Wie Bob Iger, seines Zeichens CEO bei Disney, es treffend formuliert hat, gibt es nur noch sehr wenige Menschen, die von sich behaupten können, dass sie in eine Welt ohne Mickey Mouse hineingeboren wurden. Das ist keine übertriebene Aussage, sondern Fakt, wenn man bedenkt, dass der berühmteste Nager der Welt inzwischen 90 Jahre alt ist. Während dieser unglaublich langen Zeitspanne ist so einiges passiert. So hat sich nicht nur die visuelle Aufmachung der Figur, sondern auch ihr Verhalten grundsätzlich verändert, während im Hintergrund die Entertainment-Maschinerie um Disney zu einem Konzern mutierte, dessen Output jedermann bekannt ist. Kein Wunder, dass es Erhebungen gibt, nach denen Mickey Mouse in manchen Teilen der Welt berühmter ist, als der Weihnachtsmann.
Daher ist es nur Folgerichtig dieses Jubiläum zu nutzen und eine Rückschau der gesamten Geschichte dieser Figur zu präsentieren. Und welche Verlag eignet sich dafür besser, als TASCHEN? Das Haus, welches uns schon seit Dekaden mit Kunstbänden in jeder Größenordnung und Preisklasse, bei gleichbleibend hoher Qualität versorgt und dabei thematisch keine Grenzen kennt, hat mit „Walt Disneys Mickey Mouse: Die Ultimative Chronik“ die Messlatte schon im Titel vorweggenommen. Auf sage und schreibe 496 Seiten im riesigen XXL-Format, wird der Leser mit einer Fülle an Informationen versorgt, die es so noch nicht gegeben hat.
Aufgeteilt in drei Entwicklungsphasen wird die Geschichte zunächst eng an der Biografie Walt Disneys orientiert, der mit einer anderen Tierfigur (Oswald the Lucky Rabbit) an seinem Durchbruch feilte, diese jedoch über Verwerfungen verlor und mit Mickey Mouse zunächst nur an eine Notlösung geriet, die sich jedoch in kürzester Zeit als wahrer Glücksgriff erwies. Nach einer relativ kurzen Orientierungsphase, in der der Charakter Form und Innenleben entwickelte, platzte mit „Steamboat Willie“ (1928) als erster vertonter Trickfilm eine popkulturelle Bombe, die bis heute nachhallt und seit geraumer Zeit sogar im Vorspann von Disney-Produktionen angeteasert wird (das berühmte Pfeifen der Melodie).
Wie besonders die Einführung der Mickey Mouse war, zeigt sich schon in den ersten Jahren nach ihrer Entstehung. Eine heißlaufende Merchandise-Produktion, eine weltweite Expansion und Ehrungen, die man einer fiktiven Figur nie zuvor zugestanden hatte (sogar mit einer Figur im Wachsfigurenkabinett von Madame Tusseauds) wären nur als einige der Auswirkungen zu nennen. Diese machten es absehbar, dass Disney nicht nur einen kurzlebigen Geistesblitz hervorgebracht, sondern den Kulturbetrieb als solchen nachhaltig verändert hat.
Selbst als die klassischen Trickfilme in Spielfilmlänge die kurzen Abenteuer der Disney-Aushängeschilder wie Mickey und Donald in den Kinosälen ablösten, blieb die Maus gleichsam ein Synonym für ihren Erfinder. Nun war auch der Zeitpunkt dafür gekommen andere Medien in Beschlag zu nehmen, die heutzutage nicht mehr wegzudenken sind. Dazu gehören selbstverständlich die allseits bekannten Comicabenteuer, die sogar eigene Blüten im Ausland trieben und dort teilweise sogar erfolgreicher waren, als in den USA. Allen voran natürlich Italien mit seiner lebendigen Kultur der neunten Kunst und Deutschland mit seinem bis heute beliebten Output des „Micky Maus„-Magazins.
Hierbei kommt neben der Masse an Informationen eine gewaltige Menge an Bildmaterial und Dokumenten zusammen. Diese haben die zwei Autoren David Gerstein, seines Zeichens Animations- und Comichistoriker, sowie der Filmhistoriker J.B. Kaufmann aus den Disney-Archiven, sowie privaten Sammlungen zusammengetragen und damit die wohl umfangreichste Aufbereitung der Geschichte von Mickey Mouse kreiert, die es bis dato gab. Ganze 1.200 Illustrationen, Animationszeichnungen, Storyboards, Hintergründe, Plakate und Fotografien werden dabei, in Teilen zum ersten Mal, dem geneigten Leser präsentiert.
Wem das nicht reicht, hat darüber hinaus die Möglichkeit sich über den Einfluss der Figur auf Politik, Gesellschaft und Kultur zu informieren. Dabei wird man feststellen, dass auch Themengebiete wie Krieg, Kommerz und zeitgenössische Kunst nicht ohne den Nager auskommen und dadurch die Relevanz dieser fiktiven Figur unterstreichen.
Wenn man nun auf diese erstaunliche Geschichte zurückblickt, fragt man sich unwillkürlich, worin die Anziehungskraft von Mickey Mouse lag und immer noch liegt. Diese Frage ist sicherlich nicht einfach zu beantworten und letztlich auch nicht abschließend zu klären, denn nicht umsonst treibt sie seit 1928 Experten und Laien um. Vielleicht ist es auch dieses Mysterium, dass manche mit einer persönlichen Identifikation und andere mit einer stilisierten Projektionsfläche verbinden, dass den Erfolg anhaltend und rückwirkend fast schon fantastisch erscheinen lässt. In jedem Fall wird nach der Lektüre klar, dass die vergangenen 90 Jahre keinen Zweifel an einer Erfolgsgeschichte lassen, die auch die nächsten Generationen überdauern wird. Möchte man sie verstehen, führt wohl kein Weg an dieser wahrlich „ultimativen Chronik“ vorbei.
Walt Disneys Mickey Mouse: Die ultimative Chronik* Verlag: TASCHEN Autoren: David Gerstein, J. B. Kaufman Herausgeber: Daniel Kothenschulte Sprache: Deutsch Format: Hardcover mit Leseband in Kartonverpackung mit Tragegriff , 29 x 39,5 cm Seitenzahl: 496 Preis: 150 EUR
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