
Ich konnte es wie so viele andere Fans kaum erwarten, bis Panini Comics mit dem nächsten Band der Mark Millar Collection um die Ecke kommt, aber endlich ist es soweit. Mit Kingsman: The Secret Service hat inzwischen der siebte aber zum Glück nicht letzte Band der Reihe seinen Weg in die Regale der hiesigen Geschäfte gefunden.
Nicht wenige von euch werden den Titel als Verfilmung aus dem Jahr 2015 kennen, deren Vorlage die nur zwei Jahre zuvor erschienene Mini-Serie darstellt, die ich hier als Re-Release bespreche. Es sei in dem Zusammenhang verraten, dass zwar die Kino-Version durchaus auf der gezeichneten Fassung beruht, aber viele Story-Elemente derart verändert wurden, dass sich die Anschaffung des Bandes allein schon durch ein etwas anderes bis im Kontrast überraschendes Leseerlebnis lohnt.
Es beginnt alles damit, dass der Leser einer Szene in einem verschneiten Gebirge beiwohnt, in der niemand geringeres als Mark Hamill von mehreren schwerbewaffneten Männern bewacht wird, die sich im Verlauf des Gesprächs zwischen Opfer und Entführer als Fanboys des alternden Star Wars-Recken herausstellen. Solche popkulturellen Referenzen sind wie man sich vielleicht schon denken kann, ein Kernelement, dass man so gut wie in jeder größeren Veröffentlichung von Mark Millar wiederentdeckt. Dabei werden sie nie langweilig und sind, wie in diesem Fall, durchaus relevant für die Handlung. Warum? Nun, hier macht sich schon der erste große Unterschied zwischen Film und Comic bemerkbar. Während auf der Leinwand in erster Linie Wissenschaftler und Politiker entführt werden, sind es hier vor allem Filmemacher und Schauspieler, die sich besonders durch Werke einen Namen gemacht haben, die sich in Nerd-Kreisen einer großen Beliebtheit erfreuen.
Doch auch hier eilt ein Held in Form eines Geheimagenten zur Hilfe, der ganz in klassischer James Bond-Manier die bösen Buben einer akuten Bleivergiftung zuführt und zur Rettung ansetzt die, so viel sei vorausgenommen, nicht ganz so abläuft, wie er sich das vorgestellt hat. Damit wird zeitgleich der Geheimdienst Kingsman präsentiert, der die Frage beantwortet, wie denn Agenten die wir aus dem Fernsehen und Kino kennen, eigentlich ausgebildet werden. Natürlich mit einem für Millar typischen Augenzwinkern, dass irgendwo zwischen Verneigung und Provokation anzusiedeln ist. Hier arbeitet auch der Onkel der Hauptfigur Eggsy. Der Junge lebt im ärmlichen Süden Londons mit seinem kleinen Bruder, seiner Mutter und ihrem gewalttätigen Freund. Diese prekäre Hölle scheint für den Teenager ausweglos. Daher verbringt er seine Tage meistens mit seinen, ebenso mit einem Fuß im Knast stehenden, Kumpels auf der Straße. Daher muss John, der Bruder von Eggsys verstorbenem Vater, der ebenfalls Agent war, immer wieder mit speziellen Befugnissen eingreifen, damit sein Neffe nicht für eine ungewisse Zeit ins Kittchen wandert. Doch eines Tages beschließt John seinem Bauchgefühl zu folgen und seinem Neffen die Möglichkeit zu geben etwas aus sich zu machen, statt mit Kontakten und gelegentlichen Geldzahlungen nur die Symptome eines verkorksten Lebens zu lindern. Das geht in seinen Augen am besten, indem Eggsy in die Fußstapfen seines alten Herrn tritt und die Welt als eine Art 007 vor allerlei bösen Buben rettet. Allem voran vor den schon erwähnten Entführern rund um einen jungen Tech-Milliardär, der die Welt offensichtlich durch einen Völkermord vor sich selbst retten, aber zeitgleich seine liebsten Prominenten verschonen möchte. Ein schöner Seitenhieb auf bekannte Player im Silicon Valley, die einem Messias gleich, mit ihren Erfindungen unsere Gesellschaft optimieren wollen.
Dafür soll er ein hartes Training bei Kingsman durchlaufen, dass ihn jedoch schon gleich zu Beginn von den anderen Anwärtern separiert, die allesamt aus gutem Hause stammen, jedoch nicht mit dem Instinkt der Straße gesegnet sind, der Eggsy eher unkonventionell Vorteile verschafft. So arbeitet er sich Stück für Stück in die Rolle eines vollwertigen Agenten ein, vergisst aber nie woher er ursprünglich kommt, was ein recht erfrischender Plot ist, wenn man bedenkt, dass die Macher von Geheimdienst-Geschichten besonders viel Wert auf Glamour legen und selbst das berühmteste Franchise um James Bond erst mit Daniel Craig einen raueren Anstrich bekommen hat.
Genau diese Reihe, beziehungsweise ihre filmische Entstehungsgeschichte, hat als eine der größten Inspirationsquellen für die Handlung von Kingsman: The Secret Service gedient. So stammt Sean Connery, der für viele Fans als bester Darsteller von 007 gilt, ebenfalls aus einfachen Verhältnissen und wurde wie Eggsy erst im Laufe eines Prozesses mit den Umgangsformen und dem Stil der High Society vertraut gemacht, behielt aber den kantigen Charme seiner Herkunft aus der Arbeiterklasse. Genau das sind die Details der Popkultur, deren Geschichten Gold wert sind, aber nur von den wenigen Genies wie Millar in ihrem Wert erkannt werden.
Für die visuelle Umsetzung seiner Story holte er sich entsprechend seiner visionären Herangehensweise eine lebende Legende der Comic-Industire an Bord. Niemand geringeres als der Watchmen-Zeichner Dave Gibbons setzte sich ans Zeichenbrett und lieferte den Lesern genau die Mischung aus Realismus und überzeichneten Comic-Chic, den sie erwartet haben. Dabei ist der Hintergrund der Zusammenarbeit fast noch interessanter, als das Ergebnis selbst. So hat Millar im zarten Alter von 16 Jahren einen Brief an Gibbons verfasst, in dem er dem Künstler eine Zusammenarbeit bei einer Shazam-Geschichte anbot, die er gerade schrieb. Informell, wie die 80er in der Branche eben waren, bekam der Junge der später selbst zur Legende werden sollte, sogar eine Antwort. Zwar wurde das Angebot freundlich abgelehnt, aber wie wir nun alle wissen, kam die Kollaboration schlussendlich bei der hier besprochenen Serie doch zustande.
Das Ergebnis ist, wie weiter oben schon angeschnitten, eine erzähltechnische Naturgewalt, die mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen der Leserschaft den Spiegel vor die Nerd-Nase hält, dabei aber durchwegs zu verstehen gibt, dass das Wissen um die eigene Merkwürdigkeit darauf beruht, dass der Autor der Geschichte ein Stück seines eigenen Charakters einbringt. In diesem Sinne handelt es sich bei Kingsman: The Secret Service zwar um eine eigenständige Story, die aber immer klar stellt, wer hinter ihr steht. Daher ist die Anschaffung des siebten Bands der Mark Millar Collection (samt Interviews, ersten Entwürfen usw.) nicht nur obligatorisch für bisherige Sammler, sondern eine Empfehlung für all die Leser, die eine verdammt gute Geschichte im Regal stehen haben möchten.
Mark Millar Collection Bd. 7 - Kingsman: The Secret Service
Verlag: Panini Comics
Erschienen am: 26.06.2018
Autor: Mark Millar
Zeichner: Dave Gibbons
Format: Hardcover
Seitenzahl: 180
Preis: 26 EUR