[Rezension] Disney Comics Library. Carl Barks’s Donald Duck. Vol. 1. 1942–1950 (TASCHEN)

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Wer Disney-Comics liebt, kommt an Carl Barks (1901–2000) nicht vorbei. Der Mann, der über viele Jahre nur als „der gute Künstler“ bekannt war, prägte das Entenhausen-Universum zwischen 1942 und 1966 wie kein anderer. Seine Geschichten, damals anonym veröffentlicht, zeugen bis heute von erzählerischer Tiefe, visueller Raffinesse und einem Humor, der Generationen überdauert hat.

Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis sich der TASCHEN-Verlag seiner annimmt. Die Vorzeichen waren im Grunde schon da, doch wenn man die Praktiken von Disney kennt, die ihre klassischen Franchises hüten wie ihren Augapfel, blieb immer eine leichte Skepsis. Nachdem aber die ultimative Chronik zu Donald Duck veröffentlicht wurde, konnte man sich durchaus vorstellen, dass irgendwann ein ähnlicher Weg eingeschlagen werden könnte, wie er schon zuvor mit der Marvel Comics Library gegangen wurde. Und siehe da: Es klappt!

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Wie schon bei den erwähnten Titeln handelt es sich bei Disney Comics Library. Carl Barks’s Donald Duck. Vol. 1. 1942–1950 um ein XXL-Format von fast 4,5 kg Gewicht und satten 636 Seiten Inhalt. Doch nicht nur haptisch ist diese Veröffentlichung (die dem Titel nach nur den Anfang darstellt) überwältigend. Wie schon bei anderen Comic-bezogenen Bänden wurde auf sorgfältig restaurierte Reproduktionen zurückgegriffen, die in ihrer Authentizität den ursprünglichen Heften in kaum etwas nachstehen. Zwar wurde natürlich digital nachgeholfen, um das Lesevergnügen nicht durch ästhetische Mängel zu trüben, aber Haptik und Look sind, abgesehen vom offensichtlichen Überformat, sehr nah dran an der Realität von vor inzwischen über 75 Jahren.

Vorangestellt ist wie üblich ein Vorwort. Dieses Mal von Disney-Historiker Jim Fanning, der vor allem für diejenigen neue Erkenntnisse bietet, die sich bislang hauptsächlich mit den Geschichten selbst, aber weniger mit ihrem Schöpfer auseinandergesetzt haben.

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Wenn es um die Storys an sich geht, sind hier die meisten, aber nicht alle Werke versammelt, für die Barks in den ersten sieben Jahren seiner Arbeit an den Bewohnern von Entenhausen verantwortlich war. Zum einen sind die meist zehnseitigen Geschichten aus Walt Disney’s Comics & Stories nicht inkludiert. Zum anderen fehlt in den Nachdrucken aus der Comicheft-Reihe Four Color Comics die Geschichte „Voodoo Hoodoo“ aus dem Jahr 1949. Hintergrund ist mit Sicherheit die stereotype Darstellung eines afrikanischen Volkes, das in einen Konflikt mit Dagobert Duck gerät und ihm in der Folge einen Zombie auf den Hals hetzt.

Die Gründe für den Verzicht auf den Abdruck liegen zwar gewissermaßen auf der Hand, da der Titel auf dem internen Index von Disney steht (auch wenn er vor etlichen Jahren in der Carl Barks Library abgedruckt wurde). Doch wenn man bedenkt, dass sich der vorliegende Band definitiv nicht an Kinder richtet, sondern an Sammler und erwachsene Fans, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Zwar hätte man nicht den Weg von Tim und Struppi gehen müssen, bei dem etwa das rassistische Werk Tim im Kongo ohne historische Einordnung vertrieben wird, aber es hätte sicher eine Möglichkeit gegeben, das Ganze kritisch eingehegt abdrucken zu können. Diese Rechnung geht mit Disney jedoch nicht auf.

Ähnliche Fälle gibt es auch im Bereich der Trickfilme: So ist es extrem schwierig, an die Propagandafilme aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu kommen. Man will sein Image eben schützen, aber wenn eine Retrospektive aufgelegt werden soll, wäre ein Überdenken der internen Regeln durchaus angebracht gewesen. Kennt man „Voodoo Hoodoo“ nicht, könnte man die fehlende Story leicht übersehen. Das gilt jedoch nicht für „Frozen Gold“ (Four Color Nr. 62; 1944) und „Land of the Totem Poles“ (Four Color Nr. 263; 1949). Beide Cover sind zu finden, weil andere von Barks gestaltete Abenteuer in den beiden Heften zu finden sind und abgedruckt wurden, die titelgebenden Geschichten selbst jedoch nicht. Auch hier kann man davon ausgehen, dass die zeitgenössische (aber dadurch nicht weniger stereotype und damit diskriminierende) Darstellung indigener Völker der Grund dafür ist.

Würde es sich um eine simple Neuauflage handeln, könnte man damit leben, aber im vorliegenden Fall? In meinen Augen sehr schade und eine verpasste Chance auf eine vollumfängliche Rückschau.

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Unabhängig davon findet man hier dennoch einen reichen Fundus an Geschichten, die nicht nur die technische Entwicklung von Barks abbilden, sondern den Grundstein für vieles legen, was bis heute Kanon ist. So ist der „Duck-Man“ für die Existenz essenzieller Charaktere wie die Panzerknacker oder Daniel Düsentrieb verantwortlich und vor allem für Dagobert Duck, der in „Christmas on Bear Mountain“ (Four Color Nr. 178; 1947) seinen ersten Auftritt feiern darf. Diesen kann man hier in allen Details und in Übergröße genießen.

Auch kultige Geschichten wie „Lost in the Andes“ (Four Color Nr. 223; 1949), die in Deutschland als „Im Land der viereckigen Eier“ bekannt ist, wurden abgedruckt und können endlich in ihrer ursprünglichen Pracht bewundert werden. Das gilt im Übrigen auch für die Originaltexte. Auf die legendären Übersetzungen von Erika Fuchs wurde bewusst verzichtet. Was für deutschsprachige Leser zunächst ungewohnt sein mag, eröffnet zugleich eine authentische Zeitreise in die Frühphase des Disney-Comic-Universums. Nostalgie spielt hier keine Hauptrolle. Im Mittelpunkt steht vielmehr die historische und künstlerische Bedeutung eines der größten Comic-Schöpfer des 20. Jahrhunderts.

Fazit: Disney Comics Library. Carl Barks’s Donald Duck. Vol. 1. 1942–1950 ist ein bibliophiles Ereignis. Der Band vereint editorische Sorgfalt, beeindruckende Gestaltung und kulturelle Relevanz auf höchstem Niveau. Trotz kleinerer inhaltlicher Lücken ist er für Sammler, Comic-Historiker und Liebhaber des Mediums ein absolutes Must-have und mit Sicherheit nur der Auftakt einer Reihe, die Maßstäbe setzt.

So oder so: Qualität und Quantität stimmen und ergeben somit eine klare Kaufempfehlung.

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Disney Comics Library. Carl Barks’s Donald Duck. Vol. 1. 1942–1950
Verlag: TASCHEN
Sprache: Englisch
Format: Hardcover, 28 x 39.5 cm, 4,30 kg
Seitenzahl: 636
Preis: 175 EUR

[Rezension] Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik (TASCHEN) + UPDATE: SIGNIERSTUNDE IN BERLIN!

Kunst-Enthusiasten, die einen breiteren Horizont haben, als es die bildungsbürgerliche Blase zulassen möchte, wissen seit vielen Jahren, dass auch populäre und dem Mainstream nicht fremde Erzeugnisse einen hohen kulturellen Wert besitzen, der sich nicht in den Hängungen großer Pinakotheken aufwiegen lässt. Dazu gehören selbstverständlich Comics und Trickfilme, die in den letzten Jahrzehnten einen größeren Abdruck im weltweiten Bewusstsein hinterlassen haben, als es viele vermeintlich große Namen jemals könnten. Dabei soll hier keine wertende Unterscheidung getroffen werden, sondern nur die Feststellung, dass in der Wahrnehmung von Menschen ein Ungleichgewicht herrscht, die an Kunst Kriterien anlegen, die letztlich nur der Abgrenzung dienen.

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Ein grandioses Beispiel dafür, wie sehr sich dieser Personenkreis irrt, ist Walt Disney, der sein Publikum unabhängig von Alter, Geschlecht, (sozio)kulturellem Hintergrund oder Bildungsgrad stets zu begeistern wusste und der Welt einen Konzern hinterlassen hat, der diesen Geist in seinen Produktionen bis heute verfolgt. Noch zu Lebzeiten schufen er und seine Mitarbeiter Figuren und Geschichten, die auch nach fast einem Jahrhundert nichts an Relevanz und Qualität eingebüßt haben. Allen voran natürlich das Maskottchen des großen Ds: Micky Maus. Wer kennt ihn nicht, den pfiffigen Nager, dessen Konterfei aus unserem Leben nicht wegzudenken ist? Kein Wunder, dass der TASCHEN-Verlag vor gut sechs Jahren der Figur eine im wahrsten Sinne des Wortes ultimative Chronik widmete – ein Meilenstein, dem eigentlich nichts das Wasser reichen könnte.

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Wäre da nicht ein weiterer Charakter aus dem bunten Repertoire des kalifornischen Studios, der zwar nicht als Disney-Stellvertreter auftritt, aber in seiner Beliebtheit jede andere Kreation übertrifft: Donald Duck, der berühmteste Erpel der Welt, der dieses Jahr sage und schreibe seinen 90. Geburtstag feiert. Dabei blieb er sich immer treu, wirkte jedoch nie altbacken. Sein Humor war stets schelmisch, aber nie bösartig; sein Einfluss immens, aber nie ein Selbstläufer. Donald ist damit nicht nur eine sprechende Ente, die Kinder unterhält, sondern ein Symbol, das nie aufgehört hat zu strahlen. Er hat es also allemal verdient, dass man ihm ebenfalls ein Denkmal setzt, welches demnächst erhältlich ist: Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik.

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Beginnend mit dem Kurzfilm The Wise Little Hen aus der Silly Symphony-Reihe vom 9. Juni 1934, in dem Donald zwar noch nicht seine endgültige Form, aber bereits seinen Charakter erhielt, über zahllose Comics und Serien bis hin zu Merchandise und Kuriositäten wird wirklich kein Aspekt seines Lebenswerks ausgelassen. Es wäre natürlich keine typische TASCHEN-Publikation, wenn nur eine bebilderte Chronologie vorläge. Dank des Zugangs der Autoren (Animations- und Comic-Historiker David Gerstein sowie Filmhistoriker J.B. Kaufman) zu den Disney-Archiven sowie öffentlichen und privaten Sammlungen kann der geneigte Leser in Sphären eintauchen, die so nie der Öffentlichkeit zugänglich waren. So wird nicht nur von unvollendeten Projekten berichtet; diese werden auch durch zutage geförderte Story-Skizzen, Hintergrundbilder und historische Fotos eingerahmt, die Fans ins Staunen versetzen. Das gilt natürlich auch für die realisierten Werke mit Donald. Dabei wird jede Facette und Entwicklungsstufe der Figur beleuchtet, die in Teilen einen Spiegel weltweiter Entwicklungen des 20. Jahrhunderts darstellt. Ob es nun die Interpretation des wirtschaftlichen Aufschwungs des Westens, des amerikanischen Selbstverständnisses oder sogar Oscar-prämierte Gegenpropaganda während des Zweiten Weltkriegs war (etwa der großartige Kurzfilm The Fuehrer’s Face von 1943) – Donald war immer zur Stelle.

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Auch die Menschen hinter der Figur finden ihren Platz in diesem Band. Vor allem der als “Duck Man” verehrte Carl Barks wird in den Fokus gerückt. Dabei geht es nicht nur um sein bekanntes Werk, sondern auch um Überraschungen für Kenner, die glauben, schon alles zu wissen. So findet man beispielsweise noch nie zuvor gesehene Storyboard-Zeichnungen des Künstlers. Auch internationale Kreative werden gewürdigt, denn wer in Deutschland kennt nicht die italienischen Meister, die vor allem das Lustige Taschenbuch füllten und füllen, oder Werke europäischer Nachbarn, die Donald zwar auf eigene Weise interpretierten, seinem Kern jedoch stets treu blieben. So wird deutlich, dass Donald Duck zwar ein US-amerikanisches Original ist, aber im Laufe der Jahre zum Weltbürger wurde. Kein Wunder, dass er sich rühmen kann, häufiger als jede andere Figur (abgesehen von Superhelden-Kollegen) in Comics und auf Kinoleinwänden präsent gewesen zu sein. Wenn das nicht Beweis genug für seine Relevanz ist, die über reines Entertainment hinausgeht, dann ist den Kritikern wohl nicht mehr zu helfen. Für alle anderen ist die vorliegende Chronik eine unverzichtbare Anschaffung, die in jedes Regal eines Donald-Fans gehört.

Walt Disneys Donald Duck. Die ultimative Chronik
Verlag: TASCHEN
Herausgeber: Daniel Kothenschulte
Autoren: David Gerstein, J.B. Kaufman
Sprache: Deutsch, Französisch, Englisch
Format: Hardcover, 28 x 39,5 cm, 5,09 kg
Seitenzahl: 564
Preis: 175 EUR

UPDATE: Am 7. März werden sich der Herausgeber Daniel Kothenschulte und der Disney-Zeichner Ulrich Schröder im Berliner Flagship-Store von TASCHEN persönlich die Ehre geben und Walt Disneys Donald Duck mit einer Unterschrift bzw. Zeichnung veredeln!

Veranstaltung: Signierstunde mit Herausgeber Daniel Kothenschulte und Comic-Illustrator Ulrich Schröder im TASCHEN-Flagship-Store in Berlin
Ort: Schlüterstraße 39, 10629 Berlin
Zeit: Freitag, 07.03.2025, 17 bis 18 Uhr