[Rezension] Batman: The World (Panini Comics)

Seit einigen Jahren findet zum 18. September der internationale Batman-Tag statt. Dieser wurde von DC Comics primär als ein schöner Anlass eingeführt um den Dunklen Ritter über alle Kanäle hinweg prominent zu platzieren, Sales anzukurbeln und spezielle Titel auf den Markt zu bringen. Bis dato waren es überwiegend exklusive Hefte mit kurzen Geschichten oder anderweitiges Promomaterial. Etwas mit einer wirklichen Wirkung und Aussagekraft ließ jedoch auf sich warten. Das hat sich nun schlagartig geändert. Mit Batman: The World hat DC in Zusammenarbeit mit Lizenznehmern aus der ganzen Welt (daher auch der Titel) eine ambitionierte Anthologie herausgebracht, die es in der Form noch nie gegeben hat. 14 Kreativteams aus den USA, Frankreich, Spanien, Russland, Südkorea, China oder eben auch Deutschland trugen für diesen Band ihre ganz eigenen Geschichten zusammen, um zu zeigen, dass Batman vielseitiger angegangen werden kann, als es viele Leser vermuten würden.

Deutschen Lesern wird hierbei neben dem Kreativteam aus Brian Azzarello und Lee Bermejo (Joker, Batman: Damned) vor allem das deutsche Duo Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant ein Begriff sein. Die beiden haben erst dieses Jahr den Abschlussband ihrer international gefeierten Serie Gung Ho veröffentlicht. Darüber hinaus steuerte von Kummant das Plakatmotiv des Comicfestivals München bei, welches seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die bis dato größte Veranstaltung mit Comicbezug darstellte. In ihrer als Rauhnacht – A better Tomorrow betitelten Geschichte verschlägt es Batman erstmals in die verschneiten bayerischen Alpen. Dort haben sich zwei deutsche Klimaaktivisten auf dem Weg zu einer drastischen Mission verirrt und werden dabei von den Handlangern des Jokers aufgegriffen. Dabei kommen sich die Idealisten und der wahnsinnige Extremist in ihren Vorstellungen näher, als man zunächst annehmen möchte. Dieser Kombination aus mörderischer Skrupellosigkeit und blindem Aktivismus kann der dunkle Ritter natürlich nicht freien Lauf lassen und tritt aus dem Schatten…

Mehr soll an der Stelle auch nicht verraten werden. Inhaltlich gehört der Beitrag aber defitinitv zur Speerspitze der internationalen Storys, wenn nicht sogar auf den ersten Rang. An Qualität mangelt es keiner der Geschichten und auch visuell hat man den Charakter und seine Welt lange nicht mehr so spannend aufbereitet gesehen. Das Kunststück, welches von Eckartsberg und von Kummant gelingt, sticht dabei aber hervor, da die Wurzeln von Batman nicht verleugnet werden und die Handlung ohne Weiteres im „realen“ DC-Universum spielen könnte. Trotzdem ist die Interpretation dabei nicht beliebig und setzt so individuelle Akzente, dass man sich nicht bei der regulären Lektüre eines klassischen DC-Hefts wähnt. Auch im Bereich der visuellen Aufbereitung glänzt Rauhnacht deutlich. Lesern von Gung Ho ist der cineastische Stil natürlich bekannt, aber neuen Fans gehen mit aller Wahrscheinlichkeit zunächst die Augen über. Ein ähnlicher Effekt, der bei Lee Bermejos ersten Gehversuchen bei DC zu beobachten war und nun mit ganz anderen Akzenten plötzlich mitten aus Europa kommt.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved

Bei allem Lob und Stolz einen so qualitativ hochwertigen Beitrag aus Deutschland geliefert zu bekommen, sollte man die anderen Storys natürlich nicht unerwähnt lassen. Eingeleitet wird die Anthologie nämlich mit der von Azzarello und Bermejo konzipierten Geschichte Global City, die zwar mit oppulenten Bildern aus den wichtigsten Momenten Batmans aufwartet, aber im Kontext eines besonderen Bands jedoch nur gewohnte Kost bietet. Ganz anders ist zum Beispiel Paco Rocas (Kopf in den Wolken, Rückkehr nach Eden) Wegen Urlaubs geschlossen gelegen. Hier sieht man, dass Autoren und Künstler, die üblicherweise nicht für actionreiche Kost bekannt sind, ihre eigenen Wege finden um eine unterhaltsame Geschichte beizutragen. So begleitet man Bruce Wayne mit einem witzigen Twist in den Urlaub in Spanien und quält sich mit ihm durch eine ihm unbekannte Freizeit. Wie lange er es wohl ohne Maske und Sprünge zwischen Wolkenkratzern aushält?

Hat man mit dem deutschen Beitrag schon sozialkritische Töne angeschlagen, wird Kritik an politischen Verhältnissen vor allem in den osteuropäischen Beiträgen deutlich, während die Brasilianer Carlos Estefan und Pedro Mauro mit Wo sind die Helden? sogar direkt die Situation in ihrem Heimatland in den Fokus nehmen.

Möchte man in eine Welt abtauchen, die eindeutig jenseits jeder Konstinuiät steht, dann seien einem die asiatischen Beiträge aus Südkorea, China und Japan ans Herz gelegt. Skurill, bisweilen anarchisch und mit subtilen Botschaften gespickt sind sie ein eindeutiges Highlight von Batman: The World. Alles in allem ist die Anschaffung des Bandes ein Muss für jeden Fan des dunklen Ritters. Für Sammler gibt es sogar die Möglichkeit eine auf 999 Stück limitierte Hardcover-Ausgabe mit dem Titelbild der deutschen Geschichte zu ergattern. Die auf 666 Bände limitierte Premium-Edition mit einem von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg signiertem Druck ist zwar zurzeit über den Paninishop nicht lieferbar, aber auch nicht als ausverkauft markiert. Probiert also euer Glück.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved
Batman: The World
Verlag: Panini Comics 
Künstler: Lee Bermejo, Paco Roca, Thomas von Kummant, u.a.
Autor: Benjamin von Eckartsberg, Brian Azzarello, Paco Roca, u.a.
Format: Softcover / Limitiertes Hardcover
Seitenzahl: 168 / 188
Preis: 20 EUR / 30 EUR / 49 EUR

[Rezension] Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji (TASCHEN)

Es gibt Gemälde, die losgelöst von ihrem Entstehungskontext oder dem Vorwissen der Betrachter Assoziationen wecken und Fantasien beflügeln. Geht es noch einen Schritt weiter, exisiteren besagte Werke sogar im popkulturellen Gedächtnis. Dazu gehört definitiv „Die große Welle von Kanagawa“ von Katsushika Hokusai (1760-1849), die weltweit an Wänden, auf Postern, Merchandise-Artikeln und vielem mehr zu sehen ist. Diese Kunst-Ikone scheint allgegenwärtig zu sein und ist doch in ihrer Kontextualisierung für die meisten nicht greifbar. Wer kann sich bei dem Gedanken an das Motiv an die Fischerboote oder den Berg Fuji im Hintergrund erinnern?

Umso schöner ist der Umstand, dass der TASCHEN-Verlag sich der Serie an Farbholzschnitten mit dem Titel „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ angenommen hat, um der Welt den Zusammenhang zwischen Künstler, Entstehung und Popularisierung der Motiv-Reihe, in der sich die besagte „große Welle“ befindet, näher zu bringen. Wobei zunächst geklärt werden sollte, warum der Berg Fuji so besonders ist und es kein Zufall war, als er 2013 zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Neben der fast schon malerischen Pracht, genießt der Ort eine seit vielen Jahrhunderten mystische Anziehungskraft, von der zahllose Schreine und Legenden zeugen. So galt das Besteigen des Fuji im Buddhismus als Ausdruck des Tiefen Glaubens. Als ein solcher Ankerpunkt japanischer Tradition ist der Berg keine moderne Manifestation fernöstlicher Sehnsucht, sondern Teil der urtümlichen Identität dieses Landes. Das sieht man nicht zuletzt an der im vorliegenden Band präsentierten Bilderreihe, die zu einem Zeitpunkt angefertigt wurde, als Japan noch isoliert von der Außenwelt für sich sein konnte. Kein westlicher Einfluss trieb Hokuasi an, sondern die Nachfrage der lokalen Bevölkerung, die sich seine Bilder auch leisten konnte, wenn sie nicht zur höheren Schicht angehörte.

Revolutionär war die Anfertigung aber auch so. Schon zu Lebzeiten berühmt und gefragt, wagte sich Hokusai an eine für die damaligen Umstände ungewöhnliche Perspektive, indem er die dargestellten Menschen in den Hintergrund rückte und sie zum Beiwerk der Naturgewalten und Landschaften machte. Offensichtlich kam diese Herangehensweise so gut an, dass der Titel schlussendlich irreführend ist. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden nämlich ganze 46 Holzschnitte angefertigt, die allesamt in dem für TASCHEN typischen XXL-Band zu finden sind.

Um das Erlebnis beim Betrachten der beeindruckenden Werke außerdem noch authentischer zu Gestalten, hat es sich der Verlag erneut nicht nehmen lassen zur traditionell japanischen Fadenheftung zu greifen und die Bilder auf ungeschnittenem, einseitig bedruckten Papier abzubilden. Wer zum Beispiel schon „Hiroshige & Eisen. Die neundsechzig Stationen des Kisokaido“ (ebenfalls bei TASCHEN erschienen) zuhause stehen hat, weiß um die Besonderheit dieser Bindung.

Des Weiteren bleibt es nicht einfach nur beim Genuss von Meisterwerken, sondern man wird als Leser an die Hand genommen, um die Entstehung der einzelnen Holzschnitte zu verstehen, die Inhalte einzuordnen und bisweilen Variationen des gleichen Motivs zu erkennen. Dafür zuständig ist Herausgeber und Autor Andreas Marks, der ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Bonn studierte und der mit einer Dissertation in Japanologie zu Schauspielerdrucken des 19. Jahrhundert promoviert. Außerdem war Marks von 2008 bis 2013 Direktor und Chefkurator des Clark Center for Japanese Art im kalifornischen Hanford. Seit 2013 ist er Mary Griggs Burke Curator of Japanese and Korean Art, Leiter der Abteilung für japanische und koreanische Kunst sowie Direktor des Clark Center for Japanese Art am Minneapolis Institute of Art. In diesem Sinne kann man sich auf die detaillierte Ausführung eines wahren Experten verlassen.

Genau aufgrund dieser Kombination aus beeindruckender Gestaltung der Reproduktionen und einer elaborierten Aufbereitung von Hintergrundinformationen darf „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ in keinem Regal eines Liebhabers japanischer Kunst fehlen.

Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji
Verlag: TASCHEN 
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch 
Autor: Andreas Marks
Format: Hardcover, 44 x 30 cm, 3,88 kg
Seitenzahl: 224 
Preis: 125 EUR