[Rezension] Paper Girls – Band 6 (Cross Cult)

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© Cross Cult

Wer mich und meine Rezensionen zu den Paper Girls (Cross Cult) kennt, der weiß wie begeistert ich von Brian K. Vaughns, Cliff Chiangs und Matt Wilsons Arbeit an dem Projekt bin. Dabei ist es nicht nur eine persönliche Affinität zu den abgedrehten Abenteuern der Mädchen-Gang aus Erin, Mac, Tiffany und KJ, sondern die nicht bestreitbare Qualität der Reihe, die Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Eisner-Awards und eine in in der Produktion befindliche TV Serie sprechend dabei Bände.

Was neben dem fortlaufend guten Storytelling und einer visuell ansprechenden Präsentation ebenfalls für eine Geschichte auf hohem Niveau spricht, ist der richtige Zeitpunkt diese zu beenden. Genau das haben die Macher mit der Ausgabe 30 im letzten Jahr gemacht und damit das Abenteuer der Paper Girls zu einem runden Abschluss gebracht. In Deutschland ist das mit Band 6 geschehen, der die letzten Hefte, wie bei all den zuvor erschienenen Ausgaben, in einem attraktiven Hardcover bündelt.

Waren von Anfang an viele Mosaik-Steine bewusst lose gesetzt und zahlreiche Interpretationen der Ereignisse den Lesern überlassen, läuft Vaughn auf der Zielgeraden zur Höchstform auf, indem er all die Elemente, die einen zuvor eventuell irritiert haben zu einem Gesamtbild verknüpft. Nach wie vor springen die vier Heldinnen durch die Zeit, um endlich in ihre alte Heimat der verschlafenen Vorstadt Stoney Steam des Jahres 1988 zu gelangen. Das gestaltet sich jedoch wie in all ihren Erlebnissen zuvor als nicht einfach. In der Folge ihrer Handlungen in den verschiedenen Zeitebenen haben sie nämlich einiges durcheinander gebracht, sich in wortwörtlich alle Himmelsrichtungen und Zeiten verstreut, ihre nach wie vor mysteriösen Verfolger aus der Zukunft aber nicht abgehängt. Vor diesem Hintergrund scheint zunächst ein Happy End und eine finale Zusammenkunft der Mädchen immer unwahrscheinlicher, doch genau diese Zersplitterung der Handlung, die sich ab einem bestimmten Punkt in vier parallele Stränge verzweigt, sorgt dafür, dass sowohl die Protagonisten, als auch Leser zu einem Verständnis der Ereignisse gelangen, die in einer so schön in sich geschlossenen Geschichte münden, dass man direkt Lust bekommt nochmal von vorne zu beginnen. Wie dieser Abschluss nun aussieht sollte man aber am besten für sich selbst herausfinden. Twists und ungewöhnliche Ereignisse sind nach wie vor die Stärken von Paper Girls und sollten in dem Sinne für sich selber sprechen.

Auf dem Weg dorthin werden darüber hinaus erneut zahllose Referenzen auf die Popkultur ausgepackt, die nie deplatziert wirken, sondern zur Unterstreichung der jeweiligen Epoche dienen. Ob nun Film, Musik oder der generelle Zeitgeist – der ganz besondere Vibe, von dem auch Serien-Produktionen wie Stranger Things leben, sorgt für immer wieder angenehme Nostalgie-Momente, durch die Erin, Mac, Tiffany und KJ sogar noch mehr Tiefe verliehen bekommen. Sie wirken zu keinem Zeitpunkt konstruiert, um vier unterschiedliche Projektionsflächen abzubilden, sondern wie authentische Personen, denen man ihre Gefühle und Gedanken, sowie zwangsläufige Entwicklung im Windschatten der beschriebenen Ereignisse jederzeit abnimmt und daher ohne zu überlegen mitfiebert.

Auch auf visueller Ebene leisten Zeichner Cliff Chiang und Kolorist Matt Wilson nach wie vor ganze Arbeit und vermitteln durch ihre Komposition ein ganzes Arsenal an Emotionen und spannungsgeladenen Momenten, die sowohl Dialoge und generelle verbale Interaktionen unterstreichen, aber auch ohne Worte so viel rüber bringen, dass eine Stimmigkeit, die seit dem ersten Heft spürbar ist, auch auf den letzten Metern bewahrt bleibt.

Alles in allem, kann ich den abschließenden Band 6 genauso empfehlen wie die Vorgänger zuvor. Mit Paper Girls schafft man sich nämlich nicht einfach eine solide Comic-Geschichte, sondern eine der besten und außergewöhnlichsten Reihen an, die in den letzten Jahren erschienen sind und in einem überschaubaren Umfang gerne zum erneuten Griff ins Bücherregal einladen.

Hier geht es zu den Rezensionen der Bände 1, 2, 3, 4 und 5.

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Paper Girls - Band 6 
Verlag: Cross Cult 
 
Autor: Brian K. Vaughn 
Zeichner: Cliff Chiang 
Kolorist: Matt Wilson
Erschienen am: 26.11.2019 
 
Format: Hardcover
 
Seitenzahl: 128
Preis: 22 EUR

[Rezension] Paper Girls – Band 5 (Cross Cult)

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Man hat lange nichts mehr von mir im Zusammenhang mit ZOMBIAC gehört und das hat tatsächlich gute Gründe, die keineswegs mit fehlender Lust am Schreiben oder geringerem Interesse an Comics zu tun haben. Tatsächlich war ich selten so sehr im Kontext des zweiten Themas eingespannt, wie in den letzten Wochen und Monaten.
Als Teil des Orga-Teams um das Comicfestival München, habe ich unter anderem für den reibungslosen Ablauf der Signierstunden, der Kommunikation mit den Verlagen, Künstlern usw. gesorgt. Da dieser Job jedoch neben Studium, Arbeit und Kind zu erledigen war, könnt ihr euch vorstellen, das gewisse Dinge mit einer geringeren Priorität auf der Strecke geblieben sind.  Dazu gehört traurigerweise auch dieser Blog, der natürlich weiterhin betrieben und befüllt werden soll.

Das wird in den nächsten Wochen aber ebenfalls im vorhandenen, aber nur geringem Maße erfolgen, da mir das Glück zuteil wurde die nächsten zwei Monate bis Ende September in New York City verbringen zu dürfen. Hintergrund ist dabei mein Englisch-Studium, dass einen entsprechend langen Aufenthalt in einem englischsprachigen Land als Mindesvoraussetzung für meinen Abschluss beinhaltet.

Nun jedoch genug von Erklärungen, die für die Zukunft eh nichts zur Sache tun und rein in die seit langem erste Rezension: Den fünften Band zu den großartigen „Paper Girls“ von Cross Cult! (Hier geht es zu den Rezensionen zu den Bänden 1, 2, 3 und 4)

Dabei schreiten wir als Leser langsam aber sicher auf das Ende der Geschichte von Brian K. Vaughn und Cliff Chiang um die lieb gewonnene Girl-Gang zu. Deren Abenteuer wurden in den USA nämlich nach 30 Ausgaben zu einem Ende gebracht, was uns deutschen Leser mit dem vorliegenden Sammelband den vorletzten Release in diesen Breitengraden beschert.

Während wir den inzwischen fleißig zeitreisenden Erin, Max, Tiffany und K.J. schon in den 80ern mit passenden „Stranger Things„-Vibes über die Schultern schauen, in der Steinzeit mitfiebern und im Jahr 2000 auf die auch popkulturell aufbereitete Endzeitstimmung dieser besonderen Zeit blicken durften, verschlägt es die Protagonistinnen diesmal ins 22. Jahrhundert. Nun sind die Mädels jedoch mehr als froh in der Zukunft und nicht in der heimischen Version von Stoney Steam gelandet zu sein, denn die üblicherweise zynisch aufgelegte Mac darf sich Hoffnungen machen ihre Leukämie zu besiegen, bevor sie diese überhaupt bekommt, da sie von ihrer tödlichen Krankheit schon in der Vergangenheit erfahren hat. Doch nicht nur auf physischer Ebene werden Veränderungen durchgemacht, denn der immer wieder präsente Coming-of-Age Teil der Geschichte kommt erneut und ohne jede peinliche Note zum Vorschein, als K.J. sich offen zu ihrer Homosexualität und zeitgleich ihren Gefühlen für Mac bekennt. Eine wilde Mischung, die aber zu jeder Zeit authentisch und emotional nachvollziehbar erzählt wird.

Dabei wird die Sache für unsere Heldinnen nicht weniger kompliziert, als ihnen die seit dem ersten Band auf den Fersen haftende Gruppe um einen geheimnisvollen Anführer in wechselnden Band-Shirts aus der Hip-Hop-Ära der 80er, näher kommt als je zuvor. In diesem Kontext wird auch endlich der zu Anfang von Band 1 gespannte Bogen langsam aber deutlich sichtbar, was wiederum auf das absehbare Ende hinweist, dass hoffentlich so grandios zum Abschluss geführt wird, wie es die bisherige Story vermuten lässt.

Auch auf visueller Ebene bekommt man erneut Kost auf dem hohen Niveau serviert, dass man sich nicht nur wünscht, sondern zum aktuellen Zeitpunkt regelrecht erwartet. Jedes Panel und jede Mimik durch Cliff Chiang, sowie die großartige Kolorierung von Matt Wilson scheinen mindestens so präzise und spannend aufeinander eingespielt zu sein, wie die erzählerische Meisterleistung von Vaughn. Ein kreativer Cocktail, der nicht ohne Grund von Amazon zu einer TV-Version adaptiert werden soll.

In diesem Sinne macht man als potentieller Käufer des fünften „Paper Girls„-Bandes nicht nur wenig falsch, sondern ist eigentlich dazu verpflichtet seine Sammlung zu vervollständigen und mit den vielen anderen Fans auf das große Finale in diesem Herbst hinzufiebern.

Paper Girls - Band 5 
Verlag: Cross Cult 
 
Autor: Brian K. Vaughn
Zeichner: Cliff Chiang
Erschienen am: 17.04.2019 
 
Format: Hardcover
 
Seitenzahl: 152
Preis: 22 EUR

Paper Girls – Band 4

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Endlich ist das vor kurzem hier schon angekündigte vierte Paperback zu den „Paper Girls“ von Brian K. Vaughan (Autor), Cliff Chiang (Zeichner) und Matt Wilson (Kolorist) erschienen und soviel sei schon verraten: Es erfüllt alle Erwartungen und noch viel mehr!

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©Cross Cult

Nachdem es beim letzten Mal die vier Hauptprotagonistinnen in eine Art Steinzeit verschlagen hat, finden wir sie nun in der Zukunft wieder. Wobei Zukunft in dem Zusammenhang dann doch ein sehr dehnbarer Begriff ist, da die Mädels nicht in einer futuristischen Version Amerikas, sondern in ihrer Heimatstadt Stony Stream zur zweiten Jahrtausendwende (die berühmt-berüchtigten Millenium-Brillen eingeschlossen) gelandet sind. Hier versuchen Erin, MacKenzie und KJ die von ihnen getrennte Tiffany zu finden, während sie sich parallel mit dem Y2K-Chaos (oder auch „Millenium-Bug„) dieser Tage auseinandersetzen müssen. Und nicht nur das. Wie schon bei ihrem unfreiwilligen Ausflug in unsere Gegenwart, begegnet eines der Mädchen einer erwachsenen Version ihres Ichs. In diesem Fall die komplett dem düster-apokalyptischen Zeitgeist verfallene Tyffany, die inzwischen mit einem Mann verheiratet ist, mit dem sie nicht nur das Leben, sondern auch den Look (und damit wohl Musikgeschmack) irgendwo zwischen Marilyn Manson und den Matrix-Filmen teilt.

Dabei ist das natürlich nur die Rahmenhandlung, denn der eigentlich spannende Teil der Story beschäftigt sich mit den Hintergründen der seltsamen Vorgänge, die schon seit dem ersten Band für viel Spannung aber noch mehr Fragezeichen gesorgt haben. So sehen wir das erste Mal eine direkte Konfrontation zwischen den Teenagern aus der Zukunft und den Vertretern des erwachsenen Establishments, die sich beide in überdimensional großen Transformers-artigen Maschinen Saueres geben. Dabei werden die Motive beider Seiten Stück für Stück klarer und die Differenzierung zwischen gut und böse plötzlich garnicht mehr so eindeutig, wie zunächst gedacht. Hierbei kommt das erste Mal in der Reihe so etwas wie die Andeutung von Klarheit auf, da zuvor platzierte Figuren und Ereignisse zum generellen Storytelling und auch bezüglich des Spannungsaufbaus einiges beitrugen, aber keine wirkliche Erklärung lieferten. Nun fügt sich alles Stück für Stück zusammen, lässt den Leser das von Anfang an vorhandene Gesamtbild langsam erkennen und damit die Zeit bis zum nächsten Band unerträglich werden.

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©Cross Cult

Doch nicht nur die meisterhaft konstruierte Geschichte von Brian K. Vaughan in Bezug auf das große Ganze lässt die Augen an den Seiten kleben, sondern auch die emotional aufgeladenen, persönlichen Schicksale der Hauptfiguren, die einem schon früh ans Herz gewachsen sind und nun ihre Comig-of-Age-Momente inmitten des Chaos durchleben. Ob es nun um Tod oder die Entdeckung der eigenen Sexualität geht, es wirkt alles greifbar und real, was wiederum auf die gekonnte Charakterentwicklung zurückzuführen ist, die einfache Striche auf Papier zu etwas lebendigem werden lässt. Natürlich spielt auch Cliff Chiangs Talent eine Rolle, wenn er es auch in der Abfolge wortloser Panels schafft eine Geschichte zu erzählen, die mit Matt Wilsons Kolorierung eine zusätzliche Facette erfährt.

In diesem Sinne behält „Paper Girls“ nicht nur die von Anfang an hohe Qualität im Bereich der Story und der visuellen Aufmachung bei, sondern schafft es sich sogar noch weiter zu steigern. Daher ist es kein Wunder, dass sich die Fangemeinde mit jedem Band multipliziert und die einschlägigen Preise den Machern nur so hinterher geworfen werden. Wenn ihr auch bei diesem Phänomen mitreden wollt, rate ich euch dringend dazu, sich die schon erschienen Ausgaben (Band 1, Band 2, Band 3) zu besorgen und der Fortsetzung entgegen zu fiebern, denn nachdem ihr die ersten Seiten verschlungen habt, bleibt euch garnichts anderes mehr übrig!

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©Cross Cult

Paper Girls - Band 4 
Verlag: Cross Cult
Erschienen am: 22.05.2018 
Autor: Brian K. Vaughan 
Zeichner: Cliff Chiang  
Colorist: Matt Wilson 
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 144 
Preis: 22 EUR

Paper Girls – Band 3

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Inzwischen sollte die Reihe „Paper Girls“ (Band 1, Band 2) so gut wie jedem Comic-Leser ein Begriff sein. Die Mehrfach ausgezeichnete Geschichte von Brian K. Vaughn (Autor; u.a. „We Stand on Guard„), Cliff Chiang (Zeichner) und Matt Wilson (Farben) ging vor nicht allzu langer Zeit durch die Decke und erfuhr aufgrund des ähnlichen Looks & Feels von „Stranger Things“ einen zusätzlichen Schub.

Der Erfolg kommt dabei explizit durch die enorm hohe Qualität der Geschichte und der visuellen Aufmachung zustande, die die Definition dessen, was man als Comic versteht auf ein ganz eigenes Level heben. Es kommt selten vor, dass Graphic Novels und Co. im Rahmen ihrer Möglichkeit eine solche Dynamik im Bereich des Storytelling entwickeln, dass man gefühlt in die Panels gesogen wird. Wie bei Filmen und Büchern gibt es viele spannende Erzählungen, doch die wahren Perlen sind selten und strahlen dafür umso heller.

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©Cross Cult

So ein Fall ist auch „Paper Girls 3„, dass direkt an den Vorgänger anschließt, in dem drei der vier Heldinnen dieser Geschichte einen Sprung aus einem Helikopter in ein Zeitfenster wagten. Zuvor landeten sie auf der Suche nach ihrer Freundin KJ durch ein ähnliches Portal im Jahr 2016 (alles beginnt im Jahr ’88, daher das zuvor erwähnte Retro-Feeling), nur um in einer halsbrecherischen Aktion in einer Steinzeit-Welt, samt passender Flora und Fauna anzukommen. Hier treffen sie endlich ihre verloren geglaubte Kameradin, aber auch einen Haufen unangenehmer Zeitgenossen, die Jagd auf eine junge Kriegerin samt Baby machen. Um der Situation noch einen drauf zu setzen, taucht auch plötzlich eine Zeitreisende aus der Zukunft auf und gerät sofort zwischen die Fronten.

Hieraus versuchen sich Erin, Mac, Tiffany und KJ so schnell wie möglich zu befreien und einen Weg in ihre Heimat Stony Stream zu finden und das am besten in der Zeit, aus der sie ursprünglich kommen. Klingt zunächst wie eine von vielen Abenteuer-Geschichten in einem Fantasy- bzw. Science Fiction-Setting, ist aber so viel mehr.

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©Cross Cult

Insbesondere die Charakterzeichnung der Hauptprotagonistinnen gehört zu dem besten was man seit langer Zeit gesehen hat. Jede der Figuren wirkt individuell, jenseits von zweidimensional und durchwegs sympathisch. Bei jedem Dialog formen sich immer neue Facetten, die dem Leser Lust darauf machen, das Abenteuer der vier Mädchen so lange wie möglich zu begleiten und herauszufinden, was die Zukunft für sie bringt. Man leidet mit, freut sich über jeden kleinen Schritt in Richtung Ziel und bangt um jede von ihnen, wenn neue Gefahren auftauchen. Dazu tragen vor allem die schönen Dialoge bei, die immens die Tiefe der Geschichte erweitern und einen tollen Coming-of-Age-Charme versprühen. Nicht zu vergessen ist der vollkommene Verzicht auf Klischees von „abenteuerlustigen Mädchen, die Mädchen bleiben“ im Sinne einer vorbestimmten Zuordnung von Charaktereigenschaften aufgrund von Alter und Geschlecht. Wenn man sich durch die Story arbeitet, hat man wirklich das Gefühl die Figuren auch in seinem Leben kennen gelernt zu haben und nimmt ihnen ihre Ängste und Hoffnungen sofort ab, da diese greifbar erscheinen.

Man merkt darüber hinaus das handwerkliche Können der Macher an einem Punkt, den man beim lesen kaum bemerkt. Es werden immer wieder kleine Anspielungen auf den Hintergrund der Ereignisse eingestreut, dieser wird jedoch stets im dunklen gehalten. Man weiß nach drei Bänden immer noch nicht wirklich etwas über die Zeitreisenden, was es mit den „Apple“-Logos (ja, das uns bekannte Unternehmen) auf ihren futuristischen Geräten auf sich hat und warum die Mädchen hineingezogen wurden. Trotzdem fühlt sich der Erzählstrang bewusst gewählt und natürlich an. Dadurch wird die Spannung stets aufrecht erhalten, während man zeitgleich persönlich mit den Charakteren mitfiebert. Eine Konstellation, die auf diesem schon erwähnt hohen Niveau schnell die Frage aufkommen lässt, wann es denn endlich weiter geht. Zum Glück ist aber schon bekannt, wann uns die Fortsetzung ins Haus steht und das ist garnicht so weit entfernt. Am 16.05.2018 erscheint der vierte Band, dessen Besprechung ihr auch hier finden werdet. Bis dahin habt ihr aber Zeit euch den Vorgänger und wenn nicht schon geschehen, die ersten beiden Bände zu besorgen. Ihr werdet es nicht bereuen!

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©Cross Cult

Paper Girls - Band 3
Verlag: Cross Cult 
Erschienen am: 18.12.2017 
Autor: Brian K. Vaughan
Zeichner: Cliff Chiang 
Colorist: Matt Wilson
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 144
Preis: 22 EUR

Paper Girls – Band 2

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Wie ich schon bei der Review zum ersten Band von Paper Girls zugeben musste, ist mir der Release im Gegensatz zum Rest der Welt reichlich spät aufgefallen. Eine wahre Schande, die mit einem verdienten Eisner-Award als „beste neue Serie“ umso größer auf mich zurück fällt. Ich rede mich hier mal im Hinblick auf privates Chaos raus und bin zumindest froh die Fortsetzung von Erfolgsautor Brian K. Vaughn (Y: The Last Man, Saga, We Stand on Guard) rechtzeitig am Horizont erblickt zu haben.

Diese steht nämlich dem Erstling in nichts nach und das ist schon mal eine Ansage, wenn man bedenkt welche Schnappatmung der Beginn des Abenteuers von Erin, Mac, Tiffany und KJ sowohl bei Fans als auch Rezensenten (inklusive mir) ausgelöst hat. Spielte die Handlung zunächst im Jahr 1988, was mit den Fahrrad fahrenden Heldinnen sofort Assoziationen zu der Netflix-Serie Stranger Things ausgelöst hat, befinden wir uns mit 3/4 der ursprünglichen Mädchen-Gang durch die Zeit katapultiert im Jahr 2016 und auf der Suche nach ihrer verschwundenen Freundin KJ.

Die Handlung setzt nahtlos in dem Moment ein, mit dem der letzte Band ein Ende gefunden hat: Der Begegnung mit Erins zukünftigem ich. Dieses ist entgegen der Erwartungen der Mädchen, der Inbegriff einer fertigen Mittdreißigerin ohne Partner, mit miesen Job und Angstzuständen. Kein Wunder, dass beide Seiten erstmal eine ganze Menge Fragen haben. Trotz anfänglicher Skepsis schließt sich das seltsame Team zusammen um gemeinsam nach der vermissten Freundin zu suchen. Die aber ohnehin schon verwirrende Situation wird für alle nur noch irritierender, als plötzlich eine Art Klon der jüngeren Erin erscheint und mit ihr nicht weniger als Hochhaus-große Bärtierchen, die sich einen Kampf ganz im Stile eines Godzilla/King Kong/Jedes japanischen Monsterfilms liefern und damit die Umgebung in Schutt und Asche legen.

Klingt überdreht und ist es auch. Trotzdem schafft es Vaughn die Handlung extrem flüssig und kohärent zu gestalten. Bei all den eingeführten Elementen keine Selbstverständlichkeit und doch wie spielerisch umgesetzt. Daher ist der schon bei der letzten Rezension angeführte Vergleich mit einer guten, sowie modernen TV-Serie erneut angebracht. So detailverliebt und gleichzeitig frei beim Umgang mit popkulturellen Referenzen und Sozialkritik sieht man nur wenige Comic-Publikation auf dem Markt und noch viel weniger, die eine solch hohe Qualität über einen längeren Zeitraum halten können. In diesem Sinne habe ich fast schon Angst vor einem Finale wie bei LOST, welches gefühlt die ganzen sechs Staffeln zunichte gemacht hat. Bis jetzt besteht aber kein Grund zur Sorge, da von der ersten bis zur letzten Seiten Unterhaltung auf einem Niveau geboten wird, das seinesgleichen sucht.

Auch visuell bleibt die Latte oben liegen. Cliff Chiang ist mit seinem Stil nicht einfach nur der Handwerker, der Vaughns Geschichte Leben einhaucht, sondern mit seiner Arbeit einen mindestens gleichwertig wichtigen Teil zur Atmosphäre beiträgt und mit dem Koloristen Matt Wilson an seiner Seite ein Produkt erschafft, auf das Comic-Fans noch in Jahren zurückblicken werden.

Man kommt nicht umhin, zu sagen, dass es sich auch bei Paper Girls – Band 2 um einen Pflichtkauf handelt. Ich verspreche euch, dass ihr es bitter bereuen werdet, wenn die Hardcover-Ausgabe vergriffen ist! Also nichts wie hin in den nächsten Comicladen, mit dem Kauf die Szene unterstützen und sich selbst ein Geschenk bereiten, zu welchem man immer wieder gerne greifen möchte.

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Wenn ihr Comic-Fans seid, wundert ihr euch wahrscheinlich, warum die erste Ausgabe von Paper Girls (Cross Cult) erst jetzt ihren Weg zu einer Rezension auf ZOMBIAC gefunden hat. Wißt ihr was? Ich kann euch diese Frage nicht beantworten und schäme mich fast schon dafür, meine Leser nicht früher über diese großartige Geschichte informiert zu haben.

Nun habe ich aber endlich die Gelegenheit und möchte sie gleich nutzen, um in eine Story einzutauchen, die ihresgleichen sucht. Wir befinden uns in Stony Steam, einem Vorort von Cleveland am Morgen nach Halloween 1988. In der Morgendämmerung macht sich das zwölfjährige Mädchen Erin Tieng an ihre Arbeit als fahrradfahrende Zeitungsausträgerin, als sie Mac und ihrer Entourage aus Tiffany und K.J. über den Weg läuft, die ebenfalls in Erins Alter sind und mit dem selben Job im kleinen Ort ihr Taschengeld aufbessern. So weit, so üblich. Als jedoch plötzlich seltsame Gestalten auftauchen, die trotz Halloween-Settings nicht ganz in die Szenerie reinpassen wollen, geraten immer mehr mysteriöse Dinge in Bewegung, die die Augen des Lesers geradezu an die Seiten nageln.

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Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, die trotzdem den dazu passenden Charme transportiert. Wenn uns eine alkoholkranke Mutter über den Weg läuft und mit Waffen hantiert wird, merkt man recht schnell, dass diese Lektüre trotz des jungen Alters der Protagonistinnen, alles andere als für ein gleichaltriges Publikum konzipiert wurde.

Neben der eigentlichen Story beglückt uns der Ausnahmeautor Brian K. Vaughan (Y: The Last Man, Saga) mit einer gewaltigen Ladung an popkulturellen Referenzen, die nicht nur Kinder der 80er verstehen sollten. Ob Musik, Technik oder einfach der Zeitgeist – so gekonnt platziert habe ich solche Anleihen höchstens in gut gemachten TV-Serien gesehen. Das Ganze wird zum Glück nicht einfach als Futter für die Fanboys à la „Ha! Kenn ich!„-Effekt verkauft, sondern immer mit einem leichten Augenzwinkern in die Geschichte verbaut.

Brian K. Vaughan: Paper Girls 1

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Hinzu kommt das wunderschöne Artwork von Cliff Chiang, welches die Atmosphäre gekonnt einfängt und eine Welle der Nostalgie über die Leser schwappen lässt, ohne diese altbacken wirken zu lassen. Man bedenke: Ich bin ein Kind der 90er und fühle mich bei der Lektüre wie in eine fiktive Vergangenheit zurück versetzt. Jede der Figuren, ob Randerscheinung oder Träger der Geschichte, strotzt nur so vor individuellen Charakterzügen und baut damit auch umso leichter eine emotionale Brücke auf. Ich für meinen Teil, würde mich zumindest nicht wundern, wenn man Paper Girls sowohl bezüglich der Story als auch der visuellen Umsetzung als Blaupause für das nächste große Serien-Projekt aufzieht. Das gilt auch für die Farbgebung durch Matt Wilson, welche mit einer reduzierten Palette auskommt und trotzdem nichts zu wünschen übrig lässt. Diese trägt nämlich ungemein zur Atmosphäre bei, die Chiangs Zeichnungen die Facette gibt, die den Touch der 80er erst in ihrer ganze Fülle transportiert.

Alles in allem ist dieser Band das, als was er von Seiten des Verlags (ohne zu übertreiben) beworben wird: „Das wohl Heißeste und Abgefahrenste, was der US-Comicmarkt derzeit zu bieten hat.“  Ich wurde auf jeden Fall so extrem und vor allem positiv überrascht, dass ich jedem, der sich nur im Ansatz als Comic-Leser bezeichnet, Paper Girls ans Herz lege.

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Band 1 ist schon im Handel erhältlich! Der zweite Band erscheint am 31.07. und der dritte am 18.12.2017!