Fight Club 2 – Buch 2|2

Fight_Club_II_02_Final_COV

Was hat es lange gedauert, aber nun ist es endlich soweit: Nachdem mich schon der erste Band der offiziellen „Fight Club“-Fortsetzung umgehauen hat, findet die geniale Story ihren Abschluss in der finalen Ausgabe beim Splitter Verlag.

Um diejenigen nicht zu verwirren, die das erste mal davon hören, dass es eine Fortsetzung um Tyler Durden gibt, hole ich etwas aus. 16 Jahre nach der bahnbrechenden Verfilmung und 20 Jahre nach dem Release des ursprünglichen Romans, erschien 2015 die lang ersehnte Fortführung von Chuck Palahniuk, der sich auch für das Erstlingswerk verantwortlich zeigte. Auf die Idee seine ursprünglichen Visionen weiter laufen zu lassen kam er, als er realisierte, dass die Gegenwart bezüglich ihrer fast schon dystopischen Entwicklung, die Realität seiner Figuren zu unterbieten schien. Das konnte er natürlich nicht umkommentiert lassen und griff auf eines seiner Lieblingsmedien zurück – den Comic. Dafür holte er sich den Eisner-Award-Gewinner Cameron Stewart ins Team und legte los.

Fight_club_II_02_Seite_2

©Splitter

Zehn Jahre nachdem Tylers „Projekt Chaos“ gescheitert ist, lebt der ehemals namenlose Mann hinter dem Soziopathen als Sebastian ein fast normales Leben. Pillen und medizinisches Marihuana ermöglichen es ihm einen Alltag zu bestreiten, der eine Zeit lang als unmöglich galt. Diesen teilt er sich mit der uns bekannten Marla Singer, deren Charakter immer noch durch Zigaretten und Zynismus geformt wird, die jedoch inzwischen mit ihrem Mann einen neunjährigen Sohn großzieht. So wie wir Marla jedoch kennen, wird ihr diese Konstellation auf lange Sicht zu langweilig und sie beginnt Sebastians Medizin zu präparieren, bis ihr psychopathischer Sex-Gott Tyler Stück für Stück aus der geistigen Versenkung empor steigt.

So kommt es wie es kommen muss und das „Projekt Chaos“ wird erneut aus der Taufe gehoben, während die immer noch aktiven Fight Clubs tatkräftige Unterstützung leisten und uns dabei bekannte Charaktere wie Angel Face oder Robert Paulson über den Weg laufen. Die ohnehin schon prekäre Situation erreicht ihren Höhepunkt als der gemeinsame Sohn von Marla und Sebastian von Mr. Durden entführt wird. Da beide Persönlichkeiten streng von einander getrennt sind, weiß niemand außer unser hauptberufliche Tunichtgut wo der Nachwuchs festgehalten wird. Nun bleibt nichts anderes übrig als nach dem Kind zu suchen und genau hier setzt die Handlung des Abschluss-Bandes ein, in dem Marla mit einem Haufen todkranker Kinder und jenen, die so tun als ob, die Gegend absucht und Sebastian versucht mit seinem Therapeuten seinen dunkle Seite zu unterdrücken.

Fight_club_II_02_Seite_3

©Splitter

Dabei spielt Palahniuk wieder gekonnt mit dem ihm zur Verfügung stehenden Medium. Wie ein in die Tastatur gehämmerter Mittelfinger nimmt er die Erwartungen der Leser und spuckt sie ihnen vor die Füße. Man weiß nie was auf der nächsten Seite passiert und das ist gut so. Es ist selten, dass man einen Comic in die Hand bekommt, der so gekonnt mit Selbstreferenzen umgeht und die vierte Wand durchbricht ohne dieses Stilmittel zur reinen Zierde verkommen zu lassen. So nimmt er zum Beispiel immer wieder den popkulturellen Fußabdruck des Titels und richtet ihn gegen die damit einhergehenden Konventionen. Er feiert sozusagen einen Anti-Kult des eigenen Werkes, welches trotzdem durch seinen Hauptcharakter funktioniert. Am faszinierendsten bleibt die immer deutlicher zutage tretende Aussage, dass der Schöpfer sowohl in Bezug auf die Fans seiner Arbeit als auch auf das Werk selbst, jegliche Kontrolle verloren hat. Damit gelingt es dem Autoren sowohl inhaltlich als auch vom Feeling her, eine funktionierende Fortsetzung seines wohl größten Erfolgs weiter zu spinnen aber auch eine parallele Aussage zu seiner Schöpfung auf den Punkt zu bringen, die größer geworden ist als er selbst.

Fight_club_II_02_Seite_4

©Splitter

Dabei spielt Cameron Stewart keine unwichtige Rolle. Er schafft es nämlich nicht nur die komplexe Gedankenwelt Palahniuks in Panels zu pressen, sondern nimmt sich die Freiheit diese regelmäßig zu sprengen und auch im visuellen Bereich selbstreflektiert zu agieren. Schuss- und Explosions-Geräusche werden so integriert, dass sie Einfluss auf das Verständnis des Gesagten haben und die Psychosen der Hauptfigur werden mit über die Seiten verteilten Gegenständen fast schon greifbar. Kurzum technisch auf höchstem Niveau.

Dieses wird wie beschrieben über alle Ebenen auch im letzten Band gehalten und bildet den in meinen Augen perfekten Abschluss, aus dem sich der Autor kein Hintertürchen gelassen hat und damit die Punkrock-Attitüde des Gesamtwerkes zu unterstreichen weiß. Dementsprechend gilt auch hier: Pflichtkauf!

Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe

Roman_von_Boddah_cover_200x280

Diesen April jährte sich zum 22 mal der Tag, an dem mit einem Gewehrknall bei Seattle die letzte Legende der Musik-Industrie die Bühne des Lebens verließ und eine Lücke in die Popkultur riss, die nicht mehr auszufüllen ist.

Kurt Cobain löste mit Nirvana in wenigen Jahren so etwas wie eine Revolution aus, die die Denkweise von Jugendlichen, die Herangehensweise von Musikern an ihre Projekte und den Blick auf den mentalen Zustand einer ganzen Generation veränderte. Trotz der Tatsache, dass er als zerstörter Junkie Frau und Kind zurück ließ und damit in der Gesellschaft im Normalfall als Versager abgestempelt werden würde, neigen Fans und Presse dazu sein Schiksal zu romantisieren.

leseprobe_roman_boddah_kurt_cobain_seite_01

Einer der Gründe dafür ist, neben den zeitlosen Alben, die nach wie vor reißenden Absatz finden, der Seelenschmerz, den vor allem Teenager gut nachfühlen können und der von Cobain in bitterer Authentizität vorgelebt wurde. Angefangen beim Urknall in Form von Smells Like Teen Spirit“, über den Emanzipationsversuch durch „In Utero“ bis hin zum legendären Auftritt bei „MTV Unplugged“. Jede Faser des Zuhörers sog die Melodien und Texte auf und projizierte das Bild eines Seelenverwandten in Millionen von Köpfen.

Diese Verbindung wurde schlussendlich und allgemein bekannt durch eine letzte Spritze Heroin und eine Kugel getrennt. Ich vermute, dass es als Schock aber nicht als Überraschung kam. Ähnlich wie bei Amy Winehouse wurde man Zeuge eines Trips mit dem Tod als unausweichliches Ziel. Der Unterschied zur Britin und damit die Zementierung des Legendenstatus bleibt jedoch das Greifbare eines Kurt Cobain, kombiniert mit der Bürde das Sprachrohr einer Generation zu sein. Diese Aussage stimmt auch über zwei Dekaden nach seinem dahinscheiden. Unter anderem schlägt sein einsames Ende immer noch Wogen, die sich in verschiedensten Medien manifestieren.

leseprobe_roman_boddah_kurt_cobain_seite_02

So erschien vor kurzem beim Splitter Verlag eine Art alternative Biografie unter dem Titel „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe„. Dieser besagte Boddah ist im Übrigen nicht der wirkliche Autor des Comics, sondern Kurts imaginärer Freund aus Kindertagen, an den der neben dem Leichnam gefundene Abschiedsbrief gerichtet war. In der Geschichte von Nicolas Otero erleben wir den Werdegang des Musikers aus der Sicht seines unsichtbaren Begleiters. Dabei gestalten sich die Ereignisse, passend zum Dauerzustand unseres Hauptprotagonisten, wie ein Drogentrip, bei dem sich Bilder überschlagen, ineinander verschmelzen und den Leser auf eine seltsam angenehme Weise angestrengt zurück lassen. Panels werden gesprengt, Zeitsprünge eingebaut und das Innenleben Cobains wird in Gesprächen mit Boddah nach außen verkehrt. Dabei wirkt genau die Person, die nicht existent ist als Ruhepol in all dem Chaos, dass sich Leben nennt.

Er erlebt jede private und öffentliche Situation, die wir entweder auf Video gebannt (Download-Festival, Kurts letzte Foto-Session) oder nur aus Erzählungen kennen (die Beziehung zu Courtney, die ersten Gigs, die Kindheit). Neben Dialogen lässt er uns zusätzlich an seinen „Gedanken“ teilhaben und spricht die teils desaströsen Lebensumstände mehr als deutlich gegenüber seinem Freund an, der abzuwiegeln versucht, sich aber der ihm vorgeworfenen Todessehnsucht (wie wir alle wissen) nicht erwehren kann.

Dadurch ergibt sich weniger die Spannung einer durchgehenden Handlung, als eine noch nie zuvor dagewesene Sichtweise, die man gerne von der ersten bis zur letzten Seite beibehält. Dadurch fallen in meinen Augen auch die teils ruckartigen, in Kapitel eingeteilten Sprünge nicht negativ ins Gewicht und fügen sich in das Bild eines Lebens, welches ebenfalls keiner geraden Linie folgen wollte.

leseprobe_roman_boddah_kurt_cobain_seite_03

Bezüglich der visuellen Umsetzung muss ich jedoch ein paar Abstriche machen. Zwar wird das schwarz-weiß-Korsett immer wieder mit Farbakzenten aufgebrochen (zum Beispiel bei Drogeneinnahme Cobains) und die eingangs erwähnten Experimente glücken auch durchwegs, die Darstellung der Figuren lässt jedoch leicht zu wünschen übrig. Es handelt sich natürlich um die fiktive Aufarbeitung realer Ereignisse. Wie die involvierten Personen jedoch aussahen ist der Öffentlichkeit bekannt. Leider hatte ich in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten die Band als diese zu erkennen. Hierbei reichen in meinen Augen typische Charakteristika wie bestimmte Haarfarben- und längen, Bärte oder bestimmte Accessoires nicht aus. Gesichtszüge sind der primäre Wiedererkennungswert, der jedoch größtenteils nicht geliefert wird. Es wirkt sich zwar nicht störend auf den Verlauf aus,  wertet das Gesamtprodukt, insbesondere als Fan der Musik, aber trotzdem etwas ab.

Und hier kommt eigentlich auch das größte Problem ins Spiel, welches aber als Nirvana-Geek keines ist. Sollte man sich nie mit der Biografie der Band oder Cobains beschäftigt haben denke ich, dass ein großes Fragezeichen unausweichlich ist. Es wird durchgehend vorausgesetzt, dass man weiß wer welche Person ist, wo welches Konzert stattgefunden hat und wie alles miteinander im Zusammenhang steht. Man kann es vielleicht als eine Art Film bezeichnen, den man (als Fan) schon mal gesehen hat und bei dem nun ein neuer Blickwinkel ermöglicht wird. Sollte man sich hierbei nicht zuvor informiert haben, bleibt man verwirrt zurück.

leseprobe_roman_boddah_kurt_cobain_seite_04

In diesem Zusammenhang ist „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe“ eine schöne Ergänzung für jede Sammlung eines Grunge-Anhängers, aber für Laien vielleicht etwas zu viel des Guten. Da man aber getrost davon ausgehen kann, dass primär Fans auf dieses Buch stoßen, kann man es guten Gewissens weiter empfehlen und sich an einem weiteren Kapitel des Lebens einer Legende erfreuen, welches auch ohne sein Zutun fortgeschrieben wird.

2169bcad5843074f2deb4ddb903a3c76.866x945x1

Kurt Cobains Abschiedsbrief. Man beachte an wen er gerichtet ist.

Fight Club 2

Fight_Club_Cover

Tyler Durden lebt – Wer erinnert sich nicht an den sympathischen Anarchisten, der die Welt durch den „Fight Club“ (Moment mal…die erste Regel!) aus den Angeln hob, jegliche sozialen Konventionen fahren und den Zuschauer des Films mit offener Kinnlade zurück ließ?

Was jedoch wenige Leute wußten und zum teil wissen ist, dass diese unglaubliche Geschichte auf einem Roman von Chuck Palahniuk basiert, der sich nun das vermutlich beste Medium ausgesucht hat um die bekannten Ereignisse fortzusetzen: Die Graphic Novel! Insbesondere nach der Leinwandumsetzung lag es durchaus nahe, die Handlung auch auf visueller Ebene weiter zu treiben. Das Ergebnis ist eine der besten Geschichten, die ich dieses Jahr lesen durfte.

FCLUB2_Presse02

10 Jahre nach den Geschehnissen in Bezug auf das „Projekt Chaos“ und den finalen Showdown, lebt der einst namenlose Sebastian vollgepumpt mit Drogen, die seine dunkle Seite unterdrücken sollen, in einem Einfamilienhaus mit seiner uns bekannten Frau Marla Singer, die sich jedoch mit den Jahren kaum verändert hat. Immer noch gehören Selbsthilfegruppen, Zynismus und Zigaretten zu ihrem klassischen Repertoire. Das jedoch einschneidendste Erlebnis, dass beide Personen auf einer gänzlich neuen Ebene beeinflusst, ist der gemeinsame 9-jährige Sohn. Wie wir uns dabei aber alle lebhaft erinnern können, ist nicht Sebastian das Objekt der Begierde für seine Frau, sondern der dominante Tyler, der jedoch (scheinbar) verschwunden ist. Um diesem Umstand entgegen zu wirken, vertauscht sie seine Pillen mit Zuckerpräparaten und die Apokalypse kann ihren Lauf nehmen. Mr. Durden übernimmt mehr und mehr die Kontrolle und kriegt hierbei kräftige Unterstützung durch die immer noch aktiven Mitglieder seiner Clubs. Dementsprechend ist es nur eine Frage der Zeit bis die Situation gänzlich eskaliert und ihren Höhepunkt in der Entführung des eigenen Sohns mündet. Da die Persönlichkeiten des Hauptprotagonisten jedoch strikt getrennt sind, gibt es keine andere Möglichkeit an das Kind zu kommen, als in den „Fight Club“ nach langer Zeit wieder als Sebastian einzutreten und die Handlung nimmt ihren unwiderruflichen Gang nehmen zu lassen.

Dabei sind die Szenen durchsetzt von allerlei Anspielungen auf das aktuelle politische/soziale Weltgeschehen (ISIS, Spenden, Obdachlosigkeit, Drogensucht,…), Popkultur (Slipknot, Lizenzprodukte,…) sowie das genutzte Medium in Form der eigenen Geschichte. Des weiteren wird auch hier wieder gekonnt mit Meta-Ebenen gespielt, die sogar explizit benannt werden. Wir kennen ja noch die direkte Ansprache des Zuschauers im Film. In diesem Fall wird zwar auch der Leser mit einbezogen, indem Panels sprichwörtlich gesprengt werden, aber die genialsten Momente sehen wir, wenn der Schöpfer dieses Konstrukts plötzlich Teil des Geschehens wird. Alles in allem gibt es viel zu viele Details, überraschende Elemente und Wendungen als, dass es möglich wäre sie alle in einem vernünftigen Rahmen zu besprechen. Die Erwartungen waren hoch und die Skepsis vorhanden, aber nachdem man einmal die erste Seite aufgeschlagen hat, befindet man sich in dem Sog, der uns auch im ersten Teil erfasst hat.

FCLUB2_Presse03

Visuell wird das Treiben durch den kanadischen Eisner-Award-Gewinner Cameron Stewart in Szene gesetzt. Zunächst hatte ich Bedenken, dass mich die Geschichte in der Form nicht so packen könnte wie der Vorgänger auf Zelluloid und Gott sei Dank lag ich mehr als falsch. Nachdem man sich daran gewöhnt hat, dass altbekannte Charaktere nicht der Optik aus dem Film entsprechen (ich erinnere gerne nochmals: Der Ursprung ist ein Buch!), stellt sich ein Gefühl ein, als ob man nach langer Zeit wieder nach Hause kommen würde. Es ist schier unglaublich wie das Ganze als Graphic Novel funktioniert und dabei wie die Faust aufs Auge passt (pun intended)! Selbst Elemente wie die Liste der Klamotten für den Einzug in Tylers Haus aus dem Erstling werden auf diese erfrischend neue Art eigeführt und demonstrieren damit deutlich, dass das Medium Comic zu weit mehr fähig ist, als es der Mainstream eventuell vermuten würde.

Man sollte als Rezensent vielleicht nicht zu euphorisch über ein zu besprechende Werk berichten, aber nach der Lektüre von „Fight Club 2“ kann ich nicht anders als ausnahmslos jedem ans Herz zu legen diesen Band zu besorgen oder ganz dick auf dem Wunschzettel für den Weihnachtsmann zu markieren! Und wisst ihr was das beste ist? Es handelt sich hier nur um den ersten Teil der Fortsetzung, der nur umso mehr Appetit auf den mit Sicherheit genialen Abschluss der Story macht! Ihr habt dementsprechend nur noch ein To-Do nachdem ihr meine Lobeshymne gelesen habt: Kaufen! Kaufen! Kaufen!