[Rezension] Skulldigger und Skeleton Boy (Splitter)

Was soll man eigentlich nach so vielen Bänden aus dem Black Hammer-Universum über Jeff Lemire und seinen schier unaufhörlichen Output sagen? Er schafft es beständig Qualität und Quantität zu verbinden und damit den Hunger seiner Fans zu stillen, während Kritiker seine Geschichten höchstens im internen Vergleich als weniger gut oder besser, aber niemals schlecht einordnen. Diesem Credo folgt nun auch die neueste Veröffentlichung unter dem Titel Skulldigger & Skeleton Boy.

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Diesmal mit dem kroatischen Zeichner Tonci Zonjic an seiner Seite, entführt uns Lemire in seiner Geschichte erneut nach Spiral City und stellt uns den Antihelden Skulldigger vor, der rastlos Verbrecher jagt und diese unter anderem mit seinem an einer Kette befestigten Totenschädel unter die Erde bringt. Doch zunächst beginnt die Geschichte mit einem Jungen, dessen Eltern bei einem Raubüberfall sterben, während er als Waise überlebt. Klingt irgendwie vertraut? Das ist wie bei Black Hammer üblich gewollt und geht wie gewohnt als charmante Hommage mit einem speziellen Twist durch. Denn besagter Junge wird nicht zu einer Art Batman oder Robin, sondern gesellt sich als der Sidekick Skeleton Boy an die Seite von Skulldigger, um ebenfalls zum Verbrecherjäger ausgebildet zu werden. Dabei sind jedoch Gnade und Achtung vor dem Gesetz wie zu erwarten zweitrangig. Um die Grundlage der vorliegenden Geschichte zu vervollständigen, haben wir außerdem eine fast schon besessene Ermittlerin, die Skulldigger hinter Gittern bringen will und mit Grimjim einen Halbdämon, der Chaos sät und Spaß daran zu haben scheint ein düsteres Geheimnis mit sich herumzutragen.

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Betrachtet man all diese Versatzstücke, entdeckt man, dass hier nicht nur eine Verbeugung vor dem Schaffen eines Frank Miller (Batman, Daredevil) vorliegt, sondern die Referenzen sich über alle Grenzen des Superhelden-Genres hinweg erstrecken. Wir entdecken Verweise auf Ghost Rider, Spawn, den Punisher und so viel mehr, dass einem als Kenner der Materie die Augen übergehen. Dabei schafft es Lemire wie immer gekonnt die genannten Vorbilder als Sahnehäubchen auf einer eigenständigen Geschichte zu platzieren und damit Black Hammer nach wie vor als eigenständiges Universum darzustellen. Die Figuren haben eigene Charakterzüge und Motive, fungieren nicht einfach als Projektonsflächen und die Handlung, von der nicht zu viel vorweg genommen werden soll, wird von einem realen Spannungsbogen vorangetrieben. In diesem Sinne wird die gewohnte Qualität eines Lemire präsentiert, die Fans seines Schaffens wunschlos glücklich machen sollte.

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Auf der visuellen Seite des Projekts bietet Toni Zonjic verhältnismäßig ungewohnte Kost, da diesmal auf eine fast schon als klassisch geltende Superhelden-Optik gesetzt wird, die oft an Millers Werke um den dunklen Ritter erinnert, während der Look auf der anderen Seite doch etwas „cleaner“ erscheint. Dadurch entsteht ein roher Realismus, den man von Black Hammer in dem Ausmaß nicht kennt. Selbst die weniger abstrakten Titel spielten oft mit leicht „cartoonesken“ Elementen, während hier gefühlt die 80er und 90er mit ihrer geerdeten Art anklopfen. Eine nicht geringe Rolle übernimmt dabei auch die Farbgebung, die nur selten eine ganze Palette aufzeigt, sondern mit einzeln ausgewählten, auf die Stimmung angepassten Spektren die Handlung zu unterstreichen weiß. Dieser reduzierte Einsatz trägt mitunter zum rauen Feeling bei, welches Perfekt zur Story und den eiskalt agierenden Figuren passt.

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Skulldigger & Skeleton Boy ist in dem Sinne zwar, wie die anderen Spin-Offs der Reihe, eine weitere Verneigung von Genres und Künstlern, funktioniert aber trotzdem geradezu mit Leichtigkeit als eigenständige Geschichte, die in ihrer Gesamtheit zu überzeugen weiß. Daher ist der Titel nicht nur ein Must-Have für Sammler von Lemires Output, sondern ein Tipp für alle, die sich für rohe Action und menschliche Abgründe in Comics begeistern können.

Skulldigger & Skeleton Boy
Verlag: Splitter 
Künstler: Tonci Zonjic
Autor: Jeff Lemire
Format: Hardcover
Seitenzahl: 168 
Preis: 24 EUR 

[Rezension] Colonel Weird – Cosmagog (Splitter)

Wenn es eine aktuelle Comicbuchreihe gibt, die sowohl Witz und Ernst als auch Hommage und Originalität zu vereinen weiß, dann wäre es defintiv Black Hammer vom kanadischen Tausendsassa Jeff Lemire. Jeder Band der Hauptreihe und der inzwischen zahlreichen Spin-Offs ist für sich eine emotionale Achterbahnfahrt, die insbesondere im Kontrast zu den bewusst kitschigen Namen und Looks im Herzen zu treffen weiß. Jedem Charakter wurde von vornherein eine unfassbare Tiefe mitgegeben, die erklärt, warum man ihnen auch individuell veröffentliche Abenteuer mit unterschiedlichen Zeichnern geschenkt hat. Eine der aktuellsten Auskopplungen ist hierbei „Colonel Weird – Cosmagog„.

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Nach den einschneidenden Ereignissen der Hauptreihe hat Colonel Randall Weird die sonderbare Farm verlassen und begibt sich auf die Suche nach etwas, was er vergessen hat. Dabei weiß er weder was es sein könnte, noch ob es von Relevanz ist. Ihm ist nur bewusst: Es ist für IHN wichtig. Zeitgleich könnte es die Antwort auf alle Fragen sein, die sich der durch Raum und Zeit Springende zuhauf stellt. Bei seiner Reise bewegt er sich über die Jahrzehnte seines Lebens hinweg. Mal in einer unnatürlichen Reihenfolge, mal aus einem seltsamen Blickwinkel, mal sogar im Gespräch mit sich selbst in jungen Jahren – in jedem Fall versucht er dabei bei Verstand zu bleiben (oder was davon übrig ist), damit er all jene die er liebt vor einem zersplitterten Universum bewahren kann.

Offensichtlich stand dabei Dr. Manhatten aus der Watchmen-Reihe Pate für die Fähigkeit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig wahrnehmen zu können (abzüglich der Superkräfte). Im Kontext von Black Hammer scheint es zunächst nicht verwunderlich, da die meisten Charaktere entweder konkrete Anleihen an bekannte Figuren oder zumindest Epochen in der Comic-Kunst in sich tragen. Was Lemire jedoch schafft, ist dieser Hommage eine emotionale Tiefe beizufügen, die selbst mehrschichtigen Original-Charakteren anderer Verlagshäuser nicht in dem Ausmaß vergönnt ist. Colonel Weird steht geradzu prototypisch für diese Art Geschichten zu schreiben. So nimmt er wie erwähnt alles wahr, ist jedoch emotional nicht entrückt, sondern durch sein Wissen um alles und jeden gerdazu gebrochen, da er daran verzweifelt einen Unterschied zu machen. Dadurch wirkt er eher wie ein Mensch, der seine Gabe als Bürde empfindet und nicht wie ein allwissender Halbgott.

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Bei einem Comic kann eine Geschichte noch so emotional sein, aber ohne den passenden Künstler kann die Reise in das Herz der Leser schnell verpuffen. Daher bin ich umso glücklicher zu sehen, dass Jeff Lemires Wahl bei diesem Spin-Off auf Tyler Crook fiel. Der Künstler schafft es mit seinem meisterhaften Umgang mit der Mimik der Charaktere und dem fließenden Spiel bezüglich des Panel-Aufbaus etwas zu transportieren, wofür oft nichtmal Worte nötig sind: Freude, Schmerz, Liebe oder Angst. In Kombination mit den kurzen aber genialen Dialogen entfalten die Bilder dann noch mehr Tiefe und führen gemeinsam zu dem Ergebnis der Anfangs genannten Achterbahnfahrt der Emotionen.

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In diesem Sinne schließt „Colonel Weird – Cosmagog“ qualitativ nahtlos an die bisher erschienen Veröffentlichungen aus dem Black Hammer-Universum an und beweist erneut, dass Tiefe auch im ungewöhnlichen Gewand an die Leser herangetragen werden kann. Sowohl die Hauptreihe, als auch die Nebengeschichten gehören nach wie vor in jedes gut sortierte Comic-Regal.

Colonel Weird: Cosmagog
Verlag: Splitter 
Künstler: Tyler Crook
Autor: Jeff Lemire
Format: Hardcover
Seitenzahl: 112 
Preis: 19,80 EUR 

[Rezension] Black Hammer ’45 (Splitter)

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Schon wieder und sicherlich nicht zum letzten Mal steht uns ein Spin-Off der beliebten Black Hammer-Reihe beim Splitter Verlag ins Haus. Diesmal bewegen wir uns jedoch nicht in der geschlossenen Gruppe an Helden der Hauptreihe und ihrer Antagonisten, sondern im Goldenen Zeitalter der Superhelden und damit in den 1940er Jahren. Zwar tauchen auch hier Abraham Slam und Golden Gail, sowie andere bekannte Figuren auf, aber den Mittelpunkt des Geschehens bildet eine Eliteeinheit der Air Force, die für spezielle Missionen ausgebildet wurde, um den Achsenmächten zu schaden. Und wie sollte es auch anders sein. Der Name des Titels ist Programm, denn die Gruppe der waghalsigen Militärs aus Afroamerikanern, Latinos und Asiaten nennt sich Die Black-Hammer-Schwadron. Vor diesem Hintergrund ist es wohl als Verweis auf die real existierenden Harlem Hellfighters zu verstehen, die im ersten und zweiten Weltkrieg ein rein afroamerikanisches Regiment stellten.

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Und so speziell wie diese Truppe ist, ist auch ihr Auftrag. Sie müssen nämlich eine  Familie an Wissenschaftlern aus den Fängen der Nazis befreien. Was zunächst wie der Plot eines üblichen Weltkriegs-Action-Dramas daherkommt, wird aber schon bald aufgebrochen, wenn sich zu den Faschisten plötzlich Fliegerasse mit dem Namen „Ghost Hunter“, nach dem Vorbild des roten Barons, Werwölfe, Okkultisten und sowjetische Riesen-Roboter gesellen. In diesem Sinne die gewohnt abgedrehte Mischung, die man von Lemire kennt, der sich diesmal jedoch mit seinem kanadischen Kollegen Ray Fawkes an den Autoren-Tisch gesetzt hat. Doch eine Geschichte aus dem Black Hammer-Universum wäre niemals komplett, wenn der nur oberflächlich existierende Trash nicht von einer emotionalen Komponente untermauert wird, die das vorliegende Universum so unvergleichlich und darum auch so erfolgreich werden lässt.

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Das ursprünglich in vier US-Heften veröffentliche Spin-Off ist dabei aber noch eine Stufe experimentierfreudiger unterwegs, als so manch andere unter dem gleichen Label veröffentlichte Mini-Serie. So verzichten die Macher abseits von Gastauftritten der uns schon bekannten Helden aus der Hauptreihe, auf Verflechtungen mit dem zentralen Handlungsbogen und geben sich damit selbst die Freiheit außerhalb festgelegter Strukturen zu agieren. Das gilt in dem Sinne auch für den Zeichner Matt Kindts, der mit seinem extrem groben Stil Superhelden-Puristen recht sicher zur Weißglut bringt und offenere Leser zum Entdeckten einlädt. Ich persönlich musste mich durchaus auch erst an den Strich und die Farbgebung gewöhnen, doch nach ein paar Seiten Einlesezeit spürt man recht schnell die Kunst und die Handlung ineinandergreifen und versteht, warum Lemire und Fawkes sich zu dieser Zusammenarbeit entschieden haben. Es bleibt durchaus Geschmacksache, aber es sei hiermit unterstrichen, dass man sich von einem ersten Blick in den Band nicht abschrecken lassen sollte.

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Alles in allem handelt es sich bei Black Hammer ’45 wohl um das wohl kurzweiligste Spin-Off der Serie in vier Akten, dass durchaus überzeugt, aber nicht ganz an die anderen Geschichten heranreicht. Bei der immer noch extrem hoch angesetzten Qualität von Black Hammer ist eine Anschaffung jedoch auf keinen Fall ein Fehler und man erhält einen Band, der zwar eine der weniger relevanten Storys aus der Feder von Lemire und Fawkes beinhaltet, damit aber immer noch über vielem schwebt, was man als gut bewerten würde.

Da darüber hinaus besondere Zeiten auch besondere Maßnahmen erforderlich machen, könnt ihr euch übrigens unter https://www.comics-kaufen.de/index.html den Händler eures Vertrauens suchen und mit eurer Bestellung unterstützen. Damit sorgt ihr dafür, dass ihr auch in einer Zeit nach Corona lokal mit euren liebsten Veröffentlichungen versorgt bleibt.

Black Hammer '45 
Verlag: Splitter 
Erschienen am: 24.01.2020  
Autor: Jeff Lemire, Ray Fawkes 
Zeichner: Matt Kindt
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 120
Preis: 22 EUR

[Rezension] Black Hammer Bd. 4: Age of Doom – Buch 2 (Splitter)

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Langsam aber sicher nehme ich hier wieder an Fahrt auf und kann euch heute einen weiteren Band aus Jeff Lemires und Dean Ormstons Black Hammer-Reihe präsentieren. Für diejenigen, die meine bis dato ausnahmslos vor Lob überschäumenden Beiträge zu den Vorgänger-Bänden gelesen haben, stellt sich natürlich die Frage, ob die unbestrittene Qualität auch in der Fortsetzung, die in Deutschland die US-Hefte 6 bis 12 der Age of Doom-Saga zusammenfasst, gehalten werden kann. So viel sei vorweggenommen: Die ganze 192 Seiten dicke Veröffentlichung sollte nur wenige Wünsche offen lassen.

Die treuen Leser unter euch werden sich erinnern, dass Buch 1 endlich Erklärungen dafür lieferte, warum die Helden-Gruppe aus Spiral City über viele Jahre hinweg auf einer Farm an einem unbekannten Ort ihr Dasein fristen musste und sowohl Umgebung als auch Personen, denen sie begegneten sie an ihren Sinnen zweifeln ließen. Als nun das große Geheimnis offenbart wurde, schloß der Band mit einem Cliffhanger, der einem die Hände über dem Kopf zusammenschlagen ließ. Obwohl sie nun erfahren haben, dass ihr Leben auf der Farm nicht der Realität entsprach und es eine Möglichkeit gibt zurück in ihre Heimat zu reisen, wussten sie nun auch um die gefährlichen Konsequenzen, die aus einer Rückkehr folgen würde. Der Anti-Gott und damit das Wesen, dass ursprünglich mit dem Verschwinden der Helden zusammenhing, würde erneut erscheinen und die Welt in den Abgrund stürzen. Bevor jedoch eine endgültige Entscheidung getroffen werden konnte, wurde der Leser mit einem großen Fragezeichen in eine Wartepause bis zum nächsten Band entlassen.

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Nun setzt die Fortsetzung mit „Age of Doom – Buch 2“ zunächst genauso irritierend ein und lässt einen gemeinsam mit den Protagonisten langsam die Rätsel lösen, die nun in noch größerer Zahl vor einem liegen. Denn offensichtlich haben es Abraham Slam, Barbalien, Golden GailMadame Dragonfly und Lucy es tatsächlich geschafft nachhause zurück zu kehren, doch etwas scheint nicht zu stimmen. Unsere Helden sind nämlich über die Welt und mit Barbalien auch auf einem anderen Planeten verstreut und in einem vermeintlich früheren Leben angekommen. Das größte Problem hierbei ist jedoch nicht, dass die Protagonisten nicht wissen wo, sondern wer die anderen sind. Keiner kann sich an die jeweils eigene Vergangenheit als Held und Heldin erinnern und jeder geht dem jeweiligen Alltag nach. Eine Ausnahme bildet hierbei jedoch Black Hammers Tochter Lucy, die langsam realisiert, dass doch nicht alles so ist, wie es scheint. Als sie endgültig versteht was passiert ist, macht sie sich daran die anderen Helden aus ihrer augenscheinlichen Realität zu befreien, um sich gemeinsam gegen eine drohende Gefahr zu wappnen.

Dabei setzt sich das Kreativ-Team um Jeff Lemire und Dean Ormston erneut keine visuellen und erzählerischen Grenzen. Während die soeben beschriebene Haupthandlung zum Beispiel voranschreitet, scheuen sie sich erneut nicht davor große Werke des Superhelden-Genres zu zitieren, das Medium an sich um eine Meta-Ebene zu erweitern und dabei trotzdem großen Respekt walten zu lassen. Nutzen andere Autoren und Künstler das weitreichende Angebot an Cape-Trägern, um einen zynischen Blick auf das System „Superheld“ zu werfen, spricht aus den Panels von Black Hammer zwar immer ein Bewusstsein dafür, dass bestimmte Elemente eines Aufbaus in typischen Genre-Perlen geradezu in grotesker Häufigkeit bespielt werden, aber deren Zitate werden vielmehr in einer Hommage als Kritik an die Leser herangetragen.

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Einer dieser Punkte wäre der sogenannte Reboot. Wie langjährige Fans von DC und Marvel wissen, wird dieses Tool immer wieder gerne genutzt, um neue Leser an sich zu binden und alte Hasen mit frischen Twists, bei einer eindeutigen Verankerung im Ursprungsmaterial, bei der Stange zu halten. Lemire nutzt bewusst dieses inzwischen zur Erwartungshaltung angewachsene Element, um es auf seine eigene Art in das Black Hammer-Universum zu integrieren. Dieses ist nämlich in einer vergleichsweise kurzen Zeit zu einer stattlichen Größe angewachsen und kann dementsprechend langsam so gehandhabt werden, wie es bei den beiden großen Verlagen schon seit Dekaden üblich ist. Man bedenke allein die zahlreichen Spin-Offs, die nach wie vor in hoher Frequenz ihren Weg in die Buchregale finden.

So arbeitet er sich auf Basis der bereits bekannten Figuren und Umstände zu einem Punkt vor, an dem er losgelöst von den ab dem ersten Heft eingeführten Handlungssträngen, neue Wege beschreiten kann, ohne immer wieder Rückgriffe auf alte Storyelemente tätigen zu müssen. Das besondere an dieser Heranführung an einen neuen Startpunkt ist dabei die emotional reife Basis der Figuren, die einen mitfiebern, wüten und weinen lässt. Man erinnere sich nur an die Geschichten des Doctor Star oder Sherlock Fankenstein. Beides Namen, die zunächst an eine trashige Verbeugung vor dem Comic-Ursprungsmaterial aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts denken lassen, die aber in einer so emotionalen Tiefe aufgehen, dass einem der Atem stockt. Allein der Kontrast aus offensichtlich abstrusen Charakteren und menschlichen Tragödien, wie der Kampf mit der eigenen Sexualität oder der Verlust eines geliebten Menschen, geben diesem Universum eine Ebene, die bei den Mitbewerbern deutlich seltener in einer so reifen Form präsentiert wird.

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Gleichzeitig schafft es Lemire dieser Komplexität aus erwachsenem Storytelling, Superhelden-Bombast und einer ordentlichen Ladung an Selbstreferenz so perfekt ineinander greifen zu lassen, dass man trotz all der benannten und im Kern doch sehr unterschiedlichen Aspekte, ein Gefühl für Authentizität und eine Planungssicherheit des Autoren bekommt. Und allein dieses Gemisch sorgt dafür, dass man nach den letzten Seiten mit einer großen Zufriedenheit und starken Vorfreude auf die sichere Fortsetzung der Reihe entlassen wird.

Ich für meinen Teil freue mich auf das was kommt und kann jetzt schon ankündigen, dass zeitnah die Rezension zu „Black Hammer ’45“ auf ZOMBIAC.blog veröffentlicht wird.

Hier geht es übrigens zu den Besprechungen zu:

Black Hammer – Band 2: Das Ereignis, Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels, Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung, sowie Black Hammer – Band 3: Age of Doom.

Da darüber hinaus besondere Zeiten auch besondere Maßnahmen erforderlich machen, könnt ihr euch übrigens unter https://www.comics-kaufen.de/index.html den Händler eures Vertrauens suchen und mit eurer Bestellung unterstützen. Damit sorgt ihr dafür, dass ihr auch in einer Zeit nach Corona lokal mit euren liebsten Veröffentlichungen versorgt bleibt.

Black Hammer Bd. 4: Age of Doom - Buch 2 
Verlag: Splitter 
Erschienen am: 22.11.2019  
Autor: Jeff Lemire 
Zeichner: Dean Ormston, Rich Tommaso
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 192
Preis: 24 EUR

[Rezension] Black Hammer Bd. 3: Age of Doom – Buch 1 (Splitter)

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Schon seit der Ankündigung des neuen Black Hammer-Bands „Age of Doom – Buch 1„, habe ich dem Tag der Veröffentlichung entgegen gefiebert, denn kaum eine Comic-Reihe hat es geschafft mich so sehr in ihren Bahn zu ziehen wie der ungewöhnliche Superhelden-Epos von Jeff Lemire.

Diesmal steigen wir sofort nach den Ereignissen des Vorgänger-Bands „Das Ereignis“ ein. Lucy, die Tochter von Black Hammer, ist auf der Suche nach ihrem verschwundenen Vater und seinem Team aus Superhelden, die nach einem Kampf gegen den sogenannten Anti-Gott in ihrer Heimatstadt Spiral City wie vom Erdboden verschluckt sind. Von der Welt für tot gehalten, in Wirklichkeit jedoch in einer geheimnisvollen Kleinstadt gefangen, fristen die Überlebenden der Schlacht nun ihr Dasein, in der Hoffnung eines Tages ihre alte Heimat wiedersehen zu können. Als Lucy eines Tages den Hammer ihres Vaters findet, der auch namensgebend für sein Alter Ego ist, teleportiert sie dieser zur geheimnisvollen Farm, an der sie den erstaunten Abraham Slam, Barbalien, Golden Gail und Madame Dragonfly begegnet. Doch als sie nach einer plötzlichen Erkenntnis der Gruppe eröffnen will, warum sie alle hier gelandet sind, verschwindet sie so schnell wie sie aufgetaucht ist.

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Dabei hat es sie nicht einfach wieder zurück in ihre eigene Welt, sondern in eine seltsame Absteige verschlagen, die scheinbar als Drehscheibe für allerlei bizarre Gestalten aus den unterschiedlichsten Realitäten fungiert. Von hier aus versucht sich Lucy durch verschiedenste Welten durchzuschlagen, die mal die wortwörtliche Hölle, eine Zombie-Stadt oder einfach unbeschreiblich obskure Gestalten beheimaten, um die Freunde ihres Vaters zu retten. Der Weg dorthin ist jedoch mit Gefahren und Geheimnissen gespickt, die erst überwunden werden müssen.

In der Zwischenzeit geschehen in der Kleinstadt in der Nähe der gestrandeten Helden lauter unerklärliche Dinge, wie die Rückkehr totgeglaubter Einwohner, die Erwiderung zunächst abgelehnter Liebe und so manch andere seltsame Ereignisse, die einen Teil der Gruppe ihre Situation plötzlich akzeptieren lassen, während ein anderer die neuen Umstände skeptisch beäugt. Eines ist jedoch klar: Mit rechten Dingen scheint es nicht zuzugehen und nicht alle Helden scheinen so unwissend zu sein, wie sie vorgeben…

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Wie schon bei den Vorgänger-Bänden wird die auf der deskriptiven Ebene simpel erzählte Geschichte beim Lesen zu einem modernen Superhelden-Epos, der seine Stärke aus intelligent verbauten Plot-Twists und glaubhaften Charakteren zieht. Die entsprechende Tiefe kriegen sie dabei aus genial konstruierten, sowie natürlichen Dialogen, die nur ein Autor wie Jeff Lemire (Descender, Der Unterwasser-Schweißer, Essex County) seinen Figuren so in den Mund legen kann. Zeitgleich schafft er es erneut mit einer Vielzahl an Anspielungen und offensichtlichen Verneigungen vor den großen Namen der Comic-Industrie einen Spagat zwischen Mainstream und Insider-Kost zu schlagen, der auch der Grund dafür ist, dass die Black Hammer-Reihe sowohl bei Puristen, als auch Gelegenheitslesern auf Anklang stößt.

Erneut dabei ist der Zeichner Dean Ormston (Sandman, Lucifer), der mit seinem sehr individuellen Stil der bizarren Welt von Lemire eine passende visuelle Ebene verpasst, die irgendwo zwischen vertraut und doch distanziert wandert und damit den besonderen Status der Geschichte quasi wortwörtlich zu unterstreichen weiß. Dabei driftet er trotzt einiger augenzwinkernder Momente nie in eine Parodie ab. So schafft er es eine geniale Mixtur aus Ernst und humoristischen Elementen zu kreieren, die in ihrer Gesamtheit wie die Faust aufs Auge der Geschichte passt und damit die Hoffnung schürt, dieses Kreativ-Team noch lange in dieser Form sehen zu können.

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Alles in allem wird hier erneut eine Veröffentlichung präsentiert, die ohne abzusetzen auf einem extrem hohen Niveau bleibt und damit die Hoffnungen vieler Fans nicht nur erfüllt, sondern in Teilen sogar übertrifft. Insbesondere die Tatsache, dass nun Fahrt aufkommt und Stück für Stück die Geheimnisse der Serie gelüftete werden, macht Lust auf mehr. So wie alle anderen Black Hammer-Bände zuvor, handelt es sich bei „Black Hammer Bd. 3: Age of Doom – Buch 1“ um eine Empfehlung, die in keinem Regal eines Comic-Enthusiasten fehlen darf. Ich für meinen Teil kann es jetzt schon kaum erwarten herauszufinden, wie sich das Universum von Jeff Lemire entwickelt.

Black Hammer Bd. 3: Age of Doom - Buch 1 
Verlag: Splitter 
Erschienen am: 19.03.2019 
Autor: Jeff Lemire 
Zeichner: Dean Ormston
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 136
Preis: 19,80 EUR

[Rezension] Black Hammer: Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung (Splitter)

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Endlich ist es soweit und nach gut 1 1/2 Monaten, die sich wie eine Ewigkeit angefühlt haben, bin ich wieder da und kann euch mit Rezensionen versorgen. Für all jene, die sich gewundert haben sollten, wieso sich diese recht große Lücke zwischen den Beiträgen aufgetan hat, dem sei gesagt, dass ein Staatsexamen leider doch etwas mehr Vorbereitungszeit verschlingt, als da wäre, um nebenbei Comics zu besprechen. Nun ist der Alptraum jedoch vorbei und der Wiedereinstieg in mein liebstes Hobby wird sogleich mit einem richtigen Leckerbissen versüßt, der schon seit gut einem Monat hier liegt und besprochen werden will: „Black Hammer: Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung“ aus dem Splitter Verlag.

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Fleißige Leser meines Blogs wissen längst, dass ich ein großer Fan des immer größer werdenden Universums aus Jeff Lemires Feder bin und auch den Spin-Offs ständig entgegen fiebere, zu denen auch der hier zu besprechende Band gehört. Erstaunlicherweise handelt es sich nach „Sherlock Frankenstein & die Legion des Teufels“ schon um die zweite Auskopplung und damit einen Gleichstand zu der regulären Reihe mit „Vergessene Helden“ und „Das Ereignis„. Im Gegensatz zu anderen Veröffentlichungen mit verzweigtem Release-Muster, ist jedoch das „Black Hammer„-Universum so sehr ineinander verzahnt, dass man bei der Lektüre der zusätzlichen Geschichten das Gefühl hat, nicht in die Breite, sondern in die Tiefe der Handlung einzusteigen.

Das ist auch diesmal in der rührenden Story um den Helden „Doctor Star“ gelungen, der zunächst als Dr. Jim Robinson in den 1940er Jahren wortwörtlich daran arbeitet nach den Sternen zu greifen. Währenddessen sitzt seine Frau Joan daheim mit dem gemeinsamen Kind Charlie und hofft auf emotionale und greifbare Unterstützung, die der vollkommen auf seine Arbeit fokussierte Jim zu keinem Zeitpunkt bieten kann und damit fast wie in Zeitlupe sein Familienleben gegen die Wand fährt.

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Auf der anderen Seite feiert er immer größere Erfolge seiner Forschung, die schon nach kurzer Zeit Regierungsmitarbeiter auf den Plan rufen, die nicht ganz uneigennützig ihre Hilfe anbieten: Sie wollen im Gegenzug für finanzielle Spritzen, seine Erkenntnisse für den Bau einer Waffe nutzen und stürzen Jim damit, nachdem er zustimmt, in einen Arbeitswahn, der ihm schlussendlich die Macht beschert, eine sogenannte „dimensionale Membran“ zu durchbrechen. Dieser Vorstoß gibt ihm nun die Macht, die von ihm so heiß geliebte Energie der Sterne einzufangen. Durch diesen Schritt gelingt es ihm unvorstellbare Kräfte über Raum und Zeit zu gewinnen und dadurch zu einer personifizierten Verneigung vor Alan Moores Dr. Manhatten („Watchmen„) zu werden, dessen Geburt offensichtlich durch einzelne Panels zitiert wird. Genauso wie das erwähnte Original, schließt sich nun Dr. Star den zu dem Zeitpunkt aktiven Superhelden an, um sowohl auf der Erde, als auch in anderen Galaxien für Recht und Ordnung zu sorgen. Dabei vergisst er aber nicht nur seine Pflichten als Vater und Ehemann, sondern im wahrsten Sinne des Wortes auch die Zeit, die wie ein Bumerang mit ihrer Erkenntnis der Unumkehrbarkeit auf den Helden zurückzufliegen scheint. Wie sich diese äußert, muss der geneigte Leser dann aber selbst für sich herausfinden, denn wie all die anderen „Black Hammer„-Releases, lebt auch der vorliegende Band von Überraschungen, ungewöhnlichen Charakteren und mit menschlichen Tragödien verbundene Verneigungen vor den großen Titeln der Comic-Historie.

Diese dadurch entstehende emotionale Achterbahnfahrt aus Familiendrama und Action, die nur wenige Autoren wie Lemire beherrschen, wird dabei mit visueller Wucht durch Max Fiumara (u.a. „Abe Sapien„) in Szene gesetzt, der es schafft sowohl fulminante Action-Sequenzen, als auch stille Momente der intimen Trauer einzufangen und damit den Charakteren, die er porträtiert auf jeder Ebene gerecht zu werden. Einen nicht geringen Anteil daran hat auch der Kolorist Dave Stewart, der durch seine vorangegangene Arbeit an der Hauptreihe schon den Fans ein Begriff sein sollte und seinen Ruf mit „Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung“ nun weiter zu festigen weiß.

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Dabei ist es eigentlich erstaunlich, dass die einzelnen Elemente der Geschichte für sich genommen das Rad nicht neu erfinden und trotzdem in ihrer Gesamtheit überzeugen. Durch die Kombination der an sich so unterschiedlichen Genres gelingt es dem Kreativ-Team um Lemire eine Handlung zu spinnen, die von der ersten bis zur letzten Seite unter die Haut geht und noch lange in Verstand und Herz nachhallt. Ich kann bloß immer wieder in diesem Zusammenhang betonen, dass „Black Hammer“ eine der qualitativ besten Comic-Reihen der letzten Jahre darstellt. In diesem Sinne kann ich garnicht anders, als mich jetzt schon auf die angekündigten zwei Bände der Haupt-Storyline mit den Titeln „Age of DoomTeil 1 und 2, sowie das dritte Spin-Off „The Quantum Age“ (der deutsche Titel steht noch nicht final fest) zu freuen wie auf ein zweites Weihnachten. Bis dahin kann ich jedem von euch empfehlen „Black Hammer: Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung“ beim Händler eures Vertrauens zu ordern. Ihr werdet es nicht bereuen!

Doctor Star und das Reich der verlorenen Hoffnung 
Verlag: Splitter Verlag 
Erschienen am: 01.01.2019
Autor: Jeff Lemire 
Zeichner: Max Fiumara
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 128
Preis: 19,80 EUR

Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels

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Wie schon so viele andere Comic-Leser zuvor, bin auch ich ab dem ersten Band der „Black Hammer„-Reihe in den Bann der von Jeff Lemire geschaffenen Welt gezogen worden und kann mich immer noch nicht von ihr lösen.

Selten hat man ein so geniales Storytelling gesehen, dass sich zwar offen an Versatzstücken der Superhelden-Geschichten aus den letzten 80 Jahren orientiert, aber trotzdem eine eigene Note beibehält, die nur wenige Reihen für sich beanspruchen können. Ähnlich wie bei „Watchmen„, könnte man durch eine explizit zur Schau gestellte Meta-Ebene eine unterschwellige Kritik an der Maschinerie hineininterpretieren, die uns seit Dekaden mit Helden in Unterwäsche versorgt. Hier verhält es sich jedoch anders. Inzwischen sind sich die Leser, genauso wie die Künstler und Autoren, durchaus der Geschichte des Mediums und ihrer Umbrüche bewusst. Daher ist die Story um eine Gruppe gestrandeter Superhelden, die allesamt jeweils einen Archetypen repräsentieren, eher als eine nostalgische Geste zu betrachten, die als Rahmen für eine spannende Handlung mit fast greifbarer Tiefe dient. Das diese entsteht, ist kein Wunder, wenn man die Pläne für die Erweiterung des „Black Hammer„-Universums betrachtet. Lemire sieht in diesem Projekt die Möglichkeit ein nach seinen Regeln gestaltetes Werk zu erschaffen, dass sowohl seine Liebe zu Superhelden, als auch klassischem Drama vereint und sich über einen unbestimmten Zeitraum ausdehnt. In diesem Sinne ist „Black Hammer“ nicht weniger als sein Magnus Opus.

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Daher scheint es fast schon natürlich, dass nach zwei Haupt-Bänden, nun ein erstes Spin-Off ins Haus steht. Mit dem Titel „Sherlock Frankenstein und die Legion des Todes“ folgt der Autor seiner selbst gewählten Tradition und legt mit ihr (und dem dazu passenden Cover) eine falsche Fährte, die den Leser zunächst an trashige Zeiten des Comics erinnern soll, aber inhaltlich einen ganz anderen Weg einschlägt.

Wie schon bei „Vergessene Helden“ und „Das Ereignis“ wird Action mehr angedeutet, als präsentiert, während persönliche Tragödien und bizarre Alltagssituationen im Mittelpunkt stehen. So merkt man recht schnell, dass es sich nicht um eine eigenständige Geschichte über den titelgebenden Antagonisten handelt, sondern um die Suche von Black Hammers Tochter Lucy nach ihrem Vater und damit die Erklärung, wie sie auf der abgelegenen Farm bei seinen verschwundenen Helden-Kollegen landen konnte. Sherlock Frankenstein spielt dabei zwar eine Schlüsselrolle, doch wie diese genau aussieht, kann schon im Rahmen von Spoiler-Gefahren nicht genauer definiert werden. Es sei nur so viel verraten: Wie schon bei so gut wie allen Figuren, denen man bei der Lektüre dieser Reihe begegnet, liegen die Dinge nicht immer so, wie man sie zunächst erwartet.

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Bis man jedoch an diesen Punkt gelangt, begleitet man Lucy auf der Suche nach Antworten durch das berüchtigte Sanatorium von Spiral City, der Heimatstadt der verschwundenen Helden und ihres Vaters. Dort sind die gefährlichsten Schurken des Ortes untergebracht, die ihr helfen sollen, dass Puzzle Stück für Stück zu vervollständigen. Dabei erfährt sie nicht nur immer mehr über Sherlock Frankenstein und was genau beim finalen Kampf gegen „Anti-Gott“ passiert ist (der Punkt des Verschwindens), sondern auch etwas mehr über die Bewohner dieser Welt, die zum einen die Umgebung wirklich lebendig werden lassen und zum anderen auch immer wieder humoristische Elemente preisgeben, die klar machen, dass neben der voranschreitenden Handlung auch die Hommage an Comics nicht zu kurz kommen soll. Eine Figur mit dem Namen „Cthu-Lou„, die eine Mischung zwischen Klempner und kettenrauchenden Version des von H.P. Lovecraft erdachten Monstrums darstellt, sollte in der Hinsicht alles sagen. Doch auch hier werden Klischees und Querverweise an die Popkultur mit einem Twist versehen, der einem das Lachen schnell im Hals stecken bleiben lässt und den Leser daran erinnert, dass nicht alles schwarz und weiß ist. Eine in diesem Sinne tiefsinnige Geschichte, die Elemente verwendet, die zunächst nicht darauf schließen lassen. Ein cleverer Zug von Jeff Lemire, der damit die Qualität seiner Kreation zu unterstreichen weiß.

Was die gegebene Klasse anbelangt, steht auch der Mann am Zeichenbrett dem Autoren in nichts nach. Schon bei einem kleinen Tie-In im zweiten Band, konnte man David Rubíns Können mit Staunen betrachten, während er im Vorliegenden Spin-Off den gesamten Band zeichnen und kolorieren durfte. Dabei schafft er fast schon spielerisch die eigenartige Atmosphäre der Geschichte einzufangen, indem er einen Stil-Mix präsentiert, den ich in der Form noch nie gesehen habe. Eine Mischung aus klassischer Superhelden-Kost, angereichert mit cartoonesken Einschüben, die den benötigten Ernst mit einer Prise Humor versehen. Dadurch schafft Rubín einen Balanceakt, der die Story vorantreibt, den Leser aber immer wieder verweilen lässt, um sich an den meisterhaft arrangierten Bildern zu erfreuen.

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In dieser Kombination lässt sich nur feststellen, dass „Black Hammer“ sowohl als eigenständige Geschichte, als auch als Spin-Off-Material eine so hohe Qualität beibehält, dass man nicht umhin kommt festzustellen, dass man einer wahren Legendenbildung beiwohnt. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass man diese Reihe in wenigen Jahren zu dem klassischen Kanon zählen wird, die man als Comic-Leser im Regal stehen haben muss.

Sherlock Frankenstein und die Legion des Teufels 
Verlag: Splitter Verlag
Erschienen am: 20.08.2018 
Autor: Jeff Lemire
Zeichner: David Rubín
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 152
Preis: 19,80 EUR

Black Hammer (Bd. 2) – Das Ereignis

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Black Hammer. Ein Titel der schon bei der Ankündigung des Lizenzerwerbs durch den Splitter-Verlag hohe Wellen schlug, durch die Vorschau am Gratis Comic Tag einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurde und schlussendlich, durch die renommiertesten Auszeichnungen der Comicbuch-Branche, einen wahren Hype um den Tausendsassa Jeff Lemire ausgelöst hat. Als auch noch genannter Autor viel gelobter Serien wie „Sweet Tooth„, „Der Unterwasser-Schweisser“ oder auch „Old Man Logan“ sein Kommen zum Comic-Salon Erlangen und damit zur größten Comic-Veranstaltung Deutschlands ankündigte, drehten Szene und Feuilleton endgültig durch.

Doch woher kommt die Begeisterung für eine Geschichte, die sich vordergründig erneut dem unendlich oft bespielte Thema der Superhelden annimmt? Nun, zunächst einmal sollte festgestellt werden, dass die Hauptprotagonisten zwar tatsächlich dem klassischen Bild der Kämpfer für die Gerechtigkeit entsprechen, aber in Bezug auf die Bedienung von Klischees, ungefähr so viel mit dem üblichen DC- und Marvel-Aufgebot zu tun haben, wie die Gruppe kaputter Gestalten in Watchmen.

Noch immer befinden sich Abraham Slam, Golden Gail, Colonel Weird, Madam Dragonfly, Talky-Walky und Barbalien auf der abgelegenen Farm in der Nähe einer Kleinstadt, die nicht so normal scheint, wie man zunächst glauben möchte. Vor allem eine unsichtbare Barriere um das Areal macht der Gruppe sorgen. Da sie eine bestimmte Grenze nicht überschreiten können, ohne in ihre Bestandteile zerfetzt zu werden, versucht der Roboter Talky-Walky Kontakt mit der Außenwelt über eigens gebaute Sonden herzustellen, scheitert aber regelmäßig.

Als zum Schluss des ersten Sammelbandes aber Lucy Weber, die Tochter des verstorbenen Helden und Namensgebers der „Black Hammer„-Reihe, plötzlich wie aus dem nichts auftaucht und ab Beginn des nun erschienenen zweiten Teils („Das Ereignis„) versucht das Geheimnis um den Tod ihres Vaters und der Stadt zu lösen, offenbaren sich langsam Motive und Hintergründe, die zumindest den Ansatz einer Erklärung bieten.

Dabei treten zeitgleich die Beweggründe mancher der Hauptfiguren deutlicher zutage, da die immer wieder eingestreuten Rückblenden und Origin-Geschichten so einige noch im Dunkeln liegende Geheimnisse hervorholen und damit regelmäßig für „Aha“-Effekte sorgen.

Insbesondere wenn es sich dabei um Themen wie Sexualität oder den psychischen Zerfall einzelner Charaktere handelt, spielt die Geschichte ihre Stärken aus, da zu keinem Zeitpunkt das Gefühl aufkommt, dass hier nur ein Mittel zum Zweck genutzt wird, sondern die Handlung real vorangetrieben wird, während sich das gesamte Konzept angenehm deutlich durch seine Tiefe von den uns schon bekannten Konsorten der Mitbewerber-Verlage abhebt.

Mehr möchte ich an dieser Stelle zum Inhalt nicht verraten, da dieser wirklich eine Klasse für sich ist und es dementsprechend nicht verwundert, dass schon mehrere Spin-Offs und noch kein Ende der Hauptreihe angekündigt wurden. Auch visuell wird nicht mit den üblichen Zutaten gekocht, was wiederum dem erwähnten Gefühl zuträglich ist, keinen klassischen Superheldenstoff durchzuackern. Mit dem ungewöhnlichen, aber sehr passenden Look von Dean Ormston nimmt man in meinen Augen das „spezielle“ der Figuren und der Umgebung viel einfacher auf, als muskelbepackte Halbgötter mit angedichtetem Makel und statischem Setting. In Kombination mit Dave Stewarts Farbenspiel ergibt sich schlussendlich ein erfrischendes Gesamtprodukt, von dem man nicht genug kriegt. Auch David Rubín sorgt für Abwechslung, indem er einen fast cartoonesk wirkenden Abenteur-Stil anwendet, um ein ganzes Kapitel als Rückblende zu gestalten und damit dem subjektiven Gefühl der Erinnerung Rechnung trägt.

Alles in allem kann man daher sagen, dass es sich, wie schon beim ersten Band um ein Must-Have handelt, über das man noch in vielen Jahren sprechen wird. Ähnlich wie bei Mark MillarsKick-Ass“ oder Mike MignolasHellboy„, wird vor unseren Augen live ein Universum erschaffen, dass die Fans nicht nur aufgrund des klingenden Namens des Autors, sondern primär wegen der immens hohen Qualität an sich bindet. Ich persönlich sitze schon auf heißen Kohlen und kann kaum erwarten, was in knapp einem Jahr der dritte Band mit dem klingenden Titel „Age of Doom“ (04/2019) zu bieten hat. Da es ja doch noch etwas dauert, kann man sich dazwischen aber auch die Zeit mit den Spin-Offs „Doctor Star“ (01/2019) und „Sherlock Frankenstein“ (09/2018) versüßen. Falls ihr aber allen Ernstes noch nicht mal den ersten Band euer Eigen nennt, empfehle ich dringendst einen Ausflug in den nächstgelegenen Comic-Shop eures Vertrauens!

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Mit Jeff Lemire beim Comic-Salon Erlangen

Black Hammer (Bd. 2): Das Ereignis
Verlag: Splitter Verlag 
Erschienen am: 22.05.2018 
Autor: Jeff Lemire 
Zeichner: Dean Ormston, David Rubín
Kolorist: Dave Stewart
Format: Hardcover 
Seitenzahl: 176 
Preis: 24,80 EUR

 

 

 

Old Man Logan – Band 5: Blutige Erinnerung

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Endlich ist es wieder soweit und wir dürfen wieder die postapokalyptische Welt von „Old Man Logan“ betreten, der zum aktuellen Zeitpunkt der einzige lebende Wolverine des Marvel-Universums (ja, nur das Standard-Kontinuum) ist und sich als gealterte Version seiner selbst auf dem vermeintlichen Weg zur Erlösung begeben hat.

Zunächst einmal sei gesagt, dass man nicht umhin kommt den Vorgängerband zu lesen. Es werden sicherlich auch neue Leser Spaß an der Handlung haben, aber ohne die Vorgeschichte bleibt am Ende trotzdem primär Verwirrung als dominierendes Gefühl zurück. Für all jene, die entweder zu faul sind oder aufgrund der teils verlagsvergriffenen Ausgaben ohnehin nicht alle Nummern im Schrank stehen haben, helfe ich aber gerne weiter:

Wie schon die Inhaltsangabe verrät, hat Logan sein Mündel (den Sohn von Hulk) alleine in der Obhut einer Freundin zurückgelassen und versucht mit Hilfe des (kein Witz) Magiers Asmodeus seinen Fehler rückgängig zu machen. Als ihn der Zauberer jedoch hintergeht, wird Wolverines Geist durch den Strom der Zeit zurückgeschleudert, während sein Körper als Hülle zurückbleibt und an höchstbietenden Gangster übergeben werden soll.

Genau hier steigt der Band „Blutige Erinnerung“ ein und versetzt Hauptfigur und Leser in die chronologisch frühesten Epochen, in denen Logan seine Abenteuer erlebte. Angefangen in Kanada des 19. Jahrhunderts, über die erste Begegnung mit dem Hulk, bis hin zu seiner anfänglichen Zusammenarbeit mit den X-Men ist alles dabei was das Herz der Nostalgiker höher schlagen lässt. Dabei scheut der Autor Jeff Lemire in seinem Abschlussband, trotz des eher düsteren Settings nicht vor Selbstreferenzen aus der langen Geschichte des Mutanten zurück, die sich nicht nur in Optik, sondern gerne auch in Stimmung und Dialogen widerspiegeln. Ich sag nur so viel: Cheesy Sprüche aus den 90ern werden definitiv auch serviert und lassen dem geneigten Leser einen wohligen Schauer über den Rücken laufen!

Trotzdem ruht sich der Autor dieser Rückschau nicht auf der bewegten Historie von Wolverine aus, die als Fan-Service wohl für einige ausreicht hätte, sondern garniert die Szenerie mit gehörig Emotionen, die einen in regelmäßigen Abständen den Frosch im Hals spüren lassen. Es ist in meinen Augen immer noch ein relativ seltenes Phänomen in Superhelden-Comics tiefergehende Emotionen beim Leser auszulösen, doch hier geschieht es wie nebenbei und damit umso eindrucksvoller.

Was die visuelle Umsetzung anbelangt, sehen wir nun zum ersten Mal einen anderen Künstler am Werk als Andrea Sorrentino, der mich immer noch extrem begeistert und zu meinen absoluten Favoriten der Branche gehört. Diesmal sehen wir Eric Nguyen am Zeichenbrett, der stilistisch durchaus in der Ecke von Sorrentino zu verorten ist, aber durch seinen „klassischeren“ Stil in Bezug auf Panel-Aufbau und Charakterzeichnung eine individuelle Note setzen kann. Zwar darf man deswegen nicht mehr die teils extrem abstrakten Splash-Pages und andere ungewöhnliche Experimente erwarten, wird aber immer noch mit einer Dynamik versorgt, von der die Bilder einer solche Geschichte leben.

Dementsprechend kann ich schon, wie bei den Ausgaben zuvor, meine wärmste Empfehlung für diesen Band und für die Reihe insgesamt aussprechen, die mit zu dem besten Output gehört, den Marvel (bzw. Panini Comics) aktuell zu bieten hat. Ich für meinen Teil bin sowohl erstaunt, als auch begeistert, dass Lemire die Qualität der Handlung über den gesamten Run halten konnte und bin in dem Zusammenhang auch sehr gespannt darauf, wie sich ein komplett neues Kreativteam bei der Fortsetzung schlägt, die für den 5. Juni angekündigt wurde. Bis dahin habt ihr aber genug Zeit, euch an den schon schon veröffentlichten Bänden (1, 2, 3, 4) zu erfreuen!

 

 

Old Man Logan – Band 4

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Es ist schon wieder soweit und ich kann mich wirklich nur wiederholen: Die Old Man Logan-Serie (Bd. 1, 2, 3) ist eine der besten Comic-Reihen, die in den letzten Jahren verlagsübergreifend erschienen ist. Es ist schier unglaublich, wie es Jeff Lemire schafft die Qualität der Geschichten auf einem konstant hohen Level zu halten, während der Zeichner Andrea Sorrentino auf jeder Seite die Grenzen dessen ausreizt, was das Medium Comic ausmacht.

In dieser Runde ist der sieben US-Hefte umfassende Band in zwei Story-Stränge unterteilt, die sich bezüglich Stimmung, Optik und Setting extrem unterscheiden, dadurch aber die Bandbreite dessen aufzeigen, was man mit der Figur und ihrer Welt alles anstellen kann.

Im ersten Teil wird Logans alte Freundin Jubilee vermisst, deren Spur ins ferne Rumänien führt. Dort trifft der ehemalige X-Man auf eine Spezialeinheit, die gefühlt einem Kuriositäten-Zirkus entstammt. Ein amphibisches Alien, ein Werwolf (der sich Warwolf nennt), ein zum Killer ausgebildeter Affe und ein paar andere Freaks der selben Größenordnung.  Mit diesen versucht Logan nun seine Freundin aus einem Schloss zu befreien. Nun denkt über den Schauplatz nach und ihr könnt sicherlich erraten, gegen wen die seltsame Gruppe in den Kampf ziehen muss…richtig: Dracula!

Der Plot klingt zunächst wie ein Witz, spielt aber bewusst mit Trash-Klischees und schöpft tatsächlich auch reichlich aus der Marvel-Historie, in dem die ein oder andere Figur aus den längst vergessenen Experimentier-Phasen des Verlags ausgegraben wird. Als Ganzes eine sehr unterhaltsame Story, die als One-Shot überzeugt und Lust auf weitere kleine Episoden aus der Welt des alternden Wolverine macht.

Ihr schließt sich als Kontrast-Programm eine Geschichte aus der „Old Man Logan„-Kontinuität an die, so viel darf man vorausschicken, die Messlatte wieder ein Stück höher hängt. Wir begegnen unserem Helden plötzlich in der ursprünglich zurückgelassenen „Einöde“ wieder, die das Ursprungs-Universum des Charakters darstellt und diesen dementsprechend irritiert zurücklässt. Seine letzten Erinnerungen beziehen sich auf einen Notfalleinsatz auf einer Raumstation. Trotzdem überschneiden sich parallele Erinnerungen einer veränderten Realität der Gegenwart mit Ereignissen aus der Zukunft. Was ist real? Was Fiktion?

Mit diesen Fragen stürzt man sich als Leser mit Logan in eine fast schon an den Film „Inception“ erinnernden Plot, der nichts vom Ausgang vorausnimmt, der die Spannung ersticken könnte. Sorrentinos meisterhafte visuelle Umsetzung tut ihr Übriges, indem Panels gekonnt als Spiegelbilder verschiedener Realitäten vermengt werden, Überschneidungen über das klassische „gleiche Figur im selben Winkel auf verschiedenen Seiten“-Rezept hinaus gehen und Farben nicht als reines Mittel zum Zweck verwendet werden.

Diese Mixtur ergibt eine unglaublich spannende Geschichte, die mich ungeduldig mit den Hufen bis zur Fortsetzung im Februar nächsten Jahres(!) warten lässt. Eine erneut klare Empfehlung an alle bisherigen Leser und die es noch werden wollen. Sollte man sich für eine Anschaffung entscheiden, sollte man jedoch schnell sein. Der vorherige Band ist verlagsvergriffen und das aus gutem Grund!