XCT

Bildschirmfoto 2017-05-18 um 12.02.17

Inzwischen sollte Timo Wuerz so gut wie jedem Leser meines Blogs und Comic-Fans im Allgemeinen ein Begriff sein, obwohl sich der Gute primär als Maler sieht, der zufällig auch Comics macht. Wenn euch schon mal eines seiner Werke in die Hände gefallen ist, wisst ihr sicherlich was ich meine.

Zwar fand Timo erst nach endlos langen Jahren wieder zu dem von uns geliebten Medium zurück, aber sein Output der aktiven Comic-Zeiten hat genügend Umfang um eine Werkausgabe zu veröffentlichen. Dieser Aufgabe nahm sich POPCOM an und liefert beginnend mit Ghost Realm, über Lula & Yankee bis Aaron & Baruch ein brachiales oder/und charmantes Werk nach dem anderen ab.

Klar, dass die Reise durch Timos Schaffen noch lange nicht vorbei ist. Mit XCT liegt eine weitere Geschichte in Zusammenarbeit mit Niki Kopp vor, die wie ein Zeitsprung in die Köpfe der Generation X anmutet, die offensichtlich Pate für die Namensgebung des Comics stand.

Im Detail betreten wir eine utopisch anmutende Welt, die befreit von Waffen, Aids und all den anderen Geißeln der Menschheit in vollendeter Selbstgefälligkeit vor sich hin lebt. Mitten drin sticht jedoch eine Stadt heraus, die nur von Jugendlichen bewohnt und verwaltet wird: Die titelgebende XCT!

Entsprechend des Alters der Protagonisten und vor allem wegen dem Entstehungszeitpunkt der Geschichte, sieht die dortige Umgebung ziemlich nach der Musikvideo-Generation der 90er aus, die sich durch Anleihen an Grunge, Goth, Techno und Industrial definiert und damit die Realität des Jahrzehnts recht genau widerspiegelt.

Basierend auf der nihilistischen Grundstimmung der erwähnten Subkulturen, sind wir Zeugen von Drogenexzessen, Sex und Musik in Hülle und Fülle. Im Endeffekt das Traumabziehbild eines jeden Teenagers, der die Luft dieser Zeit atmen durfte.

Das benannte Konzept gerät aber plötzlich in Gefahr, als eine Gruppe mit Hilfe der verbotenen Waffen die Macht in der Stadt der Jugend an sich reißen möchte. Die zu den Gründervätern XCTs gehörende Corky lässt das Ganze natürlich nicht auf sich sitzen und macht sich bereit ihr Paradies mit allen Mitteln zu verteidigen.

So überdreht wie sich das anhört, liest es sich auch. Ein greller Adrenalinrausch, der sich über die gesamte Länge der über 100 Seiten erstreckt und kaum Zeit zum Durchatmen lässt. Zu der damit einhergehenden Gewalt, wird der Geschichte darüber hinaus ein sozialkritisches Korsett umgeschnallt, welches sich die dystopischen Elemente der dargestellten Exzesse schnappt und sie zu einem pervertierten Spiegelbild unserer realen Gesellschaft umfunktioniert.

Die popkulturelle Ebene kommt ebenfalls nicht zu kurz. Im Comic begegnet man zum Beispiel einer autoaggressiv anmutenden Band, deren Sänger gewisse Ähnlichkeiten mit einem Superstar aufweist, der einst als der Enfant Terrible der Musikwelt Bekanntheit erlangte. Die Rede ist von Marilyn Manson, der in Bezug auf Verhalten und Optik als Vorbild fungierte. Dabei handelt es sich nicht einfach um eine von mir aufgestellte Theorie, denn im reich mit Extras befüllten Anhang wird diese Annahme rasch durch die Macher bestätigt, die den „God of Fuck“ während der Tour zu „Antichrist Superstar“ persönlich erleben durften und dadurch nachhaltig inspiriert wurden.

Was die generelle visuelle Umsetzung anbelangt, bewegt sich Timo Wuerz im stilistischen Bereich von „Aaron & Baruch„, wobei er sich deutlich experimentierfreudiger zeigt.

Sowohl was die Farbgebung, als auch „Special Effects“ wie Unschärfen- und Lichteffekte anbelangt, war XCT seiner Zeit weit voraus. Digitale Bearbeitung steckte zu dem Zeitpunkt in den Kinderschuhen und selbst die großen Verlage und ihre Künstler übten sich in Zurückhaltung. Noch bis heute ist eine Nachbearbeitung realer Malerei eher selten anzutreffen, während komplett am Computer entstandene Welten zur Regel geworden sind. Daher sticht dieser Band auch 20(!) Jahre nach seiner (ursprünglich für zwei Ausgaben konzipierten) Erstveröffentlichung aus der Masse der 90er-Releases heraus und wirkt trotz der nostalgischen Note zu keinem Zeitpunkt altbacken.

Als Fazit kann ich entsprechend ziehen, dass XCT auf keinen Fall einen Lückenfüller für die Gesamtausgabe des Ausnahmekünstlers Timo Wuerz darstellt, sondern einen lupenreinen Pflichtkauf! Wenn ihr schon angefixt seid, müsst ihr nicht lange auf seinen nächsten Output warten: Ghost Realm 2 steht schon in den Regalen und die passende Besprechung findet ihr wie üblich bald hier auf ZOMBIAC!

PS: Wer sich persönlich eine Signatur abholen oder sich eines seiner Sketche anfertigen lassen möchte, hat dazu auf dem Comicfestival München die Gelegenheit. Am 25. und 26.05. ist Timo Wuerz in der Alten Kongresshalle der bayerischen Landeshauptstadt anzutreffen!

 

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