[Rezension] Vatermilch: Buch 1 – Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss (Carlsen)

München der 1970er Jahre. Ein Ort mit dem man, wenn schon nicht das Oktoberfest, zunächst die Schickeria mit all ihren amüsanten aber auch dekadenten Seiten assoziiert. Eine Gemeinschaft in der Geld und Schampus fließen, Prestige und Sex Hand in Hand gehen und der Lokalpatriotismus auf eine ganz eigene Art zelebriert wird. In den Augen einiger Menschen ist diese oberflächliche Melange, trotz nicht vorhandener finanzieller Mittel, das anvisierte Lebensziel. Ob man hierfür über die eigenen Verhältnisse lebt und Freunde und Familie vergrault, scheint im so manchem narzisstischen Fiebertraum nachrangig zu sein, selbst wenn ein Absturz unvermeidbar ist.

Genau das ist dem Vater von Uli Oesterle, Autor und Künstler hinter dem bei Carlsen erschienene Band „Vatermilch: Band 1 – Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss“ widerfahren. So verließ er hochverschuldet und alkoholkrank die Familie, rutschte zeitweise in die Obdachlosigkeit und blieb seinem Sohn bis zu seinem Lebensende fremd. Aufgrund des damals sehr jungen Alters, blieben dem Autor nur bruchstückhafte Erinnerungen und später zu Ohren gekommene Gerüchte, um das Bild eines Mannes zu rekonstruieren, den er nie wirklich kannte. Trotzdem oder gerade deshalb versucht er nun Jahre nach dem Tod seines Vaters dieser Person näher zu kommen, indem er seinen Weg in vier Bänden, von denen der erste nun vorliegt, nachzeichnet. Inspiriert ist der Inhalt dabei zwar von realen Ereignissen, die vorhandenen Leerstellen in der Realität werden aber mit Erfundenem aufgefüllt. Dabei hat Oesterle generell keinen Anspruch an eine realitätstreue Genauigkeit, sondern möchte neben dem sehr persönlichen Aspekt bei der Erstellung der Graphic Novel, die Leser auch unterhalten. Das gelingt ihm, indem er zwar reale Rahmenbedingungen wie den Alkoholexzess, das Zurücklassen der Familie und den Absturz beibehält, aber spannende Aspekte wie einen tödlichen Autounfall und Interaktionen mit der Münchner Schickeria-Szene und dem Obdachlosen-Milieu einfließen lässt. Dadurch wird aus einer intimen Familientragödie schnell eine facettenreiche Handlung mit Elementen des Krimis, die vor allem durch eine starke Authentizität zu überzeugen weiß.

So beginnt die Story gleich mit einigen Eckpunkten der Charakterisierung von Rufus Himmelstoss, der Vaterfigur in der Handlung, der zwar aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammend sein täglich Brot als simpler Markisenvertreter verdient, sich aber zu Höherem berufen fühlt. Das versucht er in erster Linie sich selbst zu beweisen, indem er in angeheitertem Zustand Kundinnen verführt, seinen „Freunden“ und Kollegen einen überbrodelnden beruflichen Erfolg und seiner zuhause alleine mit dem Kind sitzenden Frau eine dichte Auftragslage vorgaukelt. Zeitgleich stürzt er sich nachts in die glitzernde Welt der Schickeria, lässt auf pump Runden an Alkohol springen, zieht wie nebenbei Koks und präsentiert sich vor unbedarften Frauen als Macher. Daher kommt es, zumindest für Umstehende, nicht überraschend als das Finanzamt einen fünfstelligen Schuldenberg vorlegt und eine unter Alkoholeinfluss durchgeführte Autofahrt zum großen Fiasko und in der Quintessenz zum Bruch mit der Familie und Gesellschaft führt.

Die Geschichte wird dabei durch Kapitel aus der Gegenwart aufgebrochen, die das Leben von Victor, dem nun erwachsenen Sohn von Rufus porträtieren. Dieser hat inzwischen selbst Frau und Kind, aber leider auch die ein oder andere Verhaltensweise seines Vaters übernommen. Zwar bricht der offensichtliche Narzissmus seines Erzeugers nicht so extrem heraus, aber einzuhaltende Abmachungen mit seiner Frau und einen gesunden Umgang mit Alkohol nimmt auch er nicht allzu ernst. Das sind Erkenntnisse, die Victor schon bald selbst wahrzunehmen beginnt und diese dabei in einem Zwiegespräch mit einer von ihm erfundenen Comic-Figur (er arbeitet als Comic-Künstler) thematisiert. Der hier aufgemachte Twist ist die Tatsache, dass obwohl Victor offensichtlich das Alter Ego Uli Oesterles ist, die eben erwähnte Comicfigur eine Karikatur des realen Künstlers sein soll, die sogar den selben Namen trägt. Mehr Meta geht nicht. Dadurch schafft er es nicht nur den Umgang mit der fehlenden Vaterfigur, sondern auch die an sich selbst gerichteten Zweifel in einem Diskurs zu verarbeiten. Ein mutiger Schritt, da eine surreale Ebene aufgemacht wird, die aber nie deplatziert wirkt, sondern sich perfekt in die einordnenden Kapitel der Gegenwart fügt.

Dabei schafft es Oesterle all seinen Figuren Seele und damit Authentizität einzuhauchen, die den Leser mitfiebern, lachen und leiden lassen. Das ist vor allem deswegen ein kleines Kunststück, da kein Charakter auf einer einzelnen Person aus der Realität basiert. So ist Rufus zwar offensichtlich Ulis Vater Peter Oesterle nachempfunden, seine vor Narzissmus strotzenden Charakterzüge, in denen echte pathologische Merkmale zu entdecken sind, wurden aber von mehreren Menschen inspiriert, die der Autor im Laufe seines Lebens kennenlernen „durfte“. Unterstrichen wird die Authentizität durch die meisterhaften Zeichnungen und die damit verbundene, stets greifbar wirkende Gestik und Mimik der Charaktere.

In der Gesamtheit ist „Vatermilch: Band 1 – Die Irrfahrten des Rufus Himelsstoss“ daher nicht nur eine definitive Kaufempfehlung, sondern eine Produktion, die qualitativ zu den besten Veröffentlichungen 2020 im deutschsprachigen Raum gezählt werden darf. Nicht ohne Grund dürfen sich Uli Oesterle und Carlsen über die schon zweite Auflage in den Regalen der Republik freuen, die sicherlich auch glückliche Abnehmer finden wird. Die Vorfreude auf die drei weiteren Bände der Reihe wird bei ihnen mit Sicherheit mindestens genauso groß sein wie beim Autor dieser Zeilen.

Vatermilch: Band 1 - Die Irrfahrten des Rufus Himmelstoss 
Verlag: Carlsen  
Autor: Uli Oesterle
Zeichner: Uli Oesterle
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 128
Preis: 20 EUR

Am liebsten mag ich Monster

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Graphic Novel. Ein Begriff unter dem sich aktuell scheinbar jeder etwas vorstellen kann, aber doch keiner so genau weiß, wie er oder sie das Medium exakt beschreiben soll. Für die einen ist es einfach ein Terminus, den sich der Feuilleton zu eigen gemacht hat, um sich vom immer noch belasteten Begriff des Comics abzugrenzen, obwohl es sich schlussendlich um die ein und dieselbe Sache handelt. Für die anderen ist es eine Art grafisch aufbereiteter und in sich geschlossener Roman, der die Bilder aus dem Kopf des Autoren aufs Papier wandern lässt.

Am Ende des Tages liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, lässt aber auf beiden Seiten einen wichtigen Aspekt außer acht, der Bände wie den hier vorliegenden „Am liebsten mag ich Monster“ von Emil Ferris zu etwas ganz besonderem macht. Eine Erzählung aus der Sicht eines jungen Mädchens namens Karen Reyes, die zunächst mit einem unschuldigen Anstrich den Leser auf eine falsche Fährte lockt, um im Laufe der Handlung mit einem Vorschlaghammer an Emotionen die Vielzahl an Facetten des Erstlingswerks der Autorin und Zeichnerin offenzulegen.

Dabei folgen wir nicht einfach einer Figur von Panel zu Panel, sondern lesen quasi in Karens Tagebuch, dass im Stil eines Ringblocks aufgemacht ist und ihre Alltagsbeobachtungen, sowie intimsten Gedanken zu Familie, Freunden und der Liebe beinhaltet. Dazwischen platziert sie eine Vielzahl an Monster- und Pulp-Zeichnungen, die auf trashigen Postern und Magazin-Covern basieren. So wird man langsam an die Familiensituation herangeführt, sieht die holprigen Versuche Freundschaften zu etablieren und die Entdeckung der eigenen Andersartigkeit in Form einer aufkeimenden Homosexualität. Die Selbstdarstellung als ein mit Reißzähnen bewaffnetes kleines Monster ist dabei eine offensichtliche Metapher für die erfahrene Ausgrenzung in der unmittelbaren Umgebung, die empfundene Andersartigkeit in Bezug auf ihre sexuellen Empfindungen, aber auch ein imaginierter Schutz vor der als unfair und gefährlich empfundenen Welt der 1960er-Jahre in den USA.

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©Panini Comics

Ab einem gewissen Zeitpunkt vollzieht sich jedoch ein schleichender Bruch, der die Coming-of-Age-Geschichte in Richtung Murder-Mystery führt, als Anka Silverberg, die Nachbarin der Reyes (bestehend aus Karen, ihrer Mutter und ihrem Bruder) ermordet wird. Dies ist gleichzeitig der Ausgangspunkt für einen Film-Noir-artigen Handlungsstrang, in dem Karen sich als Detektivin betätigen möchte, um das Geheimnis um den Tod der deutschen Immigrantin aufzuklären.

Dabei schlittert man mit ihr durch ein von sozialen Problemen durchzogenes Chicago, dass kein relevantes Thema der Zeit außen vor lässt und mit historische Ereignissen als Authentizitätsbeweise durchzogen ist. Auf diesem Weg begegnet sie nicht nur die in ihrem Kopf spukenden, sondern auch den ganz realen Monstern dieser Welt. Diese lassen sich aber auch in der Vergangenheit finden, in die Karen durch das Anhören alter Kassetten abtaucht, um weitere Hinweise in ihrem Fall zu erlangen. Dabei wird die desaströse Kindheit und Jugend von Anka Silverberg während der Weimarer Republik und den Jahren der NS-Herrschaft nachgezeichnet, die in ihrer Wucht bezüglich Themen wie Kindesmissbrauch oder Antisemitismus allein schon wegen dem Kontrast zu Karens eigener Geschichte beim Leser einschlägt wie eine Bombe und sich angereichert mit erschütternden Details fast bis zum Schluss des Bandes durchzieht.

Weitere Details zum Inhalt möchte mir ab diesem Zeitpunkt sparen, um die Spannung beim lesen zu erhalten und die weiter oben erwähnte „Mystery“ ihrem Namen gerecht werden zu lassen.

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©Panini Comics

Bezüglich der visuellen Aufmachung ist es schwer in Worte zu fassen, was Emil Ferris hier auf ganzen 420 Seiten zu Papier gebracht hat. Vielleicht ging es ihr bei der Erstellung von „Am liebsten mag ich Monster“ ähnlich, denn hier nutzt sie die Eigenarten des Comics bis zum äußersten aus und zeigt damit auf, dass grafische Literatur ein eigenständiges Medium ist, dass Möglichkeiten bietet Dinge darzustellen, die in Worten kaum zu beschreiben sind. Allein die Tatsache, dass wir Karens gezeichnetes Tagebuch in den Händen halten, bietet uns die Möglichkeit die Welt durch die Augen des Hauptcharakters zu betrachten. So schwankt die Darstellung ihres idealisierten Bruders vom Helden zum Monster und zurück, ein Besuch im Museum wird zum wortwörtlich greifbaren Ereignis und es ist nie die Sicherheit gegeben, dass Freunde und Bekannte bezüglich ihres Aussehens nicht gerade gänzlich auf der Interpretation von Karen  basieren. Genau dieses Spiel zwischen Fiktion und Realität macht den zusätzlich Reiz aus, der Comics (oder Graphic Novels wenn man darauf besteht) für sich einzigartig macht.

Neben dem sicheren Umgang mit dem Medium, erweist sich Emil Ferris neben ihrem Talent als Autorin, auch noch als großartige Künstlerin, die offensichtlich kein Problem damit hat zwischen Cartoons, photorealistischen Momentaufnahmen und Reinterpretationen berühmter Kunstwerke zu springen, aber am Ende doch ein Gesamtbild zu erzeugen. Mit Blei- und Buntstift bewaffnet, hat sie es geschafft jede Seite extrem individuell zu gestalten, aber trotzdem in einen Fluss zu setzen, der angenehm von Kapitel zu Kapitel gleitet und den Leser zeitgleich motiviert mit Karen weitere Geheimnisse offen zu legen.

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©Panini Comics

Alles in allem handelt es sich bei „Am liebsten mag ich Monster“ daher um nichts weniger als ein Gesamtkunstwerk, dass nicht ohne Grund für den prestigeträchtigen „Hugo“-Award nominiert wurde. Daher ist es eigentlich fast unglaublich, dass die Künstlerin mit Mitte fünfzig hier ihren ersten Band vorgelegt hat. In diesem Sinne darf man darauf hoffen, dass noch zahlreiche Nachfolge-Ausgaben ihren Weg in die Bücherregale der Leser finden werden, denn von diesen wird es nach der Lektüre dieses Titels nicht wenige geben. Eine klare Kaufempfehlung!

Am liebsten mag ich Monster
Verlag: Panini Comics 
Erscheint am: 25.06.2018 
Autorin und Zeichnerin: Emil Ferris
Format: Softcover 
Seitenzahl: 420 
Preis: 39 EUR

Der Unterwasser-Schweisser

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Mit dem vorliegenden Band ist ein Verlag in mein Blickfeld gerückt, den ich zuvor nicht mit Comics assoziiert habe. Nun freue ich mich umso mehr, dass sich Hinstorff dazu entschieden hat, das Gefilde der graphischen Geschichtenerzählung zu betreten.

Dank ihnen liegt nun endlich der schon 2012(!) in Nordamerika erschienene Band Der Unterwasser-Schweisser vor,  der dank Ryan Gosslings Interesse an der Verfilmung des Stoffs auch in den Blick der Masse geraten ist. Wenn man sich die Story des Künstlers und Ausnahmeautoren Jeff Lemire zu Gemüte führt, versteht man die Begeisterung, die sowohl bei der stetig gewachsenen Anhängerschaft des Kanadiers, als auch Rezensenten ausgelöst wird.

Wie schon bei anderen seiner Werke (z.B. Sweet Tooth), ist Lemire neben dem Storytelling auch für die visuelle Umsetzung verantwortlich und versorgt den Leser mit einem optischen Rahmen, der perfekt zur introvertierten Atmosphäre und den leisen Tönen dieser großartigen Geschichte beiträgt:

Die Hauptfigur Jack Joseph arbeitet, wie der Titel schon andeutet, als Unterwasser-Schweißer auf einer Ölplattform vor der Küste Neu-Schottlands. In der einnehmenden Einsamkeit des Meeres verrichtet er dieselbe Arbeit wie schon zuvor sein Vater,
der vor vielen Jahren bei einem Tauchgang ertrank. Dieses Unglück ist für ihn sowohl Antrieb als auch Bürde zugleich. Wie manisch taucht er immer wieder in die Tiefe um sein Kindheitstrauma zu verarbeiten, während zeitgleich seine hochschwangere Frau an der Küste wartet und immer verzweifelter wird, umso näher der Geburtstermin rückt. In dieser erdrückenden Lage sieht sich Jack gezwungen, sich seiner Vergangenheit im wahrsten Sinne des Wortes zu stellen und damit seinem Leben einen Sinn in der Zukunft zu geben,  statt in verflossenen Zeiten zu ertrinken.

In so einer kurzen Beschreibung wirkt der Plot vllt. nicht sonderlich auffällig, aber die Weise in der er gesponnen wird, berührt ab der ersten Seite Herz und Verstand. In schwarz/weiß gehalten, sprühen auch Passagen ohne Text nur so vor Emotionen, die sich alle auf die uns ureigenen Ängste von Verlust und Selbstzweifel zurückführen lassen. Darüber hinaus wird hier erneut unter Beweis gestellt, dass eine solch auf persönlicher Ebene dramatische Geschichte, durch eine graphische Umsetzung die gewisse Note bekommt, die weder Buch noch Film umsetzen könnten. Beide Formen des Geschichtenerzählens haben ihre eigenen Vorteile, die sie von anderen abgrenzen. Das Herz mit einer kleinen Bilderfolge für sich einzunehmen, bleibt aber immer noch das Metier der Comic-Kunst.

Ich vermute in diesem Zusammenhang, dass die angekündigte Umsetzung in einen Kinofilm für nicht wenige erstaunte Gesichter sorgen wird, wenn ihnen bewusst wird eine Comic-Verfilmung zu sehen, die weder etwas mit Fantasy noch einem Superhelden-Universum zu tun hat.

Neben dem positiven Anklang bei den Filmstudios, freut es mich natürlich auch persönlich, dass ein Drama so bravourös als Graphic Novel umgesetzt wurde. In meinen Augen bis jetzt eines der Highlights 2017 und damit ein Pflichtkauf! Die Nominierung als „Bester nordamerikanischer Comic“ beim PENG!-Preis des Münchner Comicfestivals war mehr als verdient und für euch vllt. ein Ansporn selbst einen Blick in Der Unterwasser-Schweisser zu werfen.

Drei Steine

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Die folgende Rezension befasst sich mit einer Herzensangelegenheit meinerseits. Ich habe das Glück in eine Generation hineingeboren worden zu sein, die faschistisches Gedankengut als etwas so fremdartiges und verabscheuungswürdiges empfindet, dass allein der Gedanke daran mit so etwas menschenfeindlichem zu sympathisieren vollkommen abwegig erscheint. Diese Aussage lässt sich natürlich nicht verallgemeinern und die Stadt in der ich lebe bietet einen so hohen Lebensstandard, dass sich Unzufriedenheit eher selten in Angriffen gegen Minderheiten kanalisiert. Trotzdem hat insbesondere in den letzten zwei Jahrzehnten ein gewisses Umdenken stattgefunden, welches auch durch das Aussterben der ursprünglichen Nazi-Generation vorangetrieben wird.

Leider scheint der natürlich voranschreitende Abstand zu den Ereignissen der Hitler-Jahre  auch dazu zu führen, dass ein gewisses Klientel trotzdem zu vergessen scheint, was zu der Terrorherrschaft unter dem Diktator geführt hat. Abgehängte und diejenigen, die Angst davor haben zu diesen zu gehören, laufen Menschen hinterher, die in Bezug auf Rhetorik und unterschwelligem (bis teils offenem) Fremdenhass in nichts der frühen NSDAP nachstehen. Irrationale Ängste brechen sich Bahn, dumpfe Ressentiments werden wieder salonfähig und ein brauner Flächenbrand, der halb Europa erfasst hat, ermutigt die Akteure in Nadelstreifen und Thor Steinar-Kluft gleichermaßen in ihrem Bestreben alles „fremde“ sowohl politisch als auch auf der Straße zu eliminieren.

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Dementsprechend erscheint mit „Drei Steine“ sowohl thematisch als auch bezüglich des aktuellen Zeitgeists die passende Graphic Novel bei Panini Comics. Die autobiographische Geschichte des Autoren und Zeichners Nils Oskamp spielt in den achtziger Jahren in Dortmund-Dorstfeld, eine bis heute berüchtigte Hochburg der Glatzen in Deutschland. Ein Gebiet welches sich der oberflächlichen Anpassung an das Bürgertum, wie es die NPD pflegt, verweigert und sich immer noch als Repräsentant der stiernackigen Schläger, deren Argumente durch Faustrecht entschieden werden sieht. Hier wird Oskamp während seiner Schulzeit mehrfach Opfer rechter Gewalt, welche im fast das Leben gekostet hätte. Diese physische und psychische Einschüchterung hat ihn jedoch nicht zum Täter umgepolt, sondern zu einem entschiedenen Gegner der Rechten werden lassen, der mit der vorliegenden Graphic Novel ein Zeichen gegen politisch motivierte Gewalt setzt.

Das Buch beginnt in der Gegenwart, in der der Autor seinem Sohn aus seiner Jugend in den achtziger Jahren berichtet. Er wächst in einer Zeit auf, als die Stahlindustrie im Ruhrgebiet ihren Niedergang findet und die Zechen schließen. Dazu schießt die Arbeitslosenquote in die Höhe und die Wut über die Lebensumstände findet generationenübergreifend ein Ventil in der extremen Rechten. Dieses wird während des Jahrzehnts immer noch von ehemaligen Mitgliedern des SS und fanatischen Anhängern des „Führers“ weiter aufgedreht. Dabei suchen diese Leute gezielt verführbare Jugendliche, die damals entsprechend konditioniert noch heute Terror und Angst in der Bundesrepublik verbreiten. Ein weiterer Faktor waren die immer noch von Alt-Nazis besetzten Stellen des öffentlichen Dienstes (wie Lehrer) und die Mentalität des Vergessens in der restlichen Bevölkerung. In so einer Umgebung aufgewachsen, stellt sich Nils Oskamp konsequent dem Status Quo entgegen, um dafür mehrfach fast mit dem Leben zu bezahlen. Nur wenige Menschen solidarisieren sich mit dem jungen Mann und helfen ihm dabei standhaft zu bleiben und dem braunen Mob entgegen zu treten. Die Öffentlichkeit und das Elternhaus ignorieren die Gefahr zeitgleich konsequent und zeigen die krankhaften Symptome einer Nation, die scheinbar erst nach der Aufdeckung der NSU-Morde aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht ist. Wenn man sich Stück für Stück durch diese Story vorarbeitet erkennt mit Schrecken die zeitlose Aktualität der Ereignisse wieder. Junge Menschen, die aus Perspektivlosigkeit heraus ein Feindbild suchen, welches ihnen mehr oder minder subtil durch AfD (z.B. die Causa Gauland im Fall Boateng) oder PEGIDA (Flüchtlinge als Invasoren) vorgesetzt wird. Das Ergebnis sind brennende Flüchtlingsheime und ein an das 3. Reich erinnernder Gestus à la Björn Höcke. Zwar agiert die Dortmunder Szene nach wie vor im Vergleich zum restlichen deutschen Gebiet extrem brutal, die treibenden Gedanken hinter den Aktionen bleiben jedoch ein bundesweites Phänomen.

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In diesem Sinne handelt es sich um eine graphisch aufbereitete Mahnung an die Provokateure und eine helfende Hand für die Jugend, hinter der die Aufforderung steht: Lasst euch nicht von den Rattenfängern verführen! Stellt euch Rassismus, Antisemitismus und Nazis offen entgegen! Sie sind die laute Minderheit, die simple Antworten auf komplizierte Lösungen geben möchten und dabei die Probleme erst selber erschaffen.

Den aufwühlenden Ereignissen folgt ein ausführliches Nachwort, welches das Thema nochmal von sachlicher Seite aus beleuchtet. Zunächst wird die jüdische Tradition der „drei Steine“ erklärt, die auch titelgebend für das Werk ist. Danach sehen wir eine Auseinandersetzung mit der „Kontinuität des Hasses“, die einem Zeitstrahl folgend die einschneidendsten Ereignisse rechter Gewalt und Anstöße für die Szene beleuchtet und am lokalen Beispiel Dortmund nochmals zeigt, dass der Kampf noch lange nicht ausgestanden ist.

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Aufgrund der Relevanz des Themas wird durch die Amadeu Antonio Stiftung auch eine auf 96 Seiten gekürzte Schulausgabe als Softcover publiziert, damit junge Leser durch das Medium Comic einen leichteren Zugang zu der Materie bekommen und eine Auseinandersetzung anhand eines realen Beispiels fast schon spielerisch erfolgen kann. Diese Fassung kann über die Webseite www.dreisteine.com für Schulen bestellt werden. Dort findet man auch passendes pädagogisches Begleitmaterial, welches im Unterricht eingesetzt werden kann.

Ich kann dementsprechend eine eindeutige Empfehlung für all jene aussprechen, die sich für das Thema „rechte Gewalt“ interessieren, für Eltern die ihre Kinder vor der allgegenwärtigen Gefahr bewahren und für Pädagogen, die ihre Schützlinge aufklären wollen, ohne auf trockene Broschüren oder immer wieder gekaute Phrasen zurück greifen zu müssen.

Panini Comics und Nils Oskamp können stolz darauf sein, auch im Bereich der neunten Kunst ein Zeichen gegen Rechts gesetzt zu haben.

Hier können sowohl Schulen als auch alle anderen das Buch bestellen.

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Sartre

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Mit den ins Land ziehenden Jahren, wird auch der letzte Kritiker der Comic-Sparte realisiert haben, dass sich das Medium auch in Bezug auf ernstere oder komplexere Stoffe etabliert hat.

Dazu gehören selbstverständlich auch Biografien berühmter bis berüchtigter Personen,
die sich in der Popkultur („Cash – I see a darkness“), Politik („Willy Brandt“) oder auch Polizeiakten („Mein Freund Dahmer“) finden lassen. Dabei fasziniert den Leser in der Regel ein Lebensweg, den sich ein „normaler“ Mensch kaum ausdenken könnte und der auch Jahre nach dem Tod Spuren in der Gesellschaft hinterlässt.

In diese Nische ist ein Jean-Paul Sartre einzuordnen. Der wohl bedeutendste Philosoph des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erlebte der Existentialismus eine so große öffentliche Resonanz, die heutzutage schier unvorstellbar ist. Klerus, Staat und Presse rieben sich an den Grundaussagen auf und verschafften dem Mann dadurch eine noch größere weltweite Wahrnehmung. Welche geistige Strömung, die wie alle Philosophien am Ende Theorie bleibt, sollte aktuell so hohe Wellen schlagen? An diesem Punkt erkennt man, wie sehr sich die Welt weiter bewegt hat und solche Charaktere durch den modernen Pragmatismus zeitgleich verschlungen hat.

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Natürlich gab es auch vor den mehrfachen Karriere-Höhepunkten viele Aspekte seines Lebens, die einer Erzählung würdig sind. Den dazu passenden Versuch sie alle bis seinem Tod im Jahre 1980 in einen Fluss zu bringen, finden wir in der Graphic Novel „Sartre“ von Egmont Graphic Novel. Hier erzählt Mathilde Ramadier in einer angenehmen Geschwindigkeit über die wichtigsten Begebenheiten in Sartres Leben und schafft dabei das Kunststück die Story mit Original-Aussagen der Hauptfigur und seiner lebenslangen (nicht minder wichtigen) Begleiterin Simone de Beauvoir zu schmücken und damit auf mehreren Ebenen aufzuwerten. Dabei wird geschickt die persönliche Biografie mit den öffentlich wahrgenommenen Punkten verwoben. Ob es sich nun um sein Engagement in der Résistence, sein Verhältnis zu Freunden und Familie über alle Altersstufen hinweg oder entscheidende Veröffentlichungen in den Bereichen Literatur, Theater und Presse handelt – alles wird aufgegriffen. Trotzdem wirkt es selbst auf Laien in diesem Gebiet nicht überladen, sondern angenehm strukturiert. Es stellen sich keine unangenehmen bzw. unpassenden Zeitsprünge ein und selbst wenn man nicht sofort weiß wer soeben auf den Plan getreten ist, wird man nicht ganz allein gelassen. Der Geschichte steht eine Art Stammbaum voran, während zum Schluss nochmal die Figuren beleuchtet werden, die keinen so großen Raum bekommen konnten, wie die direkten Begleiter Sartres.

Des Weiteren, schafft man es ein Leben unterhaltsam auf 160 Seiten zusammenzufassen ohne dass die Information gänzlich dem Entertainment untergeordnet wird. Ein Comic soll natürlich einen Inhalt transportieren können, aber als visuelles Medium muss er den Leser anregen. Insbesondere Stoffe, die die Themen Philosophie, Politik und persönliche Konflikte behandeln, bilden dabei ein gefährliches Terrain, dass in diesem Fall erfolgreich passiert wurde. Für diejenigen, die sich weiter mit Sartre und seinem Schaffen beschäftigen wollen, gibt es zusätzlich mehr als genug Anhaltspunkte und ergänzende Texte, die den Zeitraum Ende der 60er bis zum Tod 1980 abdecken (Der Besuch bei Andreas Baader, die Gründung der Presseagentur „Libération“ usw.). Diese Jahre sind im kollektiven Gedächtnis der Öffentlichkeit geblieben und müssen in diesem Zusammenhang auch nicht in so einer Weise ausgeleuchtet werden, wie die Dekaden davor.

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Auf visueller Seite wurde ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Anaïs Depommier durchbricht mit einem feinen Strich und einer sanften Kolorierung das oft freiwillig angelegte Korsett der malenden Biografen. Üblicherweise findet man auf unzähligen schwarz-weiß Panels fast schon auf komische Weise tragische Momente, die mit viel Schatten und wenig Text ihre eigene Existenz als „Erwachsenenliteratur“ rechtfertigen wollen. Es wird sogar mancherorts schon von einem „Graphic Novel-Stil“ gespottet.

Glücklicherweise wird bei „Sartre“ auf Konventionen verzichtet und ein mit gedeckten Farben servierter Cocktail serviert. Die Bilder wirken nicht statisch und selbst den vielen Dialogen kann immer eine Bewegung entlockt werden. Generell scheint die Story bei Depommier in guten Händen gewesen zu sein. Der unaufgeregte aber trotzdem lebendige Stil driftet nie ins cartooneske, trägt die Handlung auch ohne Worte fort und ergänzt bisweilen selbst vordergründig unauffällige Momente. In meinen Augen hat hier zumindest mit Blick auf das Ergebnis ein gut funktionierendes Team zusammen gearbeitet, bei dem ich mich auf als Leser auf eine erneute Zusammenarbeit freuen würde.

Passend zum aktuellen Release, haben Interessenten und Fans übrigens Ende Mai die Möglichkeit die Autorin persönlich zu treffen. Sie wird für Egmont Graphic Novel beim Comic Salon Erlangen (26. – 29. Mai 2016) zur Verfügung stehen. Genaugenommen findet ihr sie neben zahlreichen weiteren Künstlern hier:

Halle B/Stand 30, Kongresszentrum Heinrich-Lades Halle, Rathausplatz 1, 91052 Erlangen

Die genauen Zeiten von Mathilde sind folgende:

Freitag, 27.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

12:00 bis 14:00 Uhr

16:00 bis 18:00 Uhr

 

Samstag, 28.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

10:30 bis 12:00 Uhr:

14:00 bis 16:00 Uhr:

 

Sonntag, 29.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr

13:00 bis 15:00 Uhr:

 

 

Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe

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Diesen April jährte sich zum 22 mal der Tag, an dem mit einem Gewehrknall bei Seattle die letzte Legende der Musik-Industrie die Bühne des Lebens verließ und eine Lücke in die Popkultur riss, die nicht mehr auszufüllen ist.

Kurt Cobain löste mit Nirvana in wenigen Jahren so etwas wie eine Revolution aus, die die Denkweise von Jugendlichen, die Herangehensweise von Musikern an ihre Projekte und den Blick auf den mentalen Zustand einer ganzen Generation veränderte. Trotz der Tatsache, dass er als zerstörter Junkie Frau und Kind zurück ließ und damit in der Gesellschaft im Normalfall als Versager abgestempelt werden würde, neigen Fans und Presse dazu sein Schiksal zu romantisieren.

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Einer der Gründe dafür ist, neben den zeitlosen Alben, die nach wie vor reißenden Absatz finden, der Seelenschmerz, den vor allem Teenager gut nachfühlen können und der von Cobain in bitterer Authentizität vorgelebt wurde. Angefangen beim Urknall in Form von Smells Like Teen Spirit“, über den Emanzipationsversuch durch „In Utero“ bis hin zum legendären Auftritt bei „MTV Unplugged“. Jede Faser des Zuhörers sog die Melodien und Texte auf und projizierte das Bild eines Seelenverwandten in Millionen von Köpfen.

Diese Verbindung wurde schlussendlich und allgemein bekannt durch eine letzte Spritze Heroin und eine Kugel getrennt. Ich vermute, dass es als Schock aber nicht als Überraschung kam. Ähnlich wie bei Amy Winehouse wurde man Zeuge eines Trips mit dem Tod als unausweichliches Ziel. Der Unterschied zur Britin und damit die Zementierung des Legendenstatus bleibt jedoch das Greifbare eines Kurt Cobain, kombiniert mit der Bürde das Sprachrohr einer Generation zu sein. Diese Aussage stimmt auch über zwei Dekaden nach seinem dahinscheiden. Unter anderem schlägt sein einsames Ende immer noch Wogen, die sich in verschiedensten Medien manifestieren.

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So erschien vor kurzem beim Splitter Verlag eine Art alternative Biografie unter dem Titel „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe„. Dieser besagte Boddah ist im Übrigen nicht der wirkliche Autor des Comics, sondern Kurts imaginärer Freund aus Kindertagen, an den der neben dem Leichnam gefundene Abschiedsbrief gerichtet war. In der Geschichte von Nicolas Otero erleben wir den Werdegang des Musikers aus der Sicht seines unsichtbaren Begleiters. Dabei gestalten sich die Ereignisse, passend zum Dauerzustand unseres Hauptprotagonisten, wie ein Drogentrip, bei dem sich Bilder überschlagen, ineinander verschmelzen und den Leser auf eine seltsam angenehme Weise angestrengt zurück lassen. Panels werden gesprengt, Zeitsprünge eingebaut und das Innenleben Cobains wird in Gesprächen mit Boddah nach außen verkehrt. Dabei wirkt genau die Person, die nicht existent ist als Ruhepol in all dem Chaos, dass sich Leben nennt.

Er erlebt jede private und öffentliche Situation, die wir entweder auf Video gebannt (Download-Festival, Kurts letzte Foto-Session) oder nur aus Erzählungen kennen (die Beziehung zu Courtney, die ersten Gigs, die Kindheit). Neben Dialogen lässt er uns zusätzlich an seinen „Gedanken“ teilhaben und spricht die teils desaströsen Lebensumstände mehr als deutlich gegenüber seinem Freund an, der abzuwiegeln versucht, sich aber der ihm vorgeworfenen Todessehnsucht (wie wir alle wissen) nicht erwehren kann.

Dadurch ergibt sich weniger die Spannung einer durchgehenden Handlung, als eine noch nie zuvor dagewesene Sichtweise, die man gerne von der ersten bis zur letzten Seite beibehält. Dadurch fallen in meinen Augen auch die teils ruckartigen, in Kapitel eingeteilten Sprünge nicht negativ ins Gewicht und fügen sich in das Bild eines Lebens, welches ebenfalls keiner geraden Linie folgen wollte.

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Bezüglich der visuellen Umsetzung muss ich jedoch ein paar Abstriche machen. Zwar wird das schwarz-weiß-Korsett immer wieder mit Farbakzenten aufgebrochen (zum Beispiel bei Drogeneinnahme Cobains) und die eingangs erwähnten Experimente glücken auch durchwegs, die Darstellung der Figuren lässt jedoch leicht zu wünschen übrig. Es handelt sich natürlich um die fiktive Aufarbeitung realer Ereignisse. Wie die involvierten Personen jedoch aussahen ist der Öffentlichkeit bekannt. Leider hatte ich in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten die Band als diese zu erkennen. Hierbei reichen in meinen Augen typische Charakteristika wie bestimmte Haarfarben- und längen, Bärte oder bestimmte Accessoires nicht aus. Gesichtszüge sind der primäre Wiedererkennungswert, der jedoch größtenteils nicht geliefert wird. Es wirkt sich zwar nicht störend auf den Verlauf aus,  wertet das Gesamtprodukt, insbesondere als Fan der Musik, aber trotzdem etwas ab.

Und hier kommt eigentlich auch das größte Problem ins Spiel, welches aber als Nirvana-Geek keines ist. Sollte man sich nie mit der Biografie der Band oder Cobains beschäftigt haben denke ich, dass ein großes Fragezeichen unausweichlich ist. Es wird durchgehend vorausgesetzt, dass man weiß wer welche Person ist, wo welches Konzert stattgefunden hat und wie alles miteinander im Zusammenhang steht. Man kann es vielleicht als eine Art Film bezeichnen, den man (als Fan) schon mal gesehen hat und bei dem nun ein neuer Blickwinkel ermöglicht wird. Sollte man sich hierbei nicht zuvor informiert haben, bleibt man verwirrt zurück.

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In diesem Zusammenhang ist „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe“ eine schöne Ergänzung für jede Sammlung eines Grunge-Anhängers, aber für Laien vielleicht etwas zu viel des Guten. Da man aber getrost davon ausgehen kann, dass primär Fans auf dieses Buch stoßen, kann man es guten Gewissens weiter empfehlen und sich an einem weiteren Kapitel des Lebens einer Legende erfreuen, welches auch ohne sein Zutun fortgeschrieben wird.

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Kurt Cobains Abschiedsbrief. Man beachte an wen er gerichtet ist.

Love Addict

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Vor ein paar Jahren war der legendäre Zeichner Robert Crumb zu Gast beim Münchner Comicfestival und all jene die sein Werk nicht kannten, waren vermutlich leicht verblüfft als sie seine Bilder sahen. Hier saß nun dieser träumerisch wirkende alte Mann und als Kontrast waren da diese Bilder, die alle möglichen Sex-Fantasien eines Nerds repräsentieren. Das typische Motiv ist dabei der unattraktive Eigenbrötler, dem eine in allen physiognomischen Merkmalen übertriebene Frau gegenübersteht. Ein auf Papier gebannter Wunsch nach körperlicher Nähe ohne Verpflichtungen, aufgeladen mit der Angst der Abweisung. Das machte Crumb besonders und genau diesem Stil blieb der Mann über Jahrzehnte hinweg treu. Das Problem daran war und ist der oft fehlende Bezug zur aktuellen Generation an „Liebe“ suchenden Außenseitern. Seine Motive sind den 60ern entsprungen und wirken auch heutzutage noch wie aus der Zeit gefallen.

Zwar ist der Wunsch des Underdogs nach sexueller Zuneigung natürlich gleich geblieben, aber die Umstände haben sich insbesondere in den letzten Jahren extrem gewandelt. Apps wie „tinder“ verändern das „Balzverhalten“ der Menschen zu einer bizarren Form des Einkaufserlebnisses. Fleischbeschau wäre noch nett ausgedrückt. Genau in dieses Umfeld schickt der gebürtige Israeli Koren Shadmi seine Hauptfigur K. (Kafka lässt grüßen). Der Gute wurde von seiner Freundin verlassen und gerät in ein schwarzes Loch, welches Männer, die Probleme haben Frauen anzusprechen nur allzu gut kennen. Frustration, Selbstzweifel und der Sex ist schon so lange her, dass man sich fast an den Zustand gewöhnt hat. Genau zu diesem Zeitpunkt kommt K.s Mitbewohner Brian ins Spiel, der ihn auf die Plattform „Lovebug“ aufmerksam macht. Diese ist im Endeffekt das selbe wie „tinder“ und lässt unseren Helden in die unverbindliche Welt der (auf Sex zumindest ausgerichteten) Dates des 21. Jahrhunderts abtauchen.

Zunächst geht er unbedarft an die Sache heran, verhält sich eher ungewöhnlich für solche Arrangements und trifft entsprechend seltsame Gestalten. Diejenige, die sich noch am ehesten der Sparte „normal“ zurechnen lassen, sind jedoch von seiner nerdigen Aura angetan. Nach mehreren Anläufen fängt er an das Spiel zu verstehen und entwickelt etwas wie Kalkül bei den Treffen mit Frauen. Plötzlich werden aus interessanten Gesprächen komplett auf Sex-Dates zugeschnittene Dialoge, die nur ein Ziel verfolgen. Teilweise werden sogar Phrasen auswendig gelernt, Namen verwechselt und der kleine Freundeskreis wird dank ständig wechselnder Begleitung verwirrt. Er entwickelt sogar ganze Pläne vom ersten Kontakt, über die Hinführung zu bestimmten Orten bis zum großen Finale im Bett. Um diesen Zustand zu verdeutlichen, werden die einzelnen Kapitel mit immer größer werdenden Zahlen in Bezug auf realisierte Treffen überschrieben, Namen der Gespielinnen kommen einem mit der Zeit vor wie Dekor und mit wenigen Ausnahmen rückt der Charakter so weit in den Hintergrund, dass nur noch der Körper als funktionelle Hülle übrig zu sein scheint.

Damit wird auf eine gelungene Art und Weise die Gefühlswelt des K. bzw. die Wahrnehmung seiner Umwelt auf den Leser übertragen, der jedoch das Glück hat als Beobachter noch den Unterschied zwischen Spaß und egoistischer Befriedigung der eigenen Lust zu erkennen. Diese Grenze scheint die Hauptfigur nämlich mit fortschreitendem „Erfolg“ immer öfter zu streifen und in einem Fall sogar beinahe zu übertreten. Ein Punkt, der ihn seine bis dato absolvierte Odyssee überdenken lässt, den Leser aber schlussendlich doch im unklaren lässt, ob die Abwendung von seiner Sucht endgültig oder nur eine Phase ist. Ein insgesamt sehr starker Story-Bogen, der trotz offenem Ende einen zufrieden die letzte Seite umblättern lässt. Dafür sind vor allem die vielen witzigen Situationen verantwortlich, die das im Kern unappetitliche Thema der aktuell grassierenden Vermittlungsplattformen treffend umschreiben und ein deutliches Statement dazu setzen. Eine wirklich runde Geschichte, die ohne Hänger durchgehend zu unterhalten weiß.

Koren Shadmi übernimmt dabei neben dem Autoren-Teil auch die Aufgabe der Visualisierung seiner Ideen. Hier lehnt er sich teils sehr deutlich an den zu Anfang erwähnten Robert Crumb an, der viel mit Schraffur arbeitet und damit seine Figuren extrem plastisch wirken lässt. Während eines Kapitels besucht K. sogar mit einer Bekanntschaft eine Ausstellung des Künstlers. Es folgt selbstverständlich eine Bett-Geschichte, die aber insbesondere bei der dargestellten Frau keinen Zweifel an der Inspiration durch den alten Meister lässt. Trotzdem behält sich Shadmi eine Eigenständigkeit bei, die ihn vor einer Degradierung zu einer simplen Kopie bewahrt. Körpersprache und Mimik der Charaktere wirken durchwegs lebendig und dem Thema entsprechend passend in Szene gesetzt. So wird Verzweiflung und Komik gleichermaßen Rechnung getragen, die beide Grundbausteine dieses Werks sind.

Alles in allem handelt es sich bei „Love Addict“ um eine Pflichtanschaffung für alle Fans der Crumb-Charaktere, Nerds mit „Träumen“ und alle, die sich gepflegt durch eine Graphic Novel unterhalten lassen wollen, die diesen Namen allemal verdient.

Hier könnt ihr euch das Buch besorgen.

apRon – Der Punch beginnt

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Mit dieser Rezension ist eine kleine persönliche Geschichte verbunden.

Vor einigen Jahren entdeckte ich die Münchner Underground-Band „apRon„, die einen Sound zwischen Nu-Metal/Crossover, Hardcore und Rock fabrizierte und damit exakt meinen Geschmack traf. Als ich neben ihrer großartigen Musik auch noch ihre Bühnenoutfits in Form von sich teils von Gig zu Gig wandelnder Schminke, und viel Konfetti entdeckte, war ich hin und weg.

Natürlich musste ich mir dieses Gebräu erstmal live ansehen und wurde
wie zu erwarten von ihrer unbändigen Energie umgeblasen, die sich aus der ständigen Bewegung und ihrem fast schon choreographiert wirkenden Zusammenspiel speiste. Theater in seiner schönsten Form!

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Nur kurze Zeit später wurde ich mit meiner damaligen Band gefragt, ob wir Lust hätten an einem fast schon irren Weltrekordversuch teilzunehmen und sagten selbstverständlich zu. Damit wurden wir Teil eines 67-stündigen und damit längsten Konzerts der Welt. Weiter ging es im Vorprogramm der Band in Passau und nach der Auflösung unserer Kapelle als Zuschauer auf fast allen Konzerten in München. Da der Kontakt auch auf privater Ebene sporadisch erhalten blieb, wurde ich als Fan und Kenner der Musik dazu eingeladen am Video „IDGAF“ als Darsteller mitzuwirken und machte selbstverständlich mit, indem ich einen Clown mit „Gilf“-Fetisch mimte.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass sich hier viele meiner Leidenschaften  in Form einer Band und ihrer Aktionen manifestierten. Als dann noch eines Tages die Ankündigung kam, dass zu einem kommenden Konzept-Album ein passender Comic erscheinen würde um die Story des „Mr. Punch“ durch verschiedene Medien erzählen zu können, schloss ich mich mit vielen anderen der parallel gestarteten Kickstarter-Kampagne an, die das ambitionierte Werk finanzieren sollte. Als kleine Belohnung in meinem Package, wurde ich als Figur sowohl in das Heft als auch Booklet integriert.

Die Lieder auf „Der Punch“ (apRons erstes deutschsprachiges Werk) drehen sich um den Spießbürger Kleinmann, der die fiese Handpuppe Mr. Punch findet, die von seinem Puppenspieler sofort Besitz ergreift und ihn auf eine Jahrmakttour nimmt, die wohl keiner so schnell vergessen wird…
Die Songs wirken dabei dem Ambiente der Erzählung und des Cover-Artworks (von Streetartist Michael „Fester“ Heinz-Fischer) entsprechend wie Zirkusmusik aus einem Horrorfilm und schwanken dabei von dicken Brettern bis zur melancholischer Ballade. Die einzelnen Tracks werden dabei durch einen Erzähler miteinander verbunden. Niemand geringeres als Stefan Linder, seines Zeichens Sänger der Band Schandmaul führt hierbei von Stück zu Stück.

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Die Visualisierung in Form des gleichnamigen Comic-Bandes folgt dabei parallel dem Geschehen und wurde vom Künstler Andi Papelitzky in Szene gesetzt, die wie das Leben Kleinmanns in Grautönen dargestellt wird. Die Figuren und die dazu passende Umgebung wirken der Erzählung (von apRon-Drummer Andreas „Medusa“ Kuhn getextet) entsprechend recht bizarr und werden nur durch vereinzelte Farbtupfer in Form des „Mr. Punch“ und bestimmter Körperflüssigkeiten aufgebrochen. Wie aber die Puppe dorthin gelangt ist, wo sie gefunden wurde und ob es eine Vorgeschichte zum bösartigen Innenlebens des Punch gibt, wurde nie geklärt.

Um diese Rätsel zu lösen hat das bestehende Kreativteam sich eines Prequels angenommen, welches vor kurzem als „Der Punch beginnt“ beim nun jährlichen „Punchfest“ (Konzert mit lokalen Bands im Münchner Backstage) Premiere feiern durfte. Während visuell fast alles beim gleichen bleibt (Papilitzkys Strich erscheint nur etwas weniger rau), begleiten wir zwei tragische Figuren in Person eines Professoren (Kleinmann ) der Literaturwissenschaften (Der Punch stammt ursprünglich aus einer britischen Erzählung) und einer Studentin, deren Wege sich einem Kreislauf gleich, am Anfang und am Ende der Geschichte kreuzen und dabei einen Übergang zum ursprünglichen Strang der Geschichte markieren. Garniert werden die Panels dabei mit allerlei Anspielungen auf die Münchner Alternativ-Szene und deren Protagonisten, wobei es einem „Außenstehenden“ nicht negativ auffallen sollte.

Alles in allem bleibt auch diese Ausgabe dem Underground treu und genießt dadurch sowohl auf Seiten der Story als auch auf künstlerischer Ebene Freiheiten, die im Mainstream unmöglich erscheinen. Trotzdem wirkt das Ergebnis sowohl von der Aufmachung als auch vom Inhalt her professionell genug, um auch die „Laufkundschaft“ in Comic-Läden anzusprechen. Der Stil erinnert mehr an einen Burton als an die Comix-Verfechter, die mehr durch Provokation als sicheren Umgang mit ihrem Werkzeug glänzten. Dementsprechend lege ich euch ans Herz das gesamte „apRon“-Package in Form der CD, des ursprünglichen Comics und des Prequels zuzulegen. Neben dem Genuss fürs Auge und Ohr, unterstützt ihr hierbei nämlich den Underground gleich zweier Szenen, die beweisen, dass dickes Budget und große Plattenfirma/Verlag noch lange nicht der einzige Garant für Qualität sind.

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Das Album findet ihr hier. Hier wäre der passende Comic und dort das Prequel.

Moby Dick

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Man kann selten von einem Vorteil reden, wenn man gewisse Werke der Weltliteratur nie gelesen hat. In meinem Fall gehört Herman Melvilles „Moby Dick“ dazu und wäre vermutlich auch von mir weiterhin links liegen gelassen worden, wenn Egmont Graphic Novel nicht vor kurzem eine Ausgabe zu genau dieser Geschichte herausgebracht hätte. Nicht, dass ich kein Interesse oder Muse hätte mich an solche Schinken heranzutrauen, aber das Thema hat mich als Buch nie wirklich interessiert. Nun habe ich mich mit der graphisch aufbereiteten Lektüre, die zum ersten mal im Jahr 1851 auf den Markt gebracht wurde, auseinandergesetzt und muss wirklich sagen, dass ich schwer begeistert bin.

Aber erstmal zum Inhalt, falls ich nicht der einzige sein sollte, der nur weiß, dass ein gejagter weißer Wal mit dem titelgebenden Namen in der Story auftaucht. Der junge Ismael heuert auf dem Walfänger „Pequod“ als Matrose an, um die Welt auf dem weiten Meer kennen zu lernen und macht dabei mit dem geistig und körperlich versehrten Kapitän des Schiffes Ahab Bekanntschaft. Diesem wurde vor langer Zeit bei einem Jagdausflug ein Bein vom sagenumwobenen Tier abgerissen und an diesem will der alte Mann nun Rache nehmen. So schwört er seine Mannschaft mit Ritualen und seiner bloßen Präsenz auf eine Jagd ein, die für einige den sicheren Tod bedeuten kann. Das Schiff läuft aus und die Geschichte nimmt ihren unausweichlichen Gang…

Ab hier möchte ich ungern weitere Details verraten, um für diejenigen, die die Geschichte noch nicht kennen sollten, die Spannung zu erhalten.

Was die visuelle Umsetzung anbelangt, hat es mit Christophe Chabouté genau der richtige Mann für dieses Projekt erwischt. Dieser arbeitet in einem komplett schwarz-weißen Stil ohne jegliche Schattierungen. Diese Machart gibt der Geschichte einen, in meinen Augen, angenehm düsteren Touch. Nach all den bekannten Parodien und kitschigen Abhandlungen in allen erdenklichen Medien, empfinde ich es hier als tolle Abwechslung. Durch die harten Konturen und die detaillierte Ausarbeitung von Figuren (vor allem der Mimik) und Umgebung wirkt die Szenerie dabei durchgängig lebendig und zieht den Leser in ihren Bann und damit in die Welt des Herman Melville. Dafür, dass Chabouté schon eine Vielzahl an Werken veröffentlicht hat, ist es für mich umso erstaunlicher, dass ich ihn erst jetzt entdeckt habe. Notiert euch diesen Namen!

Ich habe zwar, wie schon erwähnt, das Ursprungswerk nie gelesen, wage aber zu behaupten, dass die Umsetzung sehr gut gelungen ist und zu den besten ihrer Gattung gehört. Atmosphäre, Inhalt und Darstellung harmonieren so gut miteinander, dass ich diese Graphic Novel guten Gewissens jedem empfehlen kann, der sich für entsprechende Themen begeistern kann. Jedem anderen sei zumindest ein Blick ins Buch ans Herz gelegt. In diesem Sinne: Viel Spaß beim lesen!

Hier geht es zur Leseprobe!

Robocop versus The Terminator

Wenn man den Titel der vorliegenden Ausgabe liest, dann muss man sich eingestehen, dass es sich zunächst nach der Ausschlachtung zweier Marken anhört, die mit mittelmäßigen Autoren und Zeichnern zusammengeschustert wurde um auch in der Comic-Sparte richtig Kohle für die Hollywood-Studios raus zu schlagen. Auf den zweiten Blick fallen einem jedoch die Namen des kreativen Gespanns um diese Veröffentlichung ins Auge und die Kinnlade gleich darauf herunter.

Ja, wir sehen ganz richtig: Frank Miller (ja, genau der!) und Walter Simonsen (der in den 70er und 80er Jahren quasi an allem für Marvel und DC gearbeitet hat) haben sich tatsächlich im Jahre 1992 zusammen geschlossen und in meinen Augen einen der besten Comics herausgebracht, die auf einem Film-Franchise basieren. Vor allem diejenigen, die sich mit Millers Werken genauer auskennen, werden wissen was sie hier erwartet: Eine brachiale, doch zeitgleich bis ins letzte Detail ausgeklügelte Story, die trotz der zum Klischee neigenden Geschichte niemals ins Lächerliche abrutscht. Genau genommen ist der vorliegende Rahmen der Handlung ziemlich unüblich für Crossover-Events.

Normalerweise werden irgendwelche hanebüchenen Szenarien aus den Fingern gesogen um einen realitätsfernen Rahmen zu schaffen, in dem sich die zwei Hauptprotagonisten so richtig eins auf die Mütze geben können. Hier wurde zum Glück auf dieses ausgelutschte Konzept komplett verzichtet. In diesem Fall wird ein tatsächlich nachvollziehbarer Story-Strang aufgespannt, der die Existenz der einen Figur vollkommen logisch mit der Erschaffung der anderen begründet.

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Ja, richtig gehört. Ich versuche euch in diesem Zusammenhang die Story näher zu bringen, ohne große Spoiler einzubauen, die euch den Lesespaß vermiesen könnten: Als der den Terminator-Fans bekannte Widerstand der Menschheit erfährt, dass die Technologie, die das Bewusstsein von Skynet aktiviert hat (die Technologie, die den atomaren Erstschlag gegen die Menschheit ausführt und daraufhin die Terminatoren sowohl in die Gegenwart als auch Vergangenheit entsendet um die verbliebenen Menschen auszulöschen), der künstlich wieder hergestellte Verstand des Polizisten Alex Murphy aka RoboCop ist, entsendet er eine Kämpferin aus ihren Reihen namens Flo in die Vergangenheit um eben diesen zu eliminieren. Daraufhin werden scheinbar aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus Schwadronen an Terminatoren nachgeschickt um Murphy um jeden Preis zu beschützen, da dieser durch die Maschinen als der Ursprung oder auch der Schöpfer Skynets angesehen wird. Ab diesem Zeitpunkt möchte ich nicht weiter drauf eingehen wie die Story weiter verläuft, da dies zum einen etwas von der Spannung nimmt und zum anderen Miller-typisch eine Seitenlange Erklärung nach sich ziehen würde.

Auf der erzählerischen Ebene ist an diesem Werk in meinen Augen wenig bis gar nichts zu kritisieren, da hier etwas ungewöhnliches erschaffen wurde. Vermutlich konnte sich hier das kreative Gespann vollends austoben und genoss all die Freiheiten, die man so als aufsteigender Stern am Comic-Himmel so mit bekommt.

Bezüglich des Zeichenstils muss man ebenfalls eine Lanze für Walter Simonson brechen. Jeder, der über Jahre hinweg Comics gelesen hat oder liest, kann sich bestimmt an die unsäglichen Zeiten der 90er erinnern als die Panels genauso wie das Jahrzehnt aussahen: trashig. Zumindest wurde das Wort „zeitlos“ vermutlich eher selten im Wortschatz der Kreativen verortet. Simonson belehrt uns hier glücklicherweise eines Besseren und präsentiert uns einen Stil, der zum einen entfernt an Miller erinnert und zum anderen doch so sauber ausgeführt wird, dass es eine individuelle Note beibehält. Natürlich handelt es sich hier nicht um das aktuelle Werk eines Jim Lee, aber man wird hier in soweit versorgt, dass potentielle Erwartungen komplett erfüllt werden.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es selten eine so gute auf Filmen basierende Comic-Umsetzung gab, hinter der auch noch klingenden Namen standen, die ohnehin wenig Zweifel an der Qualität des Werkes zulassen. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Kaufempfehlung! In diesem Fall solltet ihr euch jedoch wirklich beeilen: Diesen Band gibt es tatsächlich nur in einer Auflage und diese beträgt nur 1.444 Exemplare! Also nichts wie los und in den Warenkorb damit!

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