Daredevil – So finster die Nacht

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Ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich nie so wirklich etwas mit Daredevil anfangen konnte. Dabei liegt es nicht daran, dass die Figur besonders uninteressant oder anderweitig unattraktiv wirkt. Daredevil schien bis dato einfach nicht „mein Ding“ zu sein. Mit diesem Mindset bin ich wohl nicht alleine, denn der geringe Umsatz, den Panini Comics mit den Abenteuern des „Mannes ohne Furcht“ erwirtschaftet hat, führte vor zwei Jahren zu einer Einstellung der Serie.

Doch Comic-Fans sind für ihre Leidenschaft bekannt und somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich eine Stimme verschafft und der Figur eine Wiedergeburt auf dem deutschen Markt ermöglicht haben. Diese manifestiert sich in einem Band, der die US-Hefte 8 bis 14 beinhaltet und damit einen ersten Blick in das aktuelle Geschehen um den Teufel mit den engelsgleichen Ambitionen bietet.

Doch was erleben wir hier als Leser von „So finster die Nacht“ und könnte dies der Beginn einer neu entfachten Liebe für alte und ein gelungener Einstieg für neue Fans sein? Zunächst einmal wird dem Haupt-Storystrang eine Ausgabe von All-New All-Different Marvel Point One 1 (Daredevil: Blindspot) vorangestellt, in der wir Dardevils neuen Sidekick Blindspot kennenlernen, während unser Hauptprotagonist ganz in zivil (aber unter falschem Namen) im Spielerparadies Macau residiert, um unauffällig einen Koffer, der wichtige Inhalte zu Verbrecherclans aus New York City beinhaltet, aus den Händen der Triaden zu entreissen.

Ein recht unterhaltsamer Einstieg, der einer Verwirrung beim Leser entgegenwirkt, die sich ohne Einführung neuer Figuren definitiv einstellen würde. Darüber hinaus sorgt ein gelungener Gastauftritt von Spider-Man und eine ohnehin recht humorvolle Stimmung für einen sanften Start, der Lust auf mehr macht. Das wie üblich qualitativ auf hohem Niveau angefertigte Artwork von Goran Sudzuka rundet die Story von Charles Soule darüber hinaus nicht nur ab, sondern wertet diese auf. Für sich alleine ist dieser kleine Exkurs in Chinas Sonderverwaltungsgebiet zwar nicht mehr, als nett anzuschauen, im Kontext der darauf folgenden Handlung aber eine willkommene Ergänzung

In der nun regulären Serie sehen wir Matt Murdock (DD in zivil), wie er als ein durch einen verlorenen Fall in Ungnade gefallener Bezirksstaatsanwalt versucht seine berufliche Laufbahn wieder gerade zu rücken und dabei immer weniger Zeit hat, sich bei Nacht um die Verbrecherjagd zu kümmern. Dafür hilft im sein eben erwähnter Partner Blindspot wo er nur kann. Dieser stößt bei einer seiner nächtlichen Patrouillen auf einen bizarr anmutenden Tatort, der von einem gigantischen, mit dem Blut vermisster Personen angefertigten, Bild dominiert wird. Schon relativ zeitnah bekennt sich der psychopathische Killer Muse zu dem Verbrechen und präsentiert seine Taten als Werk eines weitsichtigen Künstlers, der seine Opfer in sein Schaffen mit einbezieht.

Klingt gruselig und ist es auch. Durch die düstere Visualisierung von Roy Garney wirkt das gesamte Setting durchwegs bedrohlich und strotzt nur so vor blutig-bizarren Szenen, die definitiv nichts für schwache Nerven sind. Zeitweise erinnert die Jagd auf den Mörder an Psychothriller im Stile von „Sieben“ und hat zumindest mir persönlich eine Seite an der Reihe aufgezeigt, die Daredevil defintiv auf meinen Radar gesetzt hat. Zwar gibt es einzelne Schwächen, wie die arg aufgezwungenen Inhumans, die sowohl Opfer von Muse, als auch Helfer auf Seiten der Polizei und Vigilanten darstellen, aber doch nie zu 100% ins Bild passen. Trotzdem liest sich die sehr solide Story stets flüssig und unterhält durchwegs.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass es eigentlich eine Schande ist, dass es in Deutschland nicht mehr Fans bzw. Käufer der Reihe gibt, die offensichtliche Qualitäten aufweist. Natürlich findet man hier zwar keinen Eisner-Anwärter, aber eine erzählerisch schöne und visuell großartige Geschichte, die hoffentlich ihren Weg in die Herzen neuer und alter Leser findet. Ich für meinen Teil bin neben abgeschlossenen Bänden wie „Der Mann ohne Furcht“ das erste Mal mit einer regulären Reihe um Daredevil in Berührung gekommen und weiß im Rückblick einfach nicht, wie mir sowas zuvor entgehen konnte. Daher ist mein Rat an euch, sich zeitnah in den Comicshop eures Vertrauens zu begeben und einen Blick hinein zu wagen. Fans düsterer Geschichten, die trotzdem den typischen Marvel-Charme beibehalten, werden hier mehr als nur gut bedient!

Old Man Logan – Band 5: Blutige Erinnerung

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Endlich ist es wieder soweit und wir dürfen wieder die postapokalyptische Welt von „Old Man Logan“ betreten, der zum aktuellen Zeitpunkt der einzige lebende Wolverine des Marvel-Universums (ja, nur das Standard-Kontinuum) ist und sich als gealterte Version seiner selbst auf dem vermeintlichen Weg zur Erlösung begeben hat.

Zunächst einmal sei gesagt, dass man nicht umhin kommt den Vorgängerband zu lesen. Es werden sicherlich auch neue Leser Spaß an der Handlung haben, aber ohne die Vorgeschichte bleibt am Ende trotzdem primär Verwirrung als dominierendes Gefühl zurück. Für all jene, die entweder zu faul sind oder aufgrund der teils verlagsvergriffenen Ausgaben ohnehin nicht alle Nummern im Schrank stehen haben, helfe ich aber gerne weiter:

Wie schon die Inhaltsangabe verrät, hat Logan sein Mündel (den Sohn von Hulk) alleine in der Obhut einer Freundin zurückgelassen und versucht mit Hilfe des (kein Witz) Magiers Asmodeus seinen Fehler rückgängig zu machen. Als ihn der Zauberer jedoch hintergeht, wird Wolverines Geist durch den Strom der Zeit zurückgeschleudert, während sein Körper als Hülle zurückbleibt und an höchstbietenden Gangster übergeben werden soll.

Genau hier steigt der Band „Blutige Erinnerung“ ein und versetzt Hauptfigur und Leser in die chronologisch frühesten Epochen, in denen Logan seine Abenteuer erlebte. Angefangen in Kanada des 19. Jahrhunderts, über die erste Begegnung mit dem Hulk, bis hin zu seiner anfänglichen Zusammenarbeit mit den X-Men ist alles dabei was das Herz der Nostalgiker höher schlagen lässt. Dabei scheut der Autor Jeff Lemire in seinem Abschlussband, trotz des eher düsteren Settings nicht vor Selbstreferenzen aus der langen Geschichte des Mutanten zurück, die sich nicht nur in Optik, sondern gerne auch in Stimmung und Dialogen widerspiegeln. Ich sag nur so viel: Cheesy Sprüche aus den 90ern werden definitiv auch serviert und lassen dem geneigten Leser einen wohligen Schauer über den Rücken laufen!

Trotzdem ruht sich der Autor dieser Rückschau nicht auf der bewegten Historie von Wolverine aus, die als Fan-Service wohl für einige ausreicht hätte, sondern garniert die Szenerie mit gehörig Emotionen, die einen in regelmäßigen Abständen den Frosch im Hals spüren lassen. Es ist in meinen Augen immer noch ein relativ seltenes Phänomen in Superhelden-Comics tiefergehende Emotionen beim Leser auszulösen, doch hier geschieht es wie nebenbei und damit umso eindrucksvoller.

Was die visuelle Umsetzung anbelangt, sehen wir nun zum ersten Mal einen anderen Künstler am Werk als Andrea Sorrentino, der mich immer noch extrem begeistert und zu meinen absoluten Favoriten der Branche gehört. Diesmal sehen wir Eric Nguyen am Zeichenbrett, der stilistisch durchaus in der Ecke von Sorrentino zu verorten ist, aber durch seinen „klassischeren“ Stil in Bezug auf Panel-Aufbau und Charakterzeichnung eine individuelle Note setzen kann. Zwar darf man deswegen nicht mehr die teils extrem abstrakten Splash-Pages und andere ungewöhnliche Experimente erwarten, wird aber immer noch mit einer Dynamik versorgt, von der die Bilder einer solche Geschichte leben.

Dementsprechend kann ich schon, wie bei den Ausgaben zuvor, meine wärmste Empfehlung für diesen Band und für die Reihe insgesamt aussprechen, die mit zu dem besten Output gehört, den Marvel (bzw. Panini Comics) aktuell zu bieten hat. Ich für meinen Teil bin sowohl erstaunt, als auch begeistert, dass Lemire die Qualität der Handlung über den gesamten Run halten konnte und bin in dem Zusammenhang auch sehr gespannt darauf, wie sich ein komplett neues Kreativteam bei der Fortsetzung schlägt, die für den 5. Juni angekündigt wurde. Bis dahin habt ihr aber genug Zeit, euch an den schon schon veröffentlichten Bänden (1, 2, 3, 4) zu erfreuen!

 

 

Batman – Der dunkle Prinz (Band 1 von 2)

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Es kommt durchaus mal vor, dass ein europäischer Künstler sich an einem Flaggschiff von DC Comics versuchen darf, doch meist beschränkt sich die Arbeit auf fortlaufende Serien, in denen Experimente und eine zu individuelle Handschrift eines Autoren oder Künstlers nur ungern gesehen werden.

Deswegen gleicht der Release von Batman – Der dunkle Prinz einer kleinen Sensation, da zum einen der Schweizer Enrico Marini (u.a. Die Adler Roms) ganz alleine für Inhalt und Optik verantwortlich ist und zum anderen die auf zwei Bände angelegte Geschichte in Hardcover-Alben frankobelgischen Stils erscheinen wird. Band eins liegt schon in den Regalen, während der Abschluss im Juni (also vermutlich im Rahmen des Comic Salons Erlangen) veröffentlicht wird.

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© Panini Comics

Doch worum geht es in der Story eigentlich? Zunächst einmal mutet die Handlung ziemlich typisch für Batman an. Mal wieder wird der dunkler Ritter mit dem Joker konfrontiert, der hier tatsächlich wie eine Art Clown aussieht und sich mit einem dazu passenden Gefolge umgibt. Natürlich dürfen in so einer Konstellation auch nicht die weiblichen Pendants der zwei ewigen Feinde fehlen: Catwoman und Harley Quinn, die ebenfalls in einer recht frischen Optik präsentiert werden und den Leser daran erinnern, dass es sich hier tatsächlich um ein eigenständiges Werk handelt. Außer diesen Ausnahmen wirkt alles ein wenig austauschbar, als aber eines Tages eine Kellnerin an der Tür von Bruce Wayne klingelt und ihn mit den angeblichen Folgen einer Jahre zurückliegenden Nacht konfrontiert, erfährt die Handlung einen Spin, den man schon lange nicht mehr im Zusammenhang mit Batman erlebt hat. Als der Joker auch noch Wind von der Sache bekommt, ist der Aufbau zum Cliffhanger perfekt, der es einem so richtig unter den Fingernägeln brennen lässt, wie sich die Sachlage entwickelt…

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© Panini Comics

Das Ganze wird dabei in wunderschönen Panels präsentiert, die gänzlich handgemalt sind und digitale Trickkisten weglassen. Dadurch kommen unter anderem wunderschöne Splash-Pages zustande, die eine wahre Augenweide sind und die ein ganz gutes Bild davon vermitteln, warum Jim Lee (Herausgeber von DC Comics) sich persönlich dafür einsetzte, dass Marini seinen heimlichen Traum eines eigenen Batman-Comics umsetzen konnte.

Um die Besonderheit dieser Veröffentlichung zu unterstreichen, wird der Story ein ausführliches Interview zwischen dem Macher des vorliegenden Bandes und Alexander Bubenheimer von Panini Comics nachgestellt, dass nochmal die Vorgeschichte zur Entstehung von „Der dunkle Prinz“ aufgreift, die besonderen Umstände als Künstler vom europäischen Kontinent umschreibt und einen Ausblick auf das Finale im Juni  gibt, welches definitiv in meinen Schrank wandern wird!

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© Panini Comics

In diesem Sinne macht man bei einer Anschaffung dieses Prachtstücks für knapp 17 Euro nichts falsch. Ein visuell und inhaltlich schönes Gesamtwerk, dessen Abschluss ihr sicherlich genauso sehnlichst erwarten werdet wie ich!

Spawn Origins Collection – Band 10

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Endlich bin ich mit meinen Prüfungen für dieses Semester durch und nur noch zwei Hausarbeiten davon entfernt, mich wirklich entspannen zu können. Bis dahin habe ich endlich etwas mehr Zeit, um mich um ZOMBIAC zu kümmern und präsentiere nach der unfreiwilligen Pause gleich mal die Fortsetzung einer meiner Lieblingsreihen, die in die zehnte Runde geht: Die Spawn Origins Collection!

Diese beinhaltet die US-Hefte 113 bis 125 und damit weiterhin den Run des Spawn-Zeichners Angel Medina, mit dem ich die Figur entdeckt habe und den ich bis heute als den besten Künstler ansehe, der sich an Todd McFarlanes Schöpfung versucht hat. Nun aber erstmal zum Inhalt:

Da der Vorgänger-Band quasi mitten im Geschehen abgebrochen ist, finden wir uns erneut im Kampf gegen die Vampire in New York City wieder, der zwar keine unmittelbaren Folgen für Spawn aber durchaus für einige seiner nächsten Verbündeten nach sich zieht. Wie für die Heftreihe üblich, setzt der Fortgang der Geschichte nicht sofort nach der angesprochenen Konfrontation ein, sondern bietet dem Leser zunächst ein schön düsteres Intermezzo, dass uns sowohl in das alte Japan verschlägt, als auch in der Gegenwart schaurige Geschehnisse bietet, bei denen Spawn erstaunlicherweise sogar nur eine Nebenrolle spielt.

Dem schließt sich die eigentliche Haupthandlung an, die nach längerer Zeit erneut den Redeemer als eine Art Anti-Spawn in den Mittelpunkt stellt und ihn gegen die beliebteste Ausgeburt der Hölle in den Ring steigen lässt. Dabei wird glücklicherweise darauf verzichtet (nur) einen simplen Showdown zweier übernatürlicher Wesen zu porträtieren, sondern schlägt sogar den Bogen zu einer älteren Spawn-Story, in der ein kleiner Junge vor dem eigenen brutalen Vater gerettet werden sollte. Es ist nicht das erste Mal, dass McFarlane und seine Co-Autoren mit solchen Kniffen eine in sich geschlossene Welt präsentieren, die deutlich tiefer wirkt, als die Vielzahl an Schocker-Comics der 90-Ära, die zum Glück hinter uns liegt und nur die besten Serien hat überleben lassen.

Das ist unter anderem der Grund dafür, warum Spawn seit seinem Debüt vor nun fast drei Dekaden, als die erfolgreichste Figur aus einer eher unkonventionellen Comic-Ecke, immer noch seine Fans findet, immer noch in einer laufenden Serie vertreten ist und seine Klassiker auch außerhalb der USA erfolgreich neu aufgelegt werden. Schön erzählte Geschichten, die mit ihrem Pathos oft nur knapp an der Fremdscham-Grenze vorbei schrammen, aber immer noch genug Ernst beibehalten, um gut zu unterhalten, sowie ein detailverliebtes Artwork, dass bis heute unerreicht bleibt. Diese Mixtur lässt mich daher hoffen, dass Panini Comics, im Gegensatz zu ihren Kollegen aus den Vereinigten Staaten, den Mut aufbringt die Origins Collection eigenständig weiterzuführen, sollten die Verkaufszahlen stimmen. Die Fans über dem großen Teich schauten nämlich nach dem Release von Band 10 in die Röhre, während hier noch eine gewisse Hoffnung im Raum steht.

Ich für meinen Teil würde jedem von euch ans Herz legen, die wunderschönen Hardcover-Bände in euren Schrank wandern zu lassen und dadurch die Chancen für alle Fans zu erhöhen, auch in Zukunft Freude an Spawn haben zu können.

 

Mark Millar Collection 5: Kick-Ass Runde 2

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Schon bei der Besprechung des ersten Teils von Kick-Ass, der auch als Teil der Mark Millar Collection erschienen ist, habe ich nichts als lobende Worte für dieses Anarcho-Prunkstück gehabt und der zweite Teil lässt nichts anderes zu, als die Lobhudelei fortbestehen zu lassen. Aber eins nach dem anderen.

Nachdem die „I don’t give a fuck„-Attitüde Millars in jedem Panel des Erstlings greifbar war, dreht er in Hit Girl und Kick-Ass 3, die beide gesammelt in dem edlen XL-Hardcover vorliegen, die Eskalationsstufe noch eine Spur weiter und das auf jeder erdenklichen Ebene. Ob Gewalt, humoristische Seitenhiebe auf Popkultur und Comic-Szene – hier werden keine Gefangenen gemacht.

Wie um an dieser Richtung keinen Zweifel aufkommen zu lassen, fängt die Geschichte auf Hit Girls erster Seite schon mit der Exekution eines selbsternannten Vigilanten an, den wir in der Art schon aus dem Erstling kennen. Jungs und Mädels, die zu viele Comics gelesen und nun mit Kick-Ass als ultimatives Vorbild, Gerechtigkeit auf die Straßen ihrer Stadt bringen wollen, dafür aber inzwischen von der lokalen Mafia gerne mal eine Kugel verpasst bekommen.

In dieser Atmosphäre beschließt unsere Heldin, bürgerlich Mindy McReady, den Verbrechersumpf auszutrocknen und dafür Kick-Ass, der als Zivilist wie sie die lokale High-School besucht, an ihre Seite zu rekrutieren. Mit einem ausgeklügelten Plan möchte sie Stück für Stück die führenden Köpfe der Cosa Nostra und ihrer „Kollegen“ eliminieren und damit zeitgleich die Gefahr von ihrer Familie fernhalten. Ihr Stiefvater Marcus ist einer der wenigen ehrlichen Cops in seinem Revier und damit DIE Zielscheibe für seine korrupter Kollegen und ihre inoffiziellen Arbeitgeber. Zusätzlich ist Mindys Mutter von den Eskapaden im ersten Band psychisch so gezeichnet, dass ihr jede Aufregung ernsthaft zusetzen kann.  Eine schwierige Situation, wenn man eine Spur an in jeder möglichen Form massakrierten Verbrecher nach sich ziehen möchte. Das Versprechen als Held niemanden zu töten sieht sie in jedem Fall eher als Empfehlung und nicht als Richtlinie.

Es wäre jedoch keine Millar-Geschichte, wenn nicht ein seltsamer Twist die Sache auflockern würde. In diesem Fall handelt es sich um Mindys Verhältnis zu ihren Mitschülerinnen, die gerade in das Alter kommen, in dem man angesagte Musik hört, auf die neusten Trends anspringt und sich älter gibt als man ist. Eine Herausforderung, garniert mit Mobbing der besagten Mädchen, die sie mehr an sich zweifeln lässt, als jeder der von ihr begangenen Morde. Da hilft es auch nicht, dass sie Dave (Kick-Ass) um Hilfe bittet, damit sie sich mehr in die Masse einfügt. Wir erinnern uns, dass er der Prototyp des Comic-Nerds mit psychotischen Einschlag ist. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Mindy auf ihre altbewährten Methoden aus dem Kampf auf der Straße zurückgreift (welche das sind, müsst ihr schon selbst herausfinden), um sich in der Hierarchie der von ihr anvisierten Clique nach oben zu arbeiten und dabei nebenbei in Millar-typische Manier die Popkultur in wenigen Panels durch die Mangel zu drehen („Ich werde dich mit meinem Wissen über Die Tribute von Panem zerschmettern. Ich erschlage dich mit dem, was ich über Bieber weiß.„). Das Ganze schön gewürzt mit einer ordentlich Portion Zynismus, die neben der Comic-Kultur und der Medien-Welt, wie nebenbei die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen zum Thema macht und mit einem erzählerischen Vorschlaghammer durch den Verstand des Lesers jagt.

Diesem der 11-jährigen Killer-Heldin gewidmeten Kapitel, folgt der (bis dato) abschließende Teil der Kick-Ass-Saga, der sofort nach den Ereignissen im Vorgängerband ansetzt. Hit-Girl wurde bekannterweise gefangen genommen und in ein Hochsicherheitsgefängnis verfrachtet. Zuvor hat sie es jedoch geschafft Kick-Ass einen detaillierten Plan für ihre Befreiung zukommen zu lassen. Nach einem missglückten „Versuch“ zieht er sich samt seinem neu zusammengestellten Team (kleine Anleihe an die Avengers bzw. die Justice League) zurück, um mit etwas zeitlichem Abstand einen neuen Anlauf zu wagen.

In der Zwischenzeit ist Hit-Girl jedoch in der Gefängnis-Hierarchie, trotz Dauerüberwachung, in die höchsten Ränge aufgestiegen und zeigt auch in den, aus der Sichtweise der Therapeuten und Wächter, ausweglosesten Situationen deutlich, wer die Zügel eigentlich in der Hand hält. Eben diese Momente nutzt Millar gekonnt, um Rückblenden aus Mindys Ausbildungszeit zur Superheldin durch ihren Vater einzuflechten und damit mehr Tiefe in der Charakterentwicklung zu gewährleisten.

In einem weiteren parallelen Handlungsstrang treffen wir erneut auf den Motherfucker, der bekanntlich noch von Kick-Ass übel zugerichtet und daher im Krankenhaus sein dasein fristet. Dort erfährt er auch, dass ein ehemals ins Exil geschickter Bruder seines Vaters nun die Geschäfte der Mafia an sich gebunden hat und eine Zusammenführung aller großen „Familien“ zum Ziel hat. Und da Verwandschaft in diesen Kreisen einen hohen Stellenwert hat, soll der junge Psychopath in die Familiengeschäfte eingebunden werden. Klingt zunächst nach klassischem Mafia-Stoff, wird aber mit subtilen aber im Nachgang extrem derben Gags auf eine Ebene gebracht, die wir genau bei dieser Veröffentlichung erwarten.

Zeitgleich plant unser titelgebender Held einen Auftritt vor den Gangstern, der sie das fürchten lehren und von ihren Plänen abrücken lassen soll. Nur blöd, dass das Ganze auf einer Szene aus „Batman: Year One“ basiert und die Realität einem ganz anderen Skript folgt. Nach einem absehbaren Ergebnis zieht sich Kick-Ass immer weiter zurück, findet privat plötzlich sein Glück und vernachlässigt in der Folge seine Helden-Karriere, die die zuvor von ihm bedrohten Verbrecher definitiv nicht vergessen haben und in der Folge einen Feldzug gegen maskierte Vigilanten starten, den es in der Form wohl in keiner Comic-Veröffentlichung zu sehen gab…Alles andere müsst ihr für euch selbst herausfinden.

Stilistisch bleibt der Band auf dem selben konstant hohen Level, wie sein Vorgänger. Kein Wunder wenn der legendäre John Romita Jr. erneut den Zeichenstift schwingt und in seiner ganz eigenen Art den immer recht nett wirkenden Look der Charaktere mit literweise Blut und Innereien garniert. Hinzu kommt sein Gespür für Dynamik und die dadurch rasant in Szene gesetzte Action und Situationskomik, die einen zusätzlichen Aspekt zu einer Story hinzugibt, die ohnehin in ihrer ganz eigenen Liga spielt. Hier haben sich wirklich zwei Ausnahmetalente zusammengetan, um ein Stück Comic-Geschichte zu schaffen.

Daher ergibt sich ein Gesamtbild, dass den modernen Superheldencomic des neuen Jahrtausends definiert. Nicht im klassischen Sinne mit einem perfekt genormten moralischen Kompass, sondern selbstironisch, die Realität der Leser reflektierend, brutal auf allen Ebenen, ohne ins Belanglose abzurutschen, sowie relevant in seinem Inhalt.

In diesem Sinne gebe ich hiermit keine Kaufempfehlung, sondern eine Aufforderung, euch in den Comicladen eures Vertrauens zu begeben und den Band danach in euer Regal zu stellen. Außerdem könnte es ein Einstieg für viele weitere Geschichten sein, denn es ist offiziell: Die Reihe geht mit dem selben Kreativ-Team weiter! Ihr dürft auf jeden Fall gespannt sein!

Deadpool the Duck

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Sowohl Deadpool als auch Howard the Duck sind DIE Figuren der neuen Marvel-Generation, die sich humortechnisch weit außerhalb der politischen Korrektheit bewegen und damit einen bis zu ihrem Durchbruch unbeachteten Kreis an Lesern für sich gewonnen haben.

Daher ist es fast schon verwunderlich, dass die beiden bis dato nie ein gemeinsames Abenteuer erleben durften. Nun ist es aber endlich soweit und das vorprogrammierte Chaos kann in „Der Söldner mit dem grossen Schnabel“ seinen Lauf nehmen.

Es beginnt alles damit, dass der beliebte Söldner mit Persönlichkeitsstörung von SHIELD den Auftrag bekommt ein Alien dingfest zu machen, dessen Name dem Leser zunächst nicht verraten wird, beim Schnitt zum extraterrestrischen Erpel Howard aber offenbart wird: Rocket Racoon wurde Weltraum-Rabies (ich schreibe bewusst nicht Tollwut ;-)) injiziert, der ihn Amok laufen lässt. Ursprünglich miteinander befreundet, greift er nach einem zufälligen Zusammentreffen den Enten-Detektiv sofort an.

Da Deadpool dem Waschbären mit Aggressionsproblemen auf der Spur ist, dauert es nicht lange, bis er ihn aufgespürt hat. Bei dem nun stattfindenden Kampf, kommt es zu einem folgenschweren Unfall (zu komplex, um ihn genauer zu beschreiben), der die beiden Großmäuler miteinander verschmelzen lässt (wie auf dem Cover zu erkennen) und Rocket Racoon bewusstlos zurücklässt. Ab diesem Zeitpunkt hat Deadpool die Kontrolle über den Körper von Howard, der aber wie ein Geist über ihn wacht und mit ihm gemeinsam versucht das Ganze rückgängig zu machen. Dabei ziehen sie nicht immer an einem Strang und es ist alles andere als festgelegt, dass Deadpool die Kontrolle behält…

Diese Konstellation stellt sich insbesondere als schwierig heraus, als sie sich auf den Weg zu einer verlassenen Roxxon-Weltraumstation machen, um Rocket Racoon zu heilen dem Grund ihrer Verwandlung auf die Spur zu kommen. Dabei steht sich unser Heldenhybrid nicht nur selbst im Weg, indem er Rocket als potentiell neue Mütze einplant, sondern auch gebrochen deutsch sprechende Hausmeister und rabiate Bewacherinnen tun ihr Übriges, um das Chaos perfekt zu machen. Wie dieses aufgelöst wird, soll aber der geneigte Leser selbst in Erfahrung bringen.

Neben dem Plot sei aber verraten, dass man genau den Humor geboten bekommt, den man sich beim Kauf von „Deadpool the Duck“ erwartet. Ständige Auseinandersetzungen mit der inneren Stimme Deadpools, die mit Howard einen neuen Twist bekommt, die neurotisch-resignierten Monologe unserer Lieblingsente und die ständigen popkulturellen Querverweise bilden den Cocktail, den man sich gerne zu Gemüte führt, egal ob man der Fanfraktion um Deadpool, Howard the Duck oder Rocket Racoon angehört: Wirklich jeder kriegt hier was geboten.

Die von Stuart Moore geschriebene Story wird dabei mit der passenden Visualisierung durch Jacopo Camagni bestens in Szene gesetzt und verleiht den Gags durch die lebendige Dynamik seines Strichs eine noch größere Wucht. Vollgepackt mit Action, aber die subtilen Gags von Mimik und Gestik nicht vernachlässigend, liefert der gebürtige Italiener ein Highlight nach dem nächsten und damit exakt das, was Fans der beiden Anarchos erwarten.

Daher ist „Deadpool the Duck“ definitiv eine Anschaffung wert. Natürlich reißt der Band inhaltlich keine Bäume aus, aber das wird man auch nicht erwarten. Was man bekommt, ist ein Abenteuer, dass mit derbem Humor und rasanter Action zu überzeugen weiß und sich daher als kurzweiliger Snack zwischen zwei Wälzern oder als Lektüre während der Bahnfahrt eignet.

Weihnachten mit den DC-Superhelden

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Vielleicht erinnert sich der ein oder andere von euch an die alten Weihnachtsspecials, die im Fernsehen liefen und die uns bekannten Charaktere aus Serien und Filmen in ein wohlig familiäres Setting setzten. Die wohl bekannteste Version ist die von Star Wars, die bis heute auf Videoplattformen herumgeistert und uns einen gewissen Schauer vor Fremdscham über den Rücken laufen lässt.

In die selbe Kerbe mit einem anderen Medium, schlägt Panini bzw. DC Comics und veröffentlicht mit „Weihnachten mit den DC-Superhelden“ eine ganz eigene Version des Fests der Liebe, bei dem sowohl Schurken als auch Helden zusammenkommen und gemeinsam zumindest für einen kurzen Zeitraum das Kriegsbeil begraben.

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Wie bei den erwähnten Shows, gibt es auch hier einen gemeinsamen Ausgangspunkt für viele unterschiedliche Storys. In diesem Fall führt Harley Quinn ein Gespräch mit dem Leser durch die vierte Wand und leitet uns von einer Geschichte zur nächsten, die jeweils für sich selbst steht und bewusst außerhalb des Kontinuums angesiedelt ist.

Hiervon gibt es 12 an der Zahl, die von unterschiedlichen Teams in Angriff genommen und auf wenigen Seiten in sich geschlossen angefertigt wurden. Dabei setzen sich die Zeichner und Autoren aus einem bunten Gemisch aus Prominenz und Geheimtipps zusammen. Zur ersten Gruppe gehören zum Beispiel niemand geringeres als Paul Dini und Neal Adams.

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© Panini Comics

Inhaltlich hatten aber offensichlich alle Beteiligten ausnahmslose Narrenfreiheit. Wie sonst, könnte man eine Geschichte um ein Team aus Batman und einem Detektiv-Schimpansen namens Bobo kreieren? Wie würde man andernfalls auf die Idee einer Waffenruhe zwischen Flash und dem Team von Captain Cold zur Weihnachtszeit kommen? Und nicht zu vergessen die Jagd nach einer Videospielkonsole für den Superheldennachwuchs!

Ihr seht, es ist das auf Papier wahr gewordene, eben angesprochene Weihnachtsspecial, bei dem sich alle Protagonisten schlussendlich in den Armen liegen. Ich für meinen Teil konnte die aberwitzigen Eskapaden genießen und musste mehrmals herzlich über die ein oder andere Szene lachen, die als deutlicher Seitenhieb auf das Genre der Sueprhelden zu verstehen war. In diesem Sinne ist „Weihnachten mit den DC-Superhelden“ nicht nur für junge Leser geeignet (keine explizite Gewalt, wie sie heutzutage üblich ist!), sondern auch für ältere Semester eine Anschaffung wert.

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© Panini Comics

Passend zum Thema eignet sich der Band auch prima als Geschenk unterm Weihnachtsbaum, da er als Hardcover wertig rüber kommt um mit einem Preis von 14,99€ nicht zu sehr am Konto rüttelt, wenn man sich spontan für eine Kleinigkeit für seine Nächsten entscheidet. Daher eine ganz klare Empfehlung meinerseits!

Bataclan: Wie ich überlebte

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Der 13. November 2015. Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich an diesem Abend alleine zuhause saß und mir das aus Paris übertragene Fußball-Spiel „Deutschland gegen Frankreich“ im Fernsehen ansah, als im Hintergrund plötzlich ein tiefes Wummern zu vernehmen war. Es war nur kurz zu hören und schien auf den ersten Blick vielleicht einfach ein Böller gewesen zu sein, der aus dem Block der Ultras geflogen kam. Irgendwas war jedoch seltsam. Die Blicke der Spieler, die plötzlich panischen Gesichter aus der Zuschauermenge. Etwas musste passiert sein und wurde nur Minuten später durch eingeblendete Nachrichten-Ticker und schlussendlich mit dem Abbruch des Spiels bestätigt.

Ein Anschlag hatte sich in der Stadt der Liebe ereignet, die nicht das erste Mal Opfer von verblendeten jungen Männern wurde, die ihr verkorkstes Leben mit dem Tod von Unschuldigen aufzuwerten versuchten. Zunächst  keimte die wage Hoffnung auf, dass ihr Plan gescheitert sein könnte. Es hieß es gäbe keine Toten am Stadion, als die Nachricht von einer Schießerei bei einem Konzert in der Innenstadt bekannt wurde: Das Bataclan, eine legendäre Spielstätte, in der schon unzählige Bands jeder Größe und Bekanntheit gespielt haben, wurde angegriffen, als die „Eagles of Death Metal“ ihren unbeschwerten Rock’n’Roll auf der Bühne zelebrierten. Hatte man zu Anfang die Hoffnung, dass es irgendwie glimpflich ausgegangen sein könnte, stand am Ende eine Zahl von 89 Toten und deutlich mehr Verletzten im Raum, die nicht nur körperliche Wunden davontrugen. Unter Ihnen befand sich an dem verhängnisvollen Abend auch der Zeichner Fred Dewilde, der wie so viele andere einfach eine gute Zeit mit Freunden und Gleichgesinnten erleben wollte.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Hatte man als Betroffener „nur“ die Möglichkeit einer Therapie und vergleichbarer Hilfsmöglichkeiten, konnte sich Dewilde sein Trauma zumindest in Teilen von der Seele schreiben und in einer aufwühlenden Graphic Novel mit dem Zeichenstift verarbeiten, die unter dem Titel „Bataclan: Wie ich überlebte“ bei Panini Comics erschienen ist.

Hier braucht er nicht viele Seiten, um die Schrecken, die er miterleben musste darzustellen. Umso eindrücklicher wirken die Panels, die in ihrer Darstellung dem Leser sofort die Kehle zuschnüren. Kennt man durch Konzertfotos und Mitschnitte der letzten Minuten des Konzerts vom 13.11. den Aufbau der Halle, wird dieser nun mit den Toten, Verletzten, Terroristen und Polizisten gefüllt, die das Geschehene greifbarer für Außenstehende machen. Dabei setzt er nicht auf bitteren Realismus, sondern schafft es zum Beispiel die Terroristen durch ihre Darstellung als Skelette (vier an der Zahl und damit Symbol für die Apokalyptischen Reiter) zu entpersonalisieren und nicht den Raum zu geben, den sie beansprucht haben. Es bleibt nur ihre Tat als Mörder. Dafür rücken die Verletzten, die der Zeichner in dem Chaos getroffen hat in den Vordergrund und thematisieren damit stellvertretend die Hoffnung und den Zusammenhalt in einer schier unvorstellbar schrecklichen Situation, die zuvor völlig Fremde auf ewig zu einer Einheit zusammenschweißte. Hierbei verzichtet Dewilde auf ausufernde Gewaltdarstellungen und konzentriert sich auf für ihn bedeutende Momente, die ein Blick, ein Gefühl oder ein Geräusch sein können, die wiederum ein Gesamtbild ergeben, dass ihn im Verarbeitungsprozess des Traumas leiten konnte. Besonders deutlich wird es auf der letzten Seite des gezeichneten Teils des Bandes, in dem der Künstler alleine auf dem Weg nach Hause und damit real in Sicherheit ist.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Um seine Gedanken beim Entstehungsprozess, seine Gefühlslage in den Tagen und Monaten nach dem Anschlag und seine Gedanken um das soziale, politische und mediale Prozedere, dass diesem Tag folgen sollte zu verstehen, folgt der Graphic Novel ein deutlich längerer Textteil, der genau diese erwähnten Aspekte ergründet. Hierbei wird sehr deutlich, dass die Erlebnisse wie in den Verstand tätowiert sind und sich nur langsam lösen, um ein zumindest im Ansatz normales Leben zu ermöglichen. Dieses muss offensichtlich fast schon neu erlernt werden. Abläufe, Reaktionen und der Umgang mit der Umwelt müssen, wie zum ersten Mal justiert werden. Ein ergreifend ehrliches Porträt des Innenlebens eines Überlebenden, der stellvertretend für zu viele andere Opfer sinnloser Gewalt steht, aber durch sein Talent ein Licht auf etwas eigentlich unbegreifliches wirft und damit der Außenwelt neben Mitleid auch Verständnis abringen kann, dass in seiner Mixtur aus Wort und Bild an Intensität wohl mit keinem anderen Medium vergleichbar ist.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Crossed – Monster Edition: Band 1

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Hart, härter, Crossed. Anders als mit dieser Steigerung, kann man die Eskalation an Gewalt auf den knapp 400 Seiten nicht beschreiben. Aber eins nach dem anderen. Mir fiel die Serie schon früh in der „Panini Vorschau“ dadurch auf, dass die Cover der jeweiligen Ausgaben gerne geschwärzt und mit dem Hinweis auf eine Altersempfehlung von 18+ versehen wurden.

Als großer Fan von Horror- und Splatter-Filmen wurde meine Neugier zwar geweckt, aber aus mir bis heute unerklärlichen Gründen, habe ich mich nie dazu durchgerungen einen Blick in „Crossed“ hinein zu werfen. Natürlich war mir der Name Garth Ennis bekannt, obwohl das bis dato einzige Werk, dass ich von ihm gelesen habe „Rover, Red, Charlie“ war. Aber selbst die seltsam anmutende Geschichte um drei Hunde, die sich durch die Postapokalypse kämpfen, hat schon viel von den typischen Elementen einer Ennis-Erzählung gehabt, die man auch in der berühmtesten Reihe des Iren wiederfindet: beißender schwarzer Humor und Gewalt bis zur Schmerzgrenze.

Worum geht es nun in diesem „Monsterband„, der die Hefte #0 bis #09 von „Crossed“ und #1 bis #07 von „Crossed: Family Values“ umfasst? Zunächst kommt einem das vertraute Gefühl einer Zombie-Apokalypse à la „The Walking Dead“ in den Sinn, welches sich aus überraschten Unbeteiligten und nach Fleisch gierenden Infizierten zusammensetzt. In diesem Fall sind erstere die Besucher eines Diners und den zweiten Part übernimmt ein mit dem Kreuz (das Erkennungszeichen der Kranken) gebrandmarkter Mann, der mit breitem Grinsen im Gesicht einen blutigen Beckenknochen, samt Wirbelsäule auf dem Tresen präsentiert. Nun folgen Ereignisse im Sekundentakt, die darstellen, wie schnell sich die Seuche ausbreitet und nur Momente zuvor friedfertige Mitmenschen in blutrünstige Monster, mit einem unstillbaren Verlangen nach Sex und Tod verwandelt.

In diesen ersten Szenen lernen wir auch einige der Hauptcharaktere kennen, die wir mit dem Beginn der Haupthandlung, einige Monate nach dem Ausbruch, in einem Kampf ums blanke Übeleben erneut begegnen. Diesen bestreiten sie auf dem Weg in den Norden der USA, wo sie sich einen weniger besiedelten und damit sichereren Landstrich erhoffen. Der Weg dorthin scheint jedoch schlimmer zu werden, als jegliche Vorstellung der Hölle. Angefangen bei Erkenntnissen, die die Übertragung der Krankheit betreffen (Körperflüssigkeiten müssen sich offensichtlich nicht nur auf Blut und Speichel beschränken), über die Feststellung, dass die Infizierten ihre Intelligenz und gewisse Kenntnisse beibehalten haben, diese jedoch für den größtmöglichen Schaden nutzen, bis hin zu Gewaltakten, die Snuff-Pornos zu einem Abend mit dem Sandmännchen degradieren – diese Welt ist zum wahr gewordenen Albtraum mutiert, der es sogar schafft, sich bis zum Schluss in allen Belangen zu steigern.

Dabei schreckt Ennis nicht vor Themen zurück, die andere bis zu dieser Lektüre vielleicht noch nicht einmal auf dem Schirm hatten. Ob Kannibalismus und damit in Zusammenhang gebrachter Kindsmord, Gruppenvergewaltigungen, die in Exekutionen münden oder einfach generell die schlimmsten Todesarten, die man sich vorstellen kann. Der Autor entfernt jeden moralischen Filter, den man sich als Schreiber auferlegen könnte und ballert eine perverse Szene nach der anderen raus. Was dabei in meinen Augen aber zu kurz kommt, ist die Charakterentwicklung, die hinter der Splatter-Atmosphäre zu verschwinden droht. Es gibt zwar einzelne Figuren, die offensichtlich einen Ankerpunkt für den Leser darstellen sollen, aber durch ihre recht flache Strukturierung nicht über den Wiedererkennungswert anhand einer Frisur oder eines Accessoires hinweg kommen. Eigentlich ziemlich schade, wenn man bedenkt, wie emotional aufgeladen eine Ennis-Story wie das erwähnte „Rover, Red, Charlie“ sein kann.  Dem kann leider auch nicht der Zeichner Jacen Burrows etwas hinzufügen. Zwar geht der Mann in den Details jedes erschreckenden Panels auf und platziert diese mit einem Augenzwinkern, welches man oft erst bei genauerer Betrachtung entdeckt, aber mehr als das Standardrepertoire, samt fehlender individueller Note ist trotz allem nicht zu finden. Man soll mich dabei bitte nicht falsch verstehen. Burrows beherrscht sein Handwerk, aber die Bilder können die fehlende emotionale Tiefe nicht wett machen. In diesem Sinne ist es vielleicht Jammern auf hohem Niveau, sollte aber erwähnt werden.

Leider sieht es auch im zweiten Teil des Bandes mit dem Titel „Family Values“ nicht anders aus. Da Ennis mit seinem Teil die Geschichte von „Crossed“ als abgeschlossen erachtet hat, übergab er die von ihm erschaffene Welt an andere Autoren und Zeichner, die die Leser mit anderen Figuren und Settings versorgen sollten. In diesem Fall schrieb David Lapham eine mit typischen Horror-Elementen aus dem Mittleren Westen der USA befüllten Story-Strang, der in Teilen sogar in moralisch noch tiefere Abgründe steigt, als man es nach der bisherigen Lektüre annehmen könnte. Das Ganze fängt auf einer Pferderanch an, die von einem tief religiösen Familienoberhaupt geführt wird, der seine sakralen Überzeugungen hinten anstellt, wenn es um seinen Sexualtrieb gegenüber seinen Töchtern geht. Da dieser reale Alptraum nicht reicht, wird die mit dem Kreuz gezeichnete Horde auf die Siedlung um das Gestüt losgelassen. Ein Großteil der Familie überlebt zwar, aber die großen Themen Inzest und Tod beherrschen die Handlung bis zum bitteren Schluss…

Gezeichnet wurde dieser Teil von Javier Barreno, der es durchaus mehr versteht Gefühle in die Mimik und Gestik der Protagonisten zu legen, es aber trotzdem nicht schafft das Korsett aus Blut und Verdammnis auf eine zumindest visuell höhere Ebene zu hieven. Vielleicht ist diesbezüglich meine Anspruchshaltung einfach eine andere, als bei Lesern, die exakt solche Kost suchen. Trotzdem denke ich, dass es möglich gewesen wäre, die Perversion der vorliegenden Geschichten auch mit den beiden Zeichnern in eine interessantere Richtung zu bewegen, die weiterhin schockiert, aber nicht nur vom „hab ich das wirklich gerade gesehen?“-Moment lebt. Man kann sogar sagen, dass man mit jeder Seite etwas weiter abstumpft und daher noch weniger in der Lage ist mit den Helden der Geschichte mitzufiebern oder mit ihnen zu trauern, da sie vom Gefühl her ohnehin jederzeit sterben könnten. Wie das Ganze dann abläuft, verliert selbst bei vollkommen überdrehten Momenten seinen Reiz und driftet in ein Gefühl der Belanglosigkeit ab. Ein passendes Sinnbild wäre wohl einen B-Movie-Splatter anzusehen, der sich über mehrere Stunden hinzieht. Am Anfang vielleicht spannend, aber spätestens bei der Hälfte scheint alles wichtige durch zu sein.

Daher verstehe ich zwar jeden Fan der Reihe, die aufgrund ihrer Extremität auch in heutigen Zeiten schocken kann, würde aber jedem Neueinsteiger empfehlen im nächsten Comicshop in „Crossed – Monsterband: Band 1“ rein zu blättern und sich selbst darüber Gedanken zu machen, ob es dem eigenen Geschmack entspricht. Ich für meinen Teil wurde zwar durchaus gut unterhalten, aber in dieser Masse von über 400 Seiten wird aus dem wohligen Horror-Snack, dann doch schnell eine Übersättigung.

 

Trinity 1: Gemeinsam Stark

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Das Dreiergespann um die drei großen Ikonen von DC-Comics ist wohl den meisten Comic-Lesern bekannt und sollte spätestens mit dem aktuellen Justice League-Film auch bei der breiten Masse angekommen sein. So kann der Zeitpunkt einer Veröffentlichung kaum besser gewählt worden sein, um mit „Trinity: Gemeinsam Stark“ eine Schar an neuen Lesern an die ungleiche Gemeinschaft heranzuführen und alte Hasen mit einer neuen Seite des Teams zu überraschen.

Das geschieht dabei nicht einfach nur mit einer frischen Geschichte, sondern als kompletter Reboot im Zusammenhang mit dem serienübergreifenden „Rebirth„-Event, welches die Uhr auf die Zeit vor den „New 52“ zurück dreht und alte Bekannte in einem neuen Licht erscheinen lässt.

So stammt der „neue“ Superman, der nach dem Tod des aktuellen Manns aus Stahl seinen Platz eingenommen hat, aus einer anderen Realität, die deckungsgleich mit dem Status Quo vor 2011 ist (ergo vor der Rücksetzung aller Nummern auf #1). Im Gegensatz zum Verstorbenen, ist er schon lange mit der Reporterin Lois liiert und zieht mit ihr zurückgezogen auf einer Farm seinen Sohn Jonathan auf.

Um den Neuankömmling genauer in Augenschein zu nehmen, warten Wonder Woman und Batman mit einem Besuch in zivil auf. Dabei loten sie Parallelen und Unterschiede aus, zeigen sich von den aufkeimenden (aber noch kaum zu kontrollierenden) Kräften des Nachwuchses überrascht und tasten sich an eine neue Partnerschaft heran, die schlussendlich wohl zu genau dem gleichen Gebilde führen soll, wie schon Jahre zuvor.

Zunächst scheint alles normal zu verlaufen, aber wir würden ja keine DC-Geschichte lesen, wenn nicht irgendetwas unerwartetes geschehen würde, dass gefühlt die halbe Welt aus den Angeln hebt. Genau das passiert, als die drei einer Stimme in den Schuppen auf dem Gelände der Farm folgen und sich plötzlich in einem entscheidenen Moment in der Vergangenheit des Kryptoniers wiederfinden. Clark begegnet hierbei seinem jüngeren ich und seinem Ziehvater, der das erwachsene Ebenbild seines Sohnes nicht erkennt. Diese Konstellation zieht natürlich einen emotionalen Faden nach sich, der durch die gesamte Geschichte führt, die den Leser und die Figuren daran zweifeln lässt, was real und was Fiktion ist. Dabei bleibt es nicht bei einem Ausflug in Supermans Vergangenheit, sondern auch schicksalhafte Momente des dunklen Ritters und der Amazonen-Prinzessin werden ausführlich behandelt und in den eben erwähnten surrealen Kontext gesetzt, der eine unerwartete Auflösung mit sich bringt…

Dafür verantwortlich ist der Ausnahmekünstler und Autor Francis Manapul, der mit seinem lebendigen Stil, die Story mit dem Leben füllt, dass aufgrund seiner zwei Arbeitsbereiche, genau dem Bild entspricht, welches er zuvor in seinem Kopf hatte. In dem Zusammenhang bin ich ein großer Fan von Projekten, in denen Autor und Zeichner ein und dieselbe Person sind. So wird exakt das vermittelt, was sich vorgestellt wurde und damit die reinste Form dessen, was man Ursprungsidee nennen könnte.

Diese ist in diesem Fall durchaus unterhaltsam gestaltet worden und lässt den emotionalen Tiefen der Figuren schön viel Raum. Trotzdem kommt die ein oder andere Stelle vor, die mehr nach „ich muss irgendwas einfügen, damit es weiter geht“ riecht, als nach durchdachtem Storytelling. Natürlich ist es auch bei einer Superheldengeschichte (mit einigen Ausnahmen) nicht der explizite Anspruch, aber es sollte der Ehrlichkeit halber trotzdem erwähnt werden. Insbesondere die Auflösung des sich zu Anfang aufbauenden Geheimnisses scheint ein wenig konstruiert, macht das Gesamtwerk aber trotzdem nicht weniger kurzweilig.

In diesem Sinne kann ich den ersten „Trinity“-Band den DC-Jüngern durchaus empfehlen. Neueinsteiger sollten zumindest schon eine Ahnung von den drei Hauptfiguren haben, weil sich sonst recht schnell etwas Verwirrung einstellen könnte. Darüber hinaus findet man hier jedoch eine neue und unterhaltsame Serie, die sich auf Altbekanntes verlässt und damit als „crowd-pleaser“ auf Nummer sicher geht!