[Rezension] Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 (TASCHEN)

Man kann es sich heutzutage kaum vorstellen, aber Superhelden waren über einen langen Zeitraum alles andere als en vogue. In den Nachkriegsjahren wurden allerhand Genres im Medium Comic bearbeitet – Romanzen, Horror, Krieg…aber unsere allseits beliebten Spandex-Hosen-Träger? In der Versenkung verschwunden oder wie Batman in Pulp-Interpretationen aufgegangen. Man konnte durchaus davon ausgehen, dass Figuren wie Batman und Superman über kurz oder lang zu Randerscheinungen der Jugend- und Popkultur werden würden. Wären da nicht aus heutiger Sicht zwei Männer mit Legendenstatus, die „das Haus der Ideen“ – auch als Marvel Comics bekannt – ab Beginn der 60er Jahre zu der Größe geführt haben, die es heute hat.

In einer Hauruck-Aktion, die das Genre zu neuen Höhenflügen befähigen sollte, schufen niemand Geringeres als Autor Stan Lee und Ausnahmekünstler Jack Kirby ein Team an Superhelden, das den Boden für viele weitere Geschichten, wie z.B. Spider-Man, die Avengers oder die Wiedergeburt von Captain America ebnen sollte. Um diesen Urknall gebührend in Szene zu setzen, hat TASCHEN sich nicht zweimal bitten lassen und mit Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 einen weiteren Band ihrer beliebten Marvel Comics Library hinzugefügt.

Inhaltlich erwarten den Leser die ersten 20 Hefte um das Team aus Reed Richards / Mr. Fanatastic, Sue Storm / Invisible Girl, Johnny Storm / The Human Torch und Ben Grimm / The Thing, die bei einem Raketen-Einsatz im Weltraum von kosmischen Strahlen getroffen werden und dadurch zu ihren Superkräften und zwangsweise Alter Egos kommen. Das besondere an Konstellation und Erzählweise sind die emotional komplexen Charakterisierungen, die so gar nichts mit stupiden Hau-Drauf-Helden, samt schwarz/weiß-Denke zutun haben. Hier fühlt sich niemand zum Halbgott berufen, sondern zweifelt im Fall der Fälle, ob die übermenschlichen Eigenschaften eher Fluch oder Segen sind. Auch der übliche Ausgangsort der Geschichten ist nicht in einer fremden Welt, sondern mitten in New York City zu finden. Die Stadt die niemals schläft und wohl eine Art Brutstätte für „außergewöhnliche“ Mitmenschen darstellt.

Um die Hefte in ihrem ursprünglichen Glanz erstrahlen zu lassen, kam es erneut zu einer engen Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company (CGC). Das zweite Unternehmen kennen die Sammler unter euch. Für die Unwissenden: CGC bewertet den Zustand (unter anderem) von Comic-Heften und versiegelt diese in Plastik-Hüllen, um den zugeschriebenen Wert beizubehalten. So werden auch die für Millionenbeträge gehandelten Erstauftritte von den Aushängeschildern der großen Verlage unter den Hammer gebracht. Dementsprechend besteht hier ein Zugang zu den am besten erhaltenen Druckexemplaren weltweit. Diese wurden geöffnet und für den höchstmöglichen, authentischen Lesegenuss für die TASCHEN-Ausgabe aufbereitet. Und nicht nur das: Auch Werbeanzeigen, Leserbriefe, Front- und Backcover im Hochglanzformat treten durch ihre Übergröße ins Scheinwerferlicht, während die Storys im Offsetdruck auch haptisch eine Zeitreise ermöglichen.

Neben den Comics selbst, gibt es erneut ein vorangestelltes Essay und einleitende Worte von Hochkarätern. Ersteres durfte der bekannte Marvel-Autor Mark Waid beisteuern, während der ehemaligen NASA-Astronaut Mike Massimino den Leser beim ersten Aufschlagen des Buches an die Hand nimmt. Hinzu gesellen sich auf insgesamt 700 Seiten Originalgrafiken, Fotografien und andere Raritäten.

Wie schon bei den beiden Vorgängerbänden, ist die Anschaffung für Fans mit kunsthistorischem Interesse ein Muss. Ob sich ein Lesegenuss für Neueinsteiger einstellt, sei jedoch dahingestellt. Wie bei anderen Produkten dieser Art, die vor über 60 Jahren veröffentlicht wurden, ist der Erzähl- und Zeichenstil in seiner Qualität zwar unverkennbar, aber für zeitgenössische Comic-Leser potentiell gewöhnungsbedürftig. Es hat sich allein schon in den letzten 20 Jahren so viel auf diesem Feld getan, dass auch Veröffentlichungen aus den 90ern altbacken wirken können. Daher sei Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963 in erster Linie Enthusiasten, kunsthistorisch Interessierten und Sammlern ans Herz gelegt. Zählt man sich zu mindestens einer der Gruppen, gehört dieser Band zwangsweise in das eigene Regal, welches definitiv um zukünftige Veröffentlichungen im Rahmen der Marvel Library erweitert gehört.

Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol. 1. 1961-1963
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Autoren: Mark Waid, Mike Massimino, Stan Lee
Künstler: Jack Kirby
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,77 kg
Seitenzahl: 700 
Preis: 150 EUR

[Rezension] Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963-1965 (TASCHEN)

Jeder Marvel-Fan weiß um die Ursprünge des „zweiten Frühlings“ des Verlags, der mit den Fantastic Four im Jahr 1961 begann und in den Folgejahren mit weiteren Ikonen wie Spider-Man, Ant-Man, Doctor Strange oder Iron Man weiter aufblühte. Zwar waren einige Serien, wie es damals nicht unüblich war, ein Flop, aber das hinderte Künstler und Autoren nicht mit pfiffigen Ideen auch ehemalige Rohrkrepierer in ein neues Rampenlicht zu rücken. Erstaunlicherweise gehörten dazu auch Titel wie der Hulk. Mit diesem Portfolio an fantastischen, schrägen, mutierten aber übergreifend mutigen Helden konnte man nun ab einem bestimmten Punkt so hantieren, dass Leser zwangsläufig auf Charaktere stießen, die sie noch nicht kannten. Stichwort: Gastauftritte. Mal wollte Spidey den Fantastic Four beitreten, mal wurden ehemals befreundete Cape- und Spandex-Träger zu Feinden usw. Doch Stan Lee sah in diesem Gewimmel an übernatürlichen Persönlichkeiten ein größeres Potential, welches es zu entfalten galt.

Deswegen setzte er sich mit dem legendären Zeichner Jack Kirby zusammen und versammelte mit ihm  Iron Man, Ant-Man, The Wasp, Thor und Hulk, um die Avengers zu gründen. Ein Zusammenschluss aus Superhelden, die weniger familiäre als „berufliche“ und moralische Bande miteinander teilten. Zwar gab es hier und da Querelen, Aus- und Einstiege sowie Seitenwechsel aber zusammen schafften sie es immer wieder die größten Superschurken des Universums in die Flucht zu schlagen. Der größte Coup war jedoch einem Charakter neues Leben einzuhauchen, der Jahre zuvor in der Versenkung verschwunden war: Captain America wurde samt einer Erklärung für seine jahrzehntelange Abwesenheit erneut eingeführt und wurde zum Teil der Avengers. Ein Umstand, der bis heute mit Unterbrechungen und Alternativ-Versionen aufgebrochen, aber im Kern Bestand hat.

Genau diese Momente kann man nun dank TASCHEN so authentisch und umfangreich erleben wie nie zuvor, da der Verlag nach Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962-1964 den zweiten Band ihrer brandneuen Marvel Comics Library-Reihe herausgebracht hat: Avengers. Vol. 1. 1963–1965. Wie schon beim Erstling, wurden auch hier die ersten 20 Ausgaben im XXL-Format nachgedruckt. Hierbei wurden in Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company ausschließlich die makellosesten Hefte herangezogen, die der Markt hergibt. Garniert mit modernster Retusche-Technik wird den Lesern schlussendlich eine Qualität präsentiert, die ihresgleichen sucht. Eine visuell bessere, aber zeitgleich authentischere Fassung der ersten Avengers-Hefte gibt es de facto nicht. Um das „reale“ Gefühl aus den 60ern noch greifbarer zu machen, wurde zusätzlich auch die Auswahl des Papiers beachtet. So erstrahlen Cover auf Hochglanzpapier, während einem originalgetreue Rasterpunkte von einem mattem Offsetpapier entgegen springen. Außerdem wurde darauf geachtet, dass auch Leserbriefe und Werbeanzeigen vollständig abgebildet sind, um wirklich jedem Aspekt der Orignal-Vorlage gerecht zu werden.

Auf den 630 Seiten kommt man zudem nicht nur in den Genuss der angesprochenen Geschichten, sondern wird auch mit einem Vorwort von Kevin Feige, seines Zeichens Präsident der Marvel Studios, bedacht. Historisch eingehegt wird der Inhalt darüber hinaus von Autor und Eisner-Award-Gewinner Kurt Busick. Selbstverständlich wird diese kleine Zeitreise mit Originalzeichnen, seltenen Fotos und Dokumenten bebildert.

Wenn es um den Spaß am Lesen der ersten 20 Hefte geht, so muss man sich vor Augen halten, was man hier in den Händen hält. In erster Linie handelt es sich um popkulturell und kunsthistorisch relevante Reproduktionen von Geschichten, die die Basis für eines der erfolgreichsten Franchises aller Zeiten gelegt haben. Sowohl im Kontext der gleichnamigen Filme, als auch im Hinblick auf die weitere Verwertung der Helden dieses Titels. Wenn es um das ausschließliche Storytelling geht, wird der Spaß durch die Lesegewohnheiten eines jeden Käufers bestimmt. Konsumiert man primär Werke der letzten 20 Jahre, wird einem Vieles zwangsläufig altbacken und steif vorkommen, was aber nicht dazu führen muss, dass man keine Lust hat die Abenteuer der Avengers zu verfolgen, um die vielen ersten Auftritte und Konfrontationen für sich selbst erleben zu dürfen. Dies sei vorausgeschickt, da mich Leser nach der letzten Review des Spider-Man Bandes explizit nach diesem Thema gefragt haben.

Hat sich diese Frage jedoch geklärt, spricht nichts gegen eine Anschaffung von Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963–1965. Es ist nämlich nicht nur ein Sammlerstück für Fans der Charaktere, sondern für jeden Comic-Interessenten und Popkultur-Geek, der die Ursprünge heutiger Auswüchse persönlich ergründen möchte. Sollte man es sogar noch etwas exklusiver mögen, ist ab Ende Juli eine exklusive „Collector’s Edition“ verfügbar, die zwar mit 500€ zu Buche schlägt, aber eine edle Kunstlederbindung, einen eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint und einen wunderschönen Schuber bietet. Wer außerdem nie genug vom Marvel-Universum haben kann, der darf sich jetzt schon auf weitere angekündigte Bände aus der Marvel Library freuen: die Fantastic Four und Captain America stehen schon in ihren Startlöchern bereit!

Marvel Comics Library. Avengers. Vol. 1. 1963–1965
Verlag: TASCHEN 
Sprache: Englisch
Autoren: Kurt Busiek, Kevin Feige
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,44 kg
Seitenzahl: 630 
Preis: 150 EUR

[Rezension] Batman: The World (Panini Comics)

Seit einigen Jahren findet zum 18. September der internationale Batman-Tag statt. Dieser wurde von DC Comics primär als ein schöner Anlass eingeführt um den Dunklen Ritter über alle Kanäle hinweg prominent zu platzieren, Sales anzukurbeln und spezielle Titel auf den Markt zu bringen. Bis dato waren es überwiegend exklusive Hefte mit kurzen Geschichten oder anderweitiges Promomaterial. Etwas mit einer wirklichen Wirkung und Aussagekraft ließ jedoch auf sich warten. Das hat sich nun schlagartig geändert. Mit Batman: The World hat DC in Zusammenarbeit mit Lizenznehmern aus der ganzen Welt (daher auch der Titel) eine ambitionierte Anthologie herausgebracht, die es in der Form noch nie gegeben hat. 14 Kreativteams aus den USA, Frankreich, Spanien, Russland, Südkorea, China oder eben auch Deutschland trugen für diesen Band ihre ganz eigenen Geschichten zusammen, um zu zeigen, dass Batman vielseitiger angegangen werden kann, als es viele Leser vermuten würden.

Deutschen Lesern wird hierbei neben dem Kreativteam aus Brian Azzarello und Lee Bermejo (Joker, Batman: Damned) vor allem das deutsche Duo Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant ein Begriff sein. Die beiden haben erst dieses Jahr den Abschlussband ihrer international gefeierten Serie Gung Ho veröffentlicht. Darüber hinaus steuerte von Kummant das Plakatmotiv des Comicfestivals München bei, welches seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die bis dato größte Veranstaltung mit Comicbezug darstellte. In ihrer als Rauhnacht – A better Tomorrow betitelten Geschichte verschlägt es Batman erstmals in die verschneiten bayerischen Alpen. Dort haben sich zwei deutsche Klimaaktivisten auf dem Weg zu einer drastischen Mission verirrt und werden dabei von den Handlangern des Jokers aufgegriffen. Dabei kommen sich die Idealisten und der wahnsinnige Extremist in ihren Vorstellungen näher, als man zunächst annehmen möchte. Dieser Kombination aus mörderischer Skrupellosigkeit und blindem Aktivismus kann der dunkle Ritter natürlich nicht freien Lauf lassen und tritt aus dem Schatten…

Mehr soll an der Stelle auch nicht verraten werden. Inhaltlich gehört der Beitrag aber defitinitv zur Speerspitze der internationalen Storys, wenn nicht sogar auf den ersten Rang. An Qualität mangelt es keiner der Geschichten und auch visuell hat man den Charakter und seine Welt lange nicht mehr so spannend aufbereitet gesehen. Das Kunststück, welches von Eckartsberg und von Kummant gelingt, sticht dabei aber hervor, da die Wurzeln von Batman nicht verleugnet werden und die Handlung ohne Weiteres im „realen“ DC-Universum spielen könnte. Trotzdem ist die Interpretation dabei nicht beliebig und setzt so individuelle Akzente, dass man sich nicht bei der regulären Lektüre eines klassischen DC-Hefts wähnt. Auch im Bereich der visuellen Aufbereitung glänzt Rauhnacht deutlich. Lesern von Gung Ho ist der cineastische Stil natürlich bekannt, aber neuen Fans gehen mit aller Wahrscheinlichkeit zunächst die Augen über. Ein ähnlicher Effekt, der bei Lee Bermejos ersten Gehversuchen bei DC zu beobachten war und nun mit ganz anderen Akzenten plötzlich mitten aus Europa kommt.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved

Bei allem Lob und Stolz einen so qualitativ hochwertigen Beitrag aus Deutschland geliefert zu bekommen, sollte man die anderen Storys natürlich nicht unerwähnt lassen. Eingeleitet wird die Anthologie nämlich mit der von Azzarello und Bermejo konzipierten Geschichte Global City, die zwar mit oppulenten Bildern aus den wichtigsten Momenten Batmans aufwartet, aber im Kontext eines besonderen Bands jedoch nur gewohnte Kost bietet. Ganz anders ist zum Beispiel Paco Rocas (Kopf in den Wolken, Rückkehr nach Eden) Wegen Urlaubs geschlossen gelegen. Hier sieht man, dass Autoren und Künstler, die üblicherweise nicht für actionreiche Kost bekannt sind, ihre eigenen Wege finden um eine unterhaltsame Geschichte beizutragen. So begleitet man Bruce Wayne mit einem witzigen Twist in den Urlaub in Spanien und quält sich mit ihm durch eine ihm unbekannte Freizeit. Wie lange er es wohl ohne Maske und Sprünge zwischen Wolkenkratzern aushält?

Hat man mit dem deutschen Beitrag schon sozialkritische Töne angeschlagen, wird Kritik an politischen Verhältnissen vor allem in den osteuropäischen Beiträgen deutlich, während die Brasilianer Carlos Estefan und Pedro Mauro mit Wo sind die Helden? sogar direkt die Situation in ihrem Heimatland in den Fokus nehmen.

Möchte man in eine Welt abtauchen, die eindeutig jenseits jeder Konstinuiät steht, dann seien einem die asiatischen Beiträge aus Südkorea, China und Japan ans Herz gelegt. Skurill, bisweilen anarchisch und mit subtilen Botschaften gespickt sind sie ein eindeutiges Highlight von Batman: The World. Alles in allem ist die Anschaffung des Bandes ein Muss für jeden Fan des dunklen Ritters. Für Sammler gibt es sogar die Möglichkeit eine auf 999 Stück limitierte Hardcover-Ausgabe mit dem Titelbild der deutschen Geschichte zu ergattern. Die auf 666 Bände limitierte Premium-Edition mit einem von Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg signiertem Druck ist zwar zurzeit über den Paninishop nicht lieferbar, aber auch nicht als ausverkauft markiert. Probiert also euer Glück.

Cover BATMAN: THE WORLD – RAUHNACHT von KUMMANT/ECKARTSBERG
TM & (c) 2021 DC Comics. All Rights Reserved
Batman: The World
Verlag: Panini Comics 
Künstler: Lee Bermejo, Paco Roca, Thomas von Kummant, u.a.
Autor: Benjamin von Eckartsberg, Brian Azzarello, Paco Roca, u.a.
Format: Softcover / Limitiertes Hardcover
Seitenzahl: 168 / 188
Preis: 20 EUR / 30 EUR / 49 EUR

[Rezension] Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji (TASCHEN)

Es gibt Gemälde, die losgelöst von ihrem Entstehungskontext oder dem Vorwissen der Betrachter Assoziationen wecken und Fantasien beflügeln. Geht es noch einen Schritt weiter, exisiteren besagte Werke sogar im popkulturellen Gedächtnis. Dazu gehört definitiv „Die große Welle von Kanagawa“ von Katsushika Hokusai (1760-1849), die weltweit an Wänden, auf Postern, Merchandise-Artikeln und vielem mehr zu sehen ist. Diese Kunst-Ikone scheint allgegenwärtig zu sein und ist doch in ihrer Kontextualisierung für die meisten nicht greifbar. Wer kann sich bei dem Gedanken an das Motiv an die Fischerboote oder den Berg Fuji im Hintergrund erinnern?

Umso schöner ist der Umstand, dass der TASCHEN-Verlag sich der Serie an Farbholzschnitten mit dem Titel „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ angenommen hat, um der Welt den Zusammenhang zwischen Künstler, Entstehung und Popularisierung der Motiv-Reihe, in der sich die besagte „große Welle“ befindet, näher zu bringen. Wobei zunächst geklärt werden sollte, warum der Berg Fuji so besonders ist und es kein Zufall war, als er 2013 zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Neben der fast schon malerischen Pracht, genießt der Ort eine seit vielen Jahrhunderten mystische Anziehungskraft, von der zahllose Schreine und Legenden zeugen. So galt das Besteigen des Fuji im Buddhismus als Ausdruck des Tiefen Glaubens. Als ein solcher Ankerpunkt japanischer Tradition ist der Berg keine moderne Manifestation fernöstlicher Sehnsucht, sondern Teil der urtümlichen Identität dieses Landes. Das sieht man nicht zuletzt an der im vorliegenden Band präsentierten Bilderreihe, die zu einem Zeitpunkt angefertigt wurde, als Japan noch isoliert von der Außenwelt für sich sein konnte. Kein westlicher Einfluss trieb Hokuasi an, sondern die Nachfrage der lokalen Bevölkerung, die sich seine Bilder auch leisten konnte, wenn sie nicht zur höheren Schicht angehörte.

Revolutionär war die Anfertigung aber auch so. Schon zu Lebzeiten berühmt und gefragt, wagte sich Hokusai an eine für die damaligen Umstände ungewöhnliche Perspektive, indem er die dargestellten Menschen in den Hintergrund rückte und sie zum Beiwerk der Naturgewalten und Landschaften machte. Offensichtlich kam diese Herangehensweise so gut an, dass der Titel schlussendlich irreführend ist. Aufgrund der hohen Nachfrage wurden nämlich ganze 46 Holzschnitte angefertigt, die allesamt in dem für TASCHEN typischen XXL-Band zu finden sind.

Um das Erlebnis beim Betrachten der beeindruckenden Werke außerdem noch authentischer zu Gestalten, hat es sich der Verlag erneut nicht nehmen lassen zur traditionell japanischen Fadenheftung zu greifen und die Bilder auf ungeschnittenem, einseitig bedruckten Papier abzubilden. Wer zum Beispiel schon „Hiroshige & Eisen. Die neundsechzig Stationen des Kisokaido“ (ebenfalls bei TASCHEN erschienen) zuhause stehen hat, weiß um die Besonderheit dieser Bindung.

Des Weiteren bleibt es nicht einfach nur beim Genuss von Meisterwerken, sondern man wird als Leser an die Hand genommen, um die Entstehung der einzelnen Holzschnitte zu verstehen, die Inhalte einzuordnen und bisweilen Variationen des gleichen Motivs zu erkennen. Dafür zuständig ist Herausgeber und Autor Andreas Marks, der ostasiatische Kunstgeschichte an der Universität Bonn studierte und der mit einer Dissertation in Japanologie zu Schauspielerdrucken des 19. Jahrhundert promoviert. Außerdem war Marks von 2008 bis 2013 Direktor und Chefkurator des Clark Center for Japanese Art im kalifornischen Hanford. Seit 2013 ist er Mary Griggs Burke Curator of Japanese and Korean Art, Leiter der Abteilung für japanische und koreanische Kunst sowie Direktor des Clark Center for Japanese Art am Minneapolis Institute of Art. In diesem Sinne kann man sich auf die detaillierte Ausführung eines wahren Experten verlassen.

Genau aufgrund dieser Kombination aus beeindruckender Gestaltung der Reproduktionen und einer elaborierten Aufbereitung von Hintergrundinformationen darf „Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji“ in keinem Regal eines Liebhabers japanischer Kunst fehlen.

Hokusai. Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji
Verlag: TASCHEN 
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch 
Autor: Andreas Marks
Format: Hardcover, 44 x 30 cm, 3,88 kg
Seitenzahl: 224 
Preis: 125 EUR 

[Rezension] Japan 1900 (TASCHEN)

Für viele Menschen, dabei insbesondere Europäer, ist Japan immer noch ein geheimnisvoller Ort am anderen Ende der Welt, der vertraut und doch so fremd wirkt. Als halbwegs kulturaffiner Mensch ist man oft mit den bekannten Exporten Nippons wie Manga, Tee und Sushi konfrontiert. Dabei entsteht das Bild eines Landes, welches oft mehr einer Fantasie, als der Realität entspricht. Die Gründe dafür liegen hierbei weiter in der Vergangenheit als man zunächst annehmen möchte. In der Regierungszeit des Kaisers Meiji (1867-1912) öffnete Japan nach einer zweihundertjährigen Isolation 1868 seine Tore zur Welt und erlaubte damit einen Blick in eine Gesellschaft, die sich losgelöst von politischen und eurozentrischen Trends entwickelte und damit per se ab diesem Punkt ein Faszinosum bildete. In die goldene Zeit des Reisens fallend, gab es nun plötzlich einen Ort, den man ab 1869 in nur 40 Tagen durch den Suez-Kanal oder ab 1900 in nur 17 Tagen durch die transsibirische Eisenbahn erreichen konnte. Man bedenke, dass bis zu diesem Zeitpunkt eine Reise von über einem Jahr eingeplant werden musste, um an dieses Ziel zu kommen. In dem Sinne gleich mehrere Zufälle, die sich zeitlich überlappten und in ihrer Kombination anfingen das Bild Japans zu formen, welches wir bis zu einem gewissen Grad auch heute in uns tragen.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Berg Fuji von Suzukawa aus gesehen (1895)

Eben diesem Zeitraum widmet sich der brandneue Prachtband Japan 1900 von TASCHEN, der mit knapp 5,8 kg und einem Umfang von 536 Seiten die unfassbare Masse von mehr als 700 Vintage-Fotografien beinhaltet, die ursprünglich in schwarz-weiß aufgenommen und nachträglich im sogenannten Photochromdruck-Verfahren eingefärbt wurden. Wie schon bei Deutschland um 1900 – Ein Porträt in Farbe und weiteren Veröffentlichungen in dem Stil, sorgt die Färbung dafür, dass die präsentierten Bilder weniger entrückt erscheinen und trotz eindeutiger Stilisierung mehr in der Realtät verankert wirken. Nach wie vor muss man sich fast schon kneifen, wenn man Aufnahmen aus den 1880ern sieht und sich bewusst macht, dass hier die Welt vor 140 Jahren abgedruckt wurde.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Yokohama, Kirschblütenbäume bei Nogeyama, Kusakabe Kimbei (1890)

Dabei beschränken sich die beiden Autoren Sebastian Dobson und Sabine Arqué nicht auf die simple Präsentation von Ansichten aus der Meiji-Zeit, sondern ordnen die Bilder thematisch in Kapiteln und aufschlussreichen Kommentaren so ein, dass man gefühlt wie durch einen Reiseführer aus vergangenen Zeiten blättern kann und Sehnsucht nach einem Ort entwickelt, der in dieser Form nicht mehr existiert. Das liegt mitunter an der Tatsache, dass der Westen zu dem Zeitpunkt nur langsam durch Touristen, wirtschaftliche Verflechtungen und politische Öffnung in das Kaiserreich einsickerte. Dadurch erhält man einen Blick auf eine vorindustrielle Nation, die insbesondere im Kontrast zu rauchenden Schornsteinen, Akkordarbeit und aufkommenden Klassenkämpfen geradezu beruhigend wirkt. Natürlich werden bei Fotografien, die primär für den Reisesektor angefertigt wurden die Schattenseiten entweder ausgeblendet oder in einen romantisierenden Rahmen eingehegt. So werden schweißtreibende Feldarbeit und Prostitution sicherlich nicht dem ländlichen Charme bzw. dem edlen Look entsprochen haben, der einem in diesem Buch begegnet. Das gilt auch für quasi anthropologische Abbildungen der Ainu, die indigenen Ureinwohner Japans, die im Laufe der Zeit bis auf die nördliche Insel Hokkaidō zurückgedrängt wurden. Nicht zu vergessen sind auch die erste Schritte auf dem Weg zur Imperialmacht, die sich fast in einer Zwangsläufigkeit durch die Öffnung gen Westen ergaben. Gut zu erkennen an zusätzlich abgebildetem Material wie Postkarten, Speisekarten, Gepäcketiketten und vielem mehr. So erschließt sich aus der Betrachtung nicht zwangsläufig die Tragik hinter den Abbildungen. Dafür helfen entsprechend die erwähnten Texte dabei Hintergründe zu erforschen und historische Zusammenhänge zu begreifen. So kann man ästhetisch atemberaubenden Landschaften, exotische Kleidung und alte Traditionen aufnehmen, ohne Gefahr zu laufen einer Verklärung aufzusitzen.

© Former Collection Marc Walter/Photovintage France; Sumo-Kämpfer beim Ekōin Tempel, vermutlich von Adolfo Farsari (1841–98) (1886)

Nichtsdestotrotz handelt es sich primär um einen westlichen Blick auf das Japan jener Zeit, der viel von Inszenierung und einem fast unwirklichen Idyll geprägt ist. Das haben die Ersteller der Fotografien jedoch auch nie zu kaschieren versucht und präsentieren in dem Sinne ein Wunschbild, welches noch so weit in der Realität verankert ist, dass es dem Fernweh keinen Abbruch tut. So kann man sich Seite für Seite auf eine Reise von Nagasaki, über die Insel Miyajima, bis hin nach Tokio und Hokkaidō machen und dabei unterwegs noch viel mehr entdecken.

In diesem Sinne ist Japan 1900 die optimale Anschaffung für all jene, die regelmäßig Fernweh haben, sich für Vintage-Fotografie in edler Aufmachung begeistern können und alle, die gerne einen vermeintlich direkten Blick auf die Vergangenheit werfen wollen.

Japan 1900
Verlag: TASCHEN 
Mehrsprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch 
Autoren: Sebastian Dobson, Sabine Arqué
Format: Hardcover, 29 x 39,5 cm, 5,80 kg
Seitenzahl: 536 
Preis: 150 EUR 

[Rezension] Skulldigger und Skeleton Boy (Splitter)

Was soll man eigentlich nach so vielen Bänden aus dem Black Hammer-Universum über Jeff Lemire und seinen schier unaufhörlichen Output sagen? Er schafft es beständig Qualität und Quantität zu verbinden und damit den Hunger seiner Fans zu stillen, während Kritiker seine Geschichten höchstens im internen Vergleich als weniger gut oder besser, aber niemals schlecht einordnen. Diesem Credo folgt nun auch die neueste Veröffentlichung unter dem Titel Skulldigger & Skeleton Boy.

© Splitter

Diesmal mit dem kroatischen Zeichner Tonci Zonjic an seiner Seite, entführt uns Lemire in seiner Geschichte erneut nach Spiral City und stellt uns den Antihelden Skulldigger vor, der rastlos Verbrecher jagt und diese unter anderem mit seinem an einer Kette befestigten Totenschädel unter die Erde bringt. Doch zunächst beginnt die Geschichte mit einem Jungen, dessen Eltern bei einem Raubüberfall sterben, während er als Waise überlebt. Klingt irgendwie vertraut? Das ist wie bei Black Hammer üblich gewollt und geht wie gewohnt als charmante Hommage mit einem speziellen Twist durch. Denn besagter Junge wird nicht zu einer Art Batman oder Robin, sondern gesellt sich als der Sidekick Skeleton Boy an die Seite von Skulldigger, um ebenfalls zum Verbrecherjäger ausgebildet zu werden. Dabei sind jedoch Gnade und Achtung vor dem Gesetz wie zu erwarten zweitrangig. Um die Grundlage der vorliegenden Geschichte zu vervollständigen, haben wir außerdem eine fast schon besessene Ermittlerin, die Skulldigger hinter Gittern bringen will und mit Grimjim einen Halbdämon, der Chaos sät und Spaß daran zu haben scheint ein düsteres Geheimnis mit sich herumzutragen.

© Splitter

Betrachtet man all diese Versatzstücke, entdeckt man, dass hier nicht nur eine Verbeugung vor dem Schaffen eines Frank Miller (Batman, Daredevil) vorliegt, sondern die Referenzen sich über alle Grenzen des Superhelden-Genres hinweg erstrecken. Wir entdecken Verweise auf Ghost Rider, Spawn, den Punisher und so viel mehr, dass einem als Kenner der Materie die Augen übergehen. Dabei schafft es Lemire wie immer gekonnt die genannten Vorbilder als Sahnehäubchen auf einer eigenständigen Geschichte zu platzieren und damit Black Hammer nach wie vor als eigenständiges Universum darzustellen. Die Figuren haben eigene Charakterzüge und Motive, fungieren nicht einfach als Projektonsflächen und die Handlung, von der nicht zu viel vorweg genommen werden soll, wird von einem realen Spannungsbogen vorangetrieben. In diesem Sinne wird die gewohnte Qualität eines Lemire präsentiert, die Fans seines Schaffens wunschlos glücklich machen sollte.

© Splitter

Auf der visuellen Seite des Projekts bietet Toni Zonjic verhältnismäßig ungewohnte Kost, da diesmal auf eine fast schon als klassisch geltende Superhelden-Optik gesetzt wird, die oft an Millers Werke um den dunklen Ritter erinnert, während der Look auf der anderen Seite doch etwas „cleaner“ erscheint. Dadurch entsteht ein roher Realismus, den man von Black Hammer in dem Ausmaß nicht kennt. Selbst die weniger abstrakten Titel spielten oft mit leicht „cartoonesken“ Elementen, während hier gefühlt die 80er und 90er mit ihrer geerdeten Art anklopfen. Eine nicht geringe Rolle übernimmt dabei auch die Farbgebung, die nur selten eine ganze Palette aufzeigt, sondern mit einzeln ausgewählten, auf die Stimmung angepassten Spektren die Handlung zu unterstreichen weiß. Dieser reduzierte Einsatz trägt mitunter zum rauen Feeling bei, welches Perfekt zur Story und den eiskalt agierenden Figuren passt.

© Splitter

Skulldigger & Skeleton Boy ist in dem Sinne zwar, wie die anderen Spin-Offs der Reihe, eine weitere Verneigung von Genres und Künstlern, funktioniert aber trotzdem geradezu mit Leichtigkeit als eigenständige Geschichte, die in ihrer Gesamtheit zu überzeugen weiß. Daher ist der Titel nicht nur ein Must-Have für Sammler von Lemires Output, sondern ein Tipp für alle, die sich für rohe Action und menschliche Abgründe in Comics begeistern können.

Skulldigger & Skeleton Boy
Verlag: Splitter 
Künstler: Tonci Zonjic
Autor: Jeff Lemire
Format: Hardcover
Seitenzahl: 168 
Preis: 24 EUR 

[Rezension] Colonel Weird – Cosmagog (Splitter)

Wenn es eine aktuelle Comicbuchreihe gibt, die sowohl Witz und Ernst als auch Hommage und Originalität zu vereinen weiß, dann wäre es defintiv Black Hammer vom kanadischen Tausendsassa Jeff Lemire. Jeder Band der Hauptreihe und der inzwischen zahlreichen Spin-Offs ist für sich eine emotionale Achterbahnfahrt, die insbesondere im Kontrast zu den bewusst kitschigen Namen und Looks im Herzen zu treffen weiß. Jedem Charakter wurde von vornherein eine unfassbare Tiefe mitgegeben, die erklärt, warum man ihnen auch individuell veröffentliche Abenteuer mit unterschiedlichen Zeichnern geschenkt hat. Eine der aktuellsten Auskopplungen ist hierbei „Colonel Weird – Cosmagog„.

© Splitter

Nach den einschneidenden Ereignissen der Hauptreihe hat Colonel Randall Weird die sonderbare Farm verlassen und begibt sich auf die Suche nach etwas, was er vergessen hat. Dabei weiß er weder was es sein könnte, noch ob es von Relevanz ist. Ihm ist nur bewusst: Es ist für IHN wichtig. Zeitgleich könnte es die Antwort auf alle Fragen sein, die sich der durch Raum und Zeit Springende zuhauf stellt. Bei seiner Reise bewegt er sich über die Jahrzehnte seines Lebens hinweg. Mal in einer unnatürlichen Reihenfolge, mal aus einem seltsamen Blickwinkel, mal sogar im Gespräch mit sich selbst in jungen Jahren – in jedem Fall versucht er dabei bei Verstand zu bleiben (oder was davon übrig ist), damit er all jene die er liebt vor einem zersplitterten Universum bewahren kann.

Offensichtlich stand dabei Dr. Manhatten aus der Watchmen-Reihe Pate für die Fähigkeit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig wahrnehmen zu können (abzüglich der Superkräfte). Im Kontext von Black Hammer scheint es zunächst nicht verwunderlich, da die meisten Charaktere entweder konkrete Anleihen an bekannte Figuren oder zumindest Epochen in der Comic-Kunst in sich tragen. Was Lemire jedoch schafft, ist dieser Hommage eine emotionale Tiefe beizufügen, die selbst mehrschichtigen Original-Charakteren anderer Verlagshäuser nicht in dem Ausmaß vergönnt ist. Colonel Weird steht geradzu prototypisch für diese Art Geschichten zu schreiben. So nimmt er wie erwähnt alles wahr, ist jedoch emotional nicht entrückt, sondern durch sein Wissen um alles und jeden gerdazu gebrochen, da er daran verzweifelt einen Unterschied zu machen. Dadurch wirkt er eher wie ein Mensch, der seine Gabe als Bürde empfindet und nicht wie ein allwissender Halbgott.

© Splitter

Bei einem Comic kann eine Geschichte noch so emotional sein, aber ohne den passenden Künstler kann die Reise in das Herz der Leser schnell verpuffen. Daher bin ich umso glücklicher zu sehen, dass Jeff Lemires Wahl bei diesem Spin-Off auf Tyler Crook fiel. Der Künstler schafft es mit seinem meisterhaften Umgang mit der Mimik der Charaktere und dem fließenden Spiel bezüglich des Panel-Aufbaus etwas zu transportieren, wofür oft nichtmal Worte nötig sind: Freude, Schmerz, Liebe oder Angst. In Kombination mit den kurzen aber genialen Dialogen entfalten die Bilder dann noch mehr Tiefe und führen gemeinsam zu dem Ergebnis der Anfangs genannten Achterbahnfahrt der Emotionen.

© Splitter

In diesem Sinne schließt „Colonel Weird – Cosmagog“ qualitativ nahtlos an die bisher erschienen Veröffentlichungen aus dem Black Hammer-Universum an und beweist erneut, dass Tiefe auch im ungewöhnlichen Gewand an die Leser herangetragen werden kann. Sowohl die Hauptreihe, als auch die Nebengeschichten gehören nach wie vor in jedes gut sortierte Comic-Regal.

Colonel Weird: Cosmagog
Verlag: Splitter 
Künstler: Tyler Crook
Autor: Jeff Lemire
Format: Hardcover
Seitenzahl: 112 
Preis: 19,80 EUR 

[Rezension] Gung Ho: Die weiße Flut (Cross Cult)

Wie schon Timur Vermes („Er ist wieder da“) in seinen Worten zur Gung Ho-Ausstellung beim diesjährigen Comicfestival München angemerkt hat, ist die inzwischen international erfolgreiche Reihe von Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant „…so undeutsch[…][u]nd so wohltuend“. Das Ganze dabei ohne die Qualität von anderen Projekten aus heimischen Ateliers zu schmälern. Was damit gemeint ist, ist die Befreiung von der doch typischen Verkopftheit und spürbaren Konstruktion. Oftmals herangezogen, um das Medium Comic als ernstzunehmend darzustellen, was wie beim Film eigentlich irrelevant ist. Wenn Story und visuelle Aufmachung eine Einheit bilden und man sich in die Erzählung fallen lassen kann, dann wird das Ziel in meinen Augen erreicht: Gute Unterhaltung ohne beliebig zu sein.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Genau nach diesem Credo wurde auch der finale Abschlussband „Die weiße Flut“ konzipiert. Nach einem Cliffhanger im Vorgänger „Zorn„, steigen wir in medias res ein und sehen die Siedlung durch die Teenager-Bande erobert. Mit Waffen, Nahrung und einer Geisel (Bagster) ausgestattet, bieten die Kids mit dem Soziopathen Holden an der Spitze den Erwachsenen die Stirn. Abgegrenzt durch Barrikaden und einem jederzeit zur Verfügung stehendem Munitionsdepot, haben die Erwachsenen um Kingsten, die Anführerin der Siedlung, zunächst keine Chance. Gleichzeitig versuchen die Jugendlichen, die den zu unrecht ausgestoßenen Archer wieder in die Siedlung bringen wollen, ihren Weg zurück zu schlagen. Hierbei entdecken sie, dass die sogenannten Reisser, die affenartigen Monster, die die Menschheit in ihrer Existenz bedrohen, sich in Richtung ihrer Heimat aufgemacht haben. Es bleibt nicht mehr viel Zeit um alle vor Ort zu warnen, geschweige denn die nun verfeindeten Gruppen an einem Strang ziehen zu lassen…

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Wie dabei alles miteinander zusammenhängt, die Kids außerhalb der Siedlung überhaupt die Möglichkeit kriegen sich auf den Heimweg zu machen und welche schockierenden Plottwists den Band in eine sich immer schneller drehende Spirale treiben, muss der Leser für sich selbst herausfinden. Genug Überraschungen sind jedenfalls platziert und wollen selbst entdeckt werden. Dabei wirkt alles wirkt wie aus einem Guss: Die Umgebung ist immer einzuordnen, das Verhalten der Figuren jederzeit logisch nachvollziehbar und doch nicht vorhersehbar. Das macht die Story wiederum spannend und fließend, ohne einen Gedanken daran verschwenden zu müssen in welchem Medium wir sie finden.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Das ist dabei nicht nur der spannenden Geschichte aus der Feder von Benjamin von Eckartsberg zu verdanken, sondern dem geradezu cineastischen Blick von Thomas von Kummant, der es schafft seine Bilder so zum Leben zu erwecken, dass man sie so eins zu eins in einer Serienadaption verwenden könnte. Blickwinkel, Emotionen, Licht und Farbauswahl springen in ihrer Kombination fast aus den Panels und brennen sich in das visuelle Gedächtnis des Lesers ein. Genau hier muss nochmal auf das typisch „undeutsche“ an diesem Comic eingegangen werden. Die genannte Melange aus sehr sauberem Storytelling und emotional aufgeladener Action sorgt dafür, dass die Herkunft der Macher de facto nicht auszumachen ist. Zwar sind sie, wie vermutlich viele ihrer Leser, US-amerikanisch sozialisiert, doch der Bubblegum-Aspekt wird durch den rohen europäischen Touch im Bereich der Sexualität und Gewalt verdrängt. Das macht die Lokalisierung schwer, was jedoch mit Sicherheit in Teilen den Erfolg im Ausland erklärt. Ein Fan in Frankreich kann Gung Ho genauso zur Hand nehmen wie ein Leser in den USA und beide würden sich im Setting wiederfinden. In der Hinsicht ein Kunststück, welches Kreativteams auch unabhängig von ihrer Herkunft nicht immer gelingt, hier aber mit Bravour aufgeht.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Alles in allem kann gesagt werden, dass „Die weiße Flut“ in ihrer Qualität nahtlos an die Vorgänger anknüpft und damit einen würdigen Abschluss der Gung Ho-Reihe liefert, die vollkommen zurecht gleich in mehreren Ländern eine Fanbase gefunden hat, die nur darauf wartet mit mehr Lesestoff aus diesem Universum versorgt zu werden. Dieses Projekt aus fünf Bänden gehört ohne Zweifel in jedes gut sortierte Comic-Regal eines Fans, dem Indie-Attitüde und Feuilleton-Gefälligkeit egal sind, aber Qualität und Spaß an oberster Stelle stehen.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant
Gung Ho: Die weiße Flut
Verlag: Cross Cult
Autor: Benjamin von Eckartsberg 
Künstler: Thomas von Kummant
Format: Hardcover, 24x32cm
Seitenzahl: 104 
Preis: 25 EUR 

[Rezension] Requiem (Zwerchfell Verlag)

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis dato nichts von Albert Mitringer gehört habe, obwohl sein Debüt LILA aus dem Jahr 2017 (welches zeitgleich seine Diplomarbeit an der Kunstschule Wien darstellt) durchwegs wohlwollend von Fachpresse und Leserschaft aufgenommen wurde. Nachdem mir sein neustes Werk Requiem (erschienen beim Zwerchfell Verlag) ans Herz gelegt wurde, frage ich mich ich mich nun aber ernsthaft wie oft mir Indie-Perlen entgangen sind, weil sie nicht laut beworben oder mir direkt vom Verlag in den Briefkasten geworfen wurden. Asche auf mein Haupt und insbesondere in diesem Fall. Warum, erfahrt ihr hier im Detail:

Inhaltlich befinden wir uns in einer seit langem entvölkerten Fantasie-Welt, die durchzogen von Dämonen und Monstern kaum Leben in sich birgt und Menschen nur mehr ein Echo vergangener Tage sind. Hier erwacht in der Nähe einer schon lange gefallenen Armee ein verstorbener Krieger, nachdem ihn eine gemeine Wanderkrähe berührt. Nun wieder bei Bewusstsein, spürt er das Bedürfnis mehr über sein altes Leben erfahren zu wollen und folgt besagtem Vogel in der Hoffnung sich erinnern zu können. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die einjährige Wanderschaft des toten Ritters, die in vier nach den Jahreszeiten benannten Kapiteln, beginnend mit dem Sommer, beschrieben wird. Auf diesem Weg setzt sich nicht nur wie geplant sein altes Leben wieder in einer Erinnerung zusammen. Es werden Schlachten geschlagen, Diskussionen mit Dämonen geführt, mythische Wesen eingeführt und Freundschaften geschmiedet. Dabei sind dafür nicht viele Worte nötig, die ohnehin rar gesät, dafür aber mal knackig prägnant, mal malerisch in der Poesie verortet das Abenteuer genau an den Punkten unterstreichen, an denen sie nötig sind.

© Zwerchfell

Den Rest erledigen die wunderschönen, ausschließlich in Handarbeit gefertigten Tusche-Bilder, die einen angenehmen Kontrast für die an digitale Werke gewöhnten Augen bieten. Das soll kein Abwägen der Qualität beider Ansätze sein, aber bei einem sich durchgesetzten Standard sind klassisch angefertigt Schraffuren, eindeutig in sehr langer Arbeit und mit ruhiger Hand entstandene Landschaften und der rohe Charme des irgendwo zwischen Holzschnitt und Manga verorteten Stils eine angenehme Abwechslung beim lesen. Apropos Manga: Trotz der im Kern sehr europäischen Geschichte, merkt man eindeutig die Einflüsse ostasiatischer Steckenpferde wie eine organische und energiegeladene Dynamik bei Kämpfen, mutige Panel-Perspektiven und die typisch überdimensionale Darstellung unterschiedlichster Elemente. Trotzdem bleibt ein sehr eigener Strich erhalten, der viel trockenen Witz aber auch ruhige Momente gut zu transportieren weiß. Dadurch werden die Figuren trotz des erwähnten, eher zurückhaltenden Einsatzes von Rede so sympathisch präsentiert, dass man als Leser von Anfang an mitfiebert und mit Spannung verfolgt wohin die Reise des toten Ritters geht.

© Zwerchfell

Was Requiem davon losgelöst außerdem besonders macht, sind die opulenten Splash pages, die zum innehalten und entdecken einladen. Jede dieser Seiten brodelt geradezu über vor Details, von denen sich bei jedem durchblättern mehr zu zeigen scheinen. Ein Punkt an dem besonders deutlich wird, dass das Medium Comic für sich selber steht und der Genuss eines Bandes auf mehreren Ebenen und hierbei teils losgelöst voneinander erfolgen kann.

In diesem Sinne ist Albert Mitringer, der mit Anfang 30 und erst seinem zweiten Werk am Beginn seines Schaffens steht, ein richtiger Wurf gelungen, der sowohl inhaltlich als visuell überzeugt und Hoffnung auf einen Nachfolgeband weckt. Alles in allem sei Requiem daher jedem ans Herz gelegt, der klassisches Comic-Handwerk und gutes visuelles Storytelling zu schätzen weiß. Beides ist hier zu finden und sollte in keinem gut bestückten Comic-Regal fehlen.

© Zwerchfell
Requiem
Verlag: Zwerchfell Velag 
Autor und Zeichner: Albert Mitringer
Format: Hardcover, 21x28cm
Seitenzahl: 186 
Preis: 25 EUR 

[Rezension] Das Star Wars Archiv. 1999–2005 (TASCHEN)

Wer sich nur im Ansatz mit dem Fandom um Star Wars beschäftigt, weiß um den schweren Stand der Prequel-Trilogie, die viele als seelenloses CGI-Spektakel verschreien, welches nicht im Ansatz an das Original heranreicht. Trotzdem muss hier eine Lanze für die Episoden I bis III gebrochen werden, die für eine ganze Generation als Einstieg in die Abenteuer „[…] in einer weit, weit entfernten Galaxis“ fungiert haben. Als neunjähriger habe ich im Kino mit großen Augen dem Podracer-Rennen zugesehen, über die Slapstick-Einlagen von Jar Jar Binks gelacht und bei dem finalen Laserschwertkampf zwischen Obi Wan, Qui Gon und dem düsteren Darth Maul mitgefiebert. Damals konnte es mir nicht gleichgültiger sein, dass Fans der ersten Stunde die einen Dinge vermisst und die anderen verflucht haben. Ich war gebannt und als Teenager bei den beiden Fortsetzungen schon am ersten Kino-Tag im Saal, um die Vorgeschichte der Star Wars-Saga geradezu zu inhalieren.

Ich kann garantieren, dass es nicht nur mir so ging. Millionen junger Leute haben erst durch diese Neuauflage Interesse daran bekommen die alten Streifen aus den 70ern bzw. 80ern anzusehen und damit den Kreis dieser Geschichte zu schließen. Umso mehr freut es mich, dass TASCHEN nach ihrem gigantischen Werk zur ursprünglichen Trilogie nun auch der Vorgeschichte einen eigenen XXL-Band spendiert hat. Zwar war ich mir fast schon sicher, dass diese Fortsetzung kommen würde, aber die Angst, dass Puristen reinreden und das Projekt verhindern würden war bei mir durchaus gegeben. Nun ist aber Das Star Wars Archiv. 1999–2005 in deutscher Sprache erschienen und wie schon beim Erstling sind Sorgen um einen aufgewärmten Kaffee vollkommen unbegründet.

Man kann davon ausgehen, dass Fans, die 150€ für ein Buch in die Hand nehmen (trotz mehr als gegebenem Preis-Leistungs-Verhältnis) mit allergrößter Sicherheit schon alles an relevanter Sekundärliteratur und Nischenprodukten in ihrem Regal stehen haben, um ihr Bedürfnis nach Informationen zu Jedis, Siths, der Rebellion und dem Imperium zu befriedigen. Doch wie schon zuvor haben TASCHEN es mit Leichtigkeit geschafft hier gefühlt die Bibel zu Star Wars zu publizieren, während „vergleichbare“ Bände sowohl haptisch als auch inhaltlich geradezu verblassen. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass hier die seit Jahrzehnten florierende Fanfiction zelebriert wird, die erklärt wie bestimmte Raumschiffe fliegen und woher die Jedi welche Kräfte bekommen. Hier geht es einzig und allein um das Filmprodukt, welches in seiner Größe und Tragweite vermutlich gleich mehrere dicke Schinken füllen könnte. Der Inhalt ist dabei, wie kurz angedeutet, auf keinen Fall schon bekanntes oder nur neu verpacktes Material. Denn neben den bekannten Shots und Promo-Bildern gibt es hier überwiegend unbekannte Drehbuchseiten, Konzeptentwürfe, Storyboards und Fotos von den Sets, die durch Fußnoten in einen Kontext gesetzt werden und dadurch zu einem Verständnis für den Prozess beitragen. Dieser besteht dabei aus deutlich mehr als ein paar Schauspielern, die vor einem Bluescreen mit der Luft reden, wie es diesen Filmen gerne angedichtet wird. Zwar macht George Lucas in dem Band kein Geheimnis aus seiner Affinität zur digitalen Technik, die er bei vorangeschrittener Entwicklung und einem entsprechenden Budget mit aller Sicherheit auch in seinen ersten Streifen verwendet hätte, aber Fans werden sicher überrascht sein wie viel praktisch hergestellt wurde. Zahlreiche Sets, bei denen man hätte schwören können, dass nichts reales auf der Leinwand zu sehen ist, basieren verdammt oft auf kunstvoller Handarbeit und unfassbar langer Vorbereitung.

Doch bevor es ans Eingemachte mit der Einführung des jungen Ben Kenobi und des noch unschuldigen Anakin Skywalker geht, wird überraschenderweise zunächst die Lücke zwischen den beiden Trilogien geschlossen, in der die nicht minder kontroversen Special Editions der Episoden IV bis VI veröffentlicht wurden. Schon hier zeichnete sich ab, was George Lucas nur wenige Jahre später auf Fans und diejenigen, die es noch werden sollten loslassen wollte. Stichworte wären ungewöhnliche Kameras, Bluescreen, etc. Deutlich wird das Ganze in jedem der vier Kapitel (eins pro Film bzw. eins gebündelt für die Special Editions) durch die eingestreuten Aussagen der Beteiligten, von denen sich nur das Gespräch zwischen dem Autoren Paul Duncan (Das Star Wars Archiv. 1977-1938, The Charlie Chaplin Archives, The James Bond Archives) und Regisseur Lucas wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Es hat in dem Sinne etwas von einem Audiokommentar. Die anderen Mitarbeiter werden thematisch platziert und vertiefen die Entwicklungsstufen, wie es schon im Vorgängerband der Fall gewesen ist. Es kommen dabei entsprechend des kreativen und technischen Aufwands primär Menschen zu Wort, die hinter den Kulissen dieses gewaltige Universum aus dem nichts gestampft haben. Dazu gehören bekannte Namen wie Rick McCallum (Produzent), Doug Chiang (Illustrator und SFX-Supervisor), Ryan Church (Konzeptzeichner) oder Ben Burtt (Technik und Sounddesign). Die Schauspieler dürfen zwar selbstverständlich nicht fehlen, nehmen aber entsprechend der Stoßrichtung des Bandes keinen zentralen Standpunkt ein. Was wiederum nicht heißt, dass man keine neuen Erkenntnisse aus ihren Gedanken zur Darstellung ihrer Figuren ziehen kann.

Während man nun den Gedankengängen der Beteiligten folgt, wird ersichtlich wie genau George Lucas wusste wohin die Reise gehen würde. Natürlich stand nicht schon in den 80ern ein genauer Plot fest, der nur noch in ein Drehbuch gegossen werden musste, aber die Figuren und ihre Hintergründe hatten schon so viel Tiefe, dass die Erzählung des Ursprungs geradezu unvermeidbar wirkt. Umso spannender ist es zu sehen wie alte Ideen zur Realität wurden, gänzlich neue Ansätze entstanden und zusammen in einer Symbiose aufgingen, die wir später als Prequel-Trilogie kennenlernen sollten. Zwar muss man sich ein wenig an den sprunghaften Charakter der Erzählung gewöhnen (es ist wirklich mehr ein schriftlicher Audiokommentar als eine chronologische Abfassung), aber da man Das Star Wars Archiv. 1999–2005 auch locker unter dem Begriff „Sachbuch“ einordnen kann, lädt es ohnehin mehr dazu ein bestimmte Aspekte zum Film nachzuschlagen, als es in einem Rutsch durchzulesen.

Was man dabei vor allem, insbesondere infolge des zeitlichen Abstands mitnimmt, ist der revolutionäre Aspekt dieser Filme. Ausgestattet mit dem nötigen Budget, Kontakten und einer Vision hat George Lucas schon in den 90ern gewusst, dass das Kino der Zukunft digital und die richtige Kombination aus praktischen und künstlichen Effekten eines Tages zum Standard werden würde. Damals noch mit Skepsis begegnet, kann man heutzutage davon sprechen, dass Türen für Kreative in der Branche aufgestoßen wurden, die nun den Look und Feel des modernen Films bestimmen. Als Kind habe ich mir nichts bei der Schlacht der Gungans gegen die Droidenarmee gedacht, und den eindeutig digitalen Look von Episode II und III schulterzuckend akzeptiert. Nun zu lesen welche gigantischen Evolutionsschritte diese Filme ausgelöst haben, lässt mich die Trilogie mit einem anderen und vor allem verständnisvolleren Blick betrachten und inspiriert mich in absehbarer Zeit wieder die verstaubten BluRays erneut einzulegen.

Alles in allem muss man TASCHEN dafür danken, dass sie mit Das Star Wars Archiv. 1999–2005 ein Buch herausgebracht haben, welches im Endeffekt die Kernelemente der zahlreichen Making Of-Bände und Begleitpublikationen kombiniert und damit das ultimative Nachschlagewerk darstellt, wenn man sich primär für den Film als Kunstwerk interessiert. Es sei hierbei garantiert, dass man kein inhaltlich tieferes und äußerlich opulenteres Werk findet. In dem Zusammenhang darf man nur darauf hoffen, dass weitere Veröffentlichungen in Planung sind. mit den Sequels, Spin-Offs und Serien sollte zumindest mehr als genug Stoff vorhanden sein.

Das Star Wars Archiv. 1999-2005
Verlag: TASCHEN 
Autor: Paul Duncan
Format: Hardcover, Halbleinen, 41,1 x 30 cm, 6,90 kg
Seitenzahl: 600 
Preis: 150 EUR