Andy Warhol. Seven Illustrated Books 1952-1959

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Jeder fing mal klein an. Auch eine Legende wie Andy Warhol war mal unbekannt und musste sich erst einen Namen erarbeiten. Da jedoch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts Plattformen für Selbstdarstellung wie Facebook und Instagram noch in den Bereich der Science Fiction gehörten, mussten sich kreative Menschen anders behelfen.

Schon in jungen Jahren nicht auf den Kopf gefallen was Selbstvermarktung anbelangt (auch passend bezüglich seines Berufs als Gebrauchsgrafiker), entwickelte Warhol Portfolios, die schon zum Erscheinungsdatum in extrem geringer Auflage (meistens unter hundert Exemplare) zu Sammlerstücken avancierten und persönlich von Warhol an Freunde und Kunden ausgehändigt wurden. Natürlich sind die einzelnen Veröffentlichungen heutzutage für die allermeisten Menschen kaum erschwinglich, geschweige denn überhaupt zu bekommen.

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Um trotzdem einen Eindruck vom frühen Schaffen der Pop-Art-Ikone zu bekommen, ist erneut der TASCHEN-Verlag in die Presche gesprungen, um ein wirklich außergewöhnliches Produkt unter die Leute zu bringen. Der Verlag ist schon lange für Formate bekannt, die bibliophile Leser auch haptisch auf eine Reise schicken (ein schier unglaubliches Beispiel ist das ebenfalls aktuelle Murals of Tibet). Dementsprechend ist es wenig überraschend, dass „Andy Warhol. Seven Illustrated Books 1952-1959“ nicht als simple Beschreibung, samt netter Aufmachung in die Regale der Buchhändler gewandert ist, sondern in Form von nahezu originalgetreuen Nachdrucken, die so genau wie möglich im ursprünglichen Format und auf dem ursprünglichen Papier reproduziert wurden. Sogar kleine per Schreibmaschine beschriebene Sticker, wie auf den Originalen, finden sich wieder und lassen den Betrachter nicht mehr aus dem Staunen über den Detailreichtum heraus kommen.

So findet man mit „Love Is a Pink Cake„, „25 Cats Named Sam„, „À la recherche du shoe perdu„, „A Is for Alphabet„, „In the Bottom of My Garden“ und „Wild Raspberries“ einen unverstellten Blick auf die schier grenzenlose Kreativität des Künstlers, der sich der Außenwirkung seiner frühen Werke offenbar bewusst gewesen sein muss, wenn man die zahlreichen Anspielungen entdeckt, die mit einem nicht ganz jugendfreiem Niveau aufwarten. Man sieht zum Beispiel in „In the Bottom of My Garden“ (der Titel ist schon ein Augenzwinkern für sich) eine junge Frau oder ein Mädchen, dass eine kleine Katze in ihrem Schoß hält, unter der die Unterschrift „Do you see my little pussy?“ prangt. Dazu kommen auffällig nach Hinterteilen aussehende Früchte und viele weitere kleine Gags, die Warhols Humor widerspiegeln.

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© 2017 The Andy Warhol Foundation of Visual Arts, Inc.

Dabei spielte er gleich mit mehreren Stilen und beschränkte sich bei der Produktion auch nicht auf eine Art von Material oder Format. Er ließ es sich nicht nehmen auch innerhalb einer Auflage Variationen einfließen zu lassen, einzelne Aspekte wegzulassen oder hinzuzufügen und mit schriftlich festgelegten Limitierungen den Sammlern der ersten Stunde eine Freude zu machen.

Thematisch gab es für ihn ebenfalls keine Grenzen. Er präsentierte in jeder seiner Publikationen ein neues Motiv. Ob es nun holprige Dreizeiler in Kombination mit Berühmtheiten der Geschichte, die Widmung jeder Seite für einen Buchstaben oder eine homoerotische Version eines Kinderbuchs – der Fantasie wurde freien Lauf gelassen. So lässt sich auch erklären, warum „Wild Raspberries“ nicht nur als reines Kunstwerk, sondern auch als Kochbuch funktioniert oder „À la recherche du shoe perdu“ mit einem Hauptaugenmerk auf Schuhe, allerlei Seitenhieben auf politisches Zeitgeschehen und Geistesleben aufwartet.

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© 2017 The Andy Warhol Foundation of Visual Arts, Inc.

Um neben den schönen Illustrationen genügend Hintergrundinformation zur Einordnung zu bekommen, liegt dem im Baby Sumo-Format vorliegenden „Andy Warhol. Seven Illustrated Books 1952-1959 ein ebenfalls in XL-Fassung gedruckter Begleitband bei, der neben der Entstehungsgeschichte und Interpretationen der sieben Bücher auch seltene Fotografien des Künstlers und Abbildungen seiner kommerziellen Auftragsarbeiten beinhaltet. In dieser Kombination findet man einen seltenen Einblick in den frühen Output Warhols, bevor dieser Anfang der 60er Jahre mit „Campbell’s Sousa Cans“ eine neue Ära einleitete. Abgerundet wird das Ganze mit einem einführenden Essay der Warhol-Expertin Nina Schleif, die mit ihrem von Kenntnis der Materie  geprägten Blick, den Leser an die Übergangsphase zwischen Gebrauchsgrafiker und legendärerer Künstler heran führt.

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© 2017 The Andy Warhol Foundation of Visual Arts, Inc.

In diesem Sinne lohnt sich die Investition von 150€ für die Anschaffung eines Bandes, der die einzigartige Möglichkeit bietet, visuell und haptisch eine Ära im wahrsten Sinne des Wortes nachzufühlen. Ich freue mich für meinen Teil, wenn TASCHEN weiter diesen Weg beschreitet und Liebhabern der bildenden Kunst noch mehr Möglichkeiten gibt, Inhalte über Grenzen hinaus zu erleben.

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