[Rezension] Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik (TASCHEN) + UPDATE: SIGNIERSTUNDE IN BERLIN!

Kunst-Enthusiasten, die einen breiteren Horizont haben, als es die bildungsbürgerliche Blase zulassen möchte, wissen seit vielen Jahren, dass auch populäre und dem Mainstream nicht fremde Erzeugnisse einen hohen kulturellen Wert besitzen, der sich nicht in den Hängungen großer Pinakotheken aufwiegen lässt. Dazu gehören selbstverständlich Comics und Trickfilme, die in den letzten Jahrzehnten einen größeren Abdruck im weltweiten Bewusstsein hinterlassen haben, als es viele vermeintlich große Namen jemals könnten. Dabei soll hier keine wertende Unterscheidung getroffen werden, sondern nur die Feststellung, dass in der Wahrnehmung von Menschen ein Ungleichgewicht herrscht, die an Kunst Kriterien anlegen, die letztlich nur der Abgrenzung dienen.

©Disney

Ein grandioses Beispiel dafür, wie sehr sich dieser Personenkreis irrt, ist Walt Disney, der sein Publikum unabhängig von Alter, Geschlecht, (sozio)kulturellem Hintergrund oder Bildungsgrad stets zu begeistern wusste und der Welt einen Konzern hinterlassen hat, der diesen Geist in seinen Produktionen bis heute verfolgt. Noch zu Lebzeiten schufen er und seine Mitarbeiter Figuren und Geschichten, die auch nach fast einem Jahrhundert nichts an Relevanz und Qualität eingebüßt haben. Allen voran natürlich das Maskottchen des großen Ds: Micky Maus. Wer kennt ihn nicht, den pfiffigen Nager, dessen Konterfei aus unserem Leben nicht wegzudenken ist? Kein Wunder, dass der TASCHEN-Verlag vor gut sechs Jahren der Figur eine im wahrsten Sinne des Wortes ultimative Chronik widmete – ein Meilenstein, dem eigentlich nichts das Wasser reichen könnte.

©Disney

Wäre da nicht ein weiterer Charakter aus dem bunten Repertoire des kalifornischen Studios, der zwar nicht als Disney-Stellvertreter auftritt, aber in seiner Beliebtheit jede andere Kreation übertrifft: Donald Duck, der berühmteste Erpel der Welt, der dieses Jahr sage und schreibe seinen 90. Geburtstag feiert. Dabei blieb er sich immer treu, wirkte jedoch nie altbacken. Sein Humor war stets schelmisch, aber nie bösartig; sein Einfluss immens, aber nie ein Selbstläufer. Donald ist damit nicht nur eine sprechende Ente, die Kinder unterhält, sondern ein Symbol, das nie aufgehört hat zu strahlen. Er hat es also allemal verdient, dass man ihm ebenfalls ein Denkmal setzt, welches demnächst erhältlich ist: Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik.

©Disney

Beginnend mit dem Kurzfilm The Wise Little Hen aus der Silly Symphony-Reihe vom 9. Juni 1934, in dem Donald zwar noch nicht seine endgültige Form, aber bereits seinen Charakter erhielt, über zahllose Comics und Serien bis hin zu Merchandise und Kuriositäten wird wirklich kein Aspekt seines Lebenswerks ausgelassen. Es wäre natürlich keine typische TASCHEN-Publikation, wenn nur eine bebilderte Chronologie vorläge. Dank des Zugangs der Autoren (Animations- und Comic-Historiker David Gerstein sowie Filmhistoriker J.B. Kaufman) zu den Disney-Archiven sowie öffentlichen und privaten Sammlungen kann der geneigte Leser in Sphären eintauchen, die so nie der Öffentlichkeit zugänglich waren. So wird nicht nur von unvollendeten Projekten berichtet; diese werden auch durch zutage geförderte Story-Skizzen, Hintergrundbilder und historische Fotos eingerahmt, die Fans ins Staunen versetzen. Das gilt natürlich auch für die realisierten Werke mit Donald. Dabei wird jede Facette und Entwicklungsstufe der Figur beleuchtet, die in Teilen einen Spiegel weltweiter Entwicklungen des 20. Jahrhunderts darstellt. Ob es nun die Interpretation des wirtschaftlichen Aufschwungs des Westens, des amerikanischen Selbstverständnisses oder sogar Oscar-prämierte Gegenpropaganda während des Zweiten Weltkriegs war (etwa der großartige Kurzfilm The Fuehrer’s Face von 1943) – Donald war immer zur Stelle.

©Disney

Auch die Menschen hinter der Figur finden ihren Platz in diesem Band. Vor allem der als “Duck Man” verehrte Carl Barks wird in den Fokus gerückt. Dabei geht es nicht nur um sein bekanntes Werk, sondern auch um Überraschungen für Kenner, die glauben, schon alles zu wissen. So findet man beispielsweise noch nie zuvor gesehene Storyboard-Zeichnungen des Künstlers. Auch internationale Kreative werden gewürdigt, denn wer in Deutschland kennt nicht die italienischen Meister, die vor allem das Lustige Taschenbuch füllten und füllen, oder Werke europäischer Nachbarn, die Donald zwar auf eigene Weise interpretierten, seinem Kern jedoch stets treu blieben. So wird deutlich, dass Donald Duck zwar ein US-amerikanisches Original ist, aber im Laufe der Jahre zum Weltbürger wurde. Kein Wunder, dass er sich rühmen kann, häufiger als jede andere Figur (abgesehen von Superhelden-Kollegen) in Comics und auf Kinoleinwänden präsent gewesen zu sein. Wenn das nicht Beweis genug für seine Relevanz ist, die über reines Entertainment hinausgeht, dann ist den Kritikern wohl nicht mehr zu helfen. Für alle anderen ist die vorliegende Chronik eine unverzichtbare Anschaffung, die in jedes Regal eines Donald-Fans gehört.

Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik
Verlag: TASCHEN
Herausgeber: Daniel Kothenschulte
Autoren: David Gerstein, J.B. Kaufman
Sprache: Deutsch, Französisch, Englisch
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 5,09 kg
Seitenzahl: 564
Preis: 175 EUR

UPDATE: Am 7. März werden sich der Herausgeber Daniel Kothenschulte und der Disney-Zeichner Ulrich Schröder im Berliner Flagship-Store von TASCHEN persönlich die Ehre geben und Walt Disneys Donald Duck mit einer Unterschrift bzw. Zeichnung veredeln!

Veranstaltung: Signierstunde mit Herausgeber Daniel Kothenschulte und Comic-Illustrator Ulrich Schröder im TASCHEN-Flagship-Store in Berlin
Ort: Schlüterstraße 39, 10629 Berlin
Zeit: Freitag, 07.03.2025, 17 bis 18 Uhr

Das Walt Disney Filmarchiv. Die Animationsfilme 1921–1968

disney_archives_movies_1_xl_gb_3d_01150_1608291444_id_1075300

Zeitlos. Ein Wort, dass nur auf wenige Filme zutrifft. Ein Stück moderne Unterhaltung, dass Generationen an Herzen höher schlagen lässt. Wer hat keine Träne bei „Der König der Löwen“ vergossen, mit Balu beim „DschungelbuchWie wärs mal mit Gemütlichkeit angestimmt oder bei modernen Meisterwerken wie „Alles steht Kopf“ einen Kloß im Hals bekommen? Zwischen all diesen Werken liegen Jahrzehnte und keins von ihnen scheint aus der Zeit gefallen oder an eine bestimmte Altersgruppe gerichtet zu sein. Ein Kunststück, dass nur ein Studio hinkriegt und dem der Erfolg seit dem Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts recht gibt. Die Rede ist selbstverständlich von Disney und den unzähligen Zauberwelten, die auf Leinwand gebannt jung und alt staunen lassen.

Schon zu Lebzeiten von Walt Disney strotzte der Output seines Teams vor Innovationen und Ansätzen, die Mitbewerber vor Neid erblassen ließen. Neuartige Techniken der Animation, Konzentration auf Charakter-Entwicklung statt auf reine Gags, Story-Boards und der erste abendfüllende Zeichentrickfilm in Form von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ – Nur die Spitze des Eisbergs an fantastischen Neuerungen, die zu ihrer Zeit Revolutionen in der Branche gleich kamen. Daher ist es fast schon verwunderlich, dass erst in diesem Jahr eine lückenlose Aufarbeitung der Filme unter den Fittichen des Studio-Gründers veröffentlicht wurde.

008a_disney_archives_movies_1_xl_01150_1608291442_id_1075282

Welcher Verlag käme dafür besser in Frage als TASCHEN? Wenn man sich die Publikationsgeschichte ansieht, weiß man, dass in Sachen lückenloser Dokumentation kaum ein anderes Unternehmen an die verlangte Qualität heran reicht.

Das dies nicht einfach so dahingesagt ist beweist „Das Walt Disney Filmarchiv. Die Animationsfilme 1921-1968“ auf fulminante Art und Weise als weiterer Zuwachs der „Archiv“-Reihe nach Stanley Kubrick, James Bond und Charlie Chaplin. Es wird auf jede Veröffentlichung eingegangen, ob diese nun dem Mainstream bekannt oder nur für Kenner einen Begriff darstellt. Angefangen bei den „Laugh-o-Grams“, die als Zubrot entstanden, über die „Silly Symphonies“, die vielen als solche kein Begriff sind aber mit Sicherheit schon mal gesehen wurden, bis hin zu den vielen Spielfilmen, die teils erst lange nach der jeweiligen Veröffentlichung zum Legenden-Status gelangt sind.

122a_disney_archives_movies_1_xl_01150_1608291435_id_1075237

Dabei wird nicht einfach trocken über den Entstehungsprozess hinweg gegangen, sondern  lebhaft mit Kommentaren der Künstler, Produzenten und anderer kreativer Köpfe ein greifbares Bild der beschriebenen Zeit erzeugt. Untermalt wird das Ganze wie üblich mit einer üppigen Fülle an teils exklusivem Bildmaterial. Dazu gehören Film-Zellen, Sketche, Dokumentationen aus dem Alltag der Mitarbeiter und Bebilderungen zu Werken, die den meisten Lesern wohl nicht bekannt sein sollten. Auf den knapp 620 Seiten beschäftigt sich der Herausgeber Daniel Kothenschulte zwar primär mit den Langfilmen, lässt aber auch Fachleute im Bereich der Propaganda-Filme während des zweiten Weltkriegs zu Wort kommen und räumt den vielfach unterschätzten Kurzfilmen des Studios einen gebührenden Platz ein. Auch prekäre Themen wie Rassismus („Onkel Remus’ Wunderland“ [1946]) oder an den Kassen gefloppte Produktionen werden angesprochen und nicht zur Image-Glättung ausgeblendet.

Dadurch bietet sich ein allumfassendes Bild der goldenen Ära unter dem Genie Walt Disney, welches Nostalgiker schwelgen, Fans verzücken und Laien staunen lässt. Ich persönlich wüsste nicht was man als Liebhaber oder Interessent, sowohl qualitativ als auch quantitativ diesem Band ankreiden sollte. Persönlich sehe ich schon der Fortsetzung entgegen. Welchen Teil der Walt Disney-Geschichte diese abdecken soll, ist zwar noch nicht bekannt, aber an einer Themen-Auswahl sollte es in diesem Fantasie-Universum definitiv nicht mangeln.

598a_disney_archives_movies_1_xl_01150_1608291407_id_1075156

Übrigens: Nicht mehr lange und es ist Weihnachten! 😉 Hätte ich dieses Prachtstück unter dem Christbaum, würde ich vermutlich in Schnappatmung verfallen! Damit macht ihr sicher jedem eine Freude!