerstück für Fans der Charaktere, sondern für jeden Comic-Interessenten und Popkultur-Geek, der die Ursprünge heutiger Auswüchse persönlich ergründen möchte. Sollte man es sogar noch etwas exklusiver mögen, ist ab Ende Juli eine exklusive „Collector’s Edition“ verfügbar, die zwar mit 500€ zu Buche schlägt, aber eine edle Kunstlederbindung, einen eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint und einen wunderschönen Schuber bietet. Wer außerdem nie genug vom Marvel-Universum haben kann, der darf sich jetzt schon auf weitere angekündigte Bände aus der Marvel Library freuen: die Fantastic Four und Captain America stehen schon in ihren Startlöchern bereit!

Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963–1965
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Autoren: Kurt Busiek, Kevin Feige
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,44 kg
Seitenzahl: 630 
Preis: 150 EUR

TASCHEN-Sale mit bis zu 75% Rabatt auf Ansichts- und Mängelexemplare

Hat man vor knapp einem Jahr noch zweimal überlegt sich in einen Laden zu begeben, um neben dringlichen Einkäufen auch etwas für die Seele (namentlich Bücher) zu besorgen, stellt sich die Frage für viele von uns nicht mehr. Covid ist zu unserem täglichen Begleiter geworden, mit dem ein individueller Umgang praktiziert wird. Ob mit oder ohne Maske: In beiden Fällen geht auch diesmal kein Weg am legendären TASCHEN-Sale vorbei.

In diesem Zusammenhang kann man sich erneut in die Welt der Kunst in all ihren Facetten fallen lassen und auch mit einem weniger tiefen Geldbeutel bei Titeln zuschlagen, die für die ein oder andere Person üblicherweise etwas über dem möglichen Budget liegen.

Blick in den Berliner Flagshipstore von TASCHEN

TASCHEN bietet von Mittwoch dem 21. bis einschließlich Samstag dem 25. Juni einen Sale mit vielen Preisnachlässen von bis zu 75% auf Ansichts- und Mängelexemplare an. Aufgepasst: Online startet und endet der Sale jeweils einen Tag später. Im Klartext heißt es, dass ihr von Donnerstag dem 22. Juni bis Sonntag den 26. Juni auf www.taschen.com zu vergünstigten Preisen shoppen könnt. In jedem Fall bleibt thematisch kein Wunsch unerfüllt: Kunst, Architektur, Design, Grafik, Film, Fotografie, Mode, Reise, Popkultur und Sex – allesamt Felder, die abgedeckt und nun erneut erschwinglich sind. Viele der Titel habe ich schon auf ZOMBIACblog besprochen. Gebt einfach den Verlagsnamen in die Suchleiste ein und macht euch selbst ein Bild von der gigantischen Auswahl.

Innenansicht des Kölner Flagshipstores

Neben der Website haben sich auch die Adressen der Flagshipstores nicht geändert: In den TASCHEN-Stores in Berlin (Schlüterstr. 39, 10629 Berlin) und Köln (Neumarkt 3, 50667 Köln) könnt ihr euch durch die gigantische Auswahl des Verlags wühlen.

[Rezension] Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962-1964 (TASCHEN)

Schon seit vielen Jahren dominieren Marvel Comics die Popkultur in Filmtheatern und Bereichen des Merchandise. Hierbei standen bis vor kurzem primär Charaktere rund um die Avengers im Mittelpunkt des Interesses. Dies änderte sich schlagartig, als Disney (die sich Marvel einverleibt haben) Spider-Man als „Leihgabe“ von Sony in ihr Film-Universum integrierten. Seit Tom Holland den Netzschwinger mimt, entwickelt sich die Figur erneut zum Aushängeschild und zieht damit eine Nachfrage bezüglich Merch, Sekundärliteratur und vor allem Comics nach sich, wie es sie über lange Zeit nicht gab.

Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass auch TASCHEN die Zeichen der Zeit erkannt hat und passend zum Release des neuesten Kinofilms Spider-Man: No Way Home, mit ihrem neuesten Titel Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962-1964 aufwartet. Hierbei handelt es sich aber entgegen früherer Veröffentlichungen aus dem Verlagshaus, nicht um Sekundärliteratur zur Historie, sondern um den Abdruck der ersten 21 Geschichten des Wandkrabblers aus den Jahren 1962 bis 1964 im XXL-Format. Damit wird die ursprüngliche Version der Figur von Autor Stan Lee und Zeichner Steve Ditko präsentiert.

Nun könnte man als langjähriger Fan dem Trugschluss aufsitzen, dass hier wie in vielen Jahrzehnten zuvor alter Kaffee vorgesetzt wird, um Fans so zu melken, dass diese es nicht einmal merken. In diesem Fall könnte man garnicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Richtig ist, dass hier, eingeleitet durch ein ausführliches Essay des Marvel-Redakteurs Ralph Macchio, Ausgaben von Spider-Man geboten werden (inklusive obskurer Werbeanzeigen, Leserbriefe usw.). Der entscheidende Unterschied ist jedoch nicht die inhaltliche, sondern die visuelle Nähe zu den Originalen von vor fast 60 Jahren. Es wurde bewusst darauf verzichtet die Panels neu zu kolorieren. Stattdessen wurden die makellosesten Ausgaben zur Hand genommen und für die Reproduktion abfotografiert. Dem geneigten Sammler sind die Preise der genutzten Hefte bekannt. Daher war diese Herangehensweise nur in direkter Zusammenarbeit mit Marvel und CGC (Certified Guaranty Company) möglich, die entsprechende Schätze verwalten. Eine digitale Retusche wurde nur genutzt, um Fehler des ursprünglich billigen, unvollkommenen Drucks der damaligen Zeit zu korrigieren. Man erinnere sich an die Cent-Preise für besagte Ausgaben und das damit zusammenhängende Papier. Damit bekommt man die Geschichten in einer annähernd ans Original heranreichenden Größe und Qualität, die man so wohl nur in den Händen halten könnte, wenn man in der Zeit zurückreisen und sich ein Heft aus einer erstklassigen Druckmaschine der 60ern ziehen würde.

Dabei ist das noch nicht alles. Zu den Storys gesellen sich eine Comicografie der abgedruckten Ausgaben samt Inhaltsangabe, Biografien u.a. von Stan Lee, Steve Ditko, Martin Goodman und Jack Kirby, sowie eine wunderschöne s/w Version der allerersten Spidey-Geschichte aus Amazing Fantasy No. 15. Insbesondere Letzteres ist nicht nur eine Augenweide, sondern ein wahrer Schatz für langjährige Fans. Näher an den Ursprung, als mit einem Blick auf Kirbys getuschten Seiten, kommt man der legendären Figur nicht.

Alles in allem handelt es sich bei Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962-1964 nicht einfach nur um eine Ergänzung der Sammlung von Liebhabern der Materie, sondern um die qualitativ wohl hochwertigste Reproduktion von Spider-Man Comics, die man zum aktuellen Zeitpunkt erwerben kann. Sollte man zudem einer der ersten 5.000 Besteller/innen des Bandes sein, darf man sich darüber freuen, eine nummerierter Erstauflage zu bekommen. Darüber hinaus können sich Marvel-Fans jetzt schon für 2022 bzw. 2023 bereit machen, da TASCHEN schon folgende Titel in Planung hat:  Avengers. Vol. 1. 1963–1965, Fantastic Four. Vol. 1. 1961–1963 und Captain America.

Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Autoren: Ralph Macchio, David Mandel
Format: Hardcover, 44 x 30 cm, 4,83 kg
Seitenzahl: 689 
Preis: 150 EUR 

Ausstellungseröffnung: André Butzer – Works from the Taschen Collection 2000–2021

Ich habe an dieser Stelle schon öfter Signierstunden und Ausstellungseröffnungen aus dem Hause TASCHEN angekündigt. Diese fanden bis dato aber so gut wie ausnahmslos in den Flagshipstores in Berlin und Köln statt. Ab dem 23. November gesellt sich ein weiter Ort hinzu, an dem Kulturinteressierte sich Werke zeitgenössischer Künstler zu Gemüte führen können. Dabei handelt es sich um nichts Geringeres als den Sitz des Verlags in Köln (Hohenzollernring 53, 50672 Köln). Hier wird Geschäftsführerin Marlene Taschen die erste verlagseigene Ausstellung mit dem Tiel „André Butzer Works from the Taschen Collection 2000–2021“ persönlich eröffnen.

Passend hierzu erscheint exklusiv eine beispiellose Monografie, die in enger Zusammenarbeit mit André Butzer entstanden ist: NO ONIX. Hier präsentiert der Künstler Zukunft und Ursprünge seiner Malerei. Vom „Science-Fiction-Expressionismus“ seines Frühwerks – mit wiederkehrenden Figuren, die sowohl im Weltall als auch in der europäischen Kultur zu Hause sind – bis hin zu den äußersten Grenzen der Abstraktion in seinen nur scheinbar schwarzen N-Bildern stellt sich Butzer als erfindungsreicher Meister der Farbe heraus, der in jedem seiner Gemälde einen Anfang sieht und sich mit der nationalsozialistischen Geschichte ebenso auseinander setzt wie mit Friedrich Hölderlin oder Walt Disney.

Ab dem 23. November kann man nun wöchentlich mit Voranmeldung von Dienstag bis Donnerstag (um 17 Uhr) die Räumlichkeiten des legendären Verlags betreten und die Werke auf sich wirken lassen.

Die Details zur Signierstunde:

Ausstellung - Link zur Anmeldung: André Butzer – Works from the Taschen Collection 2000–2021
Ort: TASCHEN (Hohenzollernring 53, 50672 Köln) 
Datum: 23.11.2021 - 27.01.2022
Uhrzeit: Mit Voranmeldung Dienstag bis Donnerstag um 17 Uhr

Die Details zum Band:

André Butzer: NO ONIX
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Format: Hardcover, 28 x 33,7 cm, 3,23 kg
Seitenzahl: 428 
Erscheint in limitierter Auflage zur Ausstellung

[Rezension] Batman: The World (Panini Comics)

Seit einigen Jahren findet zum 18. September der internationale Batman-Tag statt. Dieser wurde von DC Comics primär als ein schöner Anlass eingeführt um den Dunklen Ritter über alle Kanäle hinweg prominent zu platzieren, Sales anzukurbeln und spezielle Titel auf den Markt zu bringen. Bis dato waren es überwiegend exklusive Hefte mit kurzen Geschichten oder anderweitiges Promomaterial. Etwas mit einer wirklichen Wirkung und Aussagekraft ließ jedoch auf sich warten. Das hat sich nun schlagartig geändert. Mit Batman: The World hat DC in Zusammenarbeit mit Lizenznehmern aus der ganzen Welt (daher auch der Titel) eine ambitionierte Anthologie herausgebracht, die es in der Form noch nie gegeben hat. 14 Kreativteams aus den USA, Frankreich, Spanien, Russland, Südkorea, China oder eben auch Deutschland trugen für diesen Band ihre ganz eigenen Geschichten zusammen, um zu zeigen, dass Batman vielseitiger angegangen werden kann, als es viele Leser vermuten würden.

Deutschen Lesern wird hierbei neben dem Kreativteam aus Brian Azzarello und Lee Bermejo (Joker, Batman: Damned) vor allem das deutsche Duo Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant ein Begriff sein. Die beiden haben erst dieses Jahr den Abschlussband ihrer international gefeierten Serie Gung Ho veröffentlicht. Darüber hinaus steuerte von Kummant das Plakatmotiv des Comicfestivals München bei, welches seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die bis dato größte Veranstaltung mit Comicbezug darstellte. In ihrer als Rauhnacht – A better Tomorrow betitelten Geschichte verschlägt es Batman erstmals in die verschneiten bayerischen Alpen. Dort haben sich zwei deutsche Klimaaktivisten auf dem Weg zu einer drastischen Mission verirrt und werden dabei von den Handlangern des Jokers aufgegriffen. Dabei kommen sich die Idealisten und der wahnsinnige Extremist in ihren Vorstellungen näher, als man zunächst annehmen möchte. Dieser Kombination aus mörderischer Skrupellosigkeit und blindem Aktivismus kann der dunkle Ritter natürlich nicht freien Lauf lassen und tritt aus dem Schatten…

Mehr soll an der Stelle auch nicht verraten werden. Inhaltlich gehört der Beitrag aber defitinitv zur Speerspitze der internationalen Storys, wenn nicht sogar auf den ersten Rang. An Qualität mangelt es keiner der Geschichten und auch visuell hat man den Charakter und seine Welt lange nicht mehr so spannend aufbereitet gesehen. Das Kunststück, welches von Eckartsberg und von Kummant gelingt, sticht dabei aber hervor, da die Wurzeln von Batman nicht verleugnet werden und die Handlung ohne Weiteres im „realen“ DC-Universum spielen könnte. Trotzdem ist die Interpretation dabei nicht beliebig und setzt so individuelle Akzente, dass man sich nicht bei der regulären Lektüre eines klassischen DC-Hefts wähnt. Auch im Bereich der visuellen Aufbereitung glänzt Rauhnacht deutlich. Lesern von Gung Ho ist der cineastische Stil natürlich bekannt, aber neuen Fans gehen mit aller Wahrscheinlichkeit zunächst die Augen über. Ein ähnlicher Effekt, der bei Lee Bermejos ersten Gehversuchen bei DC zu beobachten war und nun mit ganz anderen Akzenten plötzlich mitten aus Europa kommt.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved

Bei allem Lob und Stolz einen so qualitativ hochwertigen Beitrag aus Deutschland geliefert zu bekommen, sollte man die anderen Storys natürlich nicht unerwähnt lassen. Eingeleitet wird die Anthologie nämlich mit der von Azzarello und Bermejo konzipierten Geschichte Global City, die zwar mit oppulenten Bildern aus den wichtigsten Momenten Batmans aufwartet, aber im Kontext eines besonderen Bands jedoch nur gewohnte Kost bietet. Ganz anders ist zum Beispiel Paco Rocas (Kopf in den Wolken, Rückkehr nach Eden) Wegen Urlaubs geschlossen gelegen. Hier sieht man, dass Autoren und Künstler, die üblicherweise nicht für actionreiche Kost bekannt sind, ihre eigenen Wege finden um eine unterhaltsame Geschichte beizutragen. So begleitet man Bruce Wayne mit einem witzigen Twist in den Urlaub in Spanien und quält sich mit ihm durch eine ihm unbekannte Freizeit. Wie lange er es wohl ohne Maske und Sprünge zwischen Wolkenkratzern aushält?

Hat man mit dem deutschen Beitrag schon sozialkritische Töne angeschlagen, wird Kritik an politischen Verhältnissen vor allem in den osteuropäischen Beiträgen deutlich, während die Brasilianer Carlos Estefan und Pedro Mauro mit Wo sind die Helden? sogar direkt die Situation in ihrem Heimatland in den Fokus nehmen.

Möchte man in eine Welt abtauchen, die eindeutig jenseits jeder Konstinuiät steht, dann seien einem die asiatischen Beiträge aus Südkorea, China und Japan ans Herz gelegt. Skurill, bisweilen anarchisch und mit subtilen Botschaften gespickt sind sie ein eindeutiges Highlight von Batman: The World. Alles in allem ist die Anschaffung des Bandes ein Muss für jeden Fan des dunklen Ritters. Für Sammler gibt es sogar die Möglichkeit eine auf 999 Stück limitierte Hardcover-Ausgabe mit dem Titelbild der deutschen Geschichte zu ergattern. Die auf 666 Bände limitierte Premium-Edition mit einem von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg signiertem Druck ist zwar zurzeit über den Paninishop nicht lieferbar, aber auch nicht als ausverkauft markiert. Probiert also euer Glück.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved
Batman: The World
Verlag: Panini Comics 
Künstler: Lee Bermejo, Paco Roca, Thomas von Kummant, u.a.
Autor: Benjamin von Eckartsberg, Brian Azzarello, Paco Roca, u.a.
Format: Softcover / Limitiertes Hardcover
Seitenzahl: 168 / 188
Preis: 20 EUR / 30 EUR / 49 EUR

[Rezension] Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji (TASCHEN)

Es gibt Gemälde, die losgelöst von ihrem Entstehungskontext oder dem Vorwissen der Betrachter Assoziationen wecken und Fantasien beflügeln. Geht es noch einen Schritt weiter, exisiteren besagte Werke sogar im popkulturellen Gedächtnis. Dazu gehört definitiv „Die große Welle von Kanagawa“ von Katsushika Hokusai (1760-1849), die weltweit an Wänden, auf Postern, Merchandise-Artikeln und vielem mehr zu sehen ist. Diese Kunst-Ikone scheint allgegenwärtig zu sein und ist doch in ihrer Kontextualisierung für die meisten nicht greifbar. Wer kann sich bei dem Gedanken an das Motiv an die Fischerboote oder den Berg Fuji im Hintergrund erinnern?

Umso schöner ist der Umstand, dass der TASCHEN-Verlag sich der Serie an Farbholzschnitten mit dem Titel „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ angenommen hat, um der Welt den Zusammenhang zwischen Künstler, Entstehung und Popularisierung der Motiv-Reihe, in der sich die besagte „große Welle“ befindet, näher zu bringen. Wobei zunächst geklärt werden sollte, warum der Berg Fuji so besonders ist und es kein Zufall war, als er 2013 zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Neben der fast schon malerischen Pracht, genießt der Ort eine seit vielen Jahrhunderten mystische Anziehungskraft, von der zahllose Schreine und Legenden zeugen. So galt das Besteigen des Fuji im Buddhismus als Ausdruck des Tiefen Glaubens. Als ein solcher Ankerpunkt japanischer Tradition ist der Berg keine moderne Manifestation fernöstlicher Sehnsucht, sondern Teil der urtümlichen Identität dieses Landes. Das sieht man nicht zuletzt an der im vorliegenden Band präsentierten Bilderreihe, die zu einem Zeitpunkt angefertigt wurde, als Japan noch isoliert von der Außenwelt für sich sein konnte. Kein westlicher Einfluss trieb Hokuasi an, sondern die Nachfrage der lokalen Bevölkerung, die sich seine Bilder auch leisten konnte, wenn sie nicht zur höheren Schicht angehörte.

Revolutionär war die Anfertigung aber auch so. Schon zu Lebzeiten berühmt und gefragt, wagte sich Hokusai an eine für die damaligen Umstände ungewöhnliche Perspektive, indem er die dargestellten Menschen in den Hintergrund rückte und sie zum Beiwerk der Naturgewalten und Landschaften machte. Offensichtlich kam diese Herangehensweise so gut an, dass der Titel schlussendlich irreführend ist. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden nämlich ganze 46 Holzschnitte angefertigt, die allesamt in dem für TASCHEN typischen XXL-Band zu finden sind.

Um das Erlebnis beim Betrachten der beeindruckenden Werke außerdem noch authentischer zu Gestalten, hat es sich der Verlag erneut nicht nehmen lassen zur traditionell japanischen Fadenheftung zu greifen und die Bilder auf ungeschnittenem, einseitig bedruckten Papier abzubilden. Wer zum Beispiel schon „Hiroshige & Eisen. Die neundsechzig Stationen des Kisokaido“ (ebenfalls bei TASCHEN erschienen) zuhause stehen hat, weiß um die Besonderheit dieser Bindung.

Des Weiteren bleibt es nicht einfach nur beim Genuss von Meisterwerken, sondern man wird als Leser an die Hand genommen, um die Entstehung der einzelnen Holzschnitte zu verstehen, die Inhalte einzuordnen und bisweilen Variationen des gleichen Motivs zu erkennen. Dafür zuständig ist Herausgeber und Autor Andreas Marks, der ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Bonn studierte und der mit einer Dissertation in Japanologie zu Schauspielerdrucken des 19. Jahrhundert promoviert. Außerdem war Marks von 2008 bis 2013 Direktor und Chefkurator des Clark Center for Japanese Art im kalifornischen Hanford. Seit 2013 ist er Mary Griggs Burke Curator of Japanese and Korean Art, Leiter der Abteilung für japanische und koreanische Kunst sowie Direktor des Clark Center for Japanese Art am Minneapolis Institute of Art. In diesem Sinne kann man sich auf die detaillierte Ausführung eines wahren Experten verlassen.

Genau aufgrund dieser Kombination aus beeindruckender Gestaltung der Reproduktionen und einer elaborierten Aufbereitung von Hintergrundinformationen darf „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ in keinem Regal eines Liebhabers japanischer Kunst fehlen.

Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji
Verlag: TASCHEN 
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch 
Autor: Andreas Marks
Format: Hardcover, 44 x 30 cm, 3,88 kg
Seitenzahl: 224 
Preis: 125 EUR 

[Rezension] Japan 1900 (TASCHEN)

Für viele Menschen, dabei insbesondere Europäer, ist Japan immer noch ein geheimnisvoller Ort am anderen Ende der Welt, der vertraut und doch so fremd wirkt. Als halbwegs kulturaffiner Mensch ist man oft mit den bekannten Exporten Nippons wie Manga, Tee und Sushi konfrontiert. Dabei entsteht das Bild eines Landes, welches oft mehr einer Fantasie, als der Realität entspricht. Die Gründe dafür liegen hierbei weiter in der Vergangenheit als man zunächst annehmen möchte. In der Regierungszeit des Kaisers Meiji (1867-1912) öffnete Japan nach einer zweihundertjährigen Isolation 1868 seine Tore zur Welt und erlaubte damit einen Blick in eine Gesellschaft, die sich losgelöst von politischen und eurozentrischen Trends entwickelte und damit per se ab diesem Punkt ein Faszinosum bildete. In die goldene Zeit des Reisens fallend, gab es nun plötzlich einen Ort, den man ab 1869 in nur 40 Tagen durch den Suez-Kanal oder ab 1900 in nur 17 Tagen durch die transsibirische Eisenbahn erreichen konnte. Man bedenke, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Reise von über einem Jahr eingeplant werden musste, um an dieses Ziel zu kommen. In dem Sinne gleich mehrere Zufälle, die sich zeitlich überlappten und in ihrer Kombination anfingen das Bild Japans zu formen, welches wir bis zu einem gewissen Grad auch heute in uns tragen.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Berg Fuji von Suzukawa aus gesehen (1895)

Eben diesem Zeitraum widmet sich der brandneue Prachtband Japan 1900 von TASCHEN, der mit knapp 5,8 kg und einem Umfang von 536 Seiten die unfassbare Masse von mehr als 700 Vintage-Fotografien beinhaltet, die ursprünglich in schwarz-weiß aufgenommen und nachträglich im sogenannten Photochromdruck-Verfahren eingefärbt wurden. Wie schon bei Deutschland um 1900 – Ein Porträt in Farbe und weiteren Veröffentlichungen in dem Stil, sorgt die Färbung dafür, dass die präsentierten Bilder weniger entrückt erscheinen und trotz eindeutiger Stilisierung mehr in der Realtät verankert wirken. Nach wie vor muss man sich fast schon kneifen, wenn man Aufnahmen aus den 1880ern sieht und sich bewusst macht, dass hier die Welt vor 140 Jahren abgedruckt wurde.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Yokohama, Kirschblütenbäume bei Nogeyama, Kusakabe Kimbei (1890)

Dabei beschränken sich die beiden Autoren Sebastian Dobson und Sabine Arqué nicht auf die simple Präsentation von Ansichten aus der Meiji-Zeit, sondern ordnen die Bilder thematisch in Kapiteln und aufschlussreichen Kommentaren so ein, dass man gefühlt wie durch einen Reiseführer aus vergangenen Zeiten blättern kann und Sehnsucht nach einem Ort entwickelt, der in dieser Form nicht mehr existiert. Das liegt mitunter an der Tatsache, dass der Westen zu dem Zeitpunkt nur langsam durch Touristen, wirtschaftliche Verflechtungen und politische Öffnung in das Kaiserreich einsickerte. Dadurch erhält man einen Blick auf eine vorindustrielle Nation, die insbesondere im Kontrast zu rauchenden Schornsteinen, Akkordarbeit und aufkommenden Klassenkämpfen geradezu beruhigend wirkt. Natürlich werden bei Fotografien, die primär für den Reisesektor angefertigt wurden die Schattenseiten entweder ausgeblendet oder in einen romantisierenden Rahmen eingehegt. So werden schweißtreibende Feldarbeit und Prostitution sicherlich nicht dem ländlichen Charme bzw. dem edlen Look entsprochen haben, der einem in diesem Buch begegnet. Das gilt auch für quasi anthropologische Abbildungen der Ainu, die indigenen Ureinwohner Japans, die im Laufe der Zeit bis auf die nördliche Insel Hokkaidō zurückgedrängt wurden. Nicht zu vergessen sind auch die erste Schritte auf dem Weg zur Imperialmacht, die sich fast in einer Zwangsläufigkeit durch die Öffnung gen Westen ergaben. Gut zu erkennen an zusätzlich abgebildetem Material wie Postkarten, Speisekarten, Gepäcketiketten und vielem mehr. So erschließt sich aus der Betrachtung nicht zwangsläufig die Tragik hinter den Abbildungen. Dafür helfen entsprechend die erwähnten Texte dabei Hintergründe zu erforschen und historische Zusammenhänge zu begreifen. So kann man ästhetisch atemberaubenden Landschaften, exotische Kleidung und alte Traditionen aufnehmen, ohne Gefahr zu laufen einer Verklärung aufzusitzen.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Sumo-Kämpfer beim Ekōin Tempel, vermutlich von Adolfo Farsari (1841–98) (1886)

Nichtsdestotrotz handelt es sich primär um einen westlichen Blick auf das Japan jener Zeit, der viel von Inszenierung und einem fast unwirklichen Idyll geprägt ist. Das haben die Ersteller der Fotografien jedoch auch nie zu kaschieren versucht und präsentieren in dem Sinne ein Wunschbild, welches noch so weit in der Realität verankert ist, dass es dem Fernweh keinen Abbruch tut. So kann man sich Seite für Seite auf eine Reise von Nagasaki, über die Insel Miyajima, bis hin nach Tokio und Hokkaidō machen und dabei unterwegs noch viel mehr entdecken.

In diesem Sinne ist Japan 1900 die optimale Anschaffung für all jene, die regelmäßig Fernweh haben, sich für Vintage-Fotografie in edler Aufmachung begeistern können und alle, die gerne einen vermeintlich direkten Blick auf die Vergangenheit werfen wollen.

Japan 1900
Verlag: TASCHEN 
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch 
Autoren: Sebastian Dobson, Sabine Arqué
Format: Hardcover, 29 x 39,5 cm, 5,80 kg
Seitenzahl: 536 
Preis: 150 EUR