Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe

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Diesen April jährte sich zum 22 mal der Tag, an dem mit einem Gewehrknall bei Seattle die letzte Legende der Musik-Industrie die Bühne des Lebens verließ und eine Lücke in die Popkultur riss, die nicht mehr auszufüllen ist.

Kurt Cobain löste mit Nirvana in wenigen Jahren so etwas wie eine Revolution aus, die die Denkweise von Jugendlichen, die Herangehensweise von Musikern an ihre Projekte und den Blick auf den mentalen Zustand einer ganzen Generation veränderte. Trotz der Tatsache, dass er als zerstörter Junkie Frau und Kind zurück ließ und damit in der Gesellschaft im Normalfall als Versager abgestempelt werden würde, neigen Fans und Presse dazu sein Schiksal zu romantisieren.

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Einer der Gründe dafür ist, neben den zeitlosen Alben, die nach wie vor reißenden Absatz finden, der Seelenschmerz, den vor allem Teenager gut nachfühlen können und der von Cobain in bitterer Authentizität vorgelebt wurde. Angefangen beim Urknall in Form von Smells Like Teen Spirit“, über den Emanzipationsversuch durch „In Utero“ bis hin zum legendären Auftritt bei „MTV Unplugged“. Jede Faser des Zuhörers sog die Melodien und Texte auf und projizierte das Bild eines Seelenverwandten in Millionen von Köpfen.

Diese Verbindung wurde schlussendlich und allgemein bekannt durch eine letzte Spritze Heroin und eine Kugel getrennt. Ich vermute, dass es als Schock aber nicht als Überraschung kam. Ähnlich wie bei Amy Winehouse wurde man Zeuge eines Trips mit dem Tod als unausweichliches Ziel. Der Unterschied zur Britin und damit die Zementierung des Legendenstatus bleibt jedoch das Greifbare eines Kurt Cobain, kombiniert mit der Bürde das Sprachrohr einer Generation zu sein. Diese Aussage stimmt auch über zwei Dekaden nach seinem dahinscheiden. Unter anderem schlägt sein einsames Ende immer noch Wogen, die sich in verschiedensten Medien manifestieren.

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So erschien vor kurzem beim Splitter Verlag eine Art alternative Biografie unter dem Titel „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe„. Dieser besagte Boddah ist im Übrigen nicht der wirkliche Autor des Comics, sondern Kurts imaginärer Freund aus Kindertagen, an den der neben dem Leichnam gefundene Abschiedsbrief gerichtet war. In der Geschichte von Nicolas Otero erleben wir den Werdegang des Musikers aus der Sicht seines unsichtbaren Begleiters. Dabei gestalten sich die Ereignisse, passend zum Dauerzustand unseres Hauptprotagonisten, wie ein Drogentrip, bei dem sich Bilder überschlagen, ineinander verschmelzen und den Leser auf eine seltsam angenehme Weise angestrengt zurück lassen. Panels werden gesprengt, Zeitsprünge eingebaut und das Innenleben Cobains wird in Gesprächen mit Boddah nach außen verkehrt. Dabei wirkt genau die Person, die nicht existent ist als Ruhepol in all dem Chaos, dass sich Leben nennt.

Er erlebt jede private und öffentliche Situation, die wir entweder auf Video gebannt (Download-Festival, Kurts letzte Foto-Session) oder nur aus Erzählungen kennen (die Beziehung zu Courtney, die ersten Gigs, die Kindheit). Neben Dialogen lässt er uns zusätzlich an seinen „Gedanken“ teilhaben und spricht die teils desaströsen Lebensumstände mehr als deutlich gegenüber seinem Freund an, der abzuwiegeln versucht, sich aber der ihm vorgeworfenen Todessehnsucht (wie wir alle wissen) nicht erwehren kann.

Dadurch ergibt sich weniger die Spannung einer durchgehenden Handlung, als eine noch nie zuvor dagewesene Sichtweise, die man gerne von der ersten bis zur letzten Seite beibehält. Dadurch fallen in meinen Augen auch die teils ruckartigen, in Kapitel eingeteilten Sprünge nicht negativ ins Gewicht und fügen sich in das Bild eines Lebens, welches ebenfalls keiner geraden Linie folgen wollte.

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Bezüglich der visuellen Umsetzung muss ich jedoch ein paar Abstriche machen. Zwar wird das schwarz-weiß-Korsett immer wieder mit Farbakzenten aufgebrochen (zum Beispiel bei Drogeneinnahme Cobains) und die eingangs erwähnten Experimente glücken auch durchwegs, die Darstellung der Figuren lässt jedoch leicht zu wünschen übrig. Es handelt sich natürlich um die fiktive Aufarbeitung realer Ereignisse. Wie die involvierten Personen jedoch aussahen ist der Öffentlichkeit bekannt. Leider hatte ich in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten die Band als diese zu erkennen. Hierbei reichen in meinen Augen typische Charakteristika wie bestimmte Haarfarben- und längen, Bärte oder bestimmte Accessoires nicht aus. Gesichtszüge sind der primäre Wiedererkennungswert, der jedoch größtenteils nicht geliefert wird. Es wirkt sich zwar nicht störend auf den Verlauf aus,  wertet das Gesamtprodukt, insbesondere als Fan der Musik, aber trotzdem etwas ab.

Und hier kommt eigentlich auch das größte Problem ins Spiel, welches aber als Nirvana-Geek keines ist. Sollte man sich nie mit der Biografie der Band oder Cobains beschäftigt haben denke ich, dass ein großes Fragezeichen unausweichlich ist. Es wird durchgehend vorausgesetzt, dass man weiß wer welche Person ist, wo welches Konzert stattgefunden hat und wie alles miteinander im Zusammenhang steht. Man kann es vielleicht als eine Art Film bezeichnen, den man (als Fan) schon mal gesehen hat und bei dem nun ein neuer Blickwinkel ermöglicht wird. Sollte man sich hierbei nicht zuvor informiert haben, bleibt man verwirrt zurück.

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In diesem Zusammenhang ist „Der Roman von Boddah: Wie ich Kurt Cobain getötet habe“ eine schöne Ergänzung für jede Sammlung eines Grunge-Anhängers, aber für Laien vielleicht etwas zu viel des Guten. Da man aber getrost davon ausgehen kann, dass primär Fans auf dieses Buch stoßen, kann man es guten Gewissens weiter empfehlen und sich an einem weiteren Kapitel des Lebens einer Legende erfreuen, welches auch ohne sein Zutun fortgeschrieben wird.

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Kurt Cobains Abschiedsbrief. Man beachte an wen er gerichtet ist.

Sophie Scholl – Die Comicbiographie

Vor allem heutzutage ist es wichtig klare Kante zu zeigen, wenn es sich um Themen wie Rassismus und/oder Nationalsozialismus handelt. Jeden Tag werden wir in den Nachrichten, sozialen Netzwerken und Foren von der plötzlich hochgekommenen braunen Suppe ertränkt und stoßen dabei oftmals an unsere Grenzen.

Die Geschichte hat uns jedoch gelehrt, dass es immer sinnvoll und vor allem nötig ist dagegen zu halten, wenn offensichtliches Unrecht geschieht. Das hierbei wohl bekannteste Beispiel für Widerstand gegen faschistische Umtriebe ist die Gruppierung „Weiße Rose“ und die dabei post mortem zu ihrem Aushängeschild gewordene Sophie Scholl.

Jeder, der sich gewissenhaft mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt hat oder sich für politische Themen im Allgemeinen interessiert, kennt die Entstehungsgeschichte, den Verlauf und die Mittel des Widerstands sowie schlussendlich den tragischen Tod der Hauptverantwortlichen. Traurigerweise wird es heutzutage immer schwieriger diese ernsten Themen so zu vermitteln, dass sie interessiert aufgenommen und vor allem reflektiert werden. Bücher, Unterricht, Filme und Dokumentationen haben Anteil an der Verbreitung der Geschichte, doch viele Jugendliche scheinen nicht mal bemerkt zu haben, dass es entsprechende Angebote für Informationen gibt.

In diesem Fall kommt in wenigen Tagen ein neues Medium ins Spiel, welches allein schon Aufgrund von Format und Aufmachung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Die Lebensgeschichte von Sophie Scholl wird als Comicbiographie beim Knesebeck Verlag veröffentlicht und dabei in den Comic-Shops und Buchläden im ganzen Land aus den Regalen auf potentielle Leser blicken, die im schlimmsten Fall noch nie von der jungen Kämpferin gehört haben aber nun die Chance ergreifen können sie kennen zu lernen.

Dabei bewegen sich die Macher im Zusammenhang mit politischen Themen schon in bekannten Gewässern. Heiner Lünstedt, verantwortlich für das Szenario und einigen vielleicht als Leiter des Comicfestivals München bekannt, sowie Ingrid Sabisch, an der illustrativen Front tätig, haben schon zuvor gemeinsam die Biographie zu Willy Brandt geschaffen und erfolgreich unter die Leute gebracht. Entsprechend eingespielt wirkt der vorliegende Band sowohl inhaltlich als auch visuell in sich runder. Natürlich wird der Künstlerin eigener Stil konsequent beibehalten, doch dieser passt ungemein gut zum Geschehen in den Panels. Es wird vor allem viel Wert auf die Darstellung der Figuren und ihrer Interaktion miteinander gelegt. Der Hintergrund ist sehr dezent dargestellt und gibt den Hauptprotagonisten genügend Platz. Weite Kulissen findet man schon wie bei der Brandt-Biographie eher selten.

Inhaltlich basiert die Geschichte auf dem Briefwechsel zwischen Sophie Scholl und ihrem vier Jahre älteren Freund Fritz Hartnagel. Diese Konstellation ist vor allem deswegen interessant, weil Scholl sich als überzeugte Pazifistin gegen die Nazi-Diktatur stellte, während Hartnagel als Offizier eine Karriere bei der Deutschen Wehrmacht hinlegte. Der daraus entstehende Diskurs und die wortgetreue Überlieferung lassen die Gedankengänge und die daraus resultierenden Taten Sophie Scholls lebendig werden und geben einen unverfälschten Einblick in ihr Innenleben.

Alles in allem liegt hier für Geschichts-Interessierte eine attraktive Bebilderung deutscher Historie vor und für Nichtkenner eine Pflichtlektüre, die ein ungezwungener Einstieg in das Wirken der „Weißen Rose“ sein kann.

„Sophie Scholl“ erscheint am 17. September.

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Release-Party zur Comicbiographie „Sophie Scholl“

Heute fand die Party zur Veröffentlichung der Comicbiographie „Sophie Scholl“ beim Knesebeck Verlag im Café „Küss die Hand“ in München statt. Mit dabei war natürlich das Kreativteam um Heiner Lünstedt und Ingrid Sabisch sowie die Vorsitzende der „Weiße Rose“-Stiftung Dr. Hildegard Kronawitter. Eine ausführliche Besprechung des Titels kommt Anfang nächster Woche.