Drei Steine

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Die folgende Rezension befasst sich mit einer Herzensangelegenheit meinerseits. Ich habe das Glück in eine Generation hineingeboren worden zu sein, die faschistisches Gedankengut als etwas so fremdartiges und verabscheuungswürdiges empfindet, dass allein der Gedanke daran mit so etwas menschenfeindlichem zu sympathisieren vollkommen abwegig erscheint. Diese Aussage lässt sich natürlich nicht verallgemeinern und die Stadt in der ich lebe bietet einen so hohen Lebensstandard, dass sich Unzufriedenheit eher selten in Angriffen gegen Minderheiten kanalisiert. Trotzdem hat insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten ein gewisses Umdenken stattgefunden, welches auch durch das Aussterben der ursprünglichen Nazi-Generation vorangetrieben wird.

Leider scheint der natürlich voranschreitende Abstand zu den Ereignissen der Hitler-Jahre  auch dazu zu führen, dass ein gewisses Klientel trotzdem zu vergessen scheint, was zu der Terrorherrschaft unter dem Diktator geführt hat. Abgehängte und diejenigen, die Angst davor haben zu diesen zu gehören, laufen Menschen hinterher, die in Bezug auf Rhetorik und unterschwelligem (bis teils offenem) Fremdenhass in nichts der frühen NSDAP nachstehen. Irrationale Ängste brechen sich Bahn, dumpfe Ressentiments werden wieder salonfähig und ein brauner Flächenbrand, der halb Europa erfasst hat, ermutigt die Akteure in Nadelstreifen und Thor Steinar-Kluft gleichermaßen in ihrem Bestreben alles „fremde“ sowohl politisch als auch auf der Straße zu eliminieren.

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Dementsprechend erscheint mit „Drei Steine“ sowohl thematisch als auch bezüglich des aktuellen Zeitgeists die passende Graphic Novel bei Panini Comics. Die autobiographische Geschichte des Autoren und Zeichners Nils Oskamp spielt in den achtziger Jahren in Dortmund-Dorstfeld, eine bis heute berüchtigte Hochburg der Glatzen in Deutschland. Ein Gebiet welches sich der oberflächlichen Anpassung an das Bürgertum, wie es die NPD pflegt, verweigert und sich immer noch als Repräsentant der stiernackigen Schläger, deren Argumente durch Faustrecht entschieden werden sieht. Hier wird Oskamp während seiner Schulzeit mehrfach Opfer rechter Gewalt, welche im fast das Leben gekostet hätte. Diese physische und psychische Einschüchterung hat ihn jedoch nicht zum Täter umgepolt, sondern zu einem entschiedenen Gegner der Rechten werden lassen, der mit der vorliegenden Graphic Novel ein Zeichen gegen politisch motivierte Gewalt setzt.

Das Buch beginnt in der Gegenwart, in der der Autor seinem Sohn aus seiner Jugend in den achtziger Jahren berichtet. Er wächst in einer Zeit auf, als die Stahlindustrie im Ruhrgebiet ihren Niedergang findet und die Zechen schließen. Dazu schießt die Arbeitslosenquote in die Höhe und die Wut über die Lebensumstände findet generationenübergreifend ein Ventil in der extremen Rechten. Dieses wird während des Jahrzehnts immer noch von ehemaligen Mitgliedern des SS und fanatischen Anhängern des „Führers“ weiter aufgedreht. Dabei suchen diese Leute gezielt verführbare Jugendliche, die damals entsprechend konditioniert noch heute Terror und Angst in der Bundesrepublik verbreiten. Ein weiterer Faktor waren die immer noch von Alt-Nazis besetzten Stellen des öffentlichen Dienstes (wie Lehrer) und die Mentalität des Vergessens in der restlichen Bevölkerung. In so einer Umgebung aufgewachsen, stellt sich Nils Oskamp konsequent dem Status Quo entgegen, um dafür mehrfach fast mit dem Leben zu bezahlen. Nur wenige Menschen solidarisieren sich mit dem jungen Mann und helfen ihm dabei standhaft zu bleiben und dem braunen Mob entgegen zu treten. Die Öffentlichkeit und das Elternhaus ignorieren die Gefahr zeitgleich konsequent und zeigen die krankhaften Symptome einer Nation, die scheinbar erst nach der Aufdeckung der NSU-Morde aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist. Wenn man sich Stück für Stück durch diese Story vorarbeitet erkennt mit Schrecken die zeitlose Aktualität der Ereignisse wieder. Junge Menschen, die aus Perspektivlosigkeit heraus ein Feindbild suchen, welches ihnen mehr oder minder subtil durch AfD (z.B. die Causa Gauland im Fall Boateng) oder PEGIDA (Flüchtlinge als Invasoren) vorgesetzt wird. Das Ergebnis sind brennende Flüchtlingsheime und ein an das 3. Reich erinnernder Gestus à la Björn Höcke. Zwar agiert die Dortmunder Szene nach wie vor im Vergleich zum restlichen deutschen Gebiet extrem brutal, die treibenden Gedanken hinter den Aktionen bleiben jedoch ein bundesweites Phänomen.

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In diesem Sinne handelt es sich um eine graphisch aufbereitete Mahnung an die Provokateure und eine helfende Hand für die Jugend, hinter der die Aufforderung steht: Lasst euch nicht von den Rattenfängern verführen! Stellt euch Rassismus, Antisemitismus und Nazis offen entgegen! Sie sind die laute Minderheit, die simple Antworten auf komplizierte Lösungen geben möchten und dabei die Probleme erst selber erschaffen.

Den aufwühlenden Ereignissen folgt ein ausführliches Nachwort, welches das Thema nochmal von sachlicher Seite aus beleuchtet. Zunächst wird die jüdische Tradition der „drei Steine“ erklärt, die auch titelgebend für das Werk ist. Danach sehen wir eine Auseinandersetzung mit der „Kontinuität des Hasses“, die einem Zeitstrahl folgend die einschneidendsten Ereignisse rechter Gewalt und Anstöße für die Szene beleuchtet und am lokalen Beispiel Dortmund nochmals zeigt, dass der Kampf noch lange nicht ausgestanden ist.

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Aufgrund der Relevanz des Themas wird durch die Amadeu Antonio Stiftung auch eine auf 96 Seiten gekürzte Schulausgabe als Softcover publiziert, damit junge Leser durch das Medium Comic einen leichteren Zugang zu der Materie bekommen und eine Auseinandersetzung anhand eines realen Beispiels fast schon spielerisch erfolgen kann. Diese Fassung kann über die Webseite www.dreisteine.com für Schulen bestellt werden. Dort findet man auch passendes pädagogisches Begleitmaterial, welches im Unterricht eingesetzt werden kann.

Ich kann dementsprechend eine eindeutige Empfehlung für all jene aussprechen, die sich für das Thema „rechte Gewalt“ interessieren, für Eltern die ihre Kinder vor der allgegenwärtigen Gefahr bewahren und für Pädagogen, die ihre Schützlinge aufklären wollen, ohne auf trockene Broschüren oder immer wieder gekaute Phrasen zurück greifen zu müssen.

Panini Comics und Nils Oskamp können stolz darauf sein, auch im Bereich der neunten Kunst ein Zeichen gegen Rechts gesetzt zu haben.

Hier können sowohl Schulen als auch alle anderen das Buch bestellen.

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We Stand on Guard

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Insbesondere seit dem „Kampf gegen den Terror“, den die USA unter George W. Bush eröffnet haben, traut man der Weltmacht alles zu, wenn es um das Eröffnen neuer Konfliktherde geht. Dabei wurden und werden vorzugsweise Länder infiltriert, die reich an Rohstoffen und arm in Bezug auf militärische Schlagkraft sind. Bis dato gilt das primär für Nationen im Nahen Osten, die auf begehrten Öl-Reserven sitzen. Doch was bringt die Zukunft? Das schwarze Gold wird noch zu Lebzeiten meiner Generation zur Neige gehen, während die Natur parallel bis an die Belastungsgrenze ausgenutzt wird. Das Ergebnis wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kampf um lebenswichtige Ressourcen sein, der neue Fronten nach sich ziehen wird, die wir uns heutzutage nicht mal vorstellen können…oder wollen.

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Genau in diese Kerbe schlägt „We Stand on Guard“ von Cross Cult, welches hundert Jahre in der Zukunft spielt und einen (bis jetzt) imaginären Konflikt zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika beleuchtet. Aufgrund von drastischen Klimaveränderungen, die wir schon heute spüren können, gehen die Wasservorräte der USA zu Ende und lassen das Land zu den uns schon bekannten Werkzeugen der Machterweiterung greifen. Durch einen als Gegenschlag inszenierten Angriff wird der wasserreiche Nachbar aus dem Norden überrannt. Infolgedessen ziehen sich verschiedene Gruppen in die dichten Wälder zurück und kämpfen als Guerilla-Einheiten gegen die gnadenlos agierenden Invasoren. Im Mittelpunkt steht dabei die Hautprotagonistin Amber, die den ersten Angriff als Kind miterlebt hat und aufgrund zahlreicher persönlicher Verluste in der Konfrontation mit den Amerikanern ihren Rachedurst zu stillen versucht.

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Die Story ist dabei weder ein schwülstiger Anti-Kriegs-Roman, noch reines Ami-Bashing, sondern eine Warnung, die in ein futuristisches Gewand gekleidet ist. Die Rhetorik der Amerikaner gegenüber ihren Freunden und Verbündeten wird in all ihrer Fragilität präsentiert und lässt den Leser mit der Frage zurück, ob ein solches Szenario in einer ähnlichen Form nicht vielleicht doch irgendwann Realität werden könnte. Folter zum Zwecke der angeblichen Wahrheitsfindung, politisches Kalkül und der Verzicht auf moralische Abwägung finden alle ihren Platz in einer Science-Fiction-Welt, spiegeln jedoch durchgehend reale Umstände, bei denen man nur die Namen der Nationen und den umkämpften Rohstoff auswechseln müsste um einen Bericht der Tagesschau konstruieren zu können. Das dies ohne Durchhänger, geschweige denn einem Abfall der Spannung geschieht, ist dem Star-Autoren Brian K. Vaughan zu verdanken, den Fans auch als Macher hinter der „Saga“-Reihe kennen.

Am Zeichentisch wird er dabei durch niemand geringeren als den Story-Board-Artist Steve Skroce unterstützt, dessen Arbeiten an „Matrix“ oder „V wie Vendetta“ sich in Bezug auf atmosphärische Perspektiven und emotionale Szenen in jedem Panel widerspiegeln. Feste Konturen und detailverliebte Umgebungen leisten einen nicht geringen Anteil daran, dass man in der Geschichte so oft mit den Figuren mitfiebert und ihr persönliches Schicksal zu Herzen nimmt.

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Eine nicht zu vernachlässigende Ergänzung bietet der Kolorist Matt Hollingsworth, der mit „Preacher“ und „Hawkeye“ seinen Ruf erarbeitet hat, den er mit „We Stand on Guard“ weiter festigt. Die relativ blassen Farben, die auch mal gänzlich ohne Outlines Seiten füllen können, unterstreichen die erzeugte Stimmung, in der sie nicht in eine gefällig knallige Form der Superhelden-Geschichten abdriften und das Ganze damit unverdienterweise in eine belanglose Action-Ecke stellen.

Als Fazit kann ich ziehen, dass die an realen Ängsten angelehnten Begebenheiten, samt die kontinuierlich auf höchstem Niveau illustrierten Panels eine Kombination ergeben, die man sich nicht entgehen lassen sollte. „We Stand on Guard“ sticht mit einem frischen Ansatz, der alte Themen neu bearbeitet heraus und unterhält auch beim erneuten Aufschlagen der Seiten.

Curse of the Spawn – Band 1

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Seit geraumer Zeit bringen Panini Comics die beliebte „Spawn“-Reihe als Hardcover-Version heraus, die alle Hefte der Serie ab dem Release Anfang der 90er vereint und uns noch mindestens ein Jahr erhalten bleibt. Denn dann kommt das letzte Buch, welches in den USA einen unwillkürlichen Abschluss der „Origins Collection“ markierte. Da es in Deutschland jedoch bezüglich der Nachfrage mehr als rund läuft, munkelt man über eine Fortsetzung, die unabhängig von Veröffentlichungspolitik im Heimatland der Serie realisiert werden soll.

Bis diese Frage geklärt ist, haben wir als Fans natürlich immer noch Heißhunger auf Geschichten rund um den titelgebenden Höllen-Krieger und werden glücklicherweise in regelmäßigen Abständen bedient. So wurden uns im Laufe der Zeit einige Spin-Offs in Form von „Violator“ und „Blood Feud – Blutfehde“ spendiert und verschönern jede auf Vollständigkeit ausgelegte Sammlung. Nun kommt der Nachschlag durch „Curse of the Spawn – Band 1„, welcher es vor allem durch Masse und Hintergrundinfos zu allerlei Figuren in sich hat. Im Detail finden wir in diesem schönen Hardcover (passt perfekt neben die „Origins Collection“, hebt sich aber durch die schwarze Färbung ab) vier Geschichten, die Al Simmons (der Spawn der regulären Reihe) gänzlich vernachlässigen, aber dafür mit umso mehr Freiheiten daherkommen.

Die erste spielt ungefährt 400 Jahre in der Zukunft, während die Apokalypse auf Erden ihren Lauf nimmt. Der Antipapst herrscht mit eiserner Hand über die verwüsteten Flächen der Erde, über die seine Helfer unter dem Kommando des Monstrums Abaddon marodieren. Über allem steht jedoch der Teufel Phlegethonyarre, der den neuen Hellspawn Daniel Llanos aus seinem ewigen Schlaf befreit und auf die Welt los lässt. Dieser erkennt den ersten Menschen den er trifft als seine Schwester wieder und rettet sie samt ihren Sohn vor einem Ansturm der Untoten. Das ist natürlich nicht der Plan, den die Kreaturen des Bösen mit ihm umsetzen wollten und nun damit einem neuen Feind aus ihren Reihen gegenüberstehen.

Die nächste Story dreht sich um die uns schon bekannten Privatdetektive Sam und Twitch (die Handlung spielt während ihrer Suspendierung in der regulären Reihe), die einem perversen Serienmörder auf der Spur sind, als plötzlich eine erneute Mordserie einsetzt, der jedoch die psychopathischen Killer und Schänder New Yorks zum Opfer fallen und zeitgleich den korrupten Polizeiapparat eines Departments in Bedrängnis bringt.

Die dritte Handlung beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Engels „Angela“, eine besonders in den ersten Jahren oft wiederkehrende Figur, die von ihrem Schöpfer Neil Gaiman nach seinem Abgang zu Marvel mitgenommen wurde und seitdem auch nicht mehr Teil des Geschehens rund um das blutrünstige Image-Universum ist. Hier können wir uns aber sogar an dem Charakter als Hauptprotagonisten erfreuen und uns über Beweggründe und innere Abgründe Angelas informieren.

!!! ACHTUNG SPOILER !!!

Im letzten Teil des Bandes begegnen wir Al Simmons Mörderin „Priest“, die ihn zu dem machte was er ist. Erstaunlicherweise begegnen wir ihr das erste mal in der Realverfilmung von 1997, während in den Comics weiterhin „Chapel“ als der wahre Killer präsentiert wurde. Da er jedoch aus rechtlichen Gründen im Film nicht auftauchen durfte, hat man sich für eine neue Figur entschieden, die später auch in der Serie als wahre Mörderin der Hauptfigur enthüllt wurde. Hier sehen wir ihre Kindheit, die erste Verknüpfung zu Jason Wynn und ihr schizophrenes Leben als immerwährenden Strom des Wahnsinns.

!!! SPOILER VORBEI !!! 

Während der Lektüre bekommt man durchgehend die Spawn-Kost, die man erwartet. Pathosgeschwängerte Umschreibungen des dargestellten Geschehens, teils an Peinlichkeit grenzende Dialoge, aber selbstverständlich auch die unglaubliche Brutalität in Wort und Bild, nach der es die Fans seit bestehen der Figur giert. Diese Freiheit war der ursprüngliche Grund eine Handvoll Künstler den Verlag zu gründen, der die Serie heraus brachte und genau das spürt man auf jeder dieser Seiten. Es kommt mir sogar vor, als ob dieses Spin-Off in mancher Hinsicht noch weiter geht als die regulär erschienenen Ausgaben. Selbst als hartgesottener Leser zieht es einem dabei doch einiges zusammen (Mord an Kindern, Nekrophilie, Vergewaltigung usw.). Doch genau dieses Spiel mit Tabus ist das was Spawn ausmacht und genau das kriegt man auch geliefert. Qualitativ befinden sich alle Storys auf einem ähnlichen Niveau, während die erste leicht abfällt, wobei es auch an dem recht ungewöhnlichen Setting liegen kann, welches einen extremen Cut zu den anderen Geschichten bietet. Diese wurden übrigens allesamt von Alan McElroy umgesetzt, der auch für das Drehbuch des Spielfilms zum Comic verantwortlich war.

Mit dem Zeichenstift bewaffnet ist Dwayne Turner, der sich vom Stil her nur minimal vom Großmeister Todd McFarlane oder Allzweckwaffe Greg Capullo unterscheidet. So bleiben uns die rohen, vor Details strotzenden Panels erhalten, die von Figuren bevölkert werden, die ganz dem Design des Schöpfers entsprechen. Würde am Anfang nicht ein anderer Name stehen, würde ich behaupten Capullo wäre der Mann hinter dem Projekt. Zwar wird dadurch keine eigene Handschrift erkennbar, aber in dem Fall ist es vermutlich sogar die bessere Lösung.

Alles in allem bietet uns „Curse of the Spawn – Band 1“ die perfekte Ergänzung zu den schon erschienenen Bänden und gibt der Hauptgeschichte noch mehr Tiefgang und Erkenntnisse für den Leser. Wenn sich jemand anschickt die „Origins“-Ausgaben zu holen, kommt an der hier besprochenen Veröffentlichung jedenfalls nicht vorbei!

Section Eight

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Es gibt nicht oft die Möglichkeiten das Wort „asozial“ positiv konnotiert verwenden zu können, aber heute ist es endlich soweit! Mit „Section Eight“ erreicht uns der asozialste, derbste und perverseste Release, den DC bzw. hierzulande Panini Comics seit Jahren auf die Leser losgelassen hat. Aber eins nach dem anderen.

Für diejenigen, denen der Titel nichts sagt, wäre hier eine kleine Geschichtsstunde in Sachen Comics. Im Jahre 1997 tauchte in der DC-Reihe „Hitman“ ein neues Superhelden-Team auf, welches das Konzept der Cape-Träger unter der Gürtellinie aufs Korn nahm. So wurde es zum einen von „Sixpack“ angeführt, dessen besondere Fähigkeit darin besteht sich auf unnatürliche Weise betrinken zu können und Leute mit einer zerbrochenen Schnapsflasche zu vermöbeln. Ihm folgten „Bueno Excellente“, ein fetter haariger Latino, der nur seinen Namen aussprechen kann und das Böse durch die Macht der Perversion besiegen will. Dazu kamen „der Fensterstürzer“, der alle seine Gegner durch eine mitgebrachte Fensterscheibe wirft, der „Hundschweißer“, der tote Hunde an seine Gegner…naja…schweißt? Ebenfalls dabei waren Freundes-Feuer (er kann nur auf Verbündete schießen), der Schüttler (ein stotternder Penner, den es ständig schüttelt), „Jean de-Baton“ (kämpft mit der Macht des „französisch-seins“) und „Speister“ (verteidigt sich mit hochgewürgtem Rotz). Diese Freak-Versammlung wurde nach einem Einsatz fast gänzlich ausgelöscht und fristete bis jetzt ein Dasein in den nostalgischen Erinnerungen der alten Fans der Serie.

Nun kann sich auch die aktuellste Generation an Lesern an den widerlichsten Protagonisten der Verlagsgeschichte erfreuen, denn das original Team um Garth Ennis (Autor) und John McCrea (Zeichnungen) hat sich erneut zusammen getan um den Ernst aus dem DC-Universum raus zu kitzeln. Es beginnt damit, dass der temporär vom Alkohol losgekommene „Sixpack“ einen Rückfall erleidet und daraufhin sein Alter Ego erneut das Licht der Welt erblickt. Im Rausch beschließt er eine große Bedrohung für die Welt abzuwenden (die er sich eventuell nur einbildet). Dafür muss er aber laut eigner Aussage eine neue „Section Eight“ zusammenstellen um eine Chance gegen das Böse zu haben. Dafür rekrutiert er zunächst den ebenfalls überlebenden „Bueno Excellente“ und holt sich neue Verstärkung durch „Baytor“ (Dämon der Kriminellen und Barkeeper in „Sixpacks“ Stammbar), den „Greiffa“ (eine mit einem Greifhaken ausgestattet Nervensäge, die ihren Mund nicht halten kann), „Bauhauser“ (hat eine Bohrmaschine an seinen Helm montiert) und „Därm“ (ein weiblicher Haufen innerer Organe ohne Körper). Dazu kommt ein von „Hundschweißers“ Ausrüstung besessener Afro-Amerikaner, der seine Stelle im Team einnimmt. Da „Sixpack“ davon überzeugt ist, dass die Gruppe aus genau acht Mitglieder bestehen muss, versucht er den letzten Platz mit jemanden aus der „Justice League“ zu besetzen und damit fängt das ganze Schlamassel erst richtig an.

Um nicht allzu viel vorweg zu nehmen, möchte ich mich einfach mal auf die Hauptereignisse beziehen. „Batman“ ist die erste Wahl, wird jedoch als Rassist hingestellt und dampft sauer ab. „Green Lantern“ hat von Kyle Rayners Schicksal (Stichwort „Bueno Excellente“ und „date-rape“) gehört und lehnt das Angebot ab, „Martian Manhunter“ ist interessiert und „Wonder Woman“…ich will nicht weiter ins Detail gehen.

Während all dieser Geschehnisse scheint es, als ob der Autor versucht sich Stück für Stück in Sachen dreckiger Humor zu steigern und schreckt dabei vor rein gar nichts zurück. Ich meine ein belesener überdimensionaler Bandwurm der gegen unseren perversen Latino um das Herz von „Därm“ kämpft!? Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ich habe mich selten so gut amüsiert, während unsere Lieblingshelden ganz offiziell und nicht allzu zimperlich durch den Kakao gezogen wurden (Superman schenkt „Sixpack“ eine Flasche Fusel um ihn aufzuheitern! WAS?). Es fühlt sich einfach gut an, wenn man nicht mal im Ansatz vermuten kann was auf den nächsten Seiten passieren wird und verschluckt sich manchmal bei dem Gedanken, dass gewisse Szenen wirklich zu Papier gebracht wurden. Einfach eine große Kunst der Grenzüberschreitung, die insbesondere in Bezug auf das doch recht biedere Genre mehr als ausgiebig zelebriert wird. Wer auf seichte Unterhaltung mit einem Anspruch an Moral steht, sollte schleunigst die Finger davon lassen. Für alle anderen ist das hier eine Pflichtanschaffung, die in meinen Augen das Juwel der „DC You„-Reihe darstellt.

Visuell wird uns eine ordentliche Portion Ekel serviert, die man sich genüsslich von Panel zu Panel einverleibt. Ob klassische Superhelden-Darstellung, groteske Geschöpfe wie aus einem Cartoon oder einfach nur jede erdenkliche Körperflüssigkeit – McCrea weiß von der ersten bis zur letzten Seite zu überzeugen. Man kann förmlich spüren wie sich der Künstler austoben konnte. Jede Linie versprüht einen unwirklich Spaß am Schabernack und nimmt den Betrachter sofort in ihren Bann. Alles in allem einfach eine großartige Arbeit.

Anhand der Lobhudelei ist es für euch wahrscheinlich ersichtlich, aber ich muss es einfach nur wiederholen. „Section Eight“ ist ein durchgehendes Vergnügen am Rande der Perversion, welches zwar nichts für zarte Gemüter aber auf jeden Fall etwas für alle mit einem dehnbaren Begriff von Humor ist! Auf zum nächsten Comic-Shop und viel Spaß beim lesen!

 

Planet Hulk – Band 1

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Ich muss gestehen, dass ich in Bezug auf das Marvel-Universum eher wenig mit dem wütenden grünen Riesen anfangen konnte. Zwar fand ich seine Origin-Story recht interessant und die Umsetzung des „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“-Themas gelungen in das Comic-Genre integriert, aber der Funken wollte einfach nicht über springen.

Nun habe ich mich an eine Geschichte um den Hulk gewagt, die laut Aussagen der Fans zu den besten gehört, die jemals über ihn geschrieben wurden. Genau genommen ist das schon 16 Jahre her, aber Panini Comics Deutschland legt regelmäßig alte Storys neu auf um junge Leser an die Klassiker heran zu führen und diesmal hat es eben „Planet Hulk“ erwischt. Eine abgeschlossene Handlung, die aufgrund ihrer Größe (knapp 500 Seiten) auf zwei Bände verteilt wurde. Der erste liegt schon in den Regalen des Comic-Dealers eures Vertrauens. Ob sich die Anschaffung lohnt, erfahrt ihr hier!

Zunächst einmal muss man wissen, dass es sich bei dem Ganzen um ein gigantisches Projekt gehandelt hat, welches die drei Autoren Peter A. David, Daniel Way und Greg Pak realisiert haben. Sie haben sich als Team gut verstanden, denn die Geschichte läuft fließend und ohne abgehakte Versätze stetig voran. Diese ist hierbei der perfekte Rahmen für eine so physische Figur wie den Hulk. Bruce Banner (die zivile Version des Monstrums) hat sich in einen abgeschiedenen Teil Alaskas zurück gezogen, um seine Ruhe zu finden und die Menschheit vor den Zerstörungsorgien seines Alter Ego zu beschützen. Doch eines Tages wird er von Nick Fury kontaktiert, der ihn auf eine halsbrecherische Mission ins All schicken möchte. Im Laufe dieser, wird er aber von ihm hereingelegt und zum Schutz der Erde auf einen fremden Planeten geschossen. Er ist jedoch nicht wie zunächst angenommen unbewohnt und friedlich, sondern ist die Heimat einer Alien-Spezies, die eine pervertierte Version des alten Roms darstellt. Hier wird nämlich durch einen Imperator zwischen Bevölkerung und Sklaven getrennt. Zweite Gruppe (die auch aus Aliens anderer Planeten besteht) muss dabei zum Vergnügen der Elite Gladiatorenkämpfe austragen und welches Thema passt wohl besser zum Hulk als dieses? Spannend erzählt, vor Selbstreferenzen strotzend und bei weitem nicht so beliebig wie man es von einer Geschichte erwarten würde, die sich zumindest oberflächlich nur um das Kämpfen dreht. Ich hätte persönlich nicht erwartet, dass mich der Hulk über 250 Seiten so gut unterhalten würde. Hut ab!

Bezüglich der Zeichner, muss man sich jedoch auf mehrfache Stilbrüche gefasst machen, die bei einer über einem Jahr (in Bezug auf den ersten Band) laufenden Serie nur natürlich, aber für mich immer noch etwas gewöhnungsbedürftig sind. Dabei schwankt der Stil der insgesamt acht Künstler (ohne die Geschichte in Mitleidenschaft zu ziehen) zwischen schlichtweg fantastisch (Andy Kubert) und relativ mies (Juan Santacruz). Es ist vermutlich nicht leicht einen grünen Muskelberg vorteilhaft zu porträtieren, aber manchmal rutscht die Gestaltung fast schon ins lächerliche. Da diese Schnitzer nur vereinzelt vorkommen, ist es bei der starken Story durchaus zu verkraften, aber eingebettet zwischen wirklich großartige Umsetzungen doch manchmal nervig. Lasst euch davon aber nicht von der potentiellen Kaufentscheidung abhalten, denn mit „Planet Hulk“ liegt ein richtig starkes Stück Marvel-Historie vor, die sogar einen DC-Fanboy wie mich überzeugt!

Alles in allem wirklich empfehlenswert. Ich kann es zumindest kaum erwarten herauszufinden, wie es mit unserem Wüterich im abschließenden Band weiter geht!

 

Blechbart – Vendetta auf Beard Island

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Vor kurzem habe ich euch über die Independent-Szene im Bereich Comics berichtet
und dabei „hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“ vorgestellt. Das Ergebnis einer Zusammenarbeit von 20 Künstlern, die sich Seite für Seite an einer Geschichte entlang hangelten, die Timo Schütz aka Teamo zu verantworten hat.

Er wickelte die Aktion komplett über Facebook ab, stellte alles kostenfrei als Web-Comic der Öffentlichkeit zur Verfügung und bietet es demnächst mit allen anderen beteiligten als gedruckte Version beim Comic-Salon Erlangen an.

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Heute möchte ich eines seiner weiteren Projekte vorstellen, welches diesmal von ihm sowohl getextet als auch gestaltet wurde. Er veröffentlicht auf seinem Blog eine irre Geschichte in Form von „Blechbart – Vendetta auf Beard Island„, die jede Woche um ein Kapitel erweitert wird. Hierbei wird der Lebensweg des titelgebenden Helden nachgezeichnet, dem ungefähr alles über den Weg läuft was man sich im berauschten Zustand ausdenken kann.

Wir hätten Superhelden, Roboter, Ninja-Affen und mutierte Toast-Brote. Wer weiß, wann ich das nächste mal so eine Reihenfolge aufzählen darf. Primär dreht sich aber alles um Bärte, da unser Held doch auf Beard Island als Spross einer bärtigen Familie (auch mütterlicherseits) das Licht der Welt erblickt und in seinen ersten Lehrjahren zu einem richtigen Piraten herangezüchtet wird. Doch eines Tages fällt sein Vater einem Hinterhalt zum Opfer und ebnet damit den Beginn des Abenteuers, während dessen erklärt wird, wieso Blechbart nun Blechbart heisst, was es mit der Kapitäns-Würde auf sich hat und wie ein Einhorn in die Geschichte passt. Verwirrt? So soll es sein und trotzdem macht es einen irren Spaß sich auf diesen Trip zu begeben! Gewollt flacher Humor, durchgehende Reime (quasi der moderne Faust) und eine trotz allem Chaos doch zusammenhängende Welt, die auf 28 Seiten (ja, ihr kriegt das Abenteur auch in gedruckter Form) schön kurzweilige Unterhaltung bietet.

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Visuell erwartet den Leser ein minimalistisch bunter Stil, der mich in seiner Einfachheit oft an den rohen Charme von South Park erinnert, wobei mit der digitalen Bearbeitung alles etwas grober rüber kommt. Alles in allem passt es wunderbar zu der herrlich wirren Story und dem Humor, der damit noch mehr unterstrichen wird.

Als Fazit kann man ziehen, dass „Blechbart – Vendetta auf Beard Island“ jedem ans Herz gelegt werden kann, der sich zum Beispiel schon durch die von mir rezensierte Ausgabe von „hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“ angesprochen gefühlt hat oder sich noch weiter an die bunte Independent-Szene Deutschland herantasten möchte. Auch in diesem Fall habt ihr die Möglichkeit euch ein persönliches Exemplar beim Künstler auf dem Comic-Salon Erlangen abzuholen. Vielleicht entdeckt ihr bei eurem Streifzug ja noch mehr kreative Geister, die euch nachhaltig begeistern?

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hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung

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Aktuell scheint die Independent-Schiene der Comic-Sparte auf meinem Blog etwas unterrepräsentiert zu sein. Daher möchte ich etwas Abhilfe schaffen und euch an großartiges Projekt heranführen, welches ganze 20(!) Künstler aus ganz Deutschland in einem Projekt vereint.

„hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“ liefert exakt das, was der Titel verspricht.
Eine wilde Genre-Mischung aus Action, Mystery und Horror. Gleich zu Anfang wird die Richtung vorgegeben, als die Hauptfigur Fränki (Frankensteins Monster, wer sonst?) bei einem Glas Wein in seinem Anwesen sitzt und entspannt. Daraufhin besucht ihn ein Zombie, der von Angriffen auf Prteinriegelfabriken berichtet und nun Hilfe bei der Aufklärung der Verbrechen braucht. Warum Proteinriegel? Weil diese alles beinhalten was ein Zombie braucht und sogar dabei hilft „menschlichere“ Fähigkeiten zurück zu erlangen. Quasi die Hauptnahrung politisch korrekter Beisser.

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©Sebastian Kempke

Das nun zum Duo angewachsene Team macht sich daraufhin auf die Suche nach den Übeltätern und stößt dabei regelmäßi auf Freund und Feind aus den Tiefen der B-Movie-Fantasien eines jeden Trash-Fans. Die Story, erstellt von Timo Schütz aka Teamo, bleibt dabei durchwegs unterhaltsam. Die leicht wirre Abfolge der Ereignisse versprüht dabei einen angenehm anarchischen Charme, den sich in der Form nur die Independent-Szene zu Eigen machen kann. Trotz der Kürze der Geschichte von 25 Seiten, fühlt sich das Ganze ziemlich rund an und unterhält auf ganzer Linie.

Auf der visuellen Ebene begegnen uns die eingangs erwähnten 20 Künstler, die 1-2 Seiten für das als Web-Comic angelegte Projekt beigesteuert haben. Einigen von ihnen bin ich schon bei anderen Veröffentlichungen über den Weg gelaufen. So kenne ich Andi Papelitzky zum einen persönlich und zum anderen als Macher hinter „Der Punch“ und „Der Punch beginnt“. Teamo ist nicht nur Autor der vorliegenden Story, sondern auch der kreative Kopf hinter „Blechbart“, dessen Abentuer man auf dem passenden Blog verfolgen kann. Zu diesem Gesellen folgt übrigens demnächst ebenfalls eine Rezension. Andere Teilnehmer kennt man aus den vor einiger Zeit erneut aus der Taufe gehobenen U-Comix und eigener Projekte, auf die am Ende des Hefts explizit hingewiesen wird.

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©Sarah Stowasser

Stilistisch unterscheiden sich die einzelnen Seiten natürlich extrem. Jeder Künstler hat seine eigene Art Situation in Szene zu setzen und genau das macht den Reiz an dieser Veröffentlichung aus. Beginnend bei relativ realisitschen Darstellungen und einem festen Strich, findet man zwischendurch Manga-Einflüsse, Querverweise an Crumb, schroffe Umsetzungen und gänzlich digital erstellte Panels. Erstaunlicherweise passt alles wunderbar zusammen und wirkt aufgrund der gelungenen Verzahnung der Ereignisse wie aus einem Guss.

Hier hat man die einzigartige Möglichkeit sich einen Überblick über die lebendige Szene in Deutschland zu verschaffen und sich bei Bedarf näher mit den Menschen hinter den Bildern auseinander zu setzen.

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©Uli Döring

Eine ganz  klare Empfehlung von meiner Seite und ein Aufruf sich mit der Mateire Comic auch außerhalb des Mainstreams auseinanderzusetzen. Die oft nur als „bunte Bildchen“ verschrienen Publikationen bieten eine weitaus größere Bandbreite an Ausdrucksformen,
als so mancher glaubt. Ein lebender Beweis, dass neben Cape-Trägern auch fantastische Welten unter dem Radar der Öffentlichkeit existieren, findet sich definitiv in „hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“.

Hier könnt ihr euch die Geschichte digital ansehen. Bei Anfragen zur gedruckten Fassung, könnt ihr euch direkt an Teamo oder einen der vielen anderen Zeichner wenden! Primär werden die Ausgaben auf dem diesjährigen Comic-Salon Erlangen unter die Leute gebracht! Übrigens findet ihr auch mich am Stand des Comicfestivals München! Gründe über Gründe um hinzufahren! 😉

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©Hannes Radke

 

Sammelwut

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Aktuell läuft über die Plattform Fashion-Library by Sarah eine Blogparade mit dem Thema „Sammelwut“. Wenn ihr schon länger meine Beiträge auf ZOMBIAC verfolgt, dann könnt ihr euch schon denken, dass die Initiatorin der Aktion einen Volltreffer mit Ihrer Anfrage für diesen Beitrag gelandet hat.

Meine Leidenschaft für das „sammeln“ beschränkt sich dabei aber keinesfalls nur auf Comics und Bücher, die ich primär auf dieser Seite rezensiere. In meiner Wohnung befindet sich so gut wie alles, was man als nerdig bezeichnen könnte und das in nicht zu kleinem Ausmaß. Da ich außerdem recht klassisch veranlagt bin, was den Genuss bestimmter Medien anbelangt, besitze ich so gut wie gar nichts in digitaler Form. Bücher, Comics, Videospiele, Filme und Musik finden sich alle schön verpackt und im besten Fall limitiert in meinen Schränken wieder.

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Diese ganzen Objekte kann man in meinen Augen auf den Begriff „Kultur“ herunter brechen und genau diese muss physisch erlebbar bleiben. Ob es nun das einfache Aufschlagen eines dicken Wälzers, der Einschub einer CD in ein Laufwerk, der Geruch eines frischen Druckerzeugnisses oder einfach der Genuss seine Sammlung direkt im Blick zu haben – es geht nichts über diese Sinneseindrücke.

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Dabei fing ich mit diesen Hobbys erst recht spät an bzw. hatte erst im Laufe der Jahre die Möglichkeit bekommen das zu erwerben, was ich mir wünsche. Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es weder das Geld, noch die Connections um nur Ansatzweise die Masse zu erreichen, auf die ich heute Blicke. Glück, Sparsamkeit und ein Blick für Schnäppchen haben mir dabei geholfen.

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Es fielen mir teilweise bestimmte Sachen nur zufällig in die Hände, bilden aber das Herzstück meiner Sammlung. So besitze ich neben mehreren hundert Comic-Heften und Büchern, „normaler“ Literatur im selben Ausmaß, Türmen an CDs und einem Schrank DVDs und BluRays auch gefangene Plektren. Diese habe ich entweder bei Konzerten erwischt oder in die Hand gedrückt bekommen. Inzwischen kann sich auch dieser kleine Haufen sehen lassen und wartet darauf erweitert zu werden. In die selbe Kerbe schlägt auch meine Slipknot-Kassetten-Demo, die noch vor dem ersten Album der Metal-Formation erschien. Als ich bei einem Meet&Greet mit dem Sänger Corey Taylor darüber sprach, konnte er selbst kaum fassen, dass es dieses Teil noch gibt. Entsprechend stolz bin ich auf dieses unscheinbare Stück Band-Geschichte. Apropos Musik und Bands! Da ich von allen Musikern die ich höre so gut wie immer die gesamte Diskografie besitze, lasse ich sie mir bei entsprechender Möglichkeit gerne signieren. Um ja keine Chance zu verpassen, schleppe ich generell alle Booklets mit auf die Konzerte, die ich besuche. So hat es sich ergeben, dass ich Unterschriften von Slipknot, Korn, Limp Bizkit, Chimaira, Suicide Silence, Jennifer Rostock, Casper und vielen anderen besitze (genaugenommen von allen Personen aus der „Hall of Fame„).

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Da Buch-Autoren eher seltener anzutreffen sind, beschränken sich hier meine Signaturen auf Sachbücher und den heiligen Gral: Ein mit persönlicher Widmung signiertes Buch von Stephen King! Ich konnte den Mann (und meinen Lieblings-Autoren) auf seiner Tournee zu „Doctor Sleep“ persönlich treffen und habe selbstverständlich die Chance genutzt, etwas bleibendes mitzunehmen.

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Was Comics anbelangt, sieht es schon wieder etwas anders aus. Da ich neben meiner Leidenschaft fürs Lesen auch organisatorisch in das Comicfestival München eingebunden bin und die Jahre zuvor als regelmäßiger Gast anwesend war, konnte ich mir im Laufe der Zeit schon einige Ausgaben verschiedenster Reihen unterschreiben lassen und mit noch etwas mehr Glück sogar einen Sketch abstauben. Für Original-Seiten ist mein Budget dann doch etwas zu schmal. Trotzdem greife ich auch schon mal tiefer in die Tasche um bestimmte Fassungen einer Geschichte als Hardcover oder limitierte Variant-Version zu bekommen. Neben der offensichtlich kleineren Stückzahl reizt mich die Qualität eines gebundenen Werks. Ich habe keine Lust in einigen Jahren die Seiten einzeln zusammen zu tackern, nur weil sie aus dem Leim gegangen sind. Es soll etwas beständiges haben, wenn ich in meinem Schrank blicke. Wenn es um Hefte geht, werden diese (zumindest bei Comics) gleich nach dem lesen in Folie gepackt und mit Karton stabilisiert.

Neben den regulären Anschaffungen gibt es natürlich auch viel „Krimskrams“ drum herum. Merchandise, weitere persönliche Sachen wie geschenkte Drum-Sticks, Memorabilia wie die Clown-Maske vom selben Hersteller wie die „echte“ von Slipknot, Demos, Erinnerungsstücke usw.

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Wenn ich mich auf der Couch entspannen möchte, greife ich gerne mal zu einer der drei Konsolen (Wii U, PS3 und PS4). Natürlich hat sich seit ich sie besitze auch eine gewisse Sammlung an Games etabliert. Es klingt im Zusammenhang mit gleich drei Geräten für Laien etwas viel, aber es stapelt sich ja Stück für Stück und die Hardware wurde nicht auf einen Schlag geholt. Für all die Sachen musste ich selbstverständlich sparen wie jeder andere. Die einzigen Ausnahmen bilden dabei nach wie vor die Bücher und Comics, die ihr hier als Rezension wiederfindet. Diese werden mir entweder nach Anfrage durch mich oder den jeweiligen Verlag zugeschickt und können behalten werden. Ihr könnt euch also denken, dass solange dieser Blog existiert, die Sammlung weiter wachsen wird.

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Dementsprechend kann man wohl wirklich von einer „Sammelwut“ reden, die auf angenehme Weise durchgehend befeuert wird. Es stellt sich nur die Frage was passiert, wenn der Platz irgendwann nicht reichen sollte. Verkaufen? Schmerzt in der Seele. Verschenken? Zu wertvoll. Einlagern? Wo bleibt dann der Spaß alles im Blick zu haben? Naja, es wird bis dahin noch etwas Zeit ins Land ziehen und ich werde mich weiterhin an all den schönen Sachen erfreuen. Sieht es bei einem von euch ähnlich aus oder tanze ich da aus der Reihe? Ich würde mich auch über Einblicke in eure Sammlungen freuen! 🙂

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Sartre

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Mit den ins Land ziehenden Jahren, wird auch der letzte Kritiker der Comic-Sparte realisiert haben, dass sich das Medium auch in Bezug auf ernstere oder komplexere Stoffe etabliert hat.

Dazu gehören selbstverständlich auch Biografien berühmter bis berüchtigter Personen,
die sich in der Popkultur („Cash – I see a darkness“), Politik („Willy Brandt“) oder auch Polizeiakten („Mein Freund Dahmer“) finden lassen. Dabei fasziniert den Leser in der Regel ein Lebensweg, den sich ein „normaler“ Mensch kaum ausdenken könnte und der auch Jahre nach dem Tod Spuren in der Gesellschaft hinterlässt.

In diese Nische ist ein Jean-Paul Sartre einzuordnen. Der wohl bedeutendste Philosoph des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erlebte der Existentialismus eine so große öffentliche Resonanz, die heutzutage schier unvorstellbar ist. Klerus, Staat und Presse rieben sich an den Grundaussagen auf und verschafften dem Mann dadurch eine noch größere weltweite Wahrnehmung. Welche geistige Strömung, die wie alle Philosophien am Ende Theorie bleibt, sollte aktuell so hohe Wellen schlagen? An diesem Punkt erkennt man, wie sehr sich die Welt weiter bewegt hat und solche Charaktere durch den modernen Pragmatismus zeitgleich verschlungen hat.

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Natürlich gab es auch vor den mehrfachen Karriere-Höhepunkten viele Aspekte seines Lebens, die einer Erzählung würdig sind. Den dazu passenden Versuch sie alle bis seinem Tod im Jahre 1980 in einen Fluss zu bringen, finden wir in der Graphic Novel „Sartre“ von Egmont Graphic Novel. Hier erzählt Mathilde Ramadier in einer angenehmen Geschwindigkeit über die wichtigsten Begebenheiten in Sartres Leben und schafft dabei das Kunststück die Story mit Original-Aussagen der Hauptfigur und seiner lebenslangen (nicht minder wichtigen) Begleiterin Simone de Beauvoir zu schmücken und damit auf mehreren Ebenen aufzuwerten. Dabei wird geschickt die persönliche Biografie mit den öffentlich wahrgenommenen Punkten verwoben. Ob es sich nun um sein Engagement in der Résistence, sein Verhältnis zu Freunden und Familie über alle Altersstufen hinweg oder entscheidende Veröffentlichungen in den Bereichen Literatur, Theater und Presse handelt – alles wird aufgegriffen. Trotzdem wirkt es selbst auf Laien in diesem Gebiet nicht überladen, sondern angenehm strukturiert. Es stellen sich keine unangenehmen bzw. unpassenden Zeitsprünge ein und selbst wenn man nicht sofort weiß wer soeben auf den Plan getreten ist, wird man nicht ganz allein gelassen. Der Geschichte steht eine Art Stammbaum voran, während zum Schluss nochmal die Figuren beleuchtet werden, die keinen so großen Raum bekommen konnten, wie die direkten Begleiter Sartres.

Des Weiteren, schafft man es ein Leben unterhaltsam auf 160 Seiten zusammenzufassen ohne dass die Information gänzlich dem Entertainment untergeordnet wird. Ein Comic soll natürlich einen Inhalt transportieren können, aber als visuelles Medium muss er den Leser anregen. Insbesondere Stoffe, die die Themen Philosophie, Politik und persönliche Konflikte behandeln, bilden dabei ein gefährliches Terrain, dass in diesem Fall erfolgreich passiert wurde. Für diejenigen, die sich weiter mit Sartre und seinem Schaffen beschäftigen wollen, gibt es zusätzlich mehr als genug Anhaltspunkte und ergänzende Texte, die den Zeitraum Ende der 60er bis zum Tod 1980 abdecken (Der Besuch bei Andreas Baader, die Gründung der Presseagentur „Libération“ usw.). Diese Jahre sind im kollektiven Gedächtnis der Öffentlichkeit geblieben und müssen in diesem Zusammenhang auch nicht in so einer Weise ausgeleuchtet werden, wie die Dekaden davor.

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Auf visueller Seite wurde ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Anaïs Depommier durchbricht mit einem feinen Strich und einer sanften Kolorierung das oft freiwillig angelegte Korsett der malenden Biografen. Üblicherweise findet man auf unzähligen schwarz-weiß Panels fast schon auf komische Weise tragische Momente, die mit viel Schatten und wenig Text ihre eigene Existenz als „Erwachsenenliteratur“ rechtfertigen wollen. Es wird sogar mancherorts schon von einem „Graphic Novel-Stil“ gespottet.

Glücklicherweise wird bei „Sartre“ auf Konventionen verzichtet und ein mit gedeckten Farben servierter Cocktail serviert. Die Bilder wirken nicht statisch und selbst den vielen Dialogen kann immer eine Bewegung entlockt werden. Generell scheint die Story bei Depommier in guten Händen gewesen zu sein. Der unaufgeregte aber trotzdem lebendige Stil driftet nie ins cartooneske, trägt die Handlung auch ohne Worte fort und ergänzt bisweilen selbst vordergründig unauffällige Momente. In meinen Augen hat hier zumindest mit Blick auf das Ergebnis ein gut funktionierendes Team zusammen gearbeitet, bei dem ich mich auf als Leser auf eine erneute Zusammenarbeit freuen würde.

Passend zum aktuellen Release, haben Interessenten und Fans übrigens Ende Mai die Möglichkeit die Autorin persönlich zu treffen. Sie wird für Egmont Graphic Novel beim Comic Salon Erlangen (26. – 29. Mai 2016) zur Verfügung stehen. Genaugenommen findet ihr sie neben zahlreichen weiteren Künstlern hier:

Halle B/Stand 30, Kongresszentrum Heinrich-Lades Halle, Rathausplatz 1, 91052 Erlangen

Die genauen Zeiten von Mathilde sind folgende:

Freitag, 27.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

12:00 bis 14:00 Uhr

16:00 bis 18:00 Uhr

 

Samstag, 28.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

10:30 bis 12:00 Uhr:

14:00 bis 16:00 Uhr:

 

Sonntag, 29.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr

13:00 bis 15:00 Uhr: