Bataclan: Wie ich überlebte

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Der 13. November 2015. Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich an diesem Abend alleine zuhause saß und mir das aus Paris übertragene Fußball-Spiel „Deutschland gegen Frankreich“ im Fernsehen ansah, als im Hintergrund plötzlich ein tiefes Wummern zu vernehmen war. Es war nur kurz zu hören und schien auf den ersten Blick vielleicht einfach ein Böller gewesen zu sein, der aus dem Block der Ultras geflogen kam. Irgendwas war jedoch seltsam. Die Blicke der Spieler, die plötzlich panischen Gesichter aus der Zuschauermenge. Etwas musste passiert sein und wurde nur Minuten später durch eingeblendete Nachrichten-Ticker und schlussendlich mit dem Abbruch des Spiels bestätigt.

Ein Anschlag hatte sich in der Stadt der Liebe ereignet, die nicht das erste Mal Opfer von verblendeten jungen Männern wurde, die ihr verkorkstes Leben mit dem Tod von Unschuldigen aufzuwerten versuchten. Zunächst  keimte die wage Hoffnung auf, dass ihr Plan gescheitert sein könnte. Es hieß es gäbe keine Toten am Stadion, als die Nachricht von einer Schießerei bei einem Konzert in der Innenstadt bekannt wurde: Das Bataclan, eine legendäre Spielstätte, in der schon unzählige Bands jeder Größe und Bekanntheit gespielt haben, wurde angegriffen, als die „Eagles of Death Metal“ ihren unbeschwerten Rock’n’Roll auf der Bühne zelebrierten. Hatte man zu Anfang die Hoffnung, dass es irgendwie glimpflich ausgegangen sein könnte, stand am Ende eine Zahl von 89 Toten und deutlich mehr Verletzten im Raum, die nicht nur körperliche Wunden davontrugen. Unter Ihnen befand sich an dem verhängnisvollen Abend auch der Zeichner Fred Dewilde, der wie so viele andere einfach eine gute Zeit mit Freunden und Gleichgesinnten erleben wollte.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Hatte man als Betroffener „nur“ die Möglichkeit einer Therapie und vergleichbarer Hilfsmöglichkeiten, konnte sich Dewilde sein Trauma zumindest in Teilen von der Seele schreiben und in einer aufwühlenden Graphic Novel mit dem Zeichenstift verarbeiten, die unter dem Titel „Bataclan: Wie ich überlebte“ bei Panini Comics erschienen ist.

Hier braucht er nicht viele Seiten, um die Schrecken, die er miterleben musste darzustellen. Umso eindrücklicher wirken die Panels, die in ihrer Darstellung dem Leser sofort die Kehle zuschnüren. Kennt man durch Konzertfotos und Mitschnitte der letzten Minuten des Konzerts vom 13.11. den Aufbau der Halle, wird dieser nun mit den Toten, Verletzten, Terroristen und Polizisten gefüllt, die das Geschehene greifbarer für Außenstehende machen. Dabei setzt er nicht auf bitteren Realismus, sondern schafft es zum Beispiel die Terroristen durch ihre Darstellung als Skelette (vier an der Zahl und damit Symbol für die Apokalyptischen Reiter) zu entpersonalisieren und nicht den Raum zu geben, den sie beansprucht haben. Es bleibt nur ihre Tat als Mörder. Dafür rücken die Verletzten, die der Zeichner in dem Chaos getroffen hat in den Vordergrund und thematisieren damit stellvertretend die Hoffnung und den Zusammenhalt in einer schier unvorstellbar schrecklichen Situation, die zuvor völlig Fremde auf ewig zu einer Einheit zusammenschweißte. Hierbei verzichtet Dewilde auf ausufernde Gewaltdarstellungen und konzentriert sich auf für ihn bedeutende Momente, die ein Blick, ein Gefühl oder ein Geräusch sein können, die wiederum ein Gesamtbild ergeben, dass ihn im Verarbeitungsprozess des Traumas leiten konnte. Besonders deutlich wird es auf der letzten Seite des gezeichneten Teils des Bandes, in dem der Künstler alleine auf dem Weg nach Hause und damit real in Sicherheit ist.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Um seine Gedanken beim Entstehungsprozess, seine Gefühlslage in den Tagen und Monaten nach dem Anschlag und seine Gedanken um das soziale, politische und mediale Prozedere, dass diesem Tag folgen sollte zu verstehen, folgt der Graphic Novel ein deutlich längerer Textteil, der genau diese erwähnten Aspekte ergründet. Hierbei wird sehr deutlich, dass die Erlebnisse wie in den Verstand tätowiert sind und sich nur langsam lösen, um ein zumindest im Ansatz normales Leben zu ermöglichen. Dieses muss offensichtlich fast schon neu erlernt werden. Abläufe, Reaktionen und der Umgang mit der Umwelt müssen, wie zum ersten Mal justiert werden. Ein ergreifend ehrliches Porträt des Innenlebens eines Überlebenden, der stellvertretend für zu viele andere Opfer sinnloser Gewalt steht, aber durch sein Talent ein Licht auf etwas eigentlich unbegreifliches wirft und damit der Außenwelt neben Mitleid auch Verständnis abringen kann, dass in seiner Mixtur aus Wort und Bild an Intensität wohl mit keinem anderen Medium vergleichbar ist.

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© Fred Dewilde / Panini Comics

Record Store Day 2016 – Heute Abend Bekanntgabe der Releases

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Vinyl-Freunde unter euch? Heute wird um 19:15 Uhr auf recordstoredaygermany.de (weltweit und um die gleiche Zeit, weil es ein internationales Event ist) die offizielle Liste der Veröffentlichungen bekannt gegeben, die beim alljährlichen Record Store Day (diesmal am 16. April) die Herzen der Sammler und Fans höher schlagen lassen!

Unter anderem:

„DaDaDa“ von Trio als 12″ Picture Disc

Das erste Album von Madsen auf blauer 180g Vinyl

„TVS 15“ als Single und „The Man Who Sold The World“ als Album von David Bowie in hübscher Picture-Disc-Fassung

„Liberté, Egalité, Fraternité, Metallica! – Live at Le Bataclan. Paris, France – June 11th, 2003“ von Metallica. Die Erlöse daraus fließen an die Unterstützung für die Terror-Opfer vom 13. November in Paris.

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Viele weitere seltene Aufnahmen, Re-Issues und Sonder-Editionen können wir heute Abend bestaunen und uns auf DEN Feiertag für Musikliebhaber in knapp einem Monat freuen!

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