[Rezension] Gung Ho: Die weiße Flut (Cross Cult)

Wie schon Timur Vermes („Er ist wieder da“) in seinen Worten zur Gung Ho-Ausstellung beim diesjährigen Comicfestival München angemerkt hat, ist die inzwischen international erfolgreiche Reihe von Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant „…so undeutsch[…][u]nd so wohltuend“. Das Ganze dabei ohne die Qualität von anderen Projekten aus heimischen Ateliers zu schmälern. Was damit gemeint ist, ist die Befreiung von der doch typischen Verkopftheit und spürbaren Konstruktion. Oftmals herangezogen, um das Medium Comic als ernstzunehmend darzustellen, was wie beim Film eigentlich irrelevant ist. Wenn Story und visuelle Aufmachung eine Einheit bilden und man sich in die Erzählung fallen lassen kann, dann wird das Ziel in meinen Augen erreicht: Gute Unterhaltung ohne beliebig zu sein.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Genau nach diesem Credo wurde auch der finale Abschlussband „Die weiße Flut“ konzipiert. Nach einem Cliffhanger im Vorgänger „Zorn„, steigen wir in medias res ein und sehen die Siedlung durch die Teenager-Bande erobert. Mit Waffen, Nahrung und einer Geisel (Bagster) ausgestattet, bieten die Kids mit dem Soziopathen Holden an der Spitze den Erwachsenen die Stirn. Abgegrenzt durch Barrikaden und einem jederzeit zur Verfügung stehendem Munitionsdepot, haben die Erwachsenen um Kingsten, die Anführerin der Siedlung, zunächst keine Chance. Gleichzeitig versuchen die Jugendlichen, die den zu unrecht ausgestoßenen Archer wieder in die Siedlung bringen wollen, ihren Weg zurück zu schlagen. Hierbei entdecken sie, dass die sogenannten Reisser, die affenartigen Monster, die die Menschheit in ihrer Existenz bedrohen, sich in Richtung ihrer Heimat aufgemacht haben. Es bleibt nicht mehr viel Zeit um alle vor Ort zu warnen, geschweige denn die nun verfeindeten Gruppen an einem Strang ziehen zu lassen…

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Wie dabei alles miteinander zusammenhängt, die Kids außerhalb der Siedlung überhaupt die Möglichkeit kriegen sich auf den Heimweg zu machen und welche schockierenden Plottwists den Band in eine sich immer schneller drehende Spirale treiben, muss der Leser für sich selbst herausfinden. Genug Überraschungen sind jedenfalls platziert und wollen selbst entdeckt werden. Dabei wirkt alles wirkt wie aus einem Guss: Die Umgebung ist immer einzuordnen, das Verhalten der Figuren jederzeit logisch nachvollziehbar und doch nicht vorhersehbar. Das macht die Story wiederum spannend und fließend, ohne einen Gedanken daran verschwenden zu müssen in welchem Medium wir sie finden.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Das ist dabei nicht nur der spannenden Geschichte aus der Feder von Benjamin von Eckartsberg zu verdanken, sondern dem geradezu cineastischen Blick von Thomas von Kummant, der es schafft seine Bilder so zum Leben zu erwecken, dass man sie so eins zu eins in einer Serienadaption verwenden könnte. Blickwinkel, Emotionen, Licht und Farbauswahl springen in ihrer Kombination fast aus den Panels und brennen sich in das visuelle Gedächtnis des Lesers ein. Genau hier muss nochmal auf das typisch „undeutsche“ an diesem Comic eingegangen werden. Die genannte Melange aus sehr sauberem Storytelling und emotional aufgeladener Action sorgt dafür, dass die Herkunft der Macher de facto nicht auszumachen ist. Zwar sind sie, wie vermutlich viele ihrer Leser, US-amerikanisch sozialisiert, doch der Bubblegum-Aspekt wird durch den rohen europäischen Touch im Bereich der Sexualität und Gewalt verdrängt. Das macht die Lokalisierung schwer, was jedoch mit Sicherheit in Teilen den Erfolg im Ausland erklärt. Ein Fan in Frankreich kann Gung Ho genauso zur Hand nehmen wie ein Leser in den USA und beide würden sich im Setting wiederfinden. In der Hinsicht ein Kunststück, welches Kreativteams auch unabhängig von ihrer Herkunft nicht immer gelingt, hier aber mit Bravour aufgeht.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant

Alles in allem kann gesagt werden, dass „Die weiße Flut“ in ihrer Qualität nahtlos an die Vorgänger anknüpft und damit einen würdigen Abschluss der Gung Ho-Reihe liefert, die vollkommen zurecht gleich in mehreren Ländern eine Fanbase gefunden hat, die nur darauf wartet mit mehr Lesestoff aus diesem Universum versorgt zu werden. Dieses Projekt aus fünf Bänden gehört ohne Zweifel in jedes gut sortierte Comic-Regal eines Fans, dem Indie-Attitüde und Feuilleton-Gefälligkeit egal sind, aber Qualität und Spaß an oberster Stelle stehen.

© Cross Cult / Benajmin von Eckartsberg, Thomas von Kummant
Gung Ho: Die weiße Flut
Verlag: Cross Cult
Autor: Benjamin von Eckartsberg 
Künstler: Thomas von Kummant
Format: Hardcover, 24x32cm
Seitenzahl: 104 
Preis: 25 EUR 

Gung Ho – Band 3: Sexy Beast

Gung Ho Sexy Beast Cover

Wie wir wissen, ist Deutschland „Export-Weltmeister“. Wenn es jedoch um das Medium Comic geht, sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Zwar existiert hierzulande eine rege Szene und über zu wenige Veröffentlichungen muss man sich auch nicht beschweren, aber eine internationale Bühne ist nur den wenigsten Zeichnern und Autoren vorbehalten. Zu den wenigen Auserwählten gehören zum Beispiel Thomas von Kummant und Benjamin von Eckartsberg.

Die beiden Münchner sind in den hiesigen Breitengraden ein Begriff und werden auf Festivals zu recht am entsprechenden Verlagsstand belagert. In Frankreich sind sie jedoch nicht einfach „erfolgreich“, sondern geradezu Superstars. Das wiederum führt zur seltenen Situation, dass ihre aktuelle Reihe Gung Ho zuerst bei unseren Nachbarn erscheint und erst später ihren Weg in die heimischen Regale findet.

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©Cross Cult

Selbiger Umstand gilt auch für den dritten Band der angesprochenen Serie, der den klingenden Namen Sexy Beast trägt und eindrucksvoll unter Beweis stellt, warum sich in kürzester Zeit eine ganze Fan-Gemeinde etablieren konnte.

Inhaltlich befinden wir uns, wie schon in Schwarze Schafe und Ohne Rücksicht auf Verluste, in einer postapokalyptischen Welt, deren Leben sich primär hinter Mauern von rar gesäten Dörfern und Städten abspielt, da die Außenwelt eine Vielzahl an unkalkulierbaren Gefahren birgt. Das gilt natürlich auch für die Hauptlocation der Story in Form von Fort Apache. Dort leben die uns schon bekannten Figuren, die sich im Zuge der vergangenen Events immer weiter voneinander entfernen, wobei die Trennlinie primär zwischen den Teenagern und Erwachsenen der Siedlung gezogen wird. Hierbei sind, wie schon zuvor, die Brüder Zack und Archer Goodwoody der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Während der jüngere Zack langsam in die Gemeinschaft integriert wird, stellt sich Archer immer wieder quer zu den auferlegten Regeln. So dauert es zum Beispiel nicht lange, bis für die Versorgung zuständige Beamte Bangster, aufgrund von Abhängigkeiten, jegliche Grenzen der Moral überschreitet und die Führer der Ortschaft ihn trotzdem gewähren lassen. Das kann Archer nicht auf sich sitzen lassen und greift zu drastischen Mitteln, die am Ende aber kombiniert mit Intrigen, seinen Rauswurf aus der Gemeinschaft zur Folge haben, der mehr Konsequenzen nach sich zieht, als es zunächst den Anschein macht…

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©Cross Cult

Visuell bleibt Thomas von Kummant seinem Stil treu und lässt den Leser dadurch erneut in eine Mischwelt aus Animationsfilm und Mad Max-Dystopie (mit weit mehr Grünzeug) eintauchen, die in malerischer Schönheit auf jeder Seite zur Entdeckungsreise einlädt. Genau diese individuelle Art hebt die Reihe vom Rest der deutschen Releases ab und lässt sie folgerichtig auf einer internationalen Ebene landen. Zwar bewegt sich das ganze stilistisch etwas weiter weg vom „klassichen“ Comic-Ambiente, aber genau dieser Umstand hält die Fans wohl, neben der sehr unterhaltsamen Story, schon seit geraumer Zeit bei Laune.

Hinzu kommt die Tatsache, dass schon bekannt ist, dass Gung Ho in insgesamt fünf Bänden abgeschlossen sein wird (Das Skript war schon vor dem ersten Pinselstrich fertig). Dadurch wird zumindest mir die Entscheidung erleichtert, ob ich zugreifen soll, da man sich nicht auf eine Endlosschleife à la The Walking Dead einlassen muss.

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©Cross Cult

Dementsprechend kann ich jedem nur ans Herz legen, sich Sexy Beast zuzulegen und falls man noch nicht das Vergnügen mit den Vorgängerbänden hatte, einen Blick hinein zu werfen und sich überzeugen zu lassen.