[Comic Review] Mark Millar Collection Bd. 8: Marvel Knights – Spider-Man (Panini Comics)

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Fleißige Leser meines Blogs und Fans des Tausendsassas Mark Millar werden sich bei der folgenden Rezension vermutlich kaum über die Interpretation von Spider-Man in dem neuesten Band der „Mark Millar Collection“ wundern, doch auch in der achten Ausgabe der Reihe, die den Schotten ehren soll, gibt es mehr als genug überraschende Elemente, die eine genauere Betrachtung verdienen.

So kann man sagen, dass der Rahmen der Geschichte eigentlich alles beinhaltet, was man sich von einem klassischen Auftritt des Wandkrabblers wünschen könnte. Peter Parker ist so gut wie pleite, die Beziehung zu Mary Jane durch sein Alter Ego unter keinem guten Stern und die Sorgen um Tante May quasi omnipräsent. Auch das Design der Figuren bleibt den ikonischen Mustern treu, die bis heute dafür sorgen, dass Fans Helden und Antagonisten sofort benennen können.

Der (in meinen Augen) angenehme Bruch mit Gewohnheiten erfolgt durch die Tatsache, dass die Geschichte ursprünglich im „Marvel Knights„-Imprint erschienen ist, der sich explizit an ein erwachseneres Publikum richtete und in dem Zuge den beteiligten Künstlern Freiheiten ließ, die sie bei einem normalen Run niemals genoßen hätten. Unter anderem erschienen neben der vorliegenden Story auch „Punisher“ von Garth Ennis, „Daredevil“ von Kevin Smith oder auch „Black Panther“ von Christopher Priest. Wie man an den Namen erkennen kann, sind all diese Herren nicht unbedingt für sanfte Handlungsstränge bekannt und auch Mark Millars Geschichte stellt keine Ausnahme dar, denn die vorliegende Erzählung ist härter, krasser und brutaler als so gut wie alles, was ihr zuvor mit Spidey im Programm gesehen habt und dabei nicht Deadpool beinhaltete.

Und wenn man mit dem Humor und den Zutaten Millars vertraut ist, erkennt man diese in den ständigen Grenzüberschreitungen wieder, die das Ganze zu so einem Lesevergnügen machen. So strotzen die Seiten nur vor selbstreferentiellen Verweisen und wenig subtiler Kritik an typischen Superhelden-Geschichten. Zum Beispiel kann man nicht anders, als laut aufzulachen, wenn Spider-Man sich nicht weiter zu helfen weiß, um den Grünen Kobold aufzuhalten und daher zu einem Briefkasten greift und…naja…eine Gehirnerschütterung wäre zumindest eine optimistische Diagnose.

Auch die fein eingestreuten Kommentare von umstehenden Personen und namenlosen Nebencharakteren tragen zu einer angenehmen Würze bei, die man in regulären Storys um die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft schmerzlich vermisst, wenn man als erwachsener Leser eine spannende Geschichte lesen möchte, aber auf die unschuldigen Aspekte gut verzichten kann. So wird gut und gern geflucht, sich über Charakterentwicklungen offen lustig gemacht und das ganze Genre genüßlich durch den Kakao gezogen, ohne respektlos vor der Materie zu erscheinen. Im Endeffekt genau die richtige Balance um alte Leser, die etwas Zynismus brauchen, zu bedienen, als auch Neueinsteiger zu überzeugen, die Comics immer noch als Kinderkram begreifen. In diesem Sinne ist es schade, dass Marvel diese Reihe seit einigen Jahren ruhen lässt, während DC Comics nun zum ersten Mal mit ihrem „Black Label“ versucht einen Fuß in die Tür einer (vordergründig) neuen Zielgruppe zu kriegen.

Daher ist weniger die erzählte Geschichte das revolutionäre an diesem Sammelband (der im Übrigen zum ersten Mal die Handlung an einem Stück auf deutsch beinhaltet), sondern mehr die Erzählweise und der spürbare Spaß an der Provokation. Denn eine Entführung von Tante May und die Bedrohung von Mary Jane durch eine Vielzahl an klassischen Bösewichten und Auftritte der X-Men und Avengers sind in dem Sinne nichts neues, der Umgang der Protagonisten mit der gegebenen Situation jedoch sehr wohl. Daher ist der Fortgang der Geschichte auch alles andere als vorhersehbar und damit eine spannende Lektüre, die ihre Stärke aus dem schon erwähnten Verzicht auf Konventionen und zeitgleicher Rückbesinnung auf geliebte Elemente zieht. Ein ungewöhnlicher Cocktail, der jedoch blendend funktioniert!

Auch visuell kommt man auf seine Kosten, da man Terry und Rachel Dodsons (Spider-Man/Black Cat, Harley Quinn), sowie Frank Chos (Hulk) gemeinsames Werk hier an einem Stück genießen kann. Dabei schaffen sie den Spagat zwischen realistisch, überspitzt und sexy zu schlagen, ohne dabei in Klischees zu verfallen, die der Geschichte nicht zuträglich wären. Es ist eben genau die beschriebene Mischung, die einem als Leser die Sicherheit gibt, einen Superhelden-Comic vor sich zu haben, aber zeitgleich das Augenzwinkern zu erkennen, dass das „Millar„-Feeling perfekt zu transportieren weiß.

Und wem das nicht reicht, der sollte sich in Erinnerung rufen, dass es sich um einen Band der „Mark Millar Collection“ handelt und dementsprechend einiges mehr zu finden  ist, als nur die beschriebene Geschichte. Unter anderem dürfen sich Leser über einen schönen Bonusteil mit Skizzen aus dem Entstehungsprozess, sowie ein launiges Vorwort von niemand geringerem als Stan Lee persönlich freuen!

In diesem Sinne ist dieser Band der Reihe nicht nur eine Empfehlung für Sammler und Fans des Millar-Outputs, sondern explizit auch für Leser der regulären Spidey-Geschichten, denn wenn ihr die ursprüngliche Heftreihe nicht besitzt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ihr diese großartige Story schon mal gelesen habt. Daher nichts wie los zum Comic-Shop eures Vertrauens!

Mark Millar Collection Bd. 8: Marvel Knights - Spider-Man 
Verlag: Panini Comics 
Erscheint am: 23.10.2018 
Autor: Mark Millar
Zeichner: Terry Dodson, Rachel Dodson (nur Tusche), Frank Cho
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 316
Preis: 39 EUR

Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels

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Wie schon so viele andere Comic-Leser zuvor, bin auch ich ab dem ersten Band der „Black Hammer„-Reihe in den Bann der von Jeff Lemire geschaffenen Welt gezogen worden und kann mich immer noch nicht von ihr lösen.

Selten hat man ein so geniales Storytelling gesehen, dass sich zwar offen an Versatzstücken der Superhelden-Geschichten aus den letzten 80 Jahren orientiert, aber trotzdem eine eigene Note beibehält, die nur wenige Reihen für sich beanspruchen können. Ähnlich wie bei „Watchmen„, könnte man durch eine explizit zur Schau gestellte Meta-Ebene eine unterschwellige Kritik an der Maschinerie hineininterpretieren, die uns seit Dekaden mit Helden in Unterwäsche versorgt. Hier verhält es sich jedoch anders. Inzwischen sind sich die Leser, genauso wie die Künstler und Autoren, durchaus der Geschichte des Mediums und ihrer Umbrüche bewusst. Daher ist die Story um eine Gruppe gestrandeter Superhelden, die allesamt jeweils einen Archetypen repräsentieren, eher als eine nostalgische Geste zu betrachten, die als Rahmen für eine spannende Handlung mit fast greifbarer Tiefe dient. Das diese entsteht, ist kein Wunder, wenn man die Pläne für die Erweiterung des „Black Hammer„-Universums betrachtet. Lemire sieht in diesem Projekt die Möglichkeit ein nach seinen Regeln gestaltetes Werk zu erschaffen, dass sowohl seine Liebe zu Superhelden, als auch klassischem Drama vereint und sich über einen unbestimmten Zeitraum ausdehnt. In diesem Sinne ist „Black Hammer“ nicht weniger als sein Magnus Opus.

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©Splitter Verlag

Daher scheint es fast schon natürlich, dass nach zwei Haupt-Bänden, nun ein erstes Spin-Off ins Haus steht. Mit dem Titel „Sherlock Frankenstein und die Legion des Todes“ folgt der Autor seiner selbst gewählten Tradition und legt mit ihr (und dem dazu passenden Cover) eine falsche Fährte, die den Leser zunächst an trashige Zeiten des Comics erinnern soll, aber inhaltlich einen ganz anderen Weg einschlägt.

Wie schon bei „Vergessene Helden“ und „Das Ereignis“ wird Action mehr angedeutet, als präsentiert, während persönliche Tragödien und bizarre Alltagssituationen im Mittelpunkt stehen. So merkt man recht schnell, dass es sich nicht um eine eigenständige Geschichte über den titelgebenden Antagonisten handelt, sondern um die Suche von Black Hammers Tochter Lucy nach ihrem Vater und damit die Erklärung, wie sie auf der abgelegenen Farm bei seinen verschwundenen Helden-Kollegen landen konnte. Sherlock Frankenstein spielt dabei zwar eine Schlüsselrolle, doch wie diese genau aussieht, kann schon im Rahmen von Spoiler-Gefahren nicht genauer definiert werden. Es sei nur so viel verraten: Wie schon bei so gut wie allen Figuren, denen man bei der Lektüre dieser Reihe begegnet, liegen die Dinge nicht immer so, wie man sie zunächst erwartet.

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©Splitter Verlag

Bis man jedoch an diesen Punkt gelangt, begleitet man Lucy auf der Suche nach Antworten durch das berüchtigte Sanatorium von Spiral City, der Heimatstadt der verschwundenen Helden und ihres Vaters. Dort sind die gefährlichsten Schurken des Ortes untergebracht, die ihr helfen sollen, dass Puzzle Stück für Stück zu vervollständigen. Dabei erfährt sie nicht nur immer mehr über Sherlock Frankenstein und was genau beim finalen Kampf gegen „Anti-Gott“ passiert ist (der Punkt des Verschwindens), sondern auch etwas mehr über die Bewohner dieser Welt, die zum einen die Umgebung wirklich lebendig werden lassen und zum anderen auch immer wieder humoristische Elemente preisgeben, die klar machen, dass neben der voranschreitenden Handlung auch die Hommage an Comics nicht zu kurz kommen soll. Eine Figur mit dem Namen „Cthu-Lou„, die eine Mischung zwischen Klempner und kettenrauchenden Version des von H.P. Lovecraft erdachten Monstrums darstellt, sollte in der Hinsicht alles sagen. Doch auch hier werden Klischees und Querverweise an die Popkultur mit einem Twist versehen, der einem das Lachen schnell im Hals stecken bleiben lässt und den Leser daran erinnert, dass nicht alles schwarz und weiß ist. Eine in diesem Sinne tiefsinnige Geschichte, die Elemente verwendet, die zunächst nicht darauf schließen lassen. Ein cleverer Zug von Jeff Lemire, der damit die Qualität seiner Kreation zu unterstreichen weiß.

Was die gegebene Klasse anbelangt, steht auch der Mann am Zeichenbrett dem Autoren in nichts nach. Schon bei einem kleinen Tie-In im zweiten Band, konnte man David Rubíns Können mit Staunen betrachten, während er im Vorliegenden Spin-Off den gesamten Band zeichnen und kolorieren durfte. Dabei schafft er fast schon spielerisch die eigenartige Atmosphäre der Geschichte einzufangen, indem er einen Stil-Mix präsentiert, den ich in der Form noch nie gesehen habe. Eine Mischung aus klassischer Superhelden-Kost, angereichert mit cartoonesken Einschüben, die den benötigten Ernst mit einer Prise Humor versehen. Dadurch schafft Rubín einen Balanceakt, der die Story vorantreibt, den Leser aber immer wieder verweilen lässt, um sich an den meisterhaft arrangierten Bildern zu erfreuen.

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©Splitter Verlag

In dieser Kombination lässt sich nur feststellen, dass „Black Hammer“ sowohl als eigenständige Geschichte, als auch als Spin-Off-Material eine so hohe Qualität beibehält, dass man nicht umhin kommt festzustellen, dass man einer wahren Legendenbildung beiwohnt. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass man diese Reihe in wenigen Jahren zu dem klassischen Kanon zählen wird, die man als Comic-Leser im Regal stehen haben muss.

Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels 
Verlag: Splitter Verlag
Erschienen am: 20.08.2018 
Autor: Jeff Lemire
Zeichner: David Rubín
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 152
Preis: 19,80 EUR

Batman: Das lange Halloween

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Ich glaube an Gotham City.“ Ein Satz, so einfach und doch so verheißungsvoll. Als ich vor etlichen Jahren in der lokalen Bibliothek, die Prestige-Bände des Batman-Klassikers „Das lange Halloween“ in den Händen hielt, konnte ich mich schon damals nicht der zwischen „Der Pate“ und  Film-Noir liegenden Stimmung entziehen.

Diese wurde schon mit der ersten Szene und dem eingangs erwähnten Satz eindrucksvoll zementiert. Ein im Halbdunkel stehender Bruce Wayne, viel schwarze Fläche und ein die komplette Seite füllendes Panel. Ein sowohl für die damalige Zeit (in Deutschland zuerst 1999 bis 2000 in sieben Bänden veröffentlicht) als auch heute noch besonderer Einstieg, der den Stil für eine spannende Geschichte vorgibt, die nicht ohne Grund mehrfach ausgezeichnet wurde und als ein Klassiker des Comic-Genres in die Geschichte eingegangen ist.

Kein Wunder, möchte man sagen, wenn man bedenkt, dass der Autor Jeph Loeb nur zwei Jahre später in Zusammenarbeit mit Jim Lee den nächsten Meilenstein „Hush“ aus dem Hut gezaubert hat. Doch „Das lange Halloween“ nimmt eine ganz besondere Stellung im Kontinuum ein. Warum das so ist, kann man vielleicht erahnen, wenn man auf den Inhalt blickt, der in der Form seinesgleichen sucht.

So beginnt die Storyline, wie schon angedeutet, nicht mit einer wilden Verfolgungsjagd oder anderen typischen Versatzstücken des Superheldencomics, sondern mit einem Gespräch zwischen dem Playboy-Milliardär Wayne und Gothams Mafia-Paten Carmine Falcone, auch „der Römer“ genannt. Es geht um krumme Geschäfte mit Schwarzgeld und Möglichkeiten dieses durch Verbindungen zur Gotham Bank in Umlauf zu bringen. Der vorsitzende Direktor ist offensichtlich angetan von den Vorschlägen des Kriminellen, doch mit den entsprechenden Informationen ausgestattet, wirft sich Bruce kurz darauf in Batman-Schale und stattet ihm einen nächtlichen Besuch ab, der zu einem „Umdenken“ führt. Das sieht der Mafia-Clan natürlich nicht gerne und lässt nicht viel später Taten folgen, die den Bezirksstaatsanwalt Harvey Dent auf den Plan treten lassen.

Und genau ab diesem Zeitpunkt entwickelt sich ein wahrer Thriller um Verrat, Intrigen und die inneren Dämonen aller Protagonisten. Während des Versuchs den Mafia-Boss dingfest zu machen, erschüttert an Halloween ein kaltblütiger Mord nicht nur die Gesetzeshüter, sondern auch die Familie Falcones, da sein frisch getrauter Sohn dem Verbrechen zum Opfer fällt. Wer könnte es gewesen sein? Ein konkurrierender Clan? Korrupte Polizisten oder sogar der junge Anwalt Dent? Jeder ist verdächtig und doch gibt es keine heiße Spur, bis Thanksgiving den nächsten Feiertag einläutet und ein weiteres Massaker nach sich zieht. Langsam dämmert es den Involvierten, dass die gewählten Daten kein Zufall sein können, bis der nächste Mord an Weihnachten ihre Theorie endgültig bestätigt…

Offensichtlich macht der Killer dabei keinen Unterschied zwischen den verfeindeten Parteien auf Gothams Straßen und setzt dabei das zum Dreiergespann angewachsene Team aus Commissioner James Gordon, Harvey Dent und Batman erheblich unter Druck. So gut wie jeden Monat steht ein neuer Feiertag im Kalender und dadurch immer ein potentiell neues Opfer, dass das Grauen von Halloween immer weiter verlängert. Wie um die Ermittler zu verhöhnen, hinterlässt der Täter dabei immer kleine symbolhafte Geschenke wie einen Kürbis oder eine Schneekugel, sowie eine Waffe mit weggeschliffener Seriennummer und einen als Schalldämpfer verwendeten Babynuckel.

Im Laufe der Ermittlungen begegnen dem Leser dabei auch ikonische Figuren aus dem Batman-Universum, doch keiner scheint wirklich zu wissen, wer die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Das versetzt sogar einige Schurken in Panik oder lässt bei den besonders psychopathischen Exemplaren den Neid schwellen. Damit gerät ausnahmslos jeder Protagonist in Verdacht. Selbst ein Bruce Wayne oder Selina Kyle aka Catwoman bilden keine Ausnahmen.

Daher ist Eile geboten, um die Stadt wieder sicher zu machen, wobei dies in der kurz nach Frank MillersBatman: Year One“ angesiedelten Geschichte aussichtslos erscheint. Seit Batman auf die Bildfläche getreten ist, scheinen Verbrecher der „klassischen“ Sorte immer weniger zu werden, während Freaks wie Scarecrow, Solomon Grundy oder der Joker das Angesicht der dunklen Seite der Stadt definieren.

Was es in dem Zusammenhang für Wendungen gibt, ob der Killer wirklich gefasst werden kann und wie sich Charaktere unter dem Druck der Ermittlungen entwickeln, sollte der geneigte Leser selbst herausfinden, denn der Reiz der Geschichte liegt im Unerwarteten. Hier kommen vor allem Fans der Erzählweise von Regisseur Christopher Nolan auf ihre Kosten, da der gute Mann sich ordentlich an Einzelpassagen von „Das lange Halloween“ bedient hat und vor allem bei „The Dark Knight“ die Stimmung des Comics perfekt zu übertragen weiß. Düster, hart und spannend bis zum Schluss. Anders kann man diese Geschichte nicht bezeichnen.

Doch keine noch so gute Erzählung kann in Comic-Form fumktionieren, wenn nicht der passende Künstler für die visuelle Umsetzung gefunden werden kann. Das ist aber im vorliegenden Fall zum Glück gelungen, denn Tim Sales unverkennbarer Stil aus viel Schatten und toller Dynamik sorgt dafür, dass die beschriebene Stimmung ungefiltert beim Leser ankommt und die anfangs erwähnten Assoziationen mit dem Film Noir weckt. Ein passenderer Künstler aus heutigen Tagen will mir nicht einfallen und muss es auch nicht, denn „Das lange Halloween“ wird nicht ohne Grund alle paar Jahre neu aufgelegt und höchstens mit einer überarbeiteten Übersetzung (wie im vorliegenden Fall) verfeinert. Ein zeitloses Dokument der Comic-Historie muss sich definitiv nicht mit anderen messen.

Daher ist es nicht nur eine klare Kaufempfehlung für Fans des dunklen Ritters, sondern für Comic-Fans im Allgemeinen, die sich hier bei einer Abneigung gegenüber Cape-Trägern eines besseren belehren lassen können. Wer danach nicht genug von den Machern bekommen kann, dem sei mit der Fortsetzung „Dark Victory“ ein Band mit ähnlichem Umfang ans Herz gelegt.

Alles in allem kommt man an diesem großartigen Werk nicht vorbei und sollte es sich schnellstmöglich ins heimische Regal stellen!

Batman: Das lange Halloween (in überarbeiteter Übersetzung) 
Verlag: Panini Comics 
Erschienen am: 20.03.2018 
Autor: Jeph Loeb 
Zeichner: Tim Sale 
Format: Softcover 
Seitenzahl: 364 
Preis: 35 EUR

 

Spawn Origins Collection 11

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Seit ich ZOMBIAC als Blog eröffnet und dabei Spawn-Titel (allesamt bei Panini Comics erschienen) rezensiert habe, trieb mich die Angst um, dass sich der deutsche Verlag sklavisch an die Veröffentlichungen aus den USA halten und damit die „Origins Collection“ mit dem zehnten Band zu Grabe tragen würde. Allein vor dem Hintergrund eines ungelösten Cliffhangers, wäre dies zu beanstanden gewesen, doch offensichtlich sprechen Fan-Resonanz und Verkaufszahlen eine so deutliche Sprache, dass der deutsche Markt exklusiv die edle Hardcover-Sammlung eigenständig fortführen darf.

Eine Entscheidung, die mich als Fan der Reihe sehr freut, aber auch explizit als Comic-Leser positiv überrascht, da Panini Comics eher dafür bekannt ist, bestimmte Titel garnicht in den hiesigen Markt zu übertragen, da die Gefahr eines Minus-Geschäfts besteht. Wirtschaftlich verständlich aber in vielen Fällen durchaus schade. Ich persönlich habe zwar zum Beispiel sowohl sprachlich (Englisch-Studium) als auch organisatorisch (Comic Company München) keine Probleme die Originale zu besorgen, aber einem großen Teil der Fan-Community bleibt dadurch so manche Perle für immer verborgen. Daher erstmal einen großen Dank nach Stuttgart für dieses Wagnis!

Doch was erwartet uns in diesem exklusiven Release, der zu den dickeren Ausgaben der Sammlung zählt und die US-Hefte 126 bis 138 beinhaltet? Nun, es wäre nicht die größte und wichtigste Antihelden-Saga der Comic-Welt, wenn nicht gleich mit ordentlich Pathos vorgelegt werden würde. Passend zur ursprünglichen Veröffentlichung im Juli 2003  (4th of July, anyone?) entführt uns der Autor Todd McFarlane durch eine Art Vision in die Kriegstage von Vietnam und damit in die militärische Vergangenheit von Al Simmons, dem späteren Spawn. Hier stellt sich unser Protagonist dem fieberhaften Albtraum der Gefechte und zeitgleich der Armee der Toten, was die ganze Situation zu einer wahnwitzigen Mischung aus Realität und Fiktion werden lässt.

Auch in den darauf folgenden Geschichten wird zunächst in die Tiefe einzelner Charaktere und vergangener Events geblickt, um den Facettenreichtum der fortschreitenden Handlung zu unterstreichen. Dabei greift McFarlane sowohl Drama-Elemente (Familien-Tragödien usw.), als auch die beliebten Horror-Versatzstücke auf, für die ihn seine Fans so lieben. Wo kann man sonst auf ein von Geistern belebtes Haus treffen, in dem sich ein Showdown zwischen Meta-Wesen und Höllenfürst abspielt? Große Szenen mit B-Movie-Touch, wie man es sich wünscht!

Doch auch die Haupt-Story lässt nichts anbrennen, wenn alte Bekannte auf der Bildfläche erscheinen und dabei grausamer agieren, als jemals zuvor. Allein schon der Fakt, dass hier endlich eine Geschichte präsentiert wird, auf die man seit dem Erscheinen des „Clowns“ nur gewartet hat, sollte dem ein oder anderen Freudentränen in die Augen treiben. Eine zu einem Horror-Zirkus verwandelte Großstadt und Kannibalen-Witze? Könnt ihr haben und noch viel mehr!

Serviert wird das Ganze visuell dabei auf dem Zeichentisch von Angel Medina, der mich als Künstler vor gut 15 Jahren das erste Mal mit seiner plastischen und detailverliebten Art gefesselt hat und bis heute fasziniert. Zwar lehnt er sich, wie Greg Capullo zuvor, stark an den ursprünglichen Stil von McFarlane an, spielt aber in meinen Augen noch viel mehr mit überdimensionalen Panels und extremen Nahaufnahmen, die den Spawn-Stil unverkennbar machen.

Und auch in Band 11 dürfen die beliebten Extras in Form von Variant-Covern und Tusche-Zeichnungen nicht fehlen, die einen detaillierteren Blick auf die Entstehung einzelner Elemente freigeben und dadurch auch den Fans der technischen Seite des Mediums Comic genug Anreize bieten, sich dieses edle Hardcover im Überformat ins Regal zu stellen. Ich für meinen Teil bin auch nach Jahren noch von Inhalt und Aufmachung begeistert und kann es nicht erwarten, den zwölften Band in den Händen zu halten. Bis dahin verbleibe ich mit einer Kaufempfehlung für den aktuellsten Release!

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Verlag: Panini Comics
Erschienen am: 22.05.2018 
Autor: Todd McFarlane
Zeichner: Angel Medina
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 340
Preis: 35 EUR

Mark Millar Collection 6: Civil War

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Mark Millar ist ein Name, der inzwischen auch außerhalb der Comic-Kreise  Bekanntheit erlangt hat. Erst vor kurzem hat er in Zusammenarbeit mit Netflix (ja, dem Streaming-Service) „The Magic Order“ unter die Leute gebracht und mit den damit einhergehenden, eher unkonventionellen Werbemaßnahmen einen der erfolgreichsten Releases der letzten Jahre fabriziert. Nicht schlecht für das Medium Comic, welches durch Digitalisierung und Abebben von Trends, zumindest in den USA, eher rückläufige Verkaufszahlen zu verzeichnen hat.

Nun ist Millar aber sowieso nicht irgendwer, sondern das Mastermind hinter extrem erfolgreichen Franchises wie „Kick-Ass“ oder Hits wie „Wanted“ oder „Kingsman„. So gut wie alle seine Kreationen wurden entweder verfilmt oder gelten als Meilensteine, die ihresgleichen suchen. Auch außerhalb der eigenen Storys wurde er umtriebig und arbeitete sich nicht zuletzt auch an Ikonen der „großen zwei“ (DC und MARVEL) ab. Dazu zählen zum Beispiel „Wolverine“ mit „Staatsfeind“ oder „Genosse Superman„. Das was aber all seine Erzählungen gemeinsam haben, ist ihre ungewöhnliche Handlung, die sowohl im Bereich der Superhelden, als auch im Allgemeinen immer einen Twist bereit hält, der ohne wirklich greifbar zu sein, immer auf Millar schließen lässt.

Selbiges gilt auch für den sechsten Teil der großartigen „Mark Millar Collection“ mit dem vor allem heutzutage jedem bekannten Titel „Civil War„. Und nein, es ist kein Zufall, dass ein großes MARVEL-Filmevent unter dem gleichen Namen firmierte. Zumindest die Basis der Handlung kann in diesem Band gefunden werden, während der Großteil der ursprünglich im Jahr 2006 veröffentlichten Story nur im Comic vorhanden ist.

Diese greift gleich schon zu Beginn ein damals präsentes Phänomen in Form des Reality-TV auf. Während man heute den eigenen voyeuristischen Neigungen bei YouTube frönt, griff man vor über zehn Jahren auf pseudo-reale Dokumentationen zurück, die man sich auf privaten Fernsehkanäle zu Gemüte führen konnte.

Bei einem dieser Drehs beteiligt sich auch ein Haufen eher semi-bekannter Superhelden, die bei einem mitgefilmten Einsatz gegen ein paar Schurken, zu einer tödlich verlaufenden Eskalation beitragen, bei der hunderte Menschen ihr Leben verlieren.

Die ohnehin gegenüber maskierten Vigilanten misstrauisch eingestellte Gesellschaft empfindet diese Tragödie daraufhin als einen Wendepunkt im Umgang mit den gesetzlosen Maskenträgern und verlangt die Registrierung der Superhelden, die ab dem Zeitpunkt eine offizielle und damit zu kontrollierende Instanz darstellen sollen. Selbstverständlich ist ein Großteil von ihnen alles andere als begeistert von dieser Idee, denn ihre Masken schützen nicht nur ihre eigene Identität, sondern auch die Leben ihrer Freunde und Verwandten, die ab dem Zeitpunkt der Enttarnung schutzlos ihren ärgsten Feinden ausgeliefert wären.

Daher ist es kein Wunder, dass ein Teil der uns bekannten Beschützer sich dazu entschließt, sich dieser neuen Maßnahme zu verweigern und sich offiziell gegen das System zu stellen. Allen voran der US-amerikanische Posterboy „Captain America„, dessen Rolle hier nicht wirklich überrascht. Denn hier repräsentiert er das ur-amerikanische Ideal der Freiheit, das auch keine Regierung als Einschränkung duldet.

Auf der gegenüberliegenden Seite finden wir „Iron Man„, der einen höheren Sinn in der von übergreifenden Instanzen kontrollierten Regelung sieht. Weniger Schaden, mehr zielgerichtete Aktionen und das Vertrauen der Bevölkerung durch absolute Transparenz. Eine hehre Vorstellung, die aber nur so vor Obrigkeitshörigkeit trieft und damit automatisch zum Konflikt mit dem oppositionellen Lager rund um „Cap“ führt.

So kommt es zu etwas, was unvermeidbar ist. Mitten durch Freundschaften und Familien zieht sich eine Linie, die sich am Umgang mit der neuen Situation teilt und zwei Lager entstehen lässt, die sich zum Teil sogar bekämpfen müssen, während die eigentlichen Feinde aus dem Fokus geraten. Daraus resultiert schlussendlich das, was der Titel des Bandes schon weit voraus nimmt: Ein Bürgerkrieg, wie man ihn noch nie gesehen hat…

Der Band bietet hierbei den gesamten Hauptstrang der Story, der sich auf knapp über 200 Seiten erstreckt und dabei aufzeigt, dass auch in einer Superheldengeschichte Platz für Sozialkritik und politische Seitenhiebe vorhanden sein kann. Typisch für Millar wird dabei konsequent die politische Korrektheit weit umschifft, ohne dabei den Fehler zu machen, sich auf rein plakative Szenen zu verlassen. Zeitgleich schafft er es eine Zeitlosigkeit einzubringen, die dafür sorgt, dass auch gut 12 Jahre nach dem ursprünglichen Release nichts altbacken wirkt.

Dafür sorgt aber auch nicht zuletzt der Zeichner Steve McNiven, der schon zuvor mit Millar den modernen Klassiker „Old Man Logan“ geschaffen hat und auch im vorliegenden Band mit seinem unvergleichlichen Stil nichts anbrennen lässt. Obwohl er auf den ersten Blick den reinen Superhelden-Mainstream bedient, schafft er es immer wieder Elemente einzubauen, die das Gesamtbild dreckiger und damit greifbarer erscheinen lassen. Eine Gabe, die sowohl dem Genre gerecht wird, dieses im nächsten Schritt aber sogar visuell auf eine relevantere Ebene hebt.

Und wenn dieses Paket immer noch nicht reichen sollte, findet man im Anhang, wie schon bei den Vorgänger-Bänden eine Fülle an Bonusmaterial, die sich aus einer Cover-Galerie und einem üppigen Kommentar-Teil zusammensetzt, in dem die Macher einzelne Aspekte der Handlung genauer erklären.

In diesem Sinne handelt es sich bei dem sechsten Band der edlen „Mark Millar Collection“ um ein wahres Prachtstück, dass in keiner Sammlung fehlen darf und daher ein Pflichtkauf ist!

Mark Millar Collection 6: Civil War 
Verlag: Panini Comics
Erschienen am: 24.04.2018 
Autor: Mark Millar
Zeichner: Steve McNiven
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 292
Preis: 35 EUR

American Gods – Schatten Buch 2 (von 2)

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Fleißige Serienjunkies kennen den Titel des finalen Bands von Neil Gaiman spätestens seit dem gleichnamigen Release auf Amazon Prime Video und erfreuen sich seitdem am blutig-okkulten Feuerwerk „American Gods„.

Trotzdem wissen erstaunlich wenig Fans um den Fakt, dass die Geschichte ursprünglich als Roman ihren Weg in die Läden fand und der vorliegende Comic sich deswegen nicht an der Serie, sondern an der Ursprungsveröffentlichung des „Sandman„-Erfinders Gaiman orientiert.

Schon der erste Band, den ich im Zuge des Gratis Comic Tags 2018 in einem YouTube-Video besprochen habe, hat mich positiv überrascht. Zunächst von der Fantasy-Aufmachung des Titels abgeschreckt, habe ich eine ganze Weile einen Bogen um diesen Splitter-Release gemacht, bis ich mich im nachhinein extrem darüber geärgert habe, meinen Horizont selbst derart beschränkt zu haben. Nun bin ich, was Vorurteile anbelangt, eines besseren belehrt worden und habe mir sofort nach Release den Abschluss der tollen Geschichte geholt, die unter dem Titel „Schatten Buch“ firmiert.

Hier wird der Leser genau an der Stelle abgeholt, wo er zum Ende des ersten Bands zurück gelassen wurde. Der Hauptprotagonist Shadow ist, nach mehrjähriger Haftstrafe und dem Tod seiner Frau, immer noch mit seinem geheimnisvollen neuen Arbeitgeber Mr. Wednesday unterwegs. Auf eben dieser Reise begegnen die zwei immer wieder alten Bekannten von Shadows Chef, die sich mal mehr oder weniger verdeckt, als im zivilen Leben angepasste Götter der alten Welt herausstellen. Ob nun ehemaliger Schlächter oder alte Hausfrau – jeder hat sein Plätzchen gefunden. Nun versucht Mr. Wednesday die alten Recken zusammenzutrommeln, um sich den neuen Göttern der Moderne entgegenzustellen. Diese sind nicht mehr die mystischen Gestalten einer Mischung aus Traum und Albtraum, sondern die flimmernden Götzen des Konsums.

Zu Beginn von Band 2 befinden wir uns am Zielort des Treffens der alten Götter, die aber bei weitem nicht so zahlreich erschienen sind wie erhofft. Daher geht die Reise schon nach kurzer Zeit weiter und führt das Duo in das abgelegene Nest Kairo, dass seinem Namen durch die Anwesenheit einiger ägyptischer Gottheiten, die sich als Bestatter verdingen, mehr als gerecht wird. Hier scheint auch für Shadow so etwas wie Ruhe greifbar zu sein, indem er sich den nun menschlichen Überwesen anschließt und ihnen bei ihrer Arbeit unter die Arme greift.

Doch die Geschichte wäre nicht so spannend, wie sie nun mal ist, wenn hier alles nach Plan laufen würde. So platzen unverhofft alte Bekannte in Shadows neues Leben, neue Bekanntschaften lassen ihn an seinem Verstand zweifeln und die aktuelle Umgebung scheint auch nicht der Normalität zu entsprechen, die er sich so sehr wünscht…

Mehr zum eigentlichen Inhalt zu verraten, würde fast schon unter Spoiler fallen und der Komplexität der dargestellten Ereignisse einfach nicht gerecht werden. Daher sei als Ergänzung nur noch erwähnt, dass man im Verlauf der Handlung nicht nur Shadow über die Schulter blicken kann, sondern auch mit kleinen Rückblenden erklärt bekommt, wie sich die Götter und andere Wesen der alten Welt in den USA der Gegenwart eingerichtet haben. So wird dem Ganzen eine weitere Facette und damit zusätzliche Tiefe verliehen, die das Konstrukt um „American Gods“ noch durchdachter erscheinen lässt, als es ohnehin schon der Fall ist.

Das spricht vor allem für Neil Gaimans genialen Geist, der es schafft, sich konstant und über mehrere Medien hinweg zu beweisen und damit deutlich zu machen, dass eine gute Geschichte in jeder Erzählform funktionieren kann.

Natürlich werden aber Projekte, wie das hier vorliegende, nur selten alleine umgesetzt. Daher stand dem Großmeister unter anderem P. Craig Russell zur Seite, der die Ideen und Dialoge Gaimans in Skript und Layouts verschmelzen ließ. Doch was nützt das schönste Comic-Skript, wenn nicht der passende Zeichner mit an Bord ist? Doch auch hier wurde nicht gekleckert, denn mit Scott Hampton hat man die perfekte Besetzung gefunden, um die Stimmung der Handlung optimal an den Leser heranzutragen.

Dabei füllt er die Panels mit recht groben und flächigen Pinselstrichen, die in ihrer Gesamtheit eine tolle Komposition ergeben, die die Surrealität der Ereignisse perfekt einfängt, ohne zu sehr von der eigentlichen Geschichte abzulenken.

Garniert wird der Band außerdem mit einem reichhaltigen Bonusteil, der einen Haufen Variant-Cover der US-Ausgaben, sowie Skizzen-Entwürfe und Original-Seiten enthält, die den Entstehungsprozess einzelner Panels und Abschnitte wiedergeben.

Alles in allem liegt hier ein schöner Abschluss-Band vor, der aber so offen gelassen ist, dass einer Fortsetzung zumindest in der Theorie nichts im Wege steht. Visuell und erzähltechnisch wurde hier in jedem Fall ganze Arbeit geleistet, die von der ersten bis zur letzten Seite zu unterhalten weiß und einem als Leser erneut vor Augen führt, wie viele Arten an Storys es gibt, die durch grafische Literatur zum Leben erweckt werden können. Eine klare Empfehlung meinerseits, die sich schön im Regal macht und mit zwei Bänden auch für die Sammler nicht zu sehr auf dem Geldbeutel lastet.

American Gods - Schatten Buch 2 (von 2) 
Verlag: Splitter Verlag
Erschienen am: 23.04.2018 
Autor: Neil Gaiman, P. Craig Russell
Zeichner: Scott Hampton
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 152
Preis: 19,80 EUR

Am liebsten mag ich Monster

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Graphic Novel. Ein Begriff unter dem sich aktuell scheinbar jeder etwas vorstellen kann, aber doch keiner so genau weiß, wie er oder sie das Medium exakt beschreiben soll. Für die einen ist es einfach ein Terminus, den sich der Feuilleton zu eigen gemacht hat, um sich vom immer noch belasteten Begriff des Comics abzugrenzen, obwohl es sich schlussendlich um die ein und dieselbe Sache handelt. Für die anderen ist es eine Art grafisch aufbereiteter und in sich geschlossener Roman, der die Bilder aus dem Kopf des Autoren aufs Papier wandern lässt.

Am Ende des Tages liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, lässt aber auf beiden Seiten einen wichtigen Aspekt außer acht, der Bände wie den hier vorliegenden „Am liebsten mag ich Monster“ von Emil Ferris zu etwas ganz besonderem macht. Eine Erzählung aus der Sicht eines jungen Mädchens namens Karen Reyes, die zunächst mit einem unschuldigen Anstrich den Leser auf eine falsche Fährte lockt, um im Laufe der Handlung mit einem Vorschlaghammer an Emotionen die Vielzahl an Facetten des Erstlingswerks der Autorin und Zeichnerin offenzulegen.

Dabei folgen wir nicht einfach einer Figur von Panel zu Panel, sondern lesen quasi in Karens Tagebuch, dass im Stil eines Ringblocks aufgemacht ist und ihre Alltagsbeobachtungen, sowie intimsten Gedanken zu Familie, Freunden und der Liebe beinhaltet. Dazwischen platziert sie eine Vielzahl an Monster- und Pulp-Zeichnungen, die auf trashigen Postern und Magazin-Covern basieren. So wird man langsam an die Familiensituation herangeführt, sieht die holprigen Versuche Freundschaften zu etablieren und die Entdeckung der eigenen Andersartigkeit in Form einer aufkeimenden Homosexualität. Die Selbstdarstellung als ein mit Reißzähnen bewaffnetes kleines Monster ist dabei eine offensichtliche Metapher für die erfahrene Ausgrenzung in der unmittelbaren Umgebung, die empfundene Andersartigkeit in Bezug auf ihre sexuellen Empfindungen, aber auch ein imaginierter Schutz vor der als unfair und gefährlich empfundenen Welt der 1960er-Jahre in den USA.

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©Panini Comics

Ab einem gewissen Zeitpunkt vollzieht sich jedoch ein schleichender Bruch, der die Coming-of-Age-Geschichte in Richtung Murder-Mystery führt, als Anka Silverberg, die Nachbarin der Reyes (bestehend aus Karen, ihrer Mutter und ihrem Bruder) ermordet wird. Dies ist gleichzeitig der Ausgangspunkt für einen Film-Noir-artigen Handlungsstrang, in dem Karen sich als Detektivin betätigen möchte, um das Geheimnis um den Tod der deutschen Immigrantin aufzuklären.

Dabei schlittert man mit ihr durch ein von sozialen Problemen durchzogenes Chicago, dass kein relevantes Thema der Zeit außen vor lässt und mit historische Ereignissen als Authentizitätsbeweise durchzogen ist. Auf diesem Weg begegnet sie nicht nur die in ihrem Kopf spukenden, sondern auch den ganz realen Monstern dieser Welt. Diese lassen sich aber auch in der Vergangenheit finden, in die Karen durch das Anhören alter Kassetten abtaucht, um weitere Hinweise in ihrem Fall zu erlangen. Dabei wird die desaströse Kindheit und Jugend von Anka Silverberg während der Weimarer Republik und den Jahren der NS-Herrschaft nachgezeichnet, die in ihrer Wucht bezüglich Themen wie Kindesmissbrauch oder Antisemitismus allein schon wegen dem Kontrast zu Karens eigener Geschichte beim Leser einschlägt wie eine Bombe und sich angereichert mit erschütternden Details fast bis zum Schluss des Bandes durchzieht.

Weitere Details zum Inhalt möchte mir ab diesem Zeitpunkt sparen, um die Spannung beim lesen zu erhalten und die weiter oben erwähnte „Mystery“ ihrem Namen gerecht werden zu lassen.

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©Panini Comics

Bezüglich der visuellen Aufmachung ist es schwer in Worte zu fassen, was Emil Ferris hier auf ganzen 420 Seiten zu Papier gebracht hat. Vielleicht ging es ihr bei der Erstellung von „Am liebsten mag ich Monster“ ähnlich, denn hier nutzt sie die Eigenarten des Comics bis zum äußersten aus und zeigt damit auf, dass grafische Literatur ein eigenständiges Medium ist, dass Möglichkeiten bietet Dinge darzustellen, die in Worten kaum zu beschreiben sind. Allein die Tatsache, dass wir Karens gezeichnetes Tagebuch in den Händen halten, bietet uns die Möglichkeit die Welt durch die Augen des Hauptcharakters zu betrachten. So schwankt die Darstellung ihres idealisierten Bruders vom Helden zum Monster und zurück, ein Besuch im Museum wird zum wortwörtlich greifbaren Ereignis und es ist nie die Sicherheit gegeben, dass Freunde und Bekannte bezüglich ihres Aussehens nicht gerade gänzlich auf der Interpretation von Karen  basieren. Genau dieses Spiel zwischen Fiktion und Realität macht den zusätzlich Reiz aus, der Comics (oder Graphic Novels wenn man darauf besteht) für sich einzigartig macht.

Neben dem sicheren Umgang mit dem Medium, erweist sich Emil Ferris neben ihrem Talent als Autorin, auch noch als großartige Künstlerin, die offensichtlich kein Problem damit hat zwischen Cartoons, photorealistischen Momentaufnahmen und Reinterpretationen berühmter Kunstwerke zu springen, aber am Ende doch ein Gesamtbild zu erzeugen. Mit Blei- und Buntstift bewaffnet, hat sie es geschafft jede Seite extrem individuell zu gestalten, aber trotzdem in einen Fluss zu setzen, der angenehm von Kapitel zu Kapitel gleitet und den Leser zeitgleich motiviert mit Karen weitere Geheimnisse offen zu legen.

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©Panini Comics

Alles in allem handelt es sich bei „Am liebsten mag ich Monster“ daher um nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, dass nicht ohne Grund für den prestigeträchtigen „Hugo“-Award nominiert wurde. Daher ist es eigentlich fast unglaublich, dass die Künstlerin mit Mitte fünfzig hier ihren ersten Band vorgelegt hat. In diesem Sinne darf man darauf hoffen, dass noch zahlreiche Nachfolge-Ausgaben ihren Weg in die Bücherregale der Leser finden werden, denn von diesen wird es nach der Lektüre dieses Titels nicht wenige geben. Eine klare Kaufempfehlung!

Am liebsten mag ich Monster
Verlag: Panini Comics 
Erscheint am: 25.06.2018 
Autorin und Zeichnerin: Emil Ferris
Format: Softcover 
Seitenzahl: 420 
Preis: 39 EUR

Suicide Squad Paperback 1: Die stählerne Gruft

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Das Rebirth-Universum von DC-Comics baut sich immer weiter auf und etabliert mehr und mehr Serien, die Neuleser hinzugewinnen und alte Fans bei der Stange halten sollen. Eine zumindest im Mainstream relativ neu angesiedelte Reihe dreht sich dabei um die Taskforce X, die besser unter dem Namen Suicide Squad bekannt ist.

Spätestens seit dem Kinodebüt dieses Antihelden-Teams sieht man mehr oder weniger gelungene Cosplay-Versionen von Joker und Harley aus dem Boden sprießen und Fans nach mehr Stoff rund um die Psychopathen-Bande gieren, obwohl die Kritik am Streifen alles andere als milde ausfiel.

Nun ja. Comics und Filme sind zwei Paar Schuhe. Daher soll im Folgenden die Kritik am ersten Paperback „Die Stählerne Gruft“ (und damit den ersten Heften der neuen Reihe) gänzlich ohne Verweise auf David Ayers Werk auskommen.

Wobei…eine Parallele, die auch im Vorwort des Bands Erwähnung findet, möchte ich herausheben. Für den ersten Teil der Handlung ist am Zeichenbrett niemand geringeres als Jim Lee verantwortlich, Herausgeber bei DC Comics und DER Name, wenn es um actiongeladene Kämpfe mit und um Antihelden in den 90er Jahren geht. Viel Pathos, Einzeiler zum Fremdschämen und dicke Wummen waren das Rezept der Wahl, wenn es um Comics bis zur Jahrtausendwende ging. Genau diesen Rückgriff auf bewährte Mittel führten die Macher nun fast zwanzig Jahre nach der Hochphase dieses Trends durch und zeigen auf, dass alt nicht gleich altbacken sein muss.

Nun aber mal zum Inhalt. „Die stählerne Gruft“ beginnt mit einer Diskussion zwischen Amanda Waller, der Initiatorin des psychopathischen Selbstmordkommandos und dem ehemaligen (zu diesem Zeitpunkt in den letzten Zügen seiner Amtszeit) Präsidenten der vereinigten Staaten, Barack Obama. Dieser erfährt quasi kurz vor knapp von der Existenz der Taskforce X und möchte diese sogleich auflösen. Geschickt ringt ihm Waller jedoch einen Kompromiss ab, indem sie den Bösewichten den bis dato inhaftierten Colonel Flagg zur Seite stellt, der als eine Art Aufpasser fungieren soll, während die streng geheimen Missionen rund um Harley Quinn, Enchantress, Killer Croc, Deadshot und Captain Boomerang durchgeführt werden.

Eben eine dieser Missionen verschlägt die Gruppe in ein Unterwassergefängnis in Russland, dass von niemand geringerem bewacht wird, als dem sowjetischen Gegenstück der Suicide Squad mit dem klingenden Namen Annihilation Brigade. Um noch ein wenig in Klischees rumzuwaten haben die Mitglieder sich ein paar schöne Alias-Titel wie Gulag, Tankograd und Cosmonut zugelegt. Doch für einen wirklichen Kampf bleibt tatsächlich gar nicht so viel Zeit, nachdem schnell festgestellt wird, was hier eigentlich vervorgen wird: Die Superhackerin und Harley-Fan Hack (nicht mit dem Fleischgericht zu verwechseln) und General Zod, der in der Phantom-Zone sein Dasein fristet.

Nach einem kurzen, aber unterhaltsamen Gefecht, schaffen es die Irren beide Gefangenen in die USA zu transportieren, wo Waller auf den tollen Einfall kommt, die Neuankömmlinge in die Taskforce X zu integrieren. Kein Problem bei Hack, die ohnehin Superschurkin werden möchte, aber bei Zod gestaltet es sich reichlich schwierig, als die Phantom-Zone, aus der er gezogen wurde, alle Anwesenden in der Geheimanlage durchdrehen und jeden jedem an die Gurgel gehen lässt. Mit einer einzigen Ausnahme: Harley Quinn. Die Clownprinzessin des Verbrechens scheint nämlich ins genau Gegenteil verkehrt worden zu sein und kann plötzlich klar denken und ist damit die einzige Hoffnung, die Lage zu entschärfen…

So viel erstmal zur Geschichte, ohne zu viel vorweg zu nehmen. Eins muss jedoch noch erwähnt werden. Um dem Ganzen eine gewisse Tiefe zu verleihen, werden sowohl dazwischen, als auch im Nachgang die Origin-Storys der einzelnen Charaktere (aber nicht alle) eingeflochten und bieten dadurch eine gewisse emotionale Nähe zu Katana, Killer Croc und Co. Vor allem ist sowas im Kontext der fast durchgehenden Klopperei bitter nötig, um nicht in zu generische Gefilde abzuwandern und die eigene Bedeutungslosigkeit einzuleiten.

In diesem Sinne ist mit dem ersten Paperback zur Suicide Squad ein solides Produkt veröffentlicht worden (für 17,99€ als Softcover), dass als unterhaltsamer Action-Snack durchgeht, aber darüber hinaus noch beweisen muss, ob es für einen längerfristigen Erfolg reicht. Ich für meinen Teil bleibe ein wenig skeptisch, da Schießereien und abgedrehte Situationen für sich Spaß machen, aber auf Dauer nicht zu überzeugen wissen, solange nicht eine spannende Geschichte das Konzept zusammenhält. In jedem Fall darf man gespannt sein, ob sich die Reihe außerhalb des popkulturell befeuerten Ruhms etablieren kann.

 

Torpedo 1972

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Ich muss gestehen, dass ich bis zum Release des vorliegenden Bandes noch nie etwas von „Torpedo“ gehört habe. Eine Geschichte um den eiskalten Auftragskiller Luca Torelli, dessen Moralvorstellungen auch außerhalb seiner Profession zu wünschen übrig lassen.

Schon 1981 betrat die Figur des Autors Enrique Sánchez Abulí die Bühne und eroberte die Comic-Szene im Sturm. Fast zwanzig Jahre kooperierte Abulí dabei mit dem Zeichner Jordi Bernet, der jedoch für eine erneute Zusammenarbeit leider nicht bereit war. Diesen Part übernahm nun der Ausnahmekünstler Eduardo Risso („Dark Night – A True Batman Story„, „100 Bullets„), den das Comicfestival München, genauso so wie den Autoren, im nächsten Jahr als Gast begrüßen darf.

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© Cross Cult

Worum geht es aber genau? Der ursprüngliche Titel der Reihe „Torpedo 1936“ nimmt insoweit etwas voraus, dass die vorangegangene Handlung 30 Jahre zuvor gespielt hat und damit während einer Zeit, in der es die typischen Film Noir (Anti-) Helden en masse gab. Abgebrühte Kerle, mit nervösem Finger am Abzug, einer zynischen Sichtweise auf das Leben und fehlendem Respekt vor der Frauenwelt. In diesem Sinne eine Kombination, die nicht so recht in die Welt der 70er zu passen scheint und damit einen Kontrast herstellt, an dem sich der Leser reiben kann.

Das wird in einer schönen Hommage an die teils fiktive („Der Pate„) und teils reale Welt des kriminellen Untergrunds, der in vielen Medien Beachtung fand und damit Legendenstatus erreichte, verpackt und dem Betrachter entgegen geworfen. So sieht man lustige Szenen, in denen der nun alte, verarmte und an Parkinson leidende Torpedo im Park sitzt und die ihm erhaltene Geschwindigkeit seiner Hände dazu nutzt Tauben zu erschlagen, die ihm von seinem Partner/Lakeien Rascal  für ein Mahl zubereitet werden. Auf der anderen Seite lernt man einen verbitterten, hasserfüllten Mann kennen, der sich im fragwürdigen Ruhm vergangener Tage sonnt und diesen zum Anlass nimmt sich Frauen auch gerne mal mit Gewalt zu nehmen. Um wie zu beweisen, dass Torpedo in seiner nihilistischen Herangehensweise tun und lassen kann, was er will, während seine gerechte Strafe auch im Alter auf sich warten lässt, stellt Abulí ihm einen Journalisten entgegen, der zwar nicht wirklich über einen moralischen Kompass verfügt, aber gewillt ist, den Knacker ein für allemal für seine Verbrechen (vor allem speziell für ein privates) büssen zu lassen. Dabei hat er jedoch nicht bedacht, dass es genau die Regel ist, auf alles und jeden zu scheißen, was der Gesellschaft heilig ist, die ihn so viele Dekaden unbeschoren hat walten lassen. Die Konsequenz drückt sich dabei wie so oft in Sex, Kugeln und einer Menge Blut aus, die nicht zwischen schuldig und unschuldig zu unterscheiden weiß.

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© Cross Cult

Genau diese Kompromisslosigkeit lässt Leser, die mit der Figur noch nicht in Berührung kamen, durchaus manchmal schlucken, wenn sie insbesondere Themen begegnen, für die sie zum Beispiel durch die #metoo-Debatte sensibilisiert wurden. Dabei muss man einen Schritt zurück treten und sich exakt ansehen, was der Autor zu sagen versucht, wenn man nicht reflexartig in eine Empörungshaltung verfallen möchte. Wir sehen nicht einfach irgendeinen alten Bösewicht, der tattrig seinen Lebensabend genießt, während er sich an alte Abenteuer erinnert, sondern ein wahres Monster, dass ganz reale Verbrechen in einem fiktiven Kosmos begeht. Um sich dabei nicht den Vorwurf des billigen Schockers oder Voyeur-Befriedigers anhören zu müssen, werden bei expliziteren Szenen, zumindest wenn es um Sexualverbrechen geht, die Panels nicht mit der Darstellung der Taten, sondern Andeutungen im Sinne von Sounds und abgeschnittenen Bildern befüllt. Als Leser fühlt man sich nicht weniger angewidert von dem Geschehen, wird aber nicht wie in einem billigen Underground-Comic mit dem Offensichtlichen erschlagen, was zur Klasse des Bandes beiträgt, der sich ständig einer Gratwanderung ausgesetzt sieht.

Als ob das nicht reicht, wir dem Szenario noch ein ausführliches Vorwort vorangestellt, dass die Figur und den Kontext noch genauer in Augenschein nimmt. Auch das Ende bleibt nicht bei einer letzten Seite der Story, sondern wird mit einigen Zeichnungen Rissos und einer Kurzgeschichte, die nie visualisiert wurde, abgerundet.

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© Cross Cult

Alles in allem kann man sagen, dass es sich handwerklich auf jeder Ebene um ein gelungenes Stück Comic-Geschichte handelt, dass offensichtlich auch nach mehreren Dekaden nichts vom Biss verloren hat, der sich in einem zynisch-grimmigen Setting niederschlägt. „Torpedo 1972“ ist dabei defintiv nichts für zartbesaitete Gemüter, da es durchaus einen Unterschied zwischen einer völlig überzeichneter Gewaltorgie und einer Vergewaltigung oder Exekution gibt. Wer damit umgehen kann, ist durchaus gut bedient. Alle anderen sollten sich vielleicht erst an einer Leseprobe versuchen.

Jamie Hewlett

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Man spricht oft von zeitgenössischer Kunst und popkulturellen Kreativen, doch selten findet man einen Laien, der fähig ist, konkrete Künstler oder Werke zu benennen.

Ganz anders verhält es sich mit Jamie Hewlett, dessen Kreationen über den klassischen Kunstbetrieb hinaus Fans in aller Welt begeistern und zusammenführen. Dabei zählt die Band Gorillaz (aktuell auf Welttournee) wohl zu seinem bekanntesten Output. In Kooperation mit seinem ehemaligen Mitbewohner und Blur-Sänger Damon Albarn erschuf er einen virtuellen Mittelfinger für die Musikindustrie der ausgehenden 90er Jahre. Musiker und die dahinter stehenden Akteure schienen keine Substanz mehr liefern zu wollen und die beiden Freunde entschieden sich, eine Band zu gründen, deren Musiker keinen realen Personen entsprachen und jederzeit austauschbar waren. Ein greifbarer Kommentar zu der damals frustrierenden und heute kaum veränderten Situation wurde geboren und mit auch im Jahr 2017 ausverkauften Hallen durch die Fans in seiner Relevanz bestätigt.

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Copyright: © Jamie Hewlett; Gorillaz: Russel and Noodle at the old studio 13, 2005

Schlagartig wurde das Projekt weltbekannt, spielte bis dato fünf Alben ein und wurde in der Folge mit mehreren prestigeträchtigen Preisen prämiert. In dem Zusammenhang wurde nun auch Hewlett außerhalb des eingeweihten Kreises an Comic-Nerds ein Begriff für die Massen. Zuvor arbeitete er am legendären Tank Girl, welches in einer postapokalyptischen Welt angesiedelt, durch Einflüsse des Hip-Hop, trashiger Slasher-Filme und des britischen Punk definiert wurde. Bis heute erfreuen sich seine in dem Zug erfundenen Figuren großer Beliebtheit und werden von anderen talentierten Künstlern wie Rufus Dayglo in weitere Abenteuer getrieben.

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Copyright: © Jamie Hewlett; Blue Nips, Ultra Girl and Yuri Tempura, the Sushi Lovers, 2015

Nicht verwunderlich, dass er mit seinem einzigartigen und dementsprechend jederzeit wiedererkennbaren Stil auch der als „seriös“ geltenden Kunst-Szene nicht verborgen blieb. Im Jahr 2006 wurde er sogar vom Londoner Design Museum zum „Designer des Jahres“ gekürt und nur drei Jahre später mit einem Bafta für seinen mit Damon Albarn animierten Affenfilm für die Olympischen Spiele in Beijing ausgezeichnet. Sein Rezept blieb dabei über die Zeit hinweg in seinen Grundzügen gleich aber nicht minder innovativ, da mit jedem Projekt neue Elemente für zukünftige Arbeiten einflossen und bis heute bestehen. Angefangen bei der cartoonhaften Punk-Attitüde von Tank Girl, über den Anime-Einfluss der Gorillaz bis hin zu einer modernen Spielart des Pop-Art in den neuesten Veröffentlichungen – der Jamie Hewlett-Touch modellierte alles auf eine Art und Weise, die fasziniert und unterhält. Dabei setzt er sich selbst keine Grenzen und tobt sich auch außerhalb der Zeichenstube aus. So hat er zum Beispiel ebenfalls mit Albarn die Oper Monkey – Journey to the West nach dem chinesischen Roman Xi Yóu Ji von Wu Cheng’en, die 2007 in Manchester uraufgeführt wurde,  auf die Beine gestellt und dabei die Vorstellung dessen, was ein Künstler zu schaffen vermag wie mit links erweitert.

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Copyright: © Jamie Hewlett; Chums, 2008

Bei seiner umtriebigen Karriere, war es daher nur eine Frage der Zeit, bis sich mit TASCHEN einer der Giganten auf dem Kunstbuchmarkt für sein Portfolio interessieren würde. Nun kam eines zum anderen und damit schlussendlich die erste Monografie über Jamie Hewlett zustande, die wie als Kontrast zu seinen überdrehten Bilderwelten, zurückhaltend nach dem Künstler selbst benannt wurde.

Sie beinhaltet sein gesamtes Werk der letzten 25 reich an Projekten gefüllten Jahre, die noch weit über die schon erwähnten Arbeiten hinaus gehen. Bevor man in seine visualisierten Gedanken abtaucht, kann man sich zunächst das einleitende Interview zwischen dem Künstler und dem französischen Grafiker, Fotografen und Videoregisseur Jean-Baptiste Mondino zu Gemüte führen. Ein angenehm ungezwungenes Gespräch zwischen zwei Generationen, die die Begeisterung für ihr jeweiliges Lebenswerk teilen und dabei humoristisch explizit Hewletts Werdegang rekapitulieren, wobei man nicht umhin kommt den derben Humor, der aus den Bildern des Mannes spricht, auch in seinen Aussagen wieder zu entdecken.

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Copyright: © Jamie Hewlett; Honey, 2015

Nun folgt die geballte Ladung dessen, worauf der geneigte Betrachter schon längst gewartet hat: Bilder über Bilder, die für sich selbst sprechen können, da außer bei dem jeweils einleitenden Text, der jedem der Kapitel vorangestellt wird, keine weiteren Erklärungen beigefügt werden. Nur die nötigsten Informationen wie Titel, Erscheinungsjahr und in Ausnahmefällen ein Satz zur Besonderheit des gezeigten, lenken nicht ab und fungieren als das was sie sein sollen – eine willkommene Ergänzung.

Während des Verlaufs des Buches merkt man recht schnell, wie wandlungsfähig Hewlett auch unabhängig vom Fortschreiten seiner Karriere sein kann. So schwankt sein Stil in den einzelnen Abschnitten zwischen Zeichentrickfiguren, photorealistischen Momentaufnahmen (von seiner Reise nach Bangladesch), Postern fiktiver Filme im Grindhouse-Stil, detailverliebten Tusche-Skizzen von Kiefernbäumen, die nur erahnen lassen mit welcher Engelsgeduld dieser Mann seine Zeichnungen anfertigt und schlussendlich stilecht auf halb durchsichtigem „Butterbrotpapier“ zu bewundernde Sketche, die einen noch Näher an die Arbeitsweise von Jamie Hewlett heranrücken lassen.

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Copyright: © Jamie Hewlett; Original poster for the contemporary opera Monkey. Journey to the West

Seinem lückenlosen Portfolio ist als abschließendes Kapitel die Biografie des Künstlers ans Herz zu legen, die chronologisch seinen Werdegang nachzeichnet und dem Gesamtprodukt damit eine persönliche Note gibt.

Zusammengefasst kann man also sagen, dass Jamie Hewlett auf über 400 Seiten und ebenso vielen Werken eine moderne Koryphäe ehrt und zeitgleich den greifbaren Beweis dafür erbringt, dass Schubladendenken und Kunst nicht vereinbar sind. Eine Pflichtanschaffung für jeden Fan und all jene, die nach einem Blick in diesen Prachtband definitiv welche werden.

Alle Infos zum Buch:

Titel: Jamie Hewlett

Herausgeber: Julius Wiedemann

Hardcover (25 x 31,7 cm), 242 Seiten

Preis: 39,99€

 

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Copyright: © Jamie Hewlett; The Fool, 2015

Ihr habt Lust bekommen, euch Jamie Hewlett persönlich in den Schrank zu stellen? Hier kommt eure Chance, euch das Buch kostenlos zu holen:

Hinterlasst einfach ein Like auf meiner Facebook-, Twitter oder Instagram-Seite und schreibt mir unter dem Beitrag, warum ausgerechnet ihr das Buch haben solltet und schon seid ihr im Lostopf! Der Gewinner wird am 24.11.2017 bekannt gegeben!

Teilnahmebedingungen

  1. Teilnahmeberechtigte

Teilnehmen kann jede(r) Volljährige, ausgenommen Mitarbeiter der TASCHEN GmbH.

Eine Teilnahme über Gewinnspiel-Agenturen oder sonstige Dritte, die den Teilnehmer bei einer Vielzahl von Gewinnspielen anmelden, ist ausgeschlossen.

  1. Teilnahmemöglichkeiten

Eine Teilnahme ist nur über Facebook, Twitter und Instagram möglich, indem die jeweilige Seite mit einem Like versehen wird und ein Kommentar mit der Beantwortung der im Text angegebenen Frage erfolgt. Das Gewinnspiel erfolgt ohne Zusammenarbeit mit Facebook, Twitter oder Instagram.

  1. Teilnahmeschluss

Teilnahmeschluss ist der 23.11.2017 um 23:59 Uhr.

  1. Gewinnermittlung

Der Gewinner wird per Los ermittelt.

  1. Art der Gewinnbenachrichtigung

Der oder die Gewinner/in wird über eine persönliche Nachricht schriftlich kontaktiert.

  1. Veröffentlichung der Gewinner

Der Name des Gewinners wird nach seiner Ermittlung in anonymisierter Form veröffentlicht.

  1. Der Rechtsweg

Eine Barauszahlung der Gewinne ist ebenso wie der Rechtsweg ausgeschlossen.