Mark Ryden. Pinxit

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Solltet ihr meine Beiträge schon länger verfolgen, dann werdet ihr mitbekommen haben, dass ich ein gewisses Faible für bizarre Themen habe. Ob diese sich dabei in Comics, Büchern, Musik oder Bildern widerspiegeln ist nebensächlich, solange sie für sich selbst stehen können und dabei spannend bleiben.

Nun habe ich vor kurzem einen Künstler entdeckt, der in einen Rundumschlag Popkultur und Surrealismus streift und zeitgleich die Meister klassischer Malerei zitiert. Die Rede ist von Mark Ryden, der das erste Mal in den 90er Jahren aufsehen erregt hat und sich mit der Gestaltung einiger Album-Cover (Michael Jackson – Dangerous, Red Hot Chili Peppers – One Hot Minute uvm.) außerhalb der Kunst-Szene einen Namen machen konnte.

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Innerhalb von zwei Jahrzehnten erarbeitete sich Ryden sowohl in der Kunst-Elite als auch beim „einfachen“ Liebhaber kreativer Ausdrucksweisen einen Namen, der immer noch Bedeutung hat. Daher hat ihm der TASCHEN-Verlag eine imposante Werkschau mit dem Namen „Pinxit“ gewidmet. Allein schon der Titel deutet den Spagat an, den der Mann zwischen perfektionistischem Handwerk der alten Schule und der Bilderflut der Moderne vollbringt. So wurde der Begriff gerne von Renaissance-Malern hinter ihre Signatur gesetzt und wird hier als Anspielung verwendet.

Im Detail findet man die wichtigsten Produktionen aus Reihen wie „The Meat Show“, „Bunnies & Bees“, „Blood“ oder „The Tree Show“ die mit einleitenden Essays des Künstlers Yoshitomo Nara, sowie der Kulturkritiker Carlo McCormick und Kristine McKenna garniert werden. Hier werden durchgehend zwei Gedankenwelten zusammengeführt, die in ihrer Kombination eine Mischung zwischen Entzückung und morbidem Grusel hinterlassen. Wir sehen filigrane Mädchen, die irgendwo zwischen niedlich und seltsam erotisch schweben, während Fleisch, okkulte Symbole, popkulturelle Anleihen und bizarre Tiere eine Ergänzung bieten. Zeitgleich schleicht sich der prototypische Repräsentant des „alten Amerikas“ in Form von Abraham Lincoln immer wieder ins Bild. Es ist oftmals der gleiche Baukasten aus dem sich Ryden bedient, aber durch eine neue Anordnung der Elemente den Inhalt spannend hält. Einen nicht minder großen Anteil an der Wirkung des Gezeigten haben die verwendeten Farben und die Technik mit der sie aufgetragen wurden. Viele rosa- und blau-Töne, sowie generell helle Akzente erinnern an Kinderbücher, die jedoch mit einem fast schon unnatürlichem Perfektionismus in Szene gesetzt werden, der eine Rückbesinnung des 19. Jahrhunderts zitiert, zu der der Künstler offen steht.

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Darin eingebettet sind jedoch seelische Abgründe, die nicht nur mit dem abwesenden Blick der Figuren, sondern mit Elementen wie rohem Fleisch, Blut und Tod unterstrichen werden. Um dem Werk eine zusätzliche Schwere zu verleihen, die den Kontrast noch weiter in die Höhe treibt, wird der Großteil der Bilder in massive, detailliert ausgearbeitete Rahmen gelegt, die individuell für jedes einzelne Motiv angefertigt wurden.

Kindlicher Unschuld wird damit die brutale Moderne mit ihren surrealistischen Auswüchsen entgegen gesetzt, nach der die Gesellschaft auch außerhalb des eingeweihten Zyklus der Kunst-Kritiker giert. Dementsprechend ist der Erfolg Mark Rydens nicht verwunderlich und ein Ende der Popularität noch lange nicht in Sicht. Sein Balanceakt zwischen high- und low-art steht für eine Kunst, die Handwerk in seiner Bedeutung mit der Kreativität gleich setzt und damit auch das ungeübte Auge begeistern kann.

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Damit auch Interessenten außerhalb einer bestimmten Gehaltsklasse in den Genuss von „Pinxit“ kommen können, hat TASCHEN nun endlich für 29,99€ eine preiswerte Version des Buchs veröffentlicht. Zuvor gab es wie üblich limitierte Auflagen in einem Wert von 750€-6000€. Inhaltlich steht die neue Fassung den „großen Brüdern“ in nichts nach. Daher kann ich „Mark Ryden. Pinxit“ jedem, angefangen beim Laien bis zum Experten, uneingeschränkt empfehlen. Ihr werdet garantiert euren Spaß haben, während ihr Seite für Seite tiefer in diese seltsame Welt eintaucht.

The Circus. 1870s-1950s

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Wir leben in einer Zeit, in der unsere Sinne mit Reizen überflutet werden, jede erdenkliche Form des Entertainments zur Verfügung steht und so etwas wie Langeweile kaum aufkommen kann. Wir sind es gewohnt den Fernseher anzuschalten, die neuesten viralen Hits auf YouTube zu checken und kontinuierlich Zugriff auf einen unendlichen Fundus an Wissen im Internet zu haben.

Es ist nicht wirklich lange her, als die von mir aufgezählten Dinge in den Bereich der Phantasie verbannt worden wären. So etwas wie die Freizeit-Gesellschaft hat sich erst nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt, als die Wirtschaft einen weltweiten Aufschwung erlebte und die Arbeitszeit in vielen Bereichen reduziert werden konnte. Davor galt man mit den ersten Fernsehern und Radios als privilegiert, hatte aber trotzdem nur ein recht übersichtliches Programm, auf welches man zugreifen konnte. Das was man heutzutage als Entertainment bezeichnen kann, wurde insbesondere ab der Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff „Zirkus“ zusammengefasst.

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Hier konnte man einer wilden Mischung aus Museum, Tierschau, Akrobatik und Absonderlichkeiten begegnen, die man vielleicht aus Erzählungen kannte, sich aber jeglicher Vorstellungskraft entzog.  Man sah Künstler und Artisten, die einen so bleibenden Eindruck hinterließen, dass ihr Legendenstatus Jahrzehnte weiter strahlte. Tiere von denen man noch nie etwas gehört hatte, standen nur wenige Meter entfernt in der Manege während ihre wagemutigen Dompteure sie zu Kunststücken anstachelten, bei denen einem die Luft weg blieb. Alles in allem also ein Erlebnis, welches eine solch unvergleichliche Außenwirkung nach sich zog, dass zwangsläufig ein Massenphänomen daraus entstehen musste, an dessen Höhepunkt die Zelte mit so vielen Menschen gefüllt waren, wie bei heutigen Stadion-Konzerten. Insbesondere in Amerika, dem Schoß der Popkultur, konnte man den Zirkus beim Gedeihen beobachten. Mit der kommerziellen Nutzung der Eisenbahn ab den 1870er Jahren begann diese besondere Erfolgsgeschichte auf dem neuen Kontinent und konnte nur ab den 1950ern durch das Aufkommen der Unterhaltungsindustrie, sowie die damit einhergehende Verbreitung von Fernsehgeräten gestoppt werden. Dieser goldenen Ära hat die Autorin Linda Granfield in Zusammenarbeit mit dem Zirkushistoriker Fred Dahlinger Jr., sowie der Herausgeberin Noel Daniel  mit dem Buch „The Circus. 1870s-1950s“ ein gigantisches Denkmal beim TASCHEN-Verlag gesetzt. Genaugenommen kam vor Jahren ein für den Verlag üblich opulenter Band heraus, dessen Größe und Qualität sich in einem entsprechenden Preis spiegelten. Nun wurde dieses Buch glücklicherweise in die Bibliotheca Universalis überführt. Hier findet man eine kompaktere Version zu einem demokratischen Preis von gerade mal 14,99€ (Wir reden im vorliegenden Fall von 888 Seiten!).

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Dabei wird neben dem bewährten Prinzip kommentierter Bilder aus Archiven und Privatsammlungen, viel Wert auf die Historie allgemein gelegt. So kriegt man nicht nur einen Einblick in das Privatleben der Artisten, das Geschäft hinter der Fassade oder in gewaltigen Promo-Strategien der jeweiligen Zeit. Es werden einschneidende Erlebnisse wie der große Zirkusbrand vom 6. Juli 1944 in Hartford beleuchtet, die Entwicklung der großen Dynastien erklärt und die Ursprünge der jeweiligen Kunstform detailliert ausgebreitet. Zeitgleich wird bei all der Informationsfülle der Spagat zum Entertainment geschlagen. So bleibt die Lektüre durchgehend spannend und interessant, ohne zu sehr in Details zu versinken. Die eben erwähnten Bilder, die einen gleichwertigen Hauptaspekt des Werks bilden, tun ihr Übriges um den Leser in faszinierende Welten fallen zu lassen, die es durchgehend schaffen, das Lebensgefühl dieser eingeschworenen Gemeinschaften und das Treiben drum herum zu vermitteln.

Solltet ihr wie ich von der surrealen Welt des Zirkus und ihrer Bewohner fasziniert sein, gibt es wohl kaum ein vergleichbares Buch, welches im Bereich der Populär-Literatur sowohl qualitativ als auch quantitativ an „The Circus. 1870s-1950s“ heranreicht, euch zeitgleich dazu motiviert das nächste bunte Zelt in eurer Stadt zu besuchen, dort den süßlichen Geruch von Pocorn und Theaterschminke zu inhalieren und sich wie in alten Zeiten verzaubern zu lassen.

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Der TASCHEN-Sale hat begonnen!

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Wie schon vor ein paar Tagen angekündigt, ist heute der TASCHEN-Sale gestartet und läuft bis zum 26.06. Ich habe mich soeben durch die Angebote gescrollt und es ist echt der Wahnsinn! So gut wie alle Bücher, die ich bis jetzt besprochen habe und sogar ihre „großen Brüder“, wie im Fall von „Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk“ befinden sich in der Auswahl! Schnell zuschlagen, bevor die Ausgaben weg sind!

Wenn ihr euch ein Bild von den Büchern machen wollt, habe ich hier für euch ein paar meiner bis dato veröffentlichten Rezensionen zusammengestellt (die allesamt im Sale zu finden sind!). Viel Spaß beim shoppen und nicht vergessen: Mein Gewinnspiel, bei dem ihr ein Buch eurer Wahl im Wert von bis zu 50€ ergattern könnt, endet parallel zum Sale!

The Charlie Chaplin Archives

Die besten TV-Serien. TASCHENs Auswahl der letzten 25 Jahre

The Bronze Age of DC Comics

The Little Book of Wonder Woman 

Deutschland um 1900 – Ein Porträt in Farbe

Hieronymus Bosch. Das vollständige Werk

An American Odyssey

 

TASCHEN WAREHOUSE SALE und GEWINNSPIEL

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Ihr werdet bemerkt haben, dass seit ZOMBIAC in Betrieb ist, eine Vielzahl an TASCHEN-Publikationen auf der Seite besprochen wurden. Es ist wohl offensichtlich, dass ich ein Fan des Verlags bin. Warum? Dort scheint es selbst für die abwegigsten Themen eine Nische zu geben und sollte es sich um Mainstream-Kost handeln, wird diese unnachahmlich aufbereitet.

So gibt es gelegentlich Beigaben, wie Original-Filmschnipsel bei „The Charlie Chaplin Archives“ oder „The James Bond Archives„, wertvolle Drucke und signierte Exemplare wie bei „Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-1973“ oder einfach nur gigantische Rückblicke auf das Werk von Verlagen und Künstlern („75 Years of DC Comics„).

Dabei wird sowohl der Leser mit kleinem Geldbeutel (Kunst-Bände ab 10€ oder „Volksausgaben“ für ein wenig mehr bei gleichem Inhalt wie der große Bruder), als auch der vermögende Sammler mit Editionen für mehrere Tausend Euro bedient („Moonfire“ als extremes Beispiel mit Mondgestein(!) als zusätzlichen Anreiz). Natürlich kann man sich beim Blick auf den Katalog nicht alles leisten, aber nun gibt es endlich die Möglichkeit auch bei wertigeren Veröffentlichungen zuzuschlagen:

Vom 23. bis 26. Juni findet der große TASCHEN WAREHOUSE SALE statt! Bei Rabatten von 50% bis 75% auf Ansichtsexemplare und Bücher mit kleinen Mängeln könnt ihr euch entweder in den Stores in Köln und Hamburg oder direkt auf taschen.com eindecken!

Was es genau geben wird, erfahrt ihr bei Beginn des Sales, aber Titel wie „The Charlie Chaplin Archives“ oder die große „Hieronymus Bosch„-Monografie sind fest eingeplant!

Um das Ganze gebührend zu zelebrieren, findet in Zusammenarbeit mit und dank TASCHEN das erste Gewinnspiel bei ZOMBIAC statt und folgendes könnt ihr vielleicht schon bald euer Eigen nennen:

Unter allen Lesern, die bis zum 26.06.2016 (23:59) meine Seite und den Facebook-Beitrag zum TASCHEN SALE mit einem „Like“ markieren und öffentlich in ihrem Profil teilen, verlose ich ein (lieferbares) Buch eurer Wahl bis zu einem Bestellwert von 50€! Schaut euch ruhig auf taschen.com um! Neben den von mir schon besprochenen Titeln, gibt es auch eine Vielzahl an neuen Büchern, die nur zu empfehlen sind. Da wären zum Beispiel Exodus von SalgadoHelmut Newton. Us and Them oder Castros Kuba!

Viel Glück an alle Teilnehmer!

Teilnahmebedingungen
1. Teilnahmeberechtigte
Teilnehmen kann jede(r) Volljährige, ausgenommen Mitarbeiter der TASCHEN GmbH.
Eine Teilnahme über Gewinnspiel-Agenturen oder sonstige Dritte, die den Teilnehmer bei einer Vielzahl von Gewinnspielen anmelden, ist ausgeschlossen.
2. Teilnahmemöglichkeiten
Eine Teilnahme ist nur über Facebook möglich, indem der im Text angegebene Beitrag und die Facebook-Seite von ZOMBIAC mit einem „Like“ versehen und öffentlich geteilt wird. Das Gewinnspiel erfolgt ohne Zusammenarbeit mit Facebook.
3. Teilnahmeschluss
Teilnahmeschluss ist der 26.06.2016 um 23:59.
4. Gewinnermittlung
Der Gewinner wird per Los ermittelt.
5. Art der Gewinnbenachrichtigung
Der oder die Gewinner/in wird über eine persönliche Facebook-Nachricht schriftlich kontaktiert.
6. Veröffentlichung der Gewinner
Der Name des Gewinners wird nach seiner Ermittlung in anonymisierter Form auf zombiac.wordpress.com und der angeschlossenen Facebook-Seite veröffentlicht.
7. Der Rechtsweg
Eine Barauszahlung der Gewinne ist ebenso wie der Rechtsweg ausgeschlossen.

hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung

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Aktuell scheint die Independent-Schiene der Comic-Sparte auf meinem Blog etwas unterrepräsentiert zu sein. Daher möchte ich etwas Abhilfe schaffen und euch an großartiges Projekt heranführen, welches ganze 20(!) Künstler aus ganz Deutschland in einem Projekt vereint.

„hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“ liefert exakt das, was der Titel verspricht.
Eine wilde Genre-Mischung aus Action, Mystery und Horror. Gleich zu Anfang wird die Richtung vorgegeben, als die Hauptfigur Fränki (Frankensteins Monster, wer sonst?) bei einem Glas Wein in seinem Anwesen sitzt und entspannt. Daraufhin besucht ihn ein Zombie, der von Angriffen auf Prteinriegelfabriken berichtet und nun Hilfe bei der Aufklärung der Verbrechen braucht. Warum Proteinriegel? Weil diese alles beinhalten was ein Zombie braucht und sogar dabei hilft „menschlichere“ Fähigkeiten zurück zu erlangen. Quasi die Hauptnahrung politisch korrekter Beisser.

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©Sebastian Kempke

Das nun zum Duo angewachsene Team macht sich daraufhin auf die Suche nach den Übeltätern und stößt dabei regelmäßi auf Freund und Feind aus den Tiefen der B-Movie-Fantasien eines jeden Trash-Fans. Die Story, erstellt von Timo Schütz aka Teamo, bleibt dabei durchwegs unterhaltsam. Die leicht wirre Abfolge der Ereignisse versprüht dabei einen angenehm anarchischen Charme, den sich in der Form nur die Independent-Szene zu Eigen machen kann. Trotz der Kürze der Geschichte von 25 Seiten, fühlt sich das Ganze ziemlich rund an und unterhält auf ganzer Linie.

Auf der visuellen Ebene begegnen uns die eingangs erwähnten 20 Künstler, die 1-2 Seiten für das als Web-Comic angelegte Projekt beigesteuert haben. Einigen von ihnen bin ich schon bei anderen Veröffentlichungen über den Weg gelaufen. So kenne ich Andi Papelitzky zum einen persönlich und zum anderen als Macher hinter „Der Punch“ und „Der Punch beginnt“. Teamo ist nicht nur Autor der vorliegenden Story, sondern auch der kreative Kopf hinter „Blechbart“, dessen Abentuer man auf dem passenden Blog verfolgen kann. Zu diesem Gesellen folgt übrigens demnächst ebenfalls eine Rezension. Andere Teilnehmer kennt man aus den vor einiger Zeit erneut aus der Taufe gehobenen U-Comix und eigener Projekte, auf die am Ende des Hefts explizit hingewiesen wird.

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©Sarah Stowasser

Stilistisch unterscheiden sich die einzelnen Seiten natürlich extrem. Jeder Künstler hat seine eigene Art Situation in Szene zu setzen und genau das macht den Reiz an dieser Veröffentlichung aus. Beginnend bei relativ realisitschen Darstellungen und einem festen Strich, findet man zwischendurch Manga-Einflüsse, Querverweise an Crumb, schroffe Umsetzungen und gänzlich digital erstellte Panels. Erstaunlicherweise passt alles wunderbar zusammen und wirkt aufgrund der gelungenen Verzahnung der Ereignisse wie aus einem Guss.

Hier hat man die einzigartige Möglichkeit sich einen Überblick über die lebendige Szene in Deutschland zu verschaffen und sich bei Bedarf näher mit den Menschen hinter den Bildern auseinander zu setzen.

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©Uli Döring

Eine ganz  klare Empfehlung von meiner Seite und ein Aufruf sich mit der Mateire Comic auch außerhalb des Mainstreams auseinanderzusetzen. Die oft nur als „bunte Bildchen“ verschrienen Publikationen bieten eine weitaus größere Bandbreite an Ausdrucksformen,
als so mancher glaubt. Ein lebender Beweis, dass neben Cape-Trägern auch fantastische Welten unter dem Radar der Öffentlichkeit existieren, findet sich definitiv in „hellDRAWeen – Die Proteinriegelverschwörung“.

Hier könnt ihr euch die Geschichte digital ansehen. Bei Anfragen zur gedruckten Fassung, könnt ihr euch direkt an Teamo oder einen der vielen anderen Zeichner wenden! Primär werden die Ausgaben auf dem diesjährigen Comic-Salon Erlangen unter die Leute gebracht! Übrigens findet ihr auch mich am Stand des Comicfestivals München! Gründe über Gründe um hinzufahren! 😉

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©Hannes Radke

 

Sammelwut

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Aktuell läuft über die Plattform Fashion-Library by Sarah eine Blogparade mit dem Thema „Sammelwut“. Wenn ihr schon länger meine Beiträge auf ZOMBIAC verfolgt, dann könnt ihr euch schon denken, dass die Initiatorin der Aktion einen Volltreffer mit Ihrer Anfrage für diesen Beitrag gelandet hat.

Meine Leidenschaft für das „sammeln“ beschränkt sich dabei aber keinesfalls nur auf Comics und Bücher, die ich primär auf dieser Seite rezensiere. In meiner Wohnung befindet sich so gut wie alles, was man als nerdig bezeichnen könnte und das in nicht zu kleinem Ausmaß. Da ich außerdem recht klassisch veranlagt bin, was den Genuss bestimmter Medien anbelangt, besitze ich so gut wie gar nichts in digitaler Form. Bücher, Comics, Videospiele, Filme und Musik finden sich alle schön verpackt und im besten Fall limitiert in meinen Schränken wieder.

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Diese ganzen Objekte kann man in meinen Augen auf den Begriff „Kultur“ herunter brechen und genau diese muss physisch erlebbar bleiben. Ob es nun das einfache Aufschlagen eines dicken Wälzers, der Einschub einer CD in ein Laufwerk, der Geruch eines frischen Druckerzeugnisses oder einfach der Genuss seine Sammlung direkt im Blick zu haben – es geht nichts über diese Sinneseindrücke.

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Dabei fing ich mit diesen Hobbys erst recht spät an bzw. hatte erst im Laufe der Jahre die Möglichkeit bekommen das zu erwerben, was ich mir wünsche. Bis vor nicht allzu langer Zeit gab es weder das Geld, noch die Connections um nur Ansatzweise die Masse zu erreichen, auf die ich heute Blicke. Glück, Sparsamkeit und ein Blick für Schnäppchen haben mir dabei geholfen.

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Es fielen mir teilweise bestimmte Sachen nur zufällig in die Hände, bilden aber das Herzstück meiner Sammlung. So besitze ich neben mehreren hundert Comic-Heften und Büchern, „normaler“ Literatur im selben Ausmaß, Türmen an CDs und einem Schrank DVDs und BluRays auch gefangene Plektren. Diese habe ich entweder bei Konzerten erwischt oder in die Hand gedrückt bekommen. Inzwischen kann sich auch dieser kleine Haufen sehen lassen und wartet darauf erweitert zu werden. In die selbe Kerbe schlägt auch meine Slipknot-Kassetten-Demo, die noch vor dem ersten Album der Metal-Formation erschien. Als ich bei einem Meet&Greet mit dem Sänger Corey Taylor darüber sprach, konnte er selbst kaum fassen, dass es dieses Teil noch gibt. Entsprechend stolz bin ich auf dieses unscheinbare Stück Band-Geschichte. Apropos Musik und Bands! Da ich von allen Musikern die ich höre so gut wie immer die gesamte Diskografie besitze, lasse ich sie mir bei entsprechender Möglichkeit gerne signieren. Um ja keine Chance zu verpassen, schleppe ich generell alle Booklets mit auf die Konzerte, die ich besuche. So hat es sich ergeben, dass ich Unterschriften von Slipknot, Korn, Limp Bizkit, Chimaira, Suicide Silence, Jennifer Rostock, Casper und vielen anderen besitze (genaugenommen von allen Personen aus der „Hall of Fame„).

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Da Buch-Autoren eher seltener anzutreffen sind, beschränken sich hier meine Signaturen auf Sachbücher und den heiligen Gral: Ein mit persönlicher Widmung signiertes Buch von Stephen King! Ich konnte den Mann (und meinen Lieblings-Autoren) auf seiner Tournee zu „Doctor Sleep“ persönlich treffen und habe selbstverständlich die Chance genutzt, etwas bleibendes mitzunehmen.

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Was Comics anbelangt, sieht es schon wieder etwas anders aus. Da ich neben meiner Leidenschaft fürs Lesen auch organisatorisch in das Comicfestival München eingebunden bin und die Jahre zuvor als regelmäßiger Gast anwesend war, konnte ich mir im Laufe der Zeit schon einige Ausgaben verschiedenster Reihen unterschreiben lassen und mit noch etwas mehr Glück sogar einen Sketch abstauben. Für Original-Seiten ist mein Budget dann doch etwas zu schmal. Trotzdem greife ich auch schon mal tiefer in die Tasche um bestimmte Fassungen einer Geschichte als Hardcover oder limitierte Variant-Version zu bekommen. Neben der offensichtlich kleineren Stückzahl reizt mich die Qualität eines gebundenen Werks. Ich habe keine Lust in einigen Jahren die Seiten einzeln zusammen zu tackern, nur weil sie aus dem Leim gegangen sind. Es soll etwas beständiges haben, wenn ich in meinem Schrank blicke. Wenn es um Hefte geht, werden diese (zumindest bei Comics) gleich nach dem lesen in Folie gepackt und mit Karton stabilisiert.

Neben den regulären Anschaffungen gibt es natürlich auch viel „Krimskrams“ drum herum. Merchandise, weitere persönliche Sachen wie geschenkte Drum-Sticks, Memorabilia wie die Clown-Maske vom selben Hersteller wie die „echte“ von Slipknot, Demos, Erinnerungsstücke usw.

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Wenn ich mich auf der Couch entspannen möchte, greife ich gerne mal zu einer der drei Konsolen (Wii U, PS3 und PS4). Natürlich hat sich seit ich sie besitze auch eine gewisse Sammlung an Games etabliert. Es klingt im Zusammenhang mit gleich drei Geräten für Laien etwas viel, aber es stapelt sich ja Stück für Stück und die Hardware wurde nicht auf einen Schlag geholt. Für all die Sachen musste ich selbstverständlich sparen wie jeder andere. Die einzigen Ausnahmen bilden dabei nach wie vor die Bücher und Comics, die ihr hier als Rezension wiederfindet. Diese werden mir entweder nach Anfrage durch mich oder den jeweiligen Verlag zugeschickt und können behalten werden. Ihr könnt euch also denken, dass solange dieser Blog existiert, die Sammlung weiter wachsen wird.

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Dementsprechend kann man wohl wirklich von einer „Sammelwut“ reden, die auf angenehme Weise durchgehend befeuert wird. Es stellt sich nur die Frage was passiert, wenn der Platz irgendwann nicht reichen sollte. Verkaufen? Schmerzt in der Seele. Verschenken? Zu wertvoll. Einlagern? Wo bleibt dann der Spaß alles im Blick zu haben? Naja, es wird bis dahin noch etwas Zeit ins Land ziehen und ich werde mich weiterhin an all den schönen Sachen erfreuen. Sieht es bei einem von euch ähnlich aus oder tanze ich da aus der Reihe? Ich würde mich auch über Einblicke in eure Sammlungen freuen! 🙂

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Sartre

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Mit den ins Land ziehenden Jahren, wird auch der letzte Kritiker der Comic-Sparte realisiert haben, dass sich das Medium auch in Bezug auf ernstere oder komplexere Stoffe etabliert hat.

Dazu gehören selbstverständlich auch Biografien berühmter bis berüchtigter Personen,
die sich in der Popkultur („Cash – I see a darkness“), Politik („Willy Brandt“) oder auch Polizeiakten („Mein Freund Dahmer“) finden lassen. Dabei fasziniert den Leser in der Regel ein Lebensweg, den sich ein „normaler“ Mensch kaum ausdenken könnte und der auch Jahre nach dem Tod Spuren in der Gesellschaft hinterlässt.

In diese Nische ist ein Jean-Paul Sartre einzuordnen. Der wohl bedeutendste Philosoph des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erlebte der Existentialismus eine so große öffentliche Resonanz, die heutzutage schier unvorstellbar ist. Klerus, Staat und Presse rieben sich an den Grundaussagen auf und verschafften dem Mann dadurch eine noch größere weltweite Wahrnehmung. Welche geistige Strömung, die wie alle Philosophien am Ende Theorie bleibt, sollte aktuell so hohe Wellen schlagen? An diesem Punkt erkennt man, wie sehr sich die Welt weiter bewegt hat und solche Charaktere durch den modernen Pragmatismus zeitgleich verschlungen hat.

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Natürlich gab es auch vor den mehrfachen Karriere-Höhepunkten viele Aspekte seines Lebens, die einer Erzählung würdig sind. Den dazu passenden Versuch sie alle bis seinem Tod im Jahre 1980 in einen Fluss zu bringen, finden wir in der Graphic Novel „Sartre“ von Egmont Graphic Novel. Hier erzählt Mathilde Ramadier in einer angenehmen Geschwindigkeit über die wichtigsten Begebenheiten in Sartres Leben und schafft dabei das Kunststück die Story mit Original-Aussagen der Hauptfigur und seiner lebenslangen (nicht minder wichtigen) Begleiterin Simone de Beauvoir zu schmücken und damit auf mehreren Ebenen aufzuwerten. Dabei wird geschickt die persönliche Biografie mit den öffentlich wahrgenommenen Punkten verwoben. Ob es sich nun um sein Engagement in der Résistence, sein Verhältnis zu Freunden und Familie über alle Altersstufen hinweg oder entscheidende Veröffentlichungen in den Bereichen Literatur, Theater und Presse handelt – alles wird aufgegriffen. Trotzdem wirkt es selbst auf Laien in diesem Gebiet nicht überladen, sondern angenehm strukturiert. Es stellen sich keine unangenehmen bzw. unpassenden Zeitsprünge ein und selbst wenn man nicht sofort weiß wer soeben auf den Plan getreten ist, wird man nicht ganz allein gelassen. Der Geschichte steht eine Art Stammbaum voran, während zum Schluss nochmal die Figuren beleuchtet werden, die keinen so großen Raum bekommen konnten, wie die direkten Begleiter Sartres.

Des Weiteren, schafft man es ein Leben unterhaltsam auf 160 Seiten zusammenzufassen ohne dass die Information gänzlich dem Entertainment untergeordnet wird. Ein Comic soll natürlich einen Inhalt transportieren können, aber als visuelles Medium muss er den Leser anregen. Insbesondere Stoffe, die die Themen Philosophie, Politik und persönliche Konflikte behandeln, bilden dabei ein gefährliches Terrain, dass in diesem Fall erfolgreich passiert wurde. Für diejenigen, die sich weiter mit Sartre und seinem Schaffen beschäftigen wollen, gibt es zusätzlich mehr als genug Anhaltspunkte und ergänzende Texte, die den Zeitraum Ende der 60er bis zum Tod 1980 abdecken (Der Besuch bei Andreas Baader, die Gründung der Presseagentur „Libération“ usw.). Diese Jahre sind im kollektiven Gedächtnis der Öffentlichkeit geblieben und müssen in diesem Zusammenhang auch nicht in so einer Weise ausgeleuchtet werden, wie die Dekaden davor.

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Auf visueller Seite wurde ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Anaïs Depommier durchbricht mit einem feinen Strich und einer sanften Kolorierung das oft freiwillig angelegte Korsett der malenden Biografen. Üblicherweise findet man auf unzähligen schwarz-weiß Panels fast schon auf komische Weise tragische Momente, die mit viel Schatten und wenig Text ihre eigene Existenz als „Erwachsenenliteratur“ rechtfertigen wollen. Es wird sogar mancherorts schon von einem „Graphic Novel-Stil“ gespottet.

Glücklicherweise wird bei „Sartre“ auf Konventionen verzichtet und ein mit gedeckten Farben servierter Cocktail serviert. Die Bilder wirken nicht statisch und selbst den vielen Dialogen kann immer eine Bewegung entlockt werden. Generell scheint die Story bei Depommier in guten Händen gewesen zu sein. Der unaufgeregte aber trotzdem lebendige Stil driftet nie ins cartooneske, trägt die Handlung auch ohne Worte fort und ergänzt bisweilen selbst vordergründig unauffällige Momente. In meinen Augen hat hier zumindest mit Blick auf das Ergebnis ein gut funktionierendes Team zusammen gearbeitet, bei dem ich mich auf als Leser auf eine erneute Zusammenarbeit freuen würde.

Passend zum aktuellen Release, haben Interessenten und Fans übrigens Ende Mai die Möglichkeit die Autorin persönlich zu treffen. Sie wird für Egmont Graphic Novel beim Comic Salon Erlangen (26. – 29. Mai 2016) zur Verfügung stehen. Genaugenommen findet ihr sie neben zahlreichen weiteren Künstlern hier:

Halle B/Stand 30, Kongresszentrum Heinrich-Lades Halle, Rathausplatz 1, 91052 Erlangen

Die genauen Zeiten von Mathilde sind folgende:

Freitag, 27.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

12:00 bis 14:00 Uhr

16:00 bis 18:00 Uhr

 

Samstag, 28.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 19:00 Uhr

10:30 bis 12:00 Uhr:

14:00 bis 16:00 Uhr:

 

Sonntag, 29.05.2016 – Öffnungszeiten: 10:00 bis 18:00 Uhr

13:00 bis 15:00 Uhr:

 

 

Ghost Realm

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Als ich vor ein paar Jahren das erste mal auf dem Comicfestival München war, fiel mir ein Künstler ganz besonders auf: Timo Wuerz. Das erste, was einem ins Gesicht springt ist seine extrovertierte Optik samt flächendeckenden Tattoos, Iro und punkigem Outfit. Als er dann an seinem Platz anfing in unglaublicher Geschwindigkeit mit seinem Pinsel kleine Meisterwerke aufs Papier zu bringen, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich jeder ein Bild nach Hause mitnehmen wollte. Es schien als ob sein Pinsel von alleine hin und her tänzelt und dabei aus zunächst undefinierbaren Farbklecksen Figuren entstehen, die in der gegebenen Zeit nicht plastischer sein könnten. Im Großen und Ganzen also ein Ausnahmetalent, welches sowohl als Person als auch Künstler positiv auffällt.

Was mich jedoch gewundert hat, war die komplette Abwesenheit seiner Werke. Üblicherweise werden Zeichner von den zuständigen Verlagen mit einem Katalog oder Neuerscheinungen unterstützt bzw. der Verkauf durch die Anwesenheit des Gastes angekurbelt. Hier saß nun jemand, um dessen „Sketche“ sich die Menschen rissen, aber nichts mit nach hause nehmen konnten, um seine Arbeit als Produkt ins Regal stellen zu können.

Später fand ich heraus, warum das der Fall war. Timo ist eine Legende, die schon mit 14 die erste Ausstellung hatte und nur wenige Jahre später den ersten Comic veröffentlichte. Es folgten weitere Projekte in dieser Sparte, bis er sich plötzlich komplett aus diesem Bereich zurück zog und anderweitig kreativ austobte. Dabei scheint er keine Grenzen zu kennen, wenn man sich sein erstaunliches Portfolio ansieht: Briefmarken, Freizeitpark-Entwürfe, Lack-Designs für Sportwägen, CD-Cover für Bands (Rock und Metal sind seine Steckenpferde und damit noch ein Sympathie-Punkt), Logos, Cover usw. Man könnte diese Liste praktisch bis ins unendliche weiter führen.

Nun meldet er sich endlich mit einem Comic in Form von „Ghost Realm“ in der Szene zurück und der hat es in sich. Zunächst zur Story von Robert Franke: Die Hauptcharaktere Elvira und Sam sind beide jugendliche Underdogs, die konstant mit Problemen in ihrem privaten Umfeld zu kämpfen haben. Elvira muss sich mit ihrer alkoholkranken Mutter auseinandersetzen, die den Tod ihres Mannes nicht verarbeiten kann und Sam steht unter dem Erwartungsdruck seines akademisch in höchsten Sphären schwebenden Vaters. Eines Abends müssen die beiden vor einer Gruppe Schläger fliehen, die die beiden scheinbar schon länger auf dem Kieker haben. Dabei geraten sie per Zufall in den mysteriösen Laden eines Doktor Wang, in dem verstörende Dinge vor sich gehen, die sowohl die Rowdys als auch die Haupt-Protagonisten an ihren Sinnen zweifeln lassen. Ab hier gerät das Leben der beiden völlig außer Kontrolle, als sie sich unabhängig voneinander in einer seltsamen Welt, dem titelgebenden „Ghost Realm“, wiederfinden. Dieser wird von Wesen aus den wildesten Fantasien bevölkert. Von Fabelwesen, über Voodoo bis Science-Fiction scheint hier alles aus jeder Ecke des Surrealen vertreten zu sein um Elviras und Sams Welt gänzlich auf den Kopf zu stellen…

Illustriert wird das Geschehen wie schon erwähnt von Timo Wuerz, der die Grenzen des Mediums Comic durchgehend sprengt. Klassische Panels? Fehlanzeige! Nur selten müssen sie mit Linien typisch getrennt werden. Hier werden Umgebung, Gegenstände oder einfach nur Bewegung genutzt um eine Struktur zu schaffen. Größtenteils starrt man jedoch ehrfürchtig auf Seiten füllende Layouts, die vor Details nahezu überlaufen. Dieser Stil erinnert mich persönlich sehr an die Arbeiten von Dave McKean, wobei hier auf Fotografien und Collagen mit Gegenständen verzichtet wird und der gemalte Strich im Vordergrund steht. Die Darstellung der Figuren lässt mich hingegen an Lee Bermejo denken, der ebenfalls viel und schnell mit großen Farbflächen arbeitet und die Charaktere sehr realistisch rüberbringt. Wenn man es genau nimmt, kann man kaum in Worte fassen,   wie großartig und vor allem einfallsreich jede einzelne Seite umgesetzt wurde. Natürlich wird der Künstler selbst eine ganz eigene Meinung zu seinem Schaffen haben. Als außenstehender Betrachter gibt es aber rein gar nichts zu bemängeln. Der einzige Grund die Illustrationen schlecht zu finden, wäre ein abweichender Geschmack.

Eine ähnliche Meinung scheint übrigens auch Popcom zu vertreten, die nach Timos Comeback eine Werksausgabe veröffentlichen wollen. Zunächst darf man sich freuen, dass es eine zweite Ausgabe von „Ghost Realm“ geben wird. Um sich bis dahin an weiteren Bänden zu erfreuen, kommt zum Beispiel im Juni “Aaron und Baruch”. Hier geht es um den Waffenhändler Aaron, der von ständigen Albträumen gequält wird und den Serienkiller Baruch, der Vergnügen am Töten gefunden hat. Ich lege mir nach dem persönlichen Einstand mit dem hier besprochenen Band mit Sicherheit alle seine Bücher zu und freu mich schon auf das nächste Mal, wenn ich mich erneut an den fantastischen Bildern laben kann.

Wer sich ein eigenes Bild von den von mir beschriebenen Bildern uns Szenen machen möchte, hat bei dieser Leseprobe die Möglichkeit dazu.

[Rezension] Ai Weiwei (TASCHEN)

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Es gibt da diesen Spruch, der besagt, dass der Unterschied zwischen Kunst und Abfall eine Meinung ist. Diese Sichtweise wird vermutlich durch die sogenannte „moderne Kunst“ gespeist, die sich außerhalb der Norm bewegt, die die Gesellschaft als „wertvoll“ oder nachvollziehbar erachtet. Wenn man in eine entsprechende Pinakothek geht, steht man tatsächlich oft vor bestimmten Werken und weiß nichts mit ihnen anzufangen, da der Kontext einfach aus dem Stegreif nicht zu erschließen ist. Hierfür wird viel Hintergrundwissen benötigt, welches insbesondere über mehrere Kreative hinweg nicht immer vorhanden ist.

Eine Ausnahmeerscheinung bildet dabei der wohl berühmteste zeitgenössische Künstler Ai Weiwei. Der Chinese, der sich nicht auf eine bestimmte Richtung in der Gestaltung seiner visualisierten Aussagen festlegen will, hat trotz jahrzehntelanger Teilhabe am Geschehen in der Szene, vor allem durch seine Aktionen als Dissident international Aufmerksamkeit erregt. In einem Blog und über soziale Medien verbreitete er seine Kritik an der Regierung und bekam als Quittung eine Haftstrafe, die ihn komplett von der Außenwelt abschnitt. Während dieses Zeitraums landete sein Name regelmäßig in namhaften Publikationen, die ihn einem großen Publikum bekannt machten. Natürlich fand er schon zuvor Erwähnung. Vor allem das als „Vogelnest“ bekannte Stadion zu den Olympischen Spielen in Peking blieb in kollektiver Erinnerung.

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Dementsprechend ist der Name inzwischen zwar in aller Munde, aber konkrete Projekte des Künstlers sind bis dato nur einem entsprechenden Klientel bekannt, welches zwar über die üblichen Verdächtigen hinaus geht, aber der breiten Masse leider immer noch keine Assoziation mit Ai Weiwei erlaubt. Nachdem vor geraumer Zeit bei TASCHEN schon eine limitierte Fassung der Monografie zu diesem Band erschien (entweder signiert und in Seide eingeschlagen oder mit einem Buchständer aus Marmor(!)), kommen nun auch Interessenten mit etwas weniger Budget in den Genuss des Buches.

Dieses steht vom Umfang her, dem imposanten Schaffen des Künstlers in nichts nach. Auf 600 Seiten bekommt man einen Einblick in das Gesamtwerk der Ausnahmeerscheinung. Angefangen bei Malereien und kleineren Installationen in New York bis hin zu den gigantischen Bauten, die nach Weiweis Rückkehr in seine Heimat zu seinem Markenzeichen wurden, wird nichts ausgelassen. Das diese Aussage keine Übertreibung ist, kann man selbst am Ende anhand eines Registers überprüfen, welches neben der Biografie und einer Liste der bekannten Ausstellungen auch eine Auflistung aller Werke des Künstlers beinhaltet.

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Seinen prestigeträchtigen Projekten wird gebührend viel Platz eingeräumt, die auf ganzseitigen Abbildungen ihre ganz eigene Faszination entfalten und die Fantasie des Betrachters anregen. Installationen wie „Sunflower Seeds“, bei denen 100 Millionen handbemalte(!) Sonnenblumenkerne aus Porzellan das Greifbare sprengen, zeugen eventuell von einem gewißen Wahnsinn, während Projekte wie „Straight“ an den Moralvorstellungen und dem Obrigkeitsverständnis der Chinesen rütteln. Hierbei wurden verbogene Stahlstangen aus den zerstörten Häusern in Sichuan (ein gewaltiges Erdbeben verwüstete Teile der Stadt im Jahr 2008) herangeschafft, um diese gerade zu biegen und in eine bestimmte Reihenfolge auszulegen. Im ersten Moment nur ein imposanter Anblick, der einem mulmigen Gefühl weicht, nachdem einem bewusst wird, dass mehrere tausend Menschen aufgrund von Bestechung und Vetternwirtschaft sterben mussten. Die Gebäude wurden mit mangelhaftem Baumaterial ausgestattet. Insbesondere die Schulen in dem Gebiet waren betroffen und mussten infolgedessen mehr als 1000 verstorbene Kinder beklagen. Im Zuge einer parallel laufenden Recherche nach den Namen der Toten, da die Regierung keine Liste herausgeben wollte, bekamen sowohl Ai Weiwei als auch sein Team die Härte des Staates sowohl auf psychischer als auch physischer Ebene zu spüren. Allein diese Geschichte verdeutlicht den brisanten politischen Aspekt an der Arbeit des Künstlers. Viele seiner Werke nehmen Bezug auf aktuelle Ereignisse in seinem Heimatland oder das Verhalten der herrschenden Klasse gegenüber der Bevölkerung. Das hat ihm lokal viele Feinde und international umso mehr Anhänger beschert.

Weitere Themen, die er nicht ausspart sind der Konsum (beispielhaft ist die Foto-Serie um die „Coca-Cola Vase“), zerstörtes Kulturerbe und chinesische Identität („Template“, ein gigantisches Konstrukt aus Türen abgerissener Tempel und „Fairytale“, das Einfliegen von 1001 Chinesen aus verschiedensten Milieus auf die Documenta 2007, auf der beide Projekte präsentiert wurden). All diese Motive ziehen sich bis heute durch sein Schaffen und erinnern den Betrachter, dass Kunst mit und ohne offensichtlicher Aussage einen grundlegenden Zweck erfüllt: das Anregen von Gedanken und damit Ideen. Ob diese eine kulturelle, sozial relevante oder nur unterhaltsame Komponente haben, bleibt dem Individuum überlassen. Trotzdem bleibt Ai Weiwei ganz Exot, da ihm für seine ambitionierten Ideen, die finanziellen Mittel für die entsprechende Umsetzung zur Verfügung stehen. Das macht die Ergebnisse im Vergleich zu anderen beeindruckender in ihrer Wirkung, kompensiert damit aber keinesfalls potentiell billige Ideen oder nutzt Effekthascherei.

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Strukturiert wird das Buch dabei in chronologischer Reihenfolge durch Kommentare des Künstlers zu einzelnen Werken. Dazwischen kommt man in den Genuss andere Blickwinkel kennen zu lernen, da langjährige Wegbegleiter Ai Weiweis ebenfalls zu Wort kommen. Unter anderem Uli Sigg, ehemaliger Schweizer Botschafter in China, Roger M. Buergel, Kurator der documenta 2007 und die Experten für chinesische Kultur und Politik Carlos Rojas, William A. Callahan und James J. Lally. Jeder hat etwas interessantes zum Entstehungsprozess vieler Installationen beizutragen und gewährt damit eine noch intensivere Auseinandersetzung mit den abgebildeten Kunstwerken. Ein weiteres erfreuliches Detail ist, dass viele der Bilder noch nie zuvor veröffentlicht wurden. Im Klartext bedeutet es, dass man als Leser indirekt der Entstehung zahlreicher Konstrukte beiwohnen kann.

Zunächst könnte man denken, dass die pure Masse an visuellen Eindrücken erschlagend wirken kann. Persönlich habe ich jedoch festgestellt, dass ich mit jeder Seite begeisterter und interessierter den Werdegang Ai Weiweis anhand seiner Arbeit verfolgt habe und tagelang über kaum etwas anderes reden, geschweige denn denken konnte. Dieses Buch eignet sich perfekt um seine eingerostete Begeisterung für moderne Kunst wieder zu beleben oder sogar absolute Laien an die Materie heran zu führen. In meinem Fall hat diese Monografie einen ganz besonderen Platz in meinem Schrank verdient, aus dem ich sie immer wieder gern hervor hole um mich in die abstrakten und zeitgleich doch in der Realität verwurzelten Bilder fallen zu lassen.

Ai Weiwei
Verlag: TASCHEN 
Herausgeber: Hans Werner Holzwarth
Sprache: Deutsch 
Format: Hardcover, 25 x 33,4 cm 
Seitenzahl: 600
Preis: 60 EUR

Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-73

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Anfang diesen Jahres verstarb eine der schillerndsten Figuren des Pop, die das letzte Jahrhundert hervorgebracht hat. David Bowie, Vorbild und Inspiration für Musiker über alle Genre-Grenzen hinweg. Während sich einige Bands musikalisch an seinem Schaffen orientierten, ebnete der Brite auch visuell anderen Legenden den Weg.
Im absoluten Mainstream erschuf sich Lady Gaga immer wieder aufs Neue und passte in diesem Zuge ihre Optik auf mehr oder minder kreative Weise an. Die deutlichsten Anleihen finden wir jedoch bei Marilyn Manson, der sich am offensichtlichsten bei Bowies frühen Auftritten bediente. Ob es sich um die rasierten Brauen, die verschiedenen Augenfarben (bei Bowie von Natur aus, bei Manson durch eine milchige Linse) oder verwendeten Symbole (Ziggy Stardust vs. Antichrist Superstar) handelt ist irrelevant, wenn man sich das Gesamtkonstrukt als Verneigung vor einem Genie vorstellen darf. In jedem Fall, sieht man den Einfluss, den der Mann über Jahrzehnte hinweg auf die gesamte Branche ausübte.
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Den Anfang dieses Prozesses oder eher gesagt den Beginn der explosionsartigen Karriere Bowies fing der ebenfalls namhafte Fotograf Mick Rock ein, der als ständiger Begleiter, Video-Regisseur und Freund an der Seite des Musikers stand und damit den Aufstieg von Ziggy Stardust (eines der viele Alter Egos und Kunstfiguren David Bowies) dokumentierte. Damit fing auch Rocks unglaubliche Karriere an, die Lou Reed, Iggy Pop, die Ramones, Queen oder die Sex Pistols im Portfolio umfasste und damit das Bild ganzer Generationen definierte.
Um die Masse an ikonenhaften und teils bisher unveröffentlichten Aufnahmen den Fans zugänglich zu machen, brachte der TASCHEN-Verlag im letzten Jahr den Foto-Band „Mick Rock. The Rise of David Bowie, 1972-73“ heraus, den man typisch für die Unternehmenspolitik zunächst in limitierter Auflage anbot. Diese kam aber nicht von ungefähr: die 1.972 Exemplare wurde allesamt von Rock und Bowie handsigniert. Davon konnte man wiederum 200 Versionen mit einem signierten Pigmentdruck erwerben. Die Preise waren dementsprechend einem Segment zuzuordnen, welchem sich der Normal-Verdiener vermutlich nicht mal nähern würde. Trotzdem war es nicht weiter verwunderlich, dass nach Bowies Tod alle Exemplare restlos vergriffen waren. Nur noch wenige sind in den TASCHEN-Stores verfügbar und in ihrem Wert gestiegen.
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Nun haben auch alle Anhänger mit kleinerem Budget, die Möglichkeit sich die Bilder im XL-Format zu Gemüte zu führen. Seit diesem Monat liegt nämlich die „Standardausgabe“ der Buchs aus, welches inhaltlich keinen Unterschied zu den großen Brüdern aufweist. Man findet beim Aufschlagen des Werks wirklich alles was das Fan-Herz begehrt. Angefangen bei Konzert-Aufnahmen, die im Vergleich zu späteren Verhältnissen ein geradezu winziges Publikum zeigen, Standbilder aus Promofilmen und Musik-Videos, private Abbildungen (beim Schlafen, essen, umziehen) und Fotos für die Ewigkeit, auf die auch in Zukunft zurückgegriffen wird, um den Urknall des Glam zu visualisieren.
Eingeleitet werden die einzelnen Bildreihen von Überschriften in Form der Titel des damals erschienenen Albums „The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“. Diese geben mit einem kleinen Lyrics-Zitat jeweils eine Grundstimmung vor, die das gesamte Buch angenehm strukturiert und es dadurch nicht zu einem Sammelsurium verkommen lässt.
Dem wird noch eine wunderbare Einleitung samt Interview mit dem Fotografen vorangestellt, die den Werdegang der beiden Männer nachzeichnet und eine Perspektive der Protagonisten bietet, die den aufkommenden Erfolg hautnah miterleben und vor allem gestalten durften. Dabei werden Einblicke in eine Zeit gewährt, die eine Jugendkultur erst ermöglicht und heute als Alltag angesehene Grenzen definiert hat, indem alte Barrieren niedergerissen wurden. Als jemand, der weit nach dieser Ära das Licht der Welt erblickt hat, beschleicht mich tatsächlich eine Art Wehmut, so etwas nicht selbst erfahren zu dürfen.
Im Gesamten kann man diesen Band wirklich jedem ans Herz legen, der sich als Fan des legendären David Bowie bezeichnet. Eine vergleichbare Sammlung aus der Zeit des Ziggy Stardust und damit dem Beginn einer unvergleichbaren Karriere, wird man kein zweites mal finden. Für alle anderen können die handwerklich perfekt in Szene gesetzten Motive ein Anreiz sein, sich an die Musik des Künstlers heranzuwagen und sich selbst von der Legitimation seines Erfolgs zu überzeugen.
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