[Rezension] Requiem (Zwerchfell Verlag)

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis dato nichts von Albert Mitringer gehört habe, obwohl sein Debüt LILA aus dem Jahr 2017 (welches zeitgleich seine Diplomarbeit an der Kunstschule Wien darstellt) durchwegs wohlwollend von Fachpresse und Leserschaft aufgenommen wurde. Nachdem mir sein neustes Werk Requiem (erschienen beim Zwerchfell Verlag) ans Herz gelegt wurde, frage ich mich ich mich nun aber ernsthaft wie oft mir Indie-Perlen entgangen sind, weil sie nicht laut beworben oder mir direkt vom Verlag in den Briefkasten geworfen wurden. Asche auf mein Haupt und insbesondere in diesem Fall. Warum, erfahrt ihr hier im Detail:

Inhaltlich befinden wir uns in einer seit langem entvölkerten Fantasie-Welt, die durchzogen von Dämonen und Monstern kaum Leben in sich birgt und Menschen nur mehr ein Echo vergangener Tage sind. Hier erwacht in der Nähe einer schon lange gefallenen Armee ein verstorbener Krieger, nachdem ihn eine gemeine Wanderkrähe berührt. Nun wieder bei Bewusstsein, spürt er das Bedürfnis mehr über sein altes Leben erfahren zu wollen und folgt besagtem Vogel in der Hoffnung sich erinnern zu können. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die einjährige Wanderschaft des toten Ritters, die in vier nach den Jahreszeiten benannten Kapiteln, beginnend mit dem Sommer, beschrieben wird. Auf diesem Weg setzt sich nicht nur wie geplant sein altes Leben wieder in einer Erinnerung zusammen. Es werden Schlachten geschlagen, Diskussionen mit Dämonen geführt, mythische Wesen eingeführt und Freundschaften geschmiedet. Dabei sind dafür nicht viele Worte nötig, die ohnehin rar gesät, dafür aber mal knackig prägnant, mal malerisch in der Poesie verortet das Abenteuer genau an den Punkten unterstreichen, an denen sie nötig sind.

© Zwerchfell

Den Rest erledigen die wunderschönen, ausschließlich in Handarbeit gefertigten Tusche-Bilder, die einen angenehmen Kontrast für die an digitale Werke gewöhnten Augen bieten. Das soll kein Abwägen der Qualität beider Ansätze sein, aber bei einem sich durchgesetzten Standard sind klassisch angefertigt Schraffuren, eindeutig in sehr langer Arbeit und mit ruhiger Hand entstandene Landschaften und der rohe Charme des irgendwo zwischen Holzschnitt und Manga verorteten Stils eine angenehme Abwechslung beim lesen. Apropos Manga: Trotz der im Kern sehr europäischen Geschichte, merkt man eindeutig die Einflüsse ostasiatischer Steckenpferde wie eine organische und energiegeladene Dynamik bei Kämpfen, mutige Panel-Perspektiven und die typisch überdimensionale Darstellung unterschiedlichster Elemente. Trotzdem bleibt ein sehr eigener Strich erhalten, der viel trockenen Witz aber auch ruhige Momente gut zu transportieren weiß. Dadurch werden die Figuren trotz des erwähnten, eher zurückhaltenden Einsatzes von Rede so sympathisch präsentiert, dass man als Leser von Anfang an mitfiebert und mit Spannung verfolgt wohin die Reise des toten Ritters geht.

© Zwerchfell

Was Requiem davon losgelöst außerdem besonders macht, sind die opulenten Splash pages, die zum innehalten und entdecken einladen. Jede dieser Seiten brodelt geradezu über vor Details, von denen sich bei jedem durchblättern mehr zu zeigen scheinen. Ein Punkt an dem besonders deutlich wird, dass das Medium Comic für sich selber steht und der Genuss eines Bandes auf mehreren Ebenen und hierbei teils losgelöst voneinander erfolgen kann.

In diesem Sinne ist Albert Mitringer, der mit Anfang 30 und erst seinem zweiten Werk am Beginn seines Schaffens steht, ein richtiger Wurf gelungen, der sowohl inhaltlich als visuell überzeugt und Hoffnung auf einen Nachfolgeband weckt. Alles in allem sei Requiem daher jedem ans Herz gelegt, der klassisches Comic-Handwerk und gutes visuelles Storytelling zu schätzen weiß. Beides ist hier zu finden und sollte in keinem gut bestückten Comic-Regal fehlen.

© Zwerchfell
Requiem
Verlag: Zwerchfell Velag 
Autor und Zeichner: Albert Mitringer
Format: Hardcover, 21x28cm
Seitenzahl: 186 
Preis: 25 EUR 

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